Das Verfahren wird ausgesetzt. Es wird gemäß Art. 234 EGV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft zu folgenden Fragen eingeholt: 1.Kann die gesetzliche Regelung einer Höchstaltersgrenze für die Zulassung zur Berufsausübung (hier: für die Tätigkeit als Vertragszahnärztin) im Sinne des Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG eine objektive und angemessene Maßnahme zum Schutz eines legitimen Zieles (hier: der Gesundheit der gesetzlich krankenversicherten Patienten) und ein zur Erreichung dieses Zieles angemessenes und erforderliches Mittel sein, wenn sie ausschließlich aus einer auf "allgemeine Lebenserfahrung" gestützten Annahme eines ab einem bestimmten Lebensalter eintretenden generellen Leistungsabfalls hergeleitet wird, ohne dass dabei dem individuellen Leistungsvermögen des konkret Betroffenen in irgendeiner Weise Rechnung getragen werden kann? 2.Falls die Frage zu 1. zu bejahen ist: Kann ein im Sinne des Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG legitimes (Gesetzes-)Ziel (hier: der Gesundheitsschutz der gesetzlich krankenversicherten Patienten) auch dann angenommen werden, wenn dieses Ziel für den nationalen Gesetzgeber bei der Wahrnehmung seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums selbst überhaupt keine Rolle gespielt hat? 3.Falls Frage Nr. 1. oder 2. zu verneinen ist: Darf ein vor Erlass der Richtlinie 2000/78/EG ergangenes Gesetz, das mit dieser Richtlinie unvereinbar ist, kraft Vorrangs des europäischen Rechts auch dann nicht angewandt werden, wenn das die Richtlinie umsetzende nationale Recht (hier: das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) eine solche Rechtsfolge im Falle eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot nicht vorsieht?
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über eine weitere Zulassung der Klägerin als Vertragszahnärztin nach Vollendung ihres 68. Lebensjahres.
Die am xxx1939 geborene Klägerin, die im xxx 2007 ihr 68. Lebensjahr vollendet hat, war seit xxx1974 in xxx als selbständige Zahnärztin zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Beschluss vom 25.4.2007 stellte der Zulassungsausschuss für Zahnärzte für den Bezirk Westfalen-Lippe fest, dass die Zulassung der Klägerin gemäß § 95 Abs. 7 SGB V in Verbindung mit § 28 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte am 30.6.2007 ende. Die Vorschrift des § 95 Abs. 7 SGB V gehe den Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, mit dem die u.a. gegen Altersdiskriminierung gerichtete EU-Richtlinie 2000/78/EG umgesetzt worden sei, vor.
Hiergegen legte die Klägerin am 2.5.2007 Widerspruch ein und beantragte, sie über den 1.7.2007 hinaus zur kassenzahnärztlichen Versorgung zuzulassen. Sie trug vor, dass es sich bei der Richtlinie 2000/78/EG und demgemäß bei dem hierauf beruhenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz um höherrangiges Recht handele, das dem nationalen Recht vorgehe und nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft vom 20.11.2005 (Mangold) zur Unanwendbarkeit diskriminierender Normen führe. Im Übrigen verstoße § 95 Abs. 7 SGB V aber auch gegen Art. 14 des Grundgesetzes: Da die Krankenversicherung bei etwa 90 % der Bevölkerung über die gesetzliche Krankenversicherung laufe, seien die niedergelassenen Zahn-/Ärzte zur Ausübung ihres Berufs regelmäßig auf die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung angewiesen, so dass die Zulassung als geschütztes Eigentum anzusehen sei.
Am 7.5.2007 stellte die Klägerin bei Gericht den Antrag, den Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, sie zumindest für zwei weitere Jahre zur kassenzahnärztlichen Versorgung zuzulassen. Diesen Antrag wies das erkennende Gericht mit Beschluss vom 6.6.2007, Az: S 16 KA 77/07 ER, zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin wurde vom Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 18.9.2007, Az: L 11 B 17/07 KA ER, mit folgender Begründung zurückgewiesen: Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei davon auszugehen, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung in höherem Alter die Leistungsfähigkeit nachlasse. Die in § 95 Abs. 7 SGB V normierte Altersgrenze rechtfertige sich deshalb aus dem Ziel, Gesundheitsgefährdungen für die Patienten einzudämmen. Außerdem habe das Bundessozialgericht diese Altersgrenze zu Recht auch unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Lastenverteilung zwischen den bereits zugelassenen Ärzten und der jungen, an einer Zulassung interessierten Ärztegeneration gebilligt. Auch nach Wegfall der Zulassungsbeschränkungen im Bereich des Vertragszahnarztrechts sei die Altersgrenze als verteilungspolitisches Instrument zur Erhaltung der Berufschancen der nachrückenden Generation gerechtfertigt. Eine Unanwendbarkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V lasse sich auch nicht aus einem Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung herleiten. Ein evtl. Normwiderspruch zu den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes lasse sich nach nationalem Recht nicht lösen. Die Annahme einer europarechtlich begründeten Unanwendbarkeit scheitere jedenfalls daran, dass die in Streit stehende Regelung einer Altersgrenze für Vertrags(zahn)ärzte sich im Rahmen des Ermessensspielraumes halte, den das Europarecht dem nationalen Gesetzgeber insoweit einräume.
Zuvor hatte der Beklagte mit Beschluss vom 30.5.2007 den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen: Selbst wenn § 95 Abs.7 SGB V gegen das europarechtliche Verbot einer Diskriminierung wegen Alters verstoßen sollte, müsse der Beklagte diese Vorschrift anwenden, weil er keine Verwerfungskompetenz habe und nur Gerichte eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft richten könnten. Im Übrigen habe das Bundessozialgericht aber auch schon entschieden, dass die Altersgrenze des § 95 Abs.7 SGB V europarechtskonform sei. Dieser Beschluss wurde der Klägerin am 30.6.2007 zugestellt.
Am 20.7.2007 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie führt aus, dass § 95 Abs. 7 Satz 3 gegen Verfassungsrecht und Europarecht verstoße.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 30.5.2007 aufzuheben und sie bis auf weiteres zur zahnärztlichen Versorgung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass in Übereinstimmung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung die Regelung der Altersgrenze als rechtmäßig anzusehen sei.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
II.
Das Gericht setzt den Rechtsstreit aus, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) zur Klärung der im Tenor aufgeführten Fragen herbeizuführen. Da es insoweit um die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG und damit um Gemeinschaftsrecht geht, ist der EuGH gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zuständig. Die vorgelegten Fragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den EuGH.
A) Nach nationalem Recht ist der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 30.5.2007 rechtmäßig und hat die Klägerin keinen Anspruch auf weitere Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung:
Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 95 Abs. 7 Satz 3 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach endet die Zulassung eines Vertragsarztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollendet hat. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt diese Vorschrift für Zahnärzte entsprechend. Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 95 Abs. 7 Satz 4 SGB V (weniger als 20-jährige vertragsärztliche Tätigkeit und Zulassung vor dem 1.1.1993) liegen nicht vor. Bei Anwendung der Altersgrenze nach § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V wäre die Zulassung der im xxx1939 geborenen Klägerin also mit Ablauf des 30.6.2007 kraft Gesetzes erloschen; die entsprechende Feststellung in dem angefochtenen Beschluss des Beklagten, die insoweit lediglich deklaratorische Wirkung entfaltet (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 6.2.2008, Az: B 6 KA 41/06 R), wäre nicht zu beanstanden.
Die Höchstaltersgrenze ist durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung – Gesundheitsstrukturgesetz (GSG 1993) – vom 21.12.1992 (BGBl I, S. 2266 ff.) eingeführt worden, und zwar zunächst als Satz 2 des § 95 Abs. 7 SGB V, das vorher noch keine Regelung über eine Altersbegrenzung für die vertragsärztliche Tätigkeit kannte. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl I, S. 2190 ff.) findet sie sich – mit identischem Inhalt – in Satz 3 der Vorschrift.
Mit dem GSG 1993 wollte der Gesetzgeber die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch Änderungen bei den Versorgungsstrukturen und der Organisation der GKV sichern. In diesem Rahmen führte er u.a. Neuerungen im Bereich der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung ein, die insbesondere auch eine Begrenzung der Zahl der zugelassenen Ärzte und Zahnärzte umfassten.
Ausgangspunkt war dabei die auf eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen gestützte Annahme einer "angebotsinduzierten Nachfrage" in dem Sinn, dass Ärzte in überversorgten Gebieten sich veranlasst sehen könnten, die infolge geringerer Patientenzahlen je Arzt drohenden Einkommenseinbußen durch eine Ausweitung ihres Leistungsvolumens je Patient auszugleichen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 27.4.2001, Az: 1 BvR 1282/99, unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/3608, S. 98). Das GSG 1993 gestaltete deshalb die Bedarfsplanung neu: So regelte es ab 1.2.1993 wesentlich verschärfte Zulassungsbeschränkungen (§§ 101, 103 SGB V iVm Art. 33 § 3 GSG 1993) und setzte ab 1.1.1999 eine Bedarfszulassung in Kraft (§ 102 SGB V). Als verfassungsrechtlich erforderliche flankierende Maßnahme zur Bedarfszulassung normierte das GSG 1993 – ebenfalls für die Zeit ab 1.1.1999 – die vorliegend in Streit stehende Altersgrenze (Art. 33 § 1 GSG 1993). Hierdurch sollte im Interesse einer ausgewogenen Lastenverteilung zwischen den Generationen vermieden werden, dass die für notwendig erachtete Begrenzung der Zahl von Vertrags(zahn)ärzten nur durch Zulassungsbeschränkungen zu Lasten der jungen Generation erfolge.
In der Gesetzesbegründung zur Einführung der Altersgrenze in § 95 Abs. 7 SGB V (vgl. BT-Drucks. 12/3608, S.93) heißt es: "Die Entwicklung der Vertragsarztzahl stellt eine wesentliche Ursache für überhöhte Ausgabenzuwächse in der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Angesichts einer ständig steigenden Zahl von Vertragsärzten besteht die Notwendigkeit, die Anzahl der Vertragsärzte zu begrenzen. Die Überversorgung kann nicht nur durch Zulassungsbeschränkungen und damit zu Lasten der jungen Ärztegeneration eingedämmt werden. Hierzu ist auch die Einführung einer obligatorischen Altersgrenze für Vertragsärzte erforderlich."
In der Folgezeit nahm der Gesetzgeber aber die zulassungsbeschränkenden Regelungen für Vertragszahnärzte insgesamt (und für Vertragsärzte teilweise) wieder zurück: So hob er § 102 SGB V durch Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze – Vertragsarztänderungsgesetz- vom 22.12.2006 (BGBl I, S. 3439 ff.) mit Wirkung zum 1.1.2007 auf und strich damit die – ohnehin nie umgesetzte – Bedarfszulassung; gleichzeitig hob er die Vorschrift des § 98 Abs. 2 Nr. 12 SGB V auf, auf deren Grundlage die Zulassungsverordnungen für Ärzte und Zahnärzte solche Ärzte/Zahnärzte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, von der Zulassung zur Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung grundsätzlich ausschlossen. Des Weiteren fügte der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung – GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – vom 26.3.2007 (BGBl I, S. 378 ff.) mit Wirkung vom 1.4.2007 in § 101 SGB V einen Absatz 6, in § 103 SGB V einen Absatz 8 sowie in § 104 SGB V einen Absatz 3 ein und normierte darin, dass die Regeln über die in diesen Paragraphen jeweils festgeschriebenen Zulassungsbeschränkungen für Zahnärzte nicht gelten. Zu dieser Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass für den Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung auf die Steuerung durch zwingende Zulassungsbeschränkungen verzichtet werden könne, weil – zum Einen – in diesem Leistungsbereich das Problem der Überversorgung sich nicht in der gleichen Weise wie im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung stelle und weil – zum Anderen – auch die Gefahr von Leistungsausweitungen und angebotsinduzierter Versorgung nicht in der Weise gegeben sei wie im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung (BT-Drucks. 16/3100, S. 135).
Bei dieser Sachlage lässt sich die Altersgrenze im zahnärztlichen Bereich für die Zeit ab 1.4.2007 nicht mehr im Zusammenhang mit der Beschränkung des Zugangs zum System der GKV als flankierende Maßnahme zur Entlastung jüngerer Zahnärzte rechtfertigen (vgl. Arnold, Die Auswirkungen des GKV-WSG-Gesetzentwurfs, des VÄG und des AGG auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Altersgrenze im Vertrags(zahn)arztrecht, Medizinrecht, 2007, S. 143 ff., 144). Der Auffassung, die Altersgrenze für Zahnärzte sei trotzdem noch als verteilungspolitisches Instrument zur Erhaltung von Berufschancen der nachrückenden Generation gerechtfertigt, weil sich sonst die wirtschaftlichen Bedingungen für "Newcomer" wegen der hohen Versorgungsdichte verschlechtern würden, mit der vor allem in den für eine Niederlassung als attraktiv angesehenen Gebieten zu rechnen wäre (so das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen (NW) in seinem im Eilverfahren der Klägerin ergangenen Beschluss vom 18.9.2007), vermag die Kammer nicht zu folgen. Angesichts der (vorstehend wiedergegebenen) Gesetzesbegründung zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ist nämlich davon auszugehen ist, dass im Leistungsbereich der Vertragszahnärzte offenbar keine gesetzliche Zugangsbeschränkungen erfordernde Überversorgung (mehr) besteht und jeder Berufsanfänger in der Regel ausreichende Möglichkeiten zum Aufbau einer eigenen wirtschaftlichen Existenz haben dürfte (vgl. Arnold, S. 144 f.). Das bedeutet gleichzeitig außerdem auch, dass dem öffentlichen Interesse daran, dass die Jüngeren neuere zahnmedizinische Erkenntnisse in das System der vertragszahnärztlichen Versorgung einbringen, Genüge getan ist. Diese Einschätzung wird offenbar auch von dem Vorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Präsidenten der Bundeszahnärztekammer getragen, die sich u.a. Anfang dieses Jahres im Rahmen einer Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages beide gegen die Beibehaltung der Altersgrenze für Vertragszahnärzte ausgesprochen haben (vgl. Protokoll Nr. 16/80).
Tatsächlich hat auch das BVerfG in seinem – einen Vertragszahnarzt betreffenden – Beschluss vom 7.8.2007, Az: 1 BvR 1941/07, die von ihm auch für die Zeit nach Wegfall der Zulassungsbeschränkungen für Vertragszahnärzte zum 1.4.2007 weiterhin bejahte Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenze weder auf den Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Generationen noch auf das öffentliche Interesse an der Verbreitung aktuellerer wissenschaftlicher Erkenntnisse gestützt. Es hat stattdessen ausschließlich darauf abgestellt, dass der Schutz der Versicherten vor den Gefährdungen durch ältere, nicht mehr voll leistungsfähige Vertrags(zahn)ärzte als besonders wichtiger Belang des Gemeinwohls diese Altersgrenze rechtfertige. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeintächtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter größer werde. Damit hat das Gericht ausdrücklich an seiner ständigen Rechtsprechung zu Altersgrenzen, die die Berufsausübung in höherem Alter einschränken (vgl. Beschlüsse vom 31.3.1998, Az: 1 BvR 2167/93 und 1 BvR 2198/93; 4.10.2001, Az: 1 BvR 1435/01; 4.10.2001, Az: 1 BvR 1418/01), festgehalten.
In diesen Beschlüssen hatte das BVerfG seinerzeit gerade auch zu der Altersgrenze im Bereich des Vertrags(zahn)arztrechts ausgeführt, dass der Gesetzgeber im Rahmen des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums nicht darauf beschränkt sei, jeweils im Einzelfall ab Vollendung des 68. Lebensjahres eine individuelle Prüfung zur Sicherstellung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit des Vertragsarztes vorzunehmen. Er dürfe vielmehr auf der Grundlage von Erfahrungswerten eine generalisierende Regelung erlassen. Gleichzeitig hatte das BVerfG die Frage, ob der Belang der gleichmäßigen Altersstruktur und Lastenverteilung die Altersgrenze überhaupt hätte rechtfertigen können, offen gelassen. Dass der Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes der Versicherten in der Gesetzesbegründung zur Einführung der Altersgrenze in § 95 Abs. 7 SGB V keinen Niederschlag gefunden habe, hat das BVerfG ausdrücklich als unerheblich angesehen: Das BVerfG prüfe die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, auch wenn sie in der Gesezesbegründung keinen Niederschlag gefunden hätten (Beschluss vom 31.3.1998, Az: 1 BvR 2167/93 und 1 BvR 2198/93).
Dieser Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenze des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V schließt sich das erkennende Gericht an, nicht zuletzt aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.
Eine Unanwendbarkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V lässt sich auch nicht aus einem etwaigen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14.8.2006 (BGBl I, S. 1897 ff.) herleiten. Auch wenn man aufgrund des § 6 Abs. 3 AGG von einer Anwendbarkeit des in §§ 1, 7 AGG geregelten Verbots der Altersdiskriminierung auf die vorliegende Fallkonstellation ausgeht, würde ein Verstoß gegen dieses Verbot nach nationalem Recht nicht zur Unwirksamkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V führen. Denn zum Einen trifft das AGG keine Regelung, die die Unanwendbarkeit entgegenstehenden "diskriminierenden" nationalen Rechts anordnet (vgl. LSG NW, Beschluss vom 18.9.2007, Az: L 11 B 17/07 KA ER). Zum Anderen ließe sich ein Normwiderspruch zwischen dem Diskriminierungsverbot des AGG und § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V auf nationaler Ebene auch nicht im Sinne eines Anwendungsvorrangs des AGG lösen. Als gleichermaßen durch Parlamentsgesetz des Bundes in Kraft getretene Normen sind die Vorschriften des AGG und des SGB V gleichrangig. Da der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Erlass des AGG durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.8.2006 (BGBl I, S. 11897) zwecks Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben bestimmte Änderungen sozialrechtlicher Vorschriften vorgenommen, im Übrigen aber keinen Handlungsbedarf gesehen hat, ist davon auszugehen, dass alle anderen bei Inkrafttreten des AGG bestehenden und vom Gesetzgeber nicht geänderten (Sozialrechts-)Normen im Einklang mit dem AGG stehen und deshalb weiterhin anwendbar sind. Der Grundsatz, dass im Fall eines Normwiderspruchs das jüngere Gesetz dem älteren vorgeht ("lex posterior derogat legi priori") greift deshalb vorliegend nicht. Das AGG kann im Verhältnis zu § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V auch nicht als die speziellere Vorschrift angesehen werden, so dass sich ein Vorrang des AGG auch nicht aus dem Grundsatz "lex specialis derogat legi generali" ergibt (vgl. Husmann, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und seine Auswirkungen auf das Sozialrecht, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht (ZESAR) 2007, S. 13 ff. (Teil I) und S. 58 ff: (Teil II), 61 f.).
B) Das erkennende Gericht zieht jedoch durchaus in Betracht, dass sich eine Unanwendbarkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V aus einem Verstoß gegen vorrangiges Gemeinschaftsrecht ergeben könnte. Nach Auffassung des Gerichts bestehen ernsthafte Zweifel an der – vom BVerfG wegen dessen insoweit fehlender Zuständigkeit in dem Beschluss vom 7.8.2007 ausdrücklich nicht geprüften – Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit der insbesondere auf der Grundlage von Art. 13 EGV erlassenen Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG), die in Deutschland durch das 2006 in Kraft getretene AGG umgesetzt worden ist und die u.a. die gemeinschaftsweite Bekämpfung einer Diskriminierung wegen Alters bezweckt (vgl. Art. 1 der Richtlinie).
Aufgrund des Urteils des EuGH im Verfahren Palacios vom 16.10.2007, Az: C-411/05, ist in Übereinstimmung mit dem BSG (Urteil vom 6.2.2008, Az: B 6 KA 41/06 R) davon auszugehen, dass die Richtlinie 2000/78/EG alleiniger europarechtlicher Maßstab für das Verbot von Altersdiskriminierungen ist (vgl. Blöcher, Vom vorläufigen Ende der juristischen Auseinandersetzung um die gesetzliche Altersgrenze für Vertragsärzte, SGb 2008, S. 337 ff, 338).
1) Nach Auffassung des erkennenden Gerichts greifen Bedenken, ob die Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V überhaupt dem Geltungsbereich der Richtlinie unterfallen kann, im Ergebnis nicht.
1.1) Dass es vorliegend um einen reinen Inlandsfall ohne grenzüberschreitenden Bezug geht, steht seiner gemeinschaftsrechtlichen Relevanz nicht entgegen (für die Zeit vor Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG vgl. jedoch BSG, Beschluss vom 27.4.2005, Az: B 6 KA 38/04 B, Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 31.1.2006, Az: L 4 KA 3/04). Ausweilich ihrer Erwägungsgründe leistet die Richlinie mit der Bekämpfung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf einen Beitrag zur Schaffung einer einheitlichen Wirtschafts- und Sozialverfassung, um die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz als allgemeines Menschenrecht zu stärken. Sie zielt also anders als die Grundfreiheiten nicht auf die Regelung grenzüberschreitender Austauschvorgänge, sondern dient der Vereinheitlichung des materiellen Wirtschafts-, Berufs- und Arbeitsrechts (vgl. Eichenhofer, Gesetzliche Altersgrenze im Vertrags(zahn)arztrecht: Kann nach dem AGG alles beim Alten bleiben? Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 2007, S. 580 ff.). Jedenfalls seit Ablauf der Umsetzungsfrist im Dezember 2006 findet die Richtlinie als Prüfungsmaßstab deshalb auch auf reine Inlandsfälle ohne grenzüberschreitenden Bezug Anwendung.
1.2) Der Erwägungsgrund Nr. 14 der Richtlinie steht deren Anwendbarkeit ebenfalls nicht entgegen (ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 15.3.2006, Az: L 4 KA 32/05). Wie der EuGH in dem Urteil Palacios (Rdnr. 44) entschieden hat, beschränkt sich dieser Erwägungsgrund auf die Klarstellung, dass die Richtlinie nicht die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten berühre, das Alter für den Eintritt in den Ruhestand zu bestimmen, und steht in keiner Weise der Anwendung der Richtlinie auf nationale Maßnahmen entgegen, unter denen ein Arbeitsvertrag endet, wenn das auf diese Weise festgesetzte Ruhestandsalter erreicht wird. In diesem Urteil ist der EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts Mazák vom 15.2.2007, der unter Berufung auf den Erwägungsgrund Nr. 14 die Auffassung vertreten hatte, dass Altersgrenzen dem sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie gar nicht unterfielen, nicht gefolgt. In der Konsequenz dieser Rechtsprechung liegt es, die Maßgeblichkeit der Richtlinie auch für die vorliegend in Streit stehende Altersgrenze nicht mit Rücksicht auf den Erwägungsgrund Nr. 14 zu verneinen (vgl. Eichenhofer, Gutachterliche Stellungnahme zu der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 16.10.2007 – C-411/05 (Palacios de la Villa), (Stellungnahme), S. 4; ders., SGb, S. 583; im Ergebnis ebenso Hessisches LSG, Beschluss vom 15.12.2004, Az: L 7 KA 412/03 ER): Der Erwägungsgrund Nr. 14 der Richtlinie betrifft nicht Altersgrenzen für die Beendigung selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit, sondern nur Altersgrenzen für die Inanspruchname von Renten- bzw. Ruhestandsleistungen in Sozialleistungs- bzw. Versorgungssystemen (vgl. Boecken, Die Altersgrenze von 68 Jahren für Vertragsärzte aus EG-rechtlicher Sicht, Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 2005, 393 ff., 394), worum es im Fall der Klägerin aber nicht geht.
1.3) Die Maßgeblichkeit der Richtlinie erscheint dem Gericht auch nicht insoweit zweifelhaft, als diese gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 (nur) "im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten" gilt. Allerdings bestimmt Art 152 Abs. 5 EGV, dass bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt bleibt; auch handelt es sich bei dem Vertrags(zahn)arztrecht um eine Bestandteil des SGB V, das die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung der Bevölkerung regelt. Hieraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass das Vertrags(zahn)arztrecht, weil außerhalb der Zuständigkeit der EG liegend, damit auch vom Geltungsbereich der Richtlinie nicht erfasst werde (zur Problematik vgl. Rixen, Rettung für den altersdiskriminierten Vertragsarzt durch den EuGH? ZESAR 2007, S. 345ff., 350). Als Ausdruck des in Art. 3 Buchst. b EGV enthaltenen Susidiaritätsprinzips lässt Art. 152 Abs. 5 EGV insoweit zwar die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in der Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt. Unabhängig davon müssen jedoch die Mitgliedstaaten auch in diesem Bereich das bestehende Gemeinschaftsrecht, hier: das europarechtliche Diskriminierungsverbot, beachten (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 15.12.2004, Az: L 7 KA 412/03 ER mit Hinweisen auf die diesbzgl. Rechtsprechung des EuGH; Eichenhofer, SGb, S. 581).
1.4) Bedenken gegen die Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78/EG greifen nach Auffassung des Gerichts des Weiteren auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie "Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes" ausdrücklich vom Geltungsbereich der Richtlinie ausnimmt und in ihrem 13. Erwägungsgrund klargestellt wird, dass die Richtlinie "auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels 141 des EG-Vertrags gegeben wurde," keine Anwendung findet (zweifelnd insoweit Rixen, a.a.O., S. 345 ff.; vgl. auch Rust in Rust/Falke, AGG, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Kommentar, 2007, S. 102, Rdnr. 244, die – ohne eine Einschränkung auf "Leistungen" – davon ausgeht, dass die Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie gehören). Angesichts der Tatsache, dass sich insoweit sowohl in der englischen als auch in der französischen Textfassung ein nicht mit "Leistungen", sondern – eingeschränkter – mit "Geldleistungen" zu übersetzender Begriff ("payments of any kind" bzw. "versements de toute nature") findet (vgl. Husmann, a.a.O., S. 15), ist davon auszugehen, dass die Fortführung einer Vertragsarztpraxis keine Leistung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG darstellt (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 15.12.2004, Az: L 7 KA 412/03 ER, bzw. Hess. LSG, Urteil vom 15.3.2006, Az: L 4 KA 32/05; Boecken, NZS, S. 394) und eine Anwendbarkeit der Richtlinie nicht deshalb ausgeschlossen ist.
2.) Ist demnach gemäß der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts die Richtlinie 2000/78/EG vorliegend anwendbar, so unterfällt die Regelung der Altersgrenze in § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V der Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie. Denn sie betrifft die Dauer der Berufsausübung des jeweiligen Vertrags(zahn)arztes, indem sie ihn daran hindert, künftig am Erwerbsleben teilzunehmen. Bei den Vertrags(zahn)ärzten handelt es sich um Personen, die im öffentlich-rechtlich geregelten Bereich der Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung tätig sind und in diesem Rahmen freiberuflich eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben (Boecken, NZS, S. 394). Da eine Regelung über die Beendigung einer Tätigkeit ab einem bestimmten Lebensalter zugleich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie eine Bedingung für den Berufszugang zu selbständiger Tätigkeit enthält, weil nach Erreichen der jeweiligen Altersgrenze der Berufszugang verschlossen ist (vgl. Boecken, Stellungnahme zur verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit der Altersgrenze von 68 Jahren für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte für die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 12. März 2008 (Stellungnahme), S. 5; Hessisches LSG, Urteil vom 15.3.2006, Az: L 4 KA 32/05), kann dahinstehen, ob die Regelung einer Höchstaltersgrenze bei Selbständigen darüber hinaus auch als Arbeitsbedingung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie zu verstehen ist.
Die Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V stellt eine Benachteiligung wegen Alters im Sinne der Art. 1, 2 Abs. 1 der Richtlinie dar (vgl. BSG, Urteil vom 6.2.2008, Az: B 6 KA 41/06 R), wobei es sich um eine unmittelbare Diskriminierung handelt (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a der Richtlinie), da die Beendigung der Zulassung zur Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung unmittelbar an das Erreichen eines bestimmten Alters geknüpft wird (Eichenhofer, SGb, S. 582; Boecken, NZS, S. 395).
2.1) Der Annahme einer Diskriminierung steht nicht Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie entgegen, wonach die Richtlinie solche im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen nicht berührt, die in einer demokratischen Gesellschaft u.a. zum Schutz der Gesundheit notwendig sind. Nach dem systematischen Zusammenhang mit Art. 6 der Richtlinie kann es sich dabei nämlich nur um Maßnahmen handeln, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes derart zwingend sind, dass der Gesetzgeber auf sie schlechterdings nicht verzichten kann. Davon kann aber bei der Altersgrenze des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V schon deshalb nicht die Rede sein, weil diese Regelung, wie die Gesetzesbegründung zeigt, vom Gesetzgeber gar nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes normiert worden ist.
2.2) Die Annahme einer Diskriminierung entfällt auch nicht im Hinblick auf die Regelung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie. Hiernach können die Mitgliedstaaten ungeachtet der Definitionen des Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines unter das Diskriminierungsverbot des Art. 1 der Richtlinie fallenden Merkmals dann keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Eine unterschiedliche Behandlung setzt danach voraus, dass das in Rede stehende Merkmal für die Tätigkeit prägend ist (vgl. Falke in Rust/Falke, S. 470, Rdnr. 11; Eichenhofer, SGb, S. 582, S. ), so z.B. das Geschlecht für Tätigkeit eines Opernsängers im Fach Bariton. Die Einhaltung einer Altersgrenze für die vetrags(zahn)ärzte Tätigkeit ist aber nicht in vergleichbarer Weise aus dem Wesen dieser Tätigkeit herzuleiten. Das zeigt sich schon daran, dass der Gesetzgeber insoweit Ausnahmen zulässt: War der betroffene Arzt zum Zeitpunkt der Vollendung seines 68. Lebensjahres weniger als zwanzig Jahre als Vertags(zahn)arzt tätig und vor dem 1. Januar 1993 bereits als Vertags(zahn)arzt zugelassen, verlängert der Zulassungsausschuss die Zulassung längstens bis zum Ablauf dieser Frist (§ 95 Abs. 7 Satz 4 SGB V). Hat das zuständige Gremium nach § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgestellt, dass in einem bestimmten Gebiet eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder unmittelbar droht, gilt die Altersgrenze nicht (§ 95 Abs. 7 Satz 8 SGB V). Des weiteren darf sich ein Vertrags(zahn)arzt bei Krankheit, Urlaub und Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen durch einen(Zahn)arzt vertreten lassen, der wegen Erreichens der Altersgrenze nach § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V selbst nicht mehr als Vertrags(zahn)arzt zugelassen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.6.2004, Az: B 6 KA 11/04 R). Da er mit dem altersbedingten Ende der Zulassung nicht auch seine Approbation verliert, kann ein (Zahn)arzt weiterhin Privatpatienten behandeln. Nach alledem lässt sich die Altersgrenze nicht mit wesentlichen und entscheidenden Anforderungen vertrags(zahn)ärztlicher Tätigkeit begründen (Eichenhofer, SGb, S. 582; Boecken, NZS, S. 397).
2.3) Eine europarechtliche Unbedenklichkeit der Altersgrenze nach § 95 Abs.7 Satz 3 SGB V könnte sich mithin nur noch aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie ergeben. Ob die Regelung der Altersgrenze danach als gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen Alters angesehen werden kann, erscheint dem erkennenden Gericht jedoch fraglich und hängt von der Auslegung der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie verwandten Begriffe "legitimes Ziel", "angemessen" und "erforderlich" ab.
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie gestattet es den Mitgliedstaaten, ungeachtet (der Diskriminierungsdefinitionen) des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie vorzusehen, dass Ungleichbehandlungen wegen Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
Als Rechtfertigungserwägungen nennt die Richtlinie ausdrücklich Ziele der Beschäftigungspoltitik und des Arbeitsmarktes. Der EuGH hat dies in seinem Urteil in dem Verfahren Palacios dahingehend ergänzt, dass auch für wirtschaftliche, soziale, demographische und haushaltsbezogene Erwägungen Raum ist und dass der nationale Gesetzgeber bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel er verfolgt, sowie bei der Festlegung der Mittel zur Errreichung dieser Ziele einen weiten Ermessensspielraum hat (RdNr.68 f.).
2.3.1) Die vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V verfolgten Ziele, nämlich die Finanzierbarkeit der GKV zu sichern und eine ausgewogene Lastenverteilung zwischen den Generationen zu gewährleisten, sind zweifellos rechtmäßige Ziele im Sinne des Art 6 Abs. 1 der Richtlinie. Im vertragszahnärztlichen Bereich ist die Altersgrenze zur Erreichung diese Ziels jedoch nicht (mehr) erforderlich. Denn – wie ausgeführt – sind durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz die Zulassungsbeschränkungen für Vertragszahnärzte zum 1.4.2007 generell entfallen, weil der Gesetzgeber für sie keine Steuerungsfunktion mehr sah (vgl. Eichenhofer, SGb, S. 584).
2.3.2) Selbstverständlich handelt es sich auch bei dem Gesundheitsschutz der Versicherten, auf den das BVerfG ausschließlich abstellt, grundsätzlich um ein legitimes Ziel im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie. Tatsächlich hat der Gesundheitsschutz der Versicherten bei der Einführung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V, wie dessen Entstehungsgeschichte zeigt, für den Gesetzgeber aber gar keine Rolle gespielt. Offenbar hätte es also ohne die defizitäre Finanzlage der GKV und die damit in Zusammenhang stehende Notwendigkeit von Zulassungsbeschränkungen, wie in der gesamten Zeit vor dem 1.1.1999, auch weiterhin kein altersbedingtes Zulassungsende gegeben. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes der Versicherten im Zusammenhang mit der Altergrenze des § 95 Abs. 7 SGB V später in seinen gestalterischen Willen aufgenommen hätte. So wird in der Gesetzesbegründung zum Vertragsarztänderungsgesetz vom 22.12.2006, durch das die Sätze 8 bis 10 in § 95 Abs. 7 SGB V eingefügt worden sind, nur auf die seinerzeit für die Einführung der Altersgrenze maßgeblichen Erwägungen abgestellt, wenn es dort in der BT-Drucks 16/2474, S. 22 heißt: "Diese Regelung (scil. § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V) sollte ursprünglich dazu dienen, in überversorgten und deshalb für die Neuzulassung gesperrten Planungsbereichen Niederlassungschancen für jüngere Ärzte zu schaffen. Soweit aber ältere Ärzte gegen ihren Willen zur Aufgabe ihrer Praxis gezwungen werden, obwohl bei ihnen die nach der Zulassungsverordnung erforderlichen persönlichen Voraussetzungen für die Ausübung vertragsärtzlicher Tätigkeit nach wie vor vorliegen, ist es angezeigt, an der strengen Altersgrenze dann nicht mehr festzuhalten, wenn dies anderenfalls zu Versorgungsproblemen führt, weil jüngere Ärzte gerade nicht als Nachfolger bereitstehen."
Da das gestalterische Ermessen, das Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber einräumt, auch einen gewissen Spielraum bei der Entscheidung, welche Ziele er verfolgen will, umfasst, erscheint es nicht unproblematisch, wenn ein vom Gesetzgeber im konkreten Fall gar nicht in dessen Erwägungen einbezogenes Ziel von der Rechtsprechung "nachgeschoben " wird. In diesem Zusammenhang ist auf das in dem Verfahren Palacios ergangene Urteil zu verweisen, in dem der EuGH zwar nicht verlangt, dass das Gesetz selbst einen ausdrücklichen Hinweis auf ein legitimes Ziel enthält, wohl aber darauf besteht, "dass andere – aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete – Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können" (vgl. RdNr. 57). In der Konsequenz dieser Ausführungen könnte es liegen, vorliegend den Gesundheitsschutz der Versicherten nur dann als legitimes Ziel zu akzeptieren, wenn es Hinweise dafür gäbe, dass der Gesetzgeber dieses Ziel auch konkret im Zusammenhang mit der Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V in seinen Gestaltungswillen aufgenommen hat. Das ist aber gerade nicht der Fall.
Damit stellt sich die Frage, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie so auszulegen ist, dass ein legitimes (Gesetzes-)Ziel auch dann angenommen werden kann, wenn dieses Ziel für den nationalen Gesetzgeber bei der Wahrnehmung seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums selbst überhaupt keine Rolle gespielt hat.
2.3.3) Darüber hält das Gericht auch die in der Literatur (vgl. Boecken, NZS, S. 396; ders. Stellungnahme, S. 6; Eichenhofer, SGb, S.585; Arnold, S. 145; ferner Bertelsmann in Rust/Falke, S. 629 ff., Rdnr. 250ff.) geltend gemachten Zweifel, ob die Altersgrenze im Interesse des Gesundheitsschutzes der Versicherten erforderlich und angemessen ist, für durchaus nachvollziehbar. Diese Zweifel beruhen zum Einen darauf, dass mildere Mittel zur Verfügung stehen dürften, und zwar in Gestalt einer individuellen Überprüfung der Leistungsfähigkeit (vgl.Arnold, S. 146). Den Einwänden des BSG (Urteil vom 6.2.2008, Az: B 6 KA 41/06 R), dass eine solche Überprüfung regelmäßig erst später als die Verschlechterung der Leistungsfähigkeit stattfände und dass die Fortführung der Praxis im Hinblick auf anschließende Rechtsschutzverfahren möglicherweise dann noch jahrelang hingenommen werden müsste, ließe sich durch eine Regelung Rechnung tragen, die zwar von einer Altersgrenze ausgeht, aber auf Antrag – nach individueller Prüfung der Leistungsfähigkeit – eine befristete Verlängerung der Zulassung ermöglicht. Soweit geltend gemacht wird, dass ohne die generalisierende Altersgrenze umfangreiche Verwaltungsstrukturen und Maßstäbe zur Prüfung des individuellen Leistungsvermögens entwickelt werden müssten (Hessisches LSG vom 15.3.2006, Az: L 4 KA 32/05), ist darauf zu verweisen, dass das Vertrags(zahn)arztrecht mit der in § 95 d SGB V geregelten Verpflichtung zur Fortbildung durch Erwerb entsprechender Fortbildungszertifikate durchaus schon ein System kennt, das individuell die Leistungsfähigkeit von Vertrags(zahn)ärzten überprüft. Die entstehenden Kosten könnten dem Vertrags(zahn)arzt auferlegt werden. Mit einer solchen Prüfung wäre auch kein übermäßiger Aufwand verbunden, und zwar um so weniger, als erwartungsgemäß durchaus nicht alle Zahnärzte nach Vollendung des 68. Lebensjahres überhaupt noch tätig sein wollen (vgl. Boecken, NZS 2005, S.396).
Zum Anderen erscheint die Regelung des § 95 Abs.7 Satz 3 SGB V, die das individuelle Leistungsvermögen gänzlich außer Betracht lässt, aber auch im Sinne einer Unverhältnismäßigkeit deshalb problematisch, weil sich aus den oben aufgeführten Ausnahmeregelungen des § 95 Abs. 7 Satz 7 und 8 SGB V ergibt, dass einerseits der Gesetzgeber das von Vertrags(zahn)ärzten jenseits der Altergrenze ausgehende Gesundheitsrisiko offenbar selbst so nicht sieht und es für seine Entscheidung zur Einführung der Altersgrenze nicht einmal überhaupt eine Rolle gespielt hat, andererseits die Einführung der Altersgrenze für die betroffenen Zahn-/Ärzte aber eine durchaus schwerwiegende Belastung darstellt, die ab Erreichen der Altersgrenze regelmäßig eine völlige Entwertung ihrer Berufsfreiheit bedeutet. Da etwa 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert sind, kann der niedergelassene Arzt ohne Zulassung zur Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung und allein angewiesen auf die Behandlung von Privatpatienten seine Praxis nicht rentabel führen (Boecken, Stellungnahme, S. 2; Blöcher, S. 337).
Im Übrigen und vor allem erscheint es durchaus fraglich, ob die Richtlinie, nach deren Konzept das Verbot der Ungleichbehandlung als Regel gilt und der Dispens hiervon die Ausnahme bleibt (vgl.Boecken, Stellungnahme, S. 7; ders., NZS, S. 396), einer Auslegung zugänglich ist, die eine auf die allgemeine Lebenserfahrung abstellende Typisierung bei der Beurteilung des Leistungsvermögens älterer Zahn-/Ärzte zulässt. Auch nach der Auffassung des erkennenden Gerichts ist es – entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung – zweifellos Tatsache, dass das Leistungsvermögen eines Menschen u.a. von dessen Alter abhängt und dass, soweit der Betreffende nicht vorher stirbt, ein Zeitpunkt kommt, ab dem das körperliche und/oder geistige Leistungsvermögen mit fortschreitendem Alter nicht mehr ausreicht, um beispielsweise die (zahn-)ärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben. Es entspricht aber ebenfalls der Lebenserfahrung und ist auch wissenschaftlich abgesichert (vgl. Bertelsmann, in Rust/Falke, S 202 f., Rdnr. 92ff.), dass der Alterungsprozess und der damit verbundene Leistungsabfall individuell sehr unterschiedlich verlaufen. Eine Lebenserfahrung, geschweige denn eine wissenschaftliche Erkenntnis, dass die in § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V festgelegte Altersgrenze in jedem konkreten Einzelfall wegen Leistungsabbaus geboten wäre, gibt es nicht. Da ein Gesundheitsrisiko für die Versicherten aber nur von der Leistungseinschränkung des Zahn-/Arztes als solcher ausgeht, dürfte der der Gesetzgeber den Verlust der Zulassung eigentlich nur daran knüpfen. Stattdessen generell auf das Erreichen eines bestimmten Alters abzustellen, ohne dem ggfls. noch ausreichend vorhandenen individuellen Leistungsvermögen zumindest durch Ausnahmeregelungen Rechnung zu tragen, könnte deshalb – entgegen der Auffassung, die die mit dem Eilverfahren der Klägerin verfassten Gerichte vertreten haben – möglicherweise doch eine unzulässige Diskriminierung darstellen.
Wäre aus den dargelegten Erwägungen die Richtlinie 2000/78/EG so auszulegen, dass die Frage Nr. 1 oder 2 zu verneinen wäre, ist außerdem klärungsbedürftig, ob § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V mittels unmittelbarer Anwendung der Richtlinie suspendiert werden kann (so wohl Husmann, a.a.O. S. 66) oder ob ein Umsetzungsdefizit vorliegt, das sich nur durch ein Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers kompensieren lässt (zu dieser Fragestellung vgl. Rixen, a.a.O., S. 353).
Vor diesem Hintergrund hat das Gericht beschlossen, den EuGH um Klärung der aufgeworfenen Fragen zu bitten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Erstellt am: 01.08.2008
Zuletzt verändert am: 01.08.2008