NZB als unzulässig verworfen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.08.2015 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht im Zuge der abschließenden Feststellung die Höhe des Regelbedarfs für die Bewilligungsabschnitte vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2012 und vom 01.01.2013 bis zum 30.06.2013 im Streit.
Der im Jahre 1957 geborene Kläger stand seit 2009 im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Er erzielte auch in dem hier in Rede stehenden Zeitraum Einkommen aus einer nichtselbständigen Tätigkeit im Schuhhaus seines Vaters (Bürotätigkeiten) in Höhe von 160,00 EUR monatlich und aus selbständiger Tätigkeit als Handelsvertreter für Schuhpflegeprodukte.
Da die Höhe des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit im Zeitpunkt der Bescheiderteilung noch nicht feststand, bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2012 zunächst vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Einkommens aus selbständiger Arbeit (Bescheid vom 20.06.2012, Widerspruchsbescheid vom 06.09.2012). Hiergegen hat der Kläger am 02.10.2012 Klage erhoben (SG Detmold – S 16 AS 1778/12).
Mit Bescheid vom 27.02.2012 setzte der Beklagte die Leistungen für diesen Bewilligungsabschnitt endgültig fest. Er legte ein monatliches Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit in Höhe von 160 EUR und aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 412,89 EUR zugrunde. Den an die volljährige Tochter geleisteten Unterhalt in Höhe von 200 EUR setzte er nicht vom Einkommen ab. Nach Abzug der Freibeträge ergab sich ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 378,31 EUR, daraus folgte eine Überzahlung in Höhe von 1205,40 EUR, deren Erstattung der Beklage gem. § 328 Abs. 3 SGB III vom Kläger forderte. Der Bescheid wurde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens S 16 AS 1778/12 beim Sozialgericht.
Für den zweiten Bewilligungsabschnitt (01.01.2013 bis 30.06.2013) gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 29.01.2013 ebenfalls zunächst vorläufige Leistungen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 05.02.2013 Widerspruch mit der Begründung ein, der an die Tochter geleistete Unterhalt sei vom Einkommen abzusetzen. Zudem seien Kabelgebühren in Höhe von monatlich 9,41 EUR nicht berücksichtigt worden. Mit Bescheid vom 14.08.2013 setzte der Beklagte die Leistungen für diese Zeit endgültig fest. Der Beklagte legte wiederum ein monatliches Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit in Höhe von 160 EUR zugrunde. Nach Abzug der Freibeträge ergab sich ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 48,00 EUR; den an die Tochter geleisteten Unterhalt ließ er unberücksichtigt. Es ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von insgesamt 1525,38 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2013 änderte der Beklagten den Bescheid vom 14.08.2013 dahingehend ab, dass auch die Kabelanschlussgebühren berücksichtigt wurden. Es ergab sich eine weitere Nachzahlung in Höhe von 56,56 EUR. Gegen den Bescheid vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2013 hat der Kläger am 17.09.2013 Klage erhoben (SG Detmold – S 16 AS 1689/13).
Mit Beschluss vom 05.02.2015 hat das Sozialgericht die Verfahren S 16 AS 1778/12 und S 16 AS 1689/13 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Beschluss vom 24.08.2015 hat das Gericht zum nunmehr führenden Verfahren S 16 AS 1778/12 auch ein weiteres unter dem Aktenzeichen S 16 AS 650/15 geführtes Verfahren verbunden, mit dem der Kläger eine Kostengrundentscheidung des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 20.02.2015 beanstandet hat.
Der Kläger meint, die Leistungen seien deshalb zu niedrig festgesetzt worden, weil der Beklagte es rechtswidrigerweise unterlassen habe, zum Einen den an seine Tochter gezahlten Unterhalt in Höhe von 200 EUR monatlich vom Einkommen abzusetzen, zum Anderen die Ausgaben für den Wareneinkauf im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit auf ein Jahr zu verteilen. Zur Unterhaltszahlung verweist er auf die entsprechenden monatlichen Buchungen zu Lasten seines Girokontos. Es liegen folgende Unterhaltstitel vor:
– Urkunde des Kreisjugendamtes M vom 16.08.1991: nach Anerkennung der Vaterschaft für B W, geb. 00.00.1991, verpflichtet sich der Kläger den Regelunterhalt zu zahlen, den er in der dort bis zum 18. Lebensjahr angegebenen, nach Lebensjahren gestaffelten Höhe anerkennt; angerechnete Sozialleistungen werden festgesetzt; wegen der Erfüllung der Verbindlichkeit aus dieser Urkunde unterwirft er sich der sofortigen Zwangsvollstreckung.
– Urkunde über die Abänderung eines Unterhaltstitels des Kreisjugendamtes M vom 04.08.1992: unter Abänderung des Titels vom 16.08.1991 verpflichtet sich der Kläger, ab 01.07.1992 den Regelunterhalt zzgl eines Zuschlags von 30 v.H. des Regelbedarfs zu zahlen, die Beträge (und angerechnete Sozialleistungen) werden in der o.a. Struktur neu festgesetzt, der Kläger unterwirft sich auch hier der sofortigen Zwangsvollstreckung.
– Urkunde über die Abänderung eines Unterhaltstitels des Kreisjugendamtes M vom 27.12.1995: unter Abänderung des Titels 04.08.1992 verpflichtet sich der Kläger, ab 01.01.1996 höhere Unterhaltsleistungen zu zahlen, die Beträge (und angerechnete Sozialleistungen) werden wie oben neu festgesetzt. Der Kläger unterwirft sich auch hier der sofortigen Zwangsvollstreckung.
– Urkunde über die Abänderung eines Unterhaltstitels des Kreisjugendamtes M vom 27.04.1999: unter Abänderung des Titels vom 27.12.1995 verpflichtet sich der Kläger, ab dem 01.07.1999 bzw. ab dem 01.05.2003 134,10 % gem. § 1 der Regelbetrag-Verordnung des jeweiligen Regelbetrags der zweiten/dritten Altersstufe abzüglich 125,00 DM Kindergeldanteil für seine Tochter zu zahlen. Wegen der Erfüllung der Verbindlichkeiten aus dieser Urkunde unterwarf er sich der sofortigen Zwangsvollstreckung.
– Urkunde über die Abänderung eines Unterhaltstitels des Kreisjugendamtes M vom 04.12.2000: unter Abänderung des Titels vom 27.04.1999 verpflichtet sich der Kläger ab dem 01.01.2001 bzw. ab dem 01.05.2003 134,10 % gem. § 1 der Regelbetrag-Verordnung es jeweiligen Regelbetrags der zweiten/dritten Altersstufe abzüglich hälftiges Kindergeld für ein 1. Kind für seine Tochter zu zahlen. Er unterwirft (s.o.) der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Mit Schreiben vom 12.06.2009 teilte das Kreisjugendamt dem Kläger mit, dass mit Volljährigkeit seiner Tochter die Beistandschaft des Jugendamtes beendet sei. Er solle keine weiteren Zahlungen an das Kreisjugendamt leisten. Die Zahlungen seien nunmehr direkt zwischen seiner Tochter und ihm zu regeln.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 27.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2012 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten ihm für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2012 Leistungen nach dem SGB II nach den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Einkommensabsetzung gemäß § 11 b Abs. 1 Nr. 7 SGB II, in Höhe von 200,00 EUR monatlich
sowie
unter Verteilung des Wareneinkaufs auf ein Jahr zu gewähren.
Der Kläger hat darüber hinaus beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2013 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 30.06.2013 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Auch hier sollte der Unterhalt in Höhe von 200,00 EUR monatlich gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 7 SGB II abgesetzt und die Warenverteilung auf das Jahr vorgenommen werden.
Der Kläger hat darüber hinaus beantragt,
den Widerspruchsbescheid vom 20.02.2015 abzuändern und ihm die notwendigen Kosten für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Mit Urteil vom 24.08.2015 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klagen seien zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 27.02.2014 betreffend die endgültige Festsetzung für den Leistungszeitraum vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2012 sei ebenso rechtmäßig wie der endgültige Festsetzungsbescheid vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2013 betreffend den Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.06.2013 (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III)). Die ursprünglichen Bewilligungsbescheide vom 20.06.2012 und vom 29.01.2013 ständen nicht mehr zur gerichtlichen Überprüfung, da sie sich durch die endgültige Festsetzung erledigt hätten (§ 39 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)). Gegenstand des Verfahrens sei nunmehr die endgültige Leistungsbewilligung, die gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sei. Der Beklagte habe das Einkommen zutreffend ermittelt und auf die streitigen Zeiträume verteilt, den gezahlten Unterhalt habe er zu Recht nicht abgesetzt (§ 11 b Abs. 1 Nr. 7 SGB II).
Der Beklagte habe in den Bescheiden die Regelleistungen, Unterkunftskosten und das für den jeweiligen Monat angerechnete Erwerbseinkommen aus abhängiger Beschäftigung in Höhe von 160,00 EUR sowie das zusätzlich erzielte Einkommen aus Selbständigkeit aufgeführt. Ergänzend habe er mit Schriftsatz vom 26.03.2015 den sogenannten Prüfbogen zur Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft übersandt, dem die jeweiligen anerkannten Betriebseinnahmen und -ausgaben sowohl für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2012 als auch für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 30.06.2013 zu entnehmen seien. Die Prüfbögen enthielten eine Auflistung der entstandenen Ausgaben, wobei die einzelnen Einnahmen und Ausgaben in den in dem Prüfbogen aufgelisteten Positionen detailliert aufgeführt worden seien. Spätestens nach Vorlage dieser Unterlagen sei für den Kläger im Einzelnen nachvollziehbar gewesen, welche Positionen im Rahmen der Berücksichtigung seines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit anerkannt wurden und welche nicht. Die monatliche Gegenüberstellung sei zutreffend, die vom Kläger begehrte Aufteilung der Ausgaben in Anlehnung an die Regelung über Saisonbetriebe in § 3 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld Il/Sozialgeld – Arbeitslosengeld Il/Sozialgeldverordnung (Alg ll-VO) – nicht zulässig. Der Kläger stehe bereits seit längerem im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Die Verteilung seines Einkommens erfolge bereits seit geraumer Zeit im halbjährlichen Rhythmus. Würde man nunmehr für einzelne hier im Klageverfahren angegriffene Zeiträume eine jährliche Betrachtungsweise vornehmen, liefe man Gefahr, dass das vom Kläger erzielte Einkommen in unzutreffender Weise entweder doppelt oder in einzelnen Zeiträumen gar nicht berücksichtigt werde. Eine jährliche Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit nach § 3 Abs. 5 Alg ll-VO komme nicht nur bei Saisonbetrieben in Betracht, sondern könne auch bei solchen Betrieben vorgenommen werden, bei denen nach der Eigenart der Erwerbstätigkeit eine jahresbezogene Betrachtung erforderlich sei. Dies könne beispielsweise bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls bei Einnahmen nur in einzelnen Monaten innerhalb eines Jahres der Fall sein. Der Kläger jedoch betreibe einen Handel mit Lederpflegemitteln und kaufe nach eigenen Angaben lediglich einmal im Jahr 1000 Dosen ein. Die Verteilung betreffe hier die Ausgabenseite. Diese sei jedoch – anders als die Einnahmenseite oder saisonal bedingte Schwankungen innerhalb eines Betriebes – von dem Antragsteller steuerbar. Es könne daher nicht von vorne herein ausgeschlossen werden, dass Leistungsbezieher die Verteilung der Ausgaben dergestalt zeitlich ansetzten, dass dies zu einer "Leistungsoptimierung" führe. Vor diesem Hintergrund habe die Kammer von einer abweichenden Aufteilung der Kosten im Sinne des Klägerantrages abgesehen. Aus der Berechnung, welche die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.03.2015 vorgelegt habe, ergebe sich auch, dass sich bei jährlicher Betrachtungsweise in den hier streitigen Zeiträumen mit 86,58 EUR (7,22 EUR monatlich) keine wesentliche Abweichung ergebe, die eine Neuberechnung und Abweichung von der halbjährlichen Festsetzungsweise rechtfertige.
Der Beklagte habe auch zu Recht davon abgesehen, die vom Kläger an seine Tochter entrichteten Unterhaltszahlungen gemäß § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II vom Einkommen abzusetzen. Die Urkunde des Jugendamtes als Titel und auch Nachweis für die tatsächlich nach wie vor bestehende Unterhaltsverpflichtung reiche nicht aus. Sie datiere vom 04.12.2000 und trage wahrscheinlichen Änderungen über die folgenden Jahre nicht Rechnung. Gegen ihre Gültigkeit spreche zudem, dass die Kompetenz der Urkundsperson des Jugendamtes zur Beurkundung von Unterhaltsansprüchen mit der Vollendung des 21. Lebensjahres des Abkömmlings nach den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ende. Diese Regelung gehe auch mit den unterhaltsrechtlichen Vorschriften insoweit konform, als im Unterhaltsrecht nochmals zu differenzieren sei zwischen dem Kindesunterhalt bis zum 18. Lebensjahr und dem Unterhalt für volljährige Kinder, welche bis zum 21. Lebensjahr noch auf das Privileg der gesteigerten Unterhaltsverpflichtung zurückgreifen könnten. Mit Vollendung des 21. Lebensjahres ende dieses Privileg jedoch. Zwar behalte ein zur Zeit der Minderjährigkeit des Kindes ergangener Titel über die Zahlung von Kindesunterhalt seine Gültigkeit, auch wenn das Kind volljährig werde. Allerdings gehe die familienrechtliche Judikatur in diesem Zusammenhang auch davon aus, dass es dem Unterhaltspflichtigen jederzeit möglich sei, eine sogenannte Abänderungsklage gemäß § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegen den Unterhaltstitel zu erheben. Problematisch erscheine in diesem Zusammenhang, dass das hier beklagte Jobcenter – welches faktisch Kostenträger der Unterhaltszahlungen sei – in einem entsprechenden Abänderungsverfahren gemäß § 323 ZPO nicht aktiv legitimiert wäre. Würde man die Geltung des Unterhaltstitels im Rahmen der Absetzungsmöglichkeit nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II über die Volljährigkeit und über das 21. Lebensjahr hinaus dauerhaft fortgelten lassen, könne der Unterhaltspflichtige auf geraume Zeit davon absehen, ein entsprechendes Abänderungsverfahren anzustrengen. Denn da er selbst nicht Kostenträger der Unterhaltszahlungen sei, habe er an der Einleitung eines solchen Verfahrens kein erkennbares Interesse. Dass der Kläger spätestens mit Vollendung des 21. Lebensjahres seiner Tochter verpflichtet sei, eine neue Urkunde vorzulegen, folge nicht zuletzt auch aus der von der Klägerseite selbst vorgetragenen Weigerung der Mitarbeiter des Jugendamtes, den aktuellen Unterhaltsanspruch der Tochter zu berechnen, da sie hierfür nicht mehr zuständig seien. Die Verwaltung solle von der Verpflichtung entbunden werden, selbst zu ermitteln, welche gesetzlichen Ansprüche anstelle der vertraglich vereinbarten und titulierten Ansprüche bestehen. Ohne Durchführung weiterer Ermittlungen sei es auch für das Gericht im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen, ob der Unterhaltsanspruch der Tochter nicht mehr bestehe, etwa weil diese zwischenzeitlich geheiratet habe oder eigenes Einkommen erziele. Gegen die Anerkennung der Urkunde des Jugendamtes als Titel über das 21. Lebensjahr hinaus spreche in diesem Zusammenhang auch die Regelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII.
Gegen das am 07.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.09.2015 Berufung eingelegt. Er ist weiter der Auffassung, dass der Beklagte bei der Leistungsberechnung in den streitigen Zeiträumen den gezahlten Kindesunterhalt in Höhe von 200,00 EUR monatlich zu berücksichtigen habe. Die vorgelegte Urkunde des Jugendamtes vom 04.12.2000 sei auch über das 18. Lebensjahr der Tochter des Klägers hinaus ein vollstreckbarer Unterhaltstitel. Diese Auffassung teile auch das Kreisjugendamt M. In dem vorgelegten Schreiben vom 11.01.2017 habe dieses ausgeführt, die Auflistung der drei Altersstufen des Minderjährigenunterhalts stelle keinesfalls eine Befristung dar. Sie fungiere allenfalls exemplarisch. Die Befristung des Unterhalts auf die Minderjährigkeit sei im Kindschaftsrecht auch nicht vorgesehen. So sei der (mittlerweile abgeänderte) Titel auch nach neuer Berechnungsgrundlage noch vollstreckbar. Dieser sei nicht befristet. Der Kläger meint, es gelte § 244 FamFG, nach welchem sich der Unterhaltsschuldner nicht auf den Eintritt der Volljährigkeit des Unterhaltsgläubigers berufen könne. Zudem habe der Beklagte aufgrund der vorherigen Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen einen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den er sich berufe.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2016 hat der Kläger erklärt, bei der Berechnung der zustehenden Leistungen sei die Einnahme- und Ausgabesituation aus der selbständigen Erwerbstätigkeit und den Einnahmen aus der abhängigen Beschäftigung zutreffend berücksichtigt worden. Er begehre lediglich höhere Leistungen (in Form des Regelbedarfs) unter Anrechnung des an seine Tochter gezahlten Kindesunterhaltes. Die gegen die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 20.02.2015 gerichtete Klage hat er zurückgenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.08.2015 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen,
den Bescheid vom 27.02. 2014 zu ändern und dem Kläger für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2012 einen höheren Regelbedarf unter Berücksichtigung monatlichen Kindesunterhalts i.H.v. 200 EUR zu zahlen sowie den Bescheid vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2013 zu ändern und dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2013 einen höheren Regelbedarf unter Berücksichtigung monatlichen Kindesunterhalts i.H.v. 200 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Urkunde vom 04.12.2000 sei lediglich eine Abänderungsurkunde zu der Urkunde vom 16.08.1991. In dieser sei eine Befristung bis zu Volljährigkeit der Tochter beurkundet worden. Die folgenden Urkunden seien lediglich Abänderungsurkunden, die die zeitliche Geltungsdauer der Unterhaltsverpflichtung nicht geändert hätten. Im Hinblick auf den Vertrauenstatbestand sei es zwar richtig, dass die in der Vergangenheit erfolgte uneinheitliche Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen als verwirrend anzusehen sei. Den Bewilligungsentscheidungen, in denen die Unterhaltszahlung rechtswidrig abgesetzt worden sei, sei aber keine dahingehende Zusicherung zu entnehmen, dass die Unterhaltszahlungen weiterhin berücksichtigt würden. Nur bei der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen oder privilegiert volljährigen Jugendlichen (bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres) wäre es dem Beklagten verwehrt, eine Unterhaltspflicht zu bezweifeln und eigene Feststellungen zu treffen.
Der Senat hat den Beteiligten den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 24.07.2014 (Az. 87 F 84/14) zur Stellungnahme übersandt.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen; dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klagen gegen die Bescheide vom 27.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2012 und vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2013, die nach Rücknahme der Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 20.02.2015 noch zur gerichtlichen Überprüfung stehen, abgewiesen. Die Bescheide sind, soweit sie den Regelbedarf endgültig festgesetzt haben, rechtmäßig. Der Kläger, der sein Begehren zulässigerweise auf die Gewährung höherer Leistungen des Regelbedarfs beschränkt hat, wird in seinen Rechten nicht verletzt (§ 54 Abs. 2 S 1 SGG), denn ihm steht die begehrte höhere Leistung nicht zu.
Der Kläger, der die Voraussetzungen gem. § 7 Abs 1 SGB II erfüllte, hat keinen Anspruch auf höheres Alg II. Der Beklagte hat das vom Regelbedarf abzusetzende Einkommen zutreffend berechnet. Es bestand aus Einkommen aus abhängiger Beschäftigung in Höhe von 160 EUR monatlich sowie aus selbstständiger Erwerbstätigkeit für die Zeit vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2012 in Höhe von 412,89 EUR und für die anschließende Zeit vom 01.01.2013 bis zum 30.06.2013 in Höhe von 14,44 EUR; insoweit verweist das Gericht auf die vom Beklagten vorgenommene Berechnung Bl. 138, 139 der Gerichtsakte, die auch vom Kläger hinsichtlich der Ein- und Ausgabeposten und deren rechtlichen Zuordnung nicht mehr beanstandet wird. Dies gilt auch für die vom Kläger ursprünglich beanstandete Verteilung nach § 5 Abs. 3 Alg II-VO; diese ist aus den vom Sozialgericht ausgeführten Gründen nicht möglich, da es sich bei der Gewerbetätigkeit des Klägers nicht um einen Saisonbetrieb handelt.
Der Beklagte hat auch – das betrifft den zwischen den Beteiligten verbliebenen Streitpunkt – zu Recht die an die Tochter geleisteten Unterhaltszahlungen (200 EUR monatlich) bei der Berechnung der Leistungen nicht vom Einkommen abgesetzt. Die Voraussetzungen des § 11 b Abs 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II sind nicht erfüllt. Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen werden nach dieser Vorschrift bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag abgesetzt. Für die einkommensrechtliche Absetzung von Unterhaltszahlungen ist es danach erforderlich, dass (a) der Unterhalt in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegt ist, (b) der geforderte Absatzbetrag tatsächlich geleistet wird (worden ist) und (c) die Unterhaltszahlungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten erfolgen (erfolgt sind) (BSG Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 78/10 R). Hier fehlt es – das Vorliegen einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung wird nicht behauptet – an dem erforderlichen Unterhaltstitel.
Die vom Kläger vorgelegten Urkunden des Jugendamtes des Kreises M vom 16.08.1991, 04.08.1992, 27.12.1995, 27.04.1999 und 04.12.2000 sind ihrer äußeren Form nach zwar Titel, in denen der vom Kläger an die Tochter zu zahlende Unterhalt festgelegt worden ist (§ 60 SGB VIII iVm § 59 Abs 1 Satz 1 Nummer 3 oder 4 SGB VIII) (vgl. auch BSG Urteil vom 09.11.2010 B 4 AS 78/10 R). Tituliert sind aber nur die bis zum 14.05.2009, dem Tag der Vollendung des 18. Lebensjahres der Tochter, laufenden Unterhaltsansprüche bzw. etwaige aus dieser Zeit bestehenden Unterhaltsrückstände. Denn die Urkunde enthält lediglich eine zeitlich bis zur Volljährigkeit der Tochter reichende Verpflichtung des Klägers, Unterhalt in bestimmter Höhe zu leisten. Nur bis zu diesem Zeitpunkt liegt auch ein Unterhaltstitel vor, denn nicht erfüllte Verbindlichkeiten für anschließende Zeiträume sind aus diesen Urkunden nicht vollstreckbar.
Eine ausdrückliche Befristung der Unterhaltsverpflichtung des Klägers auf die Zeit bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres enthält die Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft und Unterhaltsverpflichtung vom 16.08.1991 nicht. Konkludent ergibt sie sich aber daraus, dass die Forderungen (ihrer Höhe nach) in der ersten und der folgenden (Änderungs-) Urkunde nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes aufgeführt sind, in den weiteren Urkunden über den Bezug auf die Regelbetrag-VO ebenfalls nur die Höhe des Unterhaltes des minderjährigen Kindes bestimmt wird (§ 1 Regelbetrag-VO). Eine Änderung der Befristung ist in den nachfolgenden Urkunden weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt (vgl. hierzu auch Amtsgerichts Schöneberg Beschluss vom 24.07.2014 Az. 87 F 84/14).
Der zeitlich befristeten Unterhaltsverpflichtung folgt die Befristung der Vollstreckungsfähigkeit, denn der Titel ist/die Titel sind nicht vollstreckungsfähig, soweit Forderungen für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres im Raume stehen. Die zeitliche Begrenzung ergibt sich hier daraus, dass die Bemessungsfaktoren der Forderung, wegen deren Erfüllung sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, nur bis zum Erreichen der Volljährigkeit seiner Tochter aufgeführt sind. Nur Forderungen, die bis zu diesem Zeitpunkt zu erfüllen sind/waren, können aus diesem Titel im Wege der Zwangsvollstreckung realisiert werden, weiter gehende Forderungen, insbesondere etwaige Unterhaltsansprüche für anschließende Zeiträume sind nicht hinreichend bestimmt, um die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Denn Inhalt, Art und Umfang sowie Parteien müssen sich aus dem Titel, aus dem vollstreckt wird, bestimmt oder doch bestimmbar ergeben. Was der Schuldner zu leisten hat, muss allein aus dem Titel erkennbar sein. Deshalb ist ein Titel unbestimmt, wenn die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke heraus zu ermitteln wäre, wobei Klauseln mit Wertsicherungsfunktion (s. Urkunden vom 27.04.1999 und vom 04.12.2000) zulässig sind, wenn die Daten leicht und zuverlässig feststellbar und damit offenkundig (§ 291 ZPO) sind (allg. Meinung, s. etwa Seiler in Thomas/Putzo ZPO 37. Aufl. Vorbem IV 704 Rn 16). Für die Zeit nach dem 14.05.2009 sind – eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung unterstellt – die geschuldeten Beträge ohne weitere Unterlagen/Ermittlungen nicht festzustellen; sie sind in der Urkunde nicht enthalten und auch nicht bestimmbar.
Von dem ersten im Zusammenhang mit der Anerkennung der Vaterschaft erstellten Unterhaltstitel ausgehend hat sich der Inhalt der weiteren Titel in diesem Sinne nicht wesentlich geändert. Jede der folgenden Urkunden ist ausdrücklich als "Urkunde über die Abänderung eines Unterhaltstitels" bzw. als "Urkunde über die Abänderung einer Verpflichtung zur Unterhaltsleistung" bezeichnet und nimmt Bezug auf vorangehende Unterhaltstitel. Ab dem Titel vom 27.04.1999 ändern sich die Bemessungsfaktoren (Prozentwert nach § 1 Regelbetrag-VO), d.h. die Höhe der Forderung. Nur insoweit wird die vorhergehende Verpflichtung des Unterhaltstitels geändert, nicht aber bezogen auf den Zeitraum. Im Gegenteil: Der Verweis auf die Regelbetrag-VO trägt die bisherige zeitliche Begrenzung erneut in sich, denn die Verordnung regelt gemäß § 1 Regelbetrag-VO die (Höhe der) Unterhaltsansprüche nur minderjähriger Kinder gegenüber dem Elternteil, mit dem sie nicht in einem Haushalt leben.
Ohne einen für die hier streitigen Zeiträume gültigen vollstreckbaren Unterhaltstitel können die tatsächlichen (Unterhalts-)Leistungen nicht vom Einkommen abgesetzt werden. Nur in Erfüllung titulierter gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen erfolgte Zahlungen können nach § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II vom Einkommen abgezogen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 11.07.2019
Zuletzt verändert am: 11.07.2019