Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 03.11.2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 26.10.2006 bis zum 31.12.2006 in Höhe von monatlich 478,20 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 3/5 für beide Rechtszüge.
Gründe:
I.
Der Antragsteller bezieht von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für den Zeitraum vom 14.08.2006 bis zum 03.01.2007 befand er sich in diversen Kliniken zur Durchführung einer Entgiftung und anschließenden Therapie. Mit Bescheid vom 29.09.2006 bewilligte die Antragsgegnerin ihm für die Monate Oktober bis Dezember 2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 443,00 EUR. Dabei brachte sie im Rahmen der Berechnung dieses Leistungsbetrages eigenes Einkommen von monatlich 202,70 EUR in Ansatz, weil der Antragsteller wegen freier Verpflegung über entsprechende Sachbezüge verfüge.
Am 26.10.2006 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Münster die Gewährung höherer Leistungen. Vor Antritt der Rehabilitationmaßnahme sei ihm zugesichert worden, es werde nur eine Kürzung von 35% vorgenommen.
Mit Beschluss vom 03.11.2006 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig während der Monate Oktober und November 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 478,20 EUR (Kürzung um 172,50 EUR statt um 202,70 EUR) zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Wegen der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen den ihr am 13.11.2006 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 16.11.2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht mit Beschluss vom 16.11.2006 nicht abgeholfen hat.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, der Antragsteller müsse sich den Betrag von monatlich 202,70 EUR als Sachbezüge wegen während des Klinikaufenthalts gewährter Verpflegung anrechnen lassen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien als Einkommen im Sinne des SGB II alle Einnahmen in Geld oder in Geldeswert zu berücksichtigen. Bei Einnahmen in Geldeswert genüge es, wenn diese einen bestimmten in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besäßen. Der Wert der danach vor allem erfassten Sachbezüge sei nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Alg II-VO zu ermitteln. Nach § 1 der Sachbezugsverordnung 2006 werde der Wert der als Sachbezug zur Verfügung gestellten Verpflegung auf monatlich 202,70 EUR festgesetzt. Da der Antragsteller während seines Klinikaufenthaltes voll verpflegt werde, würden diese Sachbezüge monatlich angerechnet. Die Anrechnung erfolge allerdings erst seit dem 01.10.2006. In den ersten zwei Monaten des stationären Aufenthalts sei eine Anrechnung nicht erfolgt, um dem Sonderbedarf des Antragstellers im Zusammenhang mit Zuzahlungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Rechnung zu tragen. Für eine Kürzung der Regelleistung lediglich um 50%, wie sie das Sozialgericht vorgenommen habe, sei eine rechtliche Grundlage nicht ersichtlich.
Der Antragsteller verweist demgegenüber darauf, andere Leistungsträger führten nur eine Kürzung um 35% durch. Laut Warenkorb ständen für Nahrung, Getränke und Tabak einem Bezieher von Arbeitslosengeld II monatlich 132,71 EUR zur Verfügung, nicht aber 202,70 EUR. Er werde sichtlich benachteiligt, wenn bei ihm die Regelleistung um 60% gekürzt werde. Durch den Krankenhausaufenthalt entstünden ihm im Übrigen erhöhte Kosten; insgesamt sei die Kürzung der Regelleistung nicht akzeptabel.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
Soweit das Sozialgericht Leistungen für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht (26.10.2006) bewilligt hat, war der angefochtene Beschluss abzuändern. Dem Antragsteller hätte es offengestanden, die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bereits unmittelbar nach Erlass des Bescheides vom 29.09.2006 zu beantragen. Ein rückwirkende einstweilige Anordnung auf Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes kommt regelmäßig nicht in Betracht, da es einer gerichtlichen Eilentscheidung nur zur Sicherung des aktuellen Lebensunterhalts bedarf.
Für die Zeit ab Antragstellung (26.10.2006) ist die Beschwerde der Antragsgegnerin jedoch unbegründet. Bei summarischer Prüfung erscheint es nicht sachgerecht, die Regelleistung des Antragstellers wegen während seines Klinikaufenthalts ersparter Verpflegungsaufwendungen um einen Betrag in der Höhe zu kürzen, der nach der Sachbezugsverordnung 2006 für eine gewährte Verpflegung in Ansatz zu bringen wäre.
Es kann zunächst dahinstehen, ob ein Anteil der Regelleistung dann nicht weiter zu gewähren ist, wenn der Verpflegungsbedarf des Hilfebedürftigen wegen eines stationären Aufenthalts bereits durch die in der Klinik gewährte Verpflegung anderweitig gedeckt wird. Insofern fehlt im SGB II eine dem § 28 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) entsprechende Regelung. Der Senat lässt offen, ob deshalb eine Anrechnung solcher Sachleistungen als Einkommen nach § 11 SGB II möglich ist.
Denn jedenfalls erscheint es nicht gerechtfertigt, diesen Anteil im Fall des Antragstellers nach der Sachbezugsverordnung 2006 mit 202,70 EUR zu bemessen.
Denn mit diesem Betrag würde der Betrag überschritten, der in die monatliche Regelleistung des § 20 SGB II (345,00 EUR) als Verpflegungsaufwand eingerechnet ist. Dieser Anteil wird unterschiedlich hoch auf zwischen 45% und 50% der Regelleistung berechnet (vgl. dazu Lang, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 20 Rn. 32). Das Sozialgericht hat sich insoweit bereits an dem sich aus allen Berechnungen ergebenden höchsten Anteil von 50% der Regelleistung (172,50 EUR) orientiert. Da nur die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt hat, kann der Senat dahinstehen lassen, ob ggf. zugunsten des Antragstellers ein niedrigerer Betrag (zwischen 45% und 49,9%) den monatlich für Verpflegung zur Verfügung stehenden Regelleistungsanteil genauer erfassen würde.
Jedenfalls ein über 50% der Regelleistung hinausgehender Anteil kann von der Antragsgegenerin bei summarischer Prüfung von den Zahlungen an den Antragsteller nicht in Abzug gebracht werden. Denn dann stünden dem Antragsteller für die übrigen aus der Regelleistung zu finanzierenden Bedarfe keine ausreichende Mittel mehr zur Verfügung. Aus der von der Klinik gewährten Verpflegung lassen sich diese andersartigen Bedarfe schließlich nicht bestreiten, und der Umstand, dass allein die Verpflegung während des Klinikaufenthalts anderweitig gesichert ist, führt ersichtlich nicht zu einem Absinken auch anderer, mit der Regelleistung gesicherter Bedarfe. Die Antragsgegnerin kann vielmehr für Verpflegungsaufwand während des stationären Aufenthalts nicht mehr in Abzug bringen, als sie dem Antragsteller ansonsten als Anteil des Regelsatzes erbringen würde. Wenn die Sachbezugsverordnung 2006 einen höheren monatlichen Betrag für Verpflegungsaufwand in Ansatz bringt, kann dies nicht zu einem entsprechend hohen Einkommen des Antragstellers durch Sachbezug führen. Denn soweit ein solches Einkommen lediglich an die Stelle des betreffenden Anteils der Regelleistung tritt, kann das hierfür in Ansatz Gebrachte den Bedarf des Antragstellers allein in dem Umfang mindern, wie es konkret den hierfür im Regelsatz vorgesehenen Anteil ersetzt.
Dass die übrigen aus der Regelleistung zu bestreitenden Bedarfe des Antragstellers während seines stationären Aufenthalts ebenfalls teilweise durch Klinikleistungen abgedeckt seien, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
Sofern die Antragsgegnerin darauf verweist, sie habe während der ersten zwei Monate des Klinikaufenthalts des Antragstellers die Regelleistung nicht gekürzt, so kann dies nicht dazu führen, dass die Leistung für den aktuellen Bedarf im vom Senat zugunsten des Antragstellers berücksichtigten Zeitraum gesenkt wird. Ob die Antragsgegnerin die Möglichkeit gehabt hätte, bereits in den früheren Monaten die Regelleistung abzusenken, hat der Senat nicht zu entscheiden. Entscheidend ist allein, dass während des Zeitraums vom 26.10 bis 31.12.2006 jedenfalls ein Regelleistungsrestbedarf in (mindestens) der hälftigen Höhe der Regelleistung nach § 20 SGB II, mithin i.H.v. 172,50EUR monatlich, anfällt, so dass die Regelleistung entsprechend nur um (maximal) 172,50 EUR gekürzt werden konnte.
Die Klärung etwa verbleibender Zweifel sowie eine Regelung für den Zeitraum vor Antragstellung müssen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Gleiches gilt für die Frage, ob überhaupt eine Anrechung erfolgen durfte.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde nicht möglich (§ 177 SGG).
Erstellt am: 25.01.2007
Zuletzt verändert am: 25.01.2007