Der am 12.09.2012 gefasste und am 06.02.2013 zugegangene Beschluss des Beklagten wird aufgehoben. Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der anderen Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen aufgrund einer Richtgrößenprüfung für das Jahr 2009 festgesetzten Regress in Höhe von 1.509,29 EUR wegen der Verordnung von Heilmitteln.
Die Klägerin ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und nimmt als Hausärztin in Q an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Mit Schreiben vom 17.10.2011 teilte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Westfalen-Lippe (Prüfungsstelle) ihr mit, dass sie ausweislich der Richtgrößenstatistik für das Jahr 2009 das Richtgrößenvolumen für Heilmittel um 66,8 % überschritten habe. Gemäß Anhang 5 B zur Gemeinsamen Prüfvereinbarung habe die Prüfungsstelle Verordnungskosten für spezielle Indikationsbereiche von den Gesamtverordnungskosten in Abzug gebracht, soweit diese von der Fachgruppentypik abwichen. Danach werde das Richtgrößenvolumen aber immer noch um mehr als 15 % überschritten. Deshalb sei gemäß § 106 Abs. 5 a SGB V eine Richtgrößenprüfung eingeleitet worden.
Hierzu wies die Klägerin in ihren Stellungnahmen vom 07. und 14.11.2011 darauf hin, dass sie in ihrer Praxis sehr viele polymorbide Patienten, Chroniker (insgesamt 1984 Behandlungsfälle) und zu einem hohen Anteil Rentner betreue. Hausbesuche habe sie bei den Patienten durchgeführt, die alters- und/oder krankheitsbedingt die Praxis nicht aufsuchen könnten. Durch ihr Verordnungsverhalten habe sie viele Kosten gespart, die sonst durch stationäre Behandlungen, intensive medikamentöse Therapien usw. entstanden wären. Um ihren Vortrag zu untermauern, reichte sie Übersichten über die Behandlungsfallzahlen, Diagnosestatistiken sowie Behandlungsunterlagen zu 34 Patienten ein.
Mit Bescheid vom 12.12.2011 setzte die Prüfungsstelle einen Regress von 1.509,29 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus: Nach Abzug der nach Anhang 5 zur Prüfvereinbarung vorab zu berücksichtigenden Kosten und der Mehrkosten in den Bereichen Ergotherapie und Logopädie, die in Anwendung einer an sich nur das Jahr 2008 betreffenden Empfehlung der Gesamtvertragspartner berücksichtigt worden seien, verbleibe eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens um 55,1 %. Im Zusammenhang mit den Verordnungen von Ergotherapie und Logopädie erkenne die Prüfungsstelle nunmehr auch noch 21,71 %, das heißt 257,69 EUR, von den Kosten der im Zusammenhang mit diesen Verordnungen angefallenen Hausbesuche an. Dieser Prozentsatz entspreche dem Verhältnis der Gesamtkosten für Logopädie und Ergotherapie (4.352,30 EUR) zu den in diesem Bereich bereits anerkannten Kosten von 944,85 EUR. Die Praxis der Klägerin weise tatsächlich überdurchschnittlich viele ältere Patienten auf. So entfielen 57 % der Kosten auf die über 64-jährigen Patienten; die Behandlung der Rentner mache 72 % der Kosten aus. Jedoch werde bei der Festsetzung der Richtgröße der Mehrbedarf durch Rentner schon größtenteils berücksichtigt. Der Vortrag der Klägerin sei zu allgemein, um insoweit Praxisbesonderheiten in Bezug auf die tatsächlich veranlassten Heilmittelkosten begründen zu können. Dass sie eine Vielzahl von Diagnosen aufgeführt habe, reiche nicht aus. Die Prüfungsstelle habe nämlich ermittelt, dass in vielen Fällen (wird ausgeführt) trotz umfangreicher Diagnosen nur eine Verordnung über sechs Anwendungen ausgestellt und damit offensichtlich als ausreichend angesehen worden sei. Bei Krankheitsfällen mit der Codierung WS2f (WS-Erkrankung mit prognostisch länger dauerndem Behandlungs- bedarf) sei aber davon auszugehen, dass eine einzelne Verordnung über sechs Anwendungen nicht ausreiche. Es könne sich in diesen Fällen eventuell um eine Fehlcodierung insoweit handeln, als eher der Indikationsschlüssel WS1 (WS-Erkrankung mit prognostisch kurzeitigem Behandlungsbedarf) angezeigt gewesen wäre. Auch zu der podologischen Behandlung (Indikationsschlüssel DF) habe die Klägerin nicht explizit vorgetragen. Anhand der AOK-Verordnungsblätter habe die Prüfungsstelle aber begründete Verordnungen feststellen können und deshalb die unter Ziffer 6 der Statistik ausgewiesenen Kosten mit 1.150,51 EUR von den Gesamtverordnungskosten abgesetzt. Die Kosten für die von der Klägerin ausdrücklich angeführte Patientin N T, die sich anhand der Heilmittelblattdaten in Höhe von 1.163,54 EUR feststellen ließen, seien mit ZN2 gekennzeichnet und damit bereits unter Ziffer 5 der Statistik in die Prüfung eingeflossen, wobei in diesem Bereich aber insgesamt ein Minderaufwand festzustellen sei. Eine besondere Häufung kostenintensiver Fälle oder besonders schwerwiegender Krankheitsbilder habe sich bei Durchsicht der AOK-Verordnungen, der Heilmittelblattdaten und der von der Klägerin ausgewiesenen Fälle nicht feststellen lassen. Dass die Klägerin den überdurchschnittlich alten, z.T. hochbetagten Patienten aktivierende Krankengymnastik verordnet habe, werde mit dem Abzug von 30 % der Mehrkosten im Bereich dieses Heilmittels anerkannt. Die Überschreitung des Richtgrößenvolumens reduziere sich damit auf 31,20 %. Der Bruttoregress, bei dem eine Überschreitung um 25 % zugestanden werde, belaufe sich auf 1.679,97 EUR, woraus sich bei einer Nettoquote von 89,84 % ein Nettoregress in Höhe von 1.509,29 EUR errechne.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 12.01.2012 Widerspruch ein. Unter dem 15.02.2012 machte sie machte geltend: Durch die Verordnung von Heilmitteln habe sie Kosten im Bereich der Arzneimittel eingespart. Bei den älteren und polymorbiden Patienten sei die intensive Heilmitteltherapie notwendig gewesen, um das Beschwerdebild zu bessern und eine Chronifizierung sowie Krankenhausaufenthalte, längere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Die durchgeführten Hausbesuche seien stets erforderlich gewesen. Zum Nachweis der Wirtschaftlichkeit ihrer Heilmittelverordnungen reichte sie ärztliche Berichte und Unterlagen zu 55 Patienten ein.
Mit Beschluss vom 12.09.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Nach eingehender Prüfung seien insgesamt keine Gründe zu erkennen, die die beanstandete Überschreitung des Richtgrößenvolumens in vollem Umfang als notwendig und wirtschaftlich erscheinen ließen. Neben den von der Prüfungsstelle bereits berücksichtigten lägen nämlich keine weiteren Praxisbesonderheiten vor. Die eingereichten Patientenaufstellungen führten nicht weiter, weil sie auf der eigenen Einschätzung des geprüften Arztes beruhten und deswegen z.B. schon in der Diagnose liegende Unwirtschaftlichkeiten verdecken könnten. Die anhand der eingereichten Unterlagen erkennbaren Krankheitsbilder seien für eine hausärztliche Praxis insgesamt typisch und als solche bei der Berechnung der Richtgröße berücksichtigt worden. Eine besondere Häufung derartiger fachgruppentypischer Krankheitsbilder habe sich ebenso wenig feststellen lassen wie eine Notwendigkeit für die veranlassten Behandlungen. Gemäß § 3 Abs. 5 der Heilmittel-Richtlinie ergebe sich die Indikation für die Verordnung von Heilmitteln nämlich nicht allein aus der Diagnose, sondern nur dann, wenn in der Gesamtbetrachtung der funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten sowie unter Berücksichtigung der individuellen Kontextfaktoren in Bezug auf Person und Umwelt eine Heilmittelanwendung notwendig sei. Vor jeder Verordnung sei zu prüfen, ob das angestrebte Behandlungsziel auch durch eigenverantwortliche Maßnahmen des Patienten qualitativ gleichwertig, aber kostengünstiger zu erreichen sei. Bei den von der Klägerin namentlich aufgeführten Patienten sei keine zusätzliche Praxisbesonderheit anzuerkennen. Die Patientenstruktur der Praxis rechtfertige keine weitere Entlastung, insbesondere habe sich keine besondere Häufung polymorbider Krankheitsbilder feststellen lassen. Dem im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt (33 %) höheren Anteil älterer Patienten (41 %) sei mit der Richtgröße für Rentner, der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten durch Ziffer 5 und durch die Anerkennung von 30 % der Mehrkosten im Bereich der Krankengymnastik ausreichend Rechnung getragen worden. Bei den jüngeren Patienten stehe die Anleitung zu eigenverantwortlichen Maßnahmen im Vordergrund. Bei der Patientin N erscheine es unter Berücksichtigung des Therapieberichts vom 23.04.2009 zweifelhaft, ob eine Folgeverordnung über nochmals sechs Anwendungen von Krankengymnastik hätte ausgestellt werden müssen. Es zeigten sich auch andere Behandlungsfälle, bei denen die Klägerin möglicherweise den Therapieempfehlungen der vorbehandelnden Ärzte unkritisch nachgekommen sei. Kompensationsfähige Minderaufwendigen in anderen Bereichen seien nicht ersichtlich, im Übrigen verweise der Beklagte auf Vorentscheidungen in den Prüfverfahren für l/2005 (Beratung) und I/2006 (Regress von 432,07 EUR), in denen die Prüfgremien durchaus noch Einsparpotential gesehen hätten.
Dieser Beschluss wurde der Klägerin am 06.02.2013 zugestellt. Daraufhin hat sie am 28.02.2013 die vorliegende Klage erhoben hat. Sie ist der Ansicht, dass der Beschluss rechtswidrig sei, weil anstelle der Festsetzung eines Regresses zunächst eine Beratung hätte erfolgen müssen. Auf die mit Schreiben vom 13.09.2010 erfolgte Beratung könne sich der Beklagte nicht berufen, weil diese erst nach dem vorliegend relevanten Prüfzeitraum erfolgt sei. Im Übrigen seien alle Heilmittelverordnungen medizinisch notwendig und auch wirtschaftlich gewesen. Die Annahme des Beklagten, dass der hohe Anteil an Rentnern bereits durch die Richtgröße ausreichend berücksichtigt worden sei, gehe fehl. Auf die Rentner entfielen ca. 70 % der Heilmittelkosten. Dies wirke sich wegen der unterdurchschnittlichen Fallzahl, die der Beklagte aber nicht in seine Betrachtung einbezogen habe, besonders stark aus. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Richtgrößenvereinbarung rechtzeitig bekannt gemacht worden sei. Im Übrigen verweise sie auf eine Stellungnahme aus dem Geschäftsbereich Verordnungsmanagement der Beigeladenen zu 7), in der ebenfalls Unstimmigkeiten der gegenüber der Klägerin ergangenen Prüfentscheidungen aufgezeigt worden seien.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 12.09.2012 aufzuheben, hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung des Beschlusses vom 12.09.2012 zu verpflichten, über den Widerspruch gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses vom 12.12.2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und bezieht sich zur Begründung auf seine Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Er ist der Ansicht, dass die Klägerin keine vorrangige Beratung geltend machen könne. Im Einklang mit dem Urteil des LSG NW, Urteil vom 20. November 2013, Az: L 11 KA 49/13, sei davon auszugehen, dass die Klägerin mit Blick auf den Regress für I/2006 nicht zum Adressatenkreis des § 106 Abs. 5e SGB V gehöre.
Die Beigeladene zu 1) beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Die anderen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Die Beigeladene zu 7) hat auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass sie sich die von der Klägerin im gerichtlichen Verfahren eingereichte Stellungnahme eines Mitarbeiters aus dem Geschäftsbereich Verordnungsmanagement nicht zu eigen mache.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).
Die Klage ist mit dem Hauptantrag im Sinne einer Anfechtungsklage zulässig und begründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Beschluss beschwert (vgl. § 54 Abs. 2 SGG); denn dieser Beschluss ist rechtswidrig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – (seit Urteil vom 09.03.1994, Az: 6 RKa 5/92) ist allein der Bescheid des Beschwerdeausschusses Gegenstand der Klage in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Der Klageantrag muss regelmäßig darauf gerichtet sein, dass der angefochtene Bescheid des Beschwerdeausschusses aufgehoben und der Beschwerdeausschuss verpflichtet wird, den Bescheid der Prüfungsstelle aufzuheben oder – je nach Verfahrenssituation – den Widerspruch der Krankenkasse gegen den für den Arzt positiven Bescheid der Prüfungsstelle zurückzuweisen (vgl. Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, S. 325 f.). Einer erneuten Entscheidung des Beschwerdeausschusses bedarf es nur dann nicht mehr, wenn eine weitere Entscheidung aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist (vgl. Clemens in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage, Stand: 31.10.2016, § 106, Rn. 446). Um eine solche Konstellation handelt es sich vorliegend. Denn es geht nicht darum, dass der Regressbescheid nur in seiner konkreten Gestalt (etwa wegen Beurteilungsfehlern) rechtswidrig wäre; vielmehr ist der Beklagte generell am Erlass eines die Klägerin betreffenden Richtgrößenregresses für das Jahr 2009 gehindert.
Rechtsgrundlage für einen Regress aufgrund einer Richtgrößenprüfung im Bereich der Heilmittelkosten ist § 106 Abs. 5a des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung § 84 Abs. 6 SGB V und der Gemeinsamen Prüfvereinbarung (GPV), wobei diese Vorschriften als materiell-rechtliche Normen jeweils in ihrer im Prüfzeitraum geltenden Fassung anzuwenden sind (vgl. BSG, Urteile vom 09.04.2008, Az: B 6 KA 34/07 R, und 22.10.2014, Az: B 6 KA 3/14 R; Beschluss vom 17. Februar 2016, Az: B 6 KA 44/15 B). Soweit nicht anders vermerkt, sind die im Folgenden zitierten Vorschriften des SGB V und der GPV deshalb in ihrer seinerzeit geltenden Fassung gemeint.
Gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung geprüft durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84 (Auffälligkeitsprüfung). Nach § 84 Abs. 6 SGB V vereinbaren die Vertragspartner, nämlich die (Landesverbände der) Krankenkassen und die Ersatzkassen sowie die Kassenärztliche Vereinigung, bis zum 15. November für das jeweils folgende Kalenderjahr zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Arznei- und Verbandmittel (Richtgrößenvolumen) arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte unter Berücksichtigung der nach Absatz 1 getroffenen Arzneimittelvereinbarung. Zusätzlich sollen die Vertragspartner nach Abs. 1 die Richtgrößen nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nach Krankheitsarten bestimmen. Die Richtgrößen leiten den Vertragsarzt bei seinen Entscheidungen über die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Überschreitung des Richtgrößenvolumens löst eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 5a SGB V unter den dort genannten Voraussetzungen aus. Diese Regelungen sind für Heilmittel unter Berücksichtigung der besonderen Versorgungs- und Abrechnungsbedingungen im Heilmittelbereich entsprechend anzuwenden (§ 84 Abs. 8 SGB V).
Gemäß § 106 Abs. 5 a Satz 3 SGB V hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 vom Hundert nach Feststellung durch die Prüfungsstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Die Vertragspartner bestimmen in Vereinbarungen nach Abs. 3 der Vorschrift die Maßstäbe zur Prüfung der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten. (Auf dieser Grundlage wurde von den Vertragspartnern im Bereich der Beigeladenen zu 7) mit Wirkung zum 01.01.2008 die "Gemeinsame Prüfvereinbarung" – GPV – getroffen). Die Prüfungsstelle beschließt unter Beachtung dieser Vereinbarung die Grundsätze des Verfahrens der Anerkennung von Praxisbesonderheiten. Die Kosten für verordnete Arznei-, Verband- und Heilmittel, die durch gesetzlich bestimmte oder in der Prüfvereinbarung und § 84 Abs.6 SGB V vorab anerkannte Praxisbesonderheiten bedingt sind, sollen vor der Einleitung eines Prüfverfahrens von den Verordnungskosten des Arztes abgezogen werden; der Arzt ist hierüber zu informieren. Weitere Praxisbesonderheiten ermittelt die Prüfungsstelle auf Antrag des Arztes, auch durch Vergleich mit den Diagnosen und Verordnungen in einzelnen Anwendungsbereichen der entsprechenden Fachgruppe.
In Anwendung dieser Vorschriften lässt sich vorliegend eine nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigte Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % feststellen:
Die Vertragspartner haben unter Berücksichtigung der von ihnen nach § 84 Abs. 1 SGB V für das Jahr 2009 geschlossenen Heilmittelvereinbarung unter dem 13.11.2008 nach § 84 Abs. 6 und 8 SGB V fallbezogene, arztgruppenspezifische Richtgrößen für Arznei- und Heilmittel vereinbart. Diese im Dezember 2008 satzungsgemäß im "Pluspunkt" unter "Amtliche Bekanntmachungen" veröffentlichte Richtgrößenvereinbarung weist für die Arztgruppen der zugelassenen Allgemeinmediziner, Praktischen Ärzte und hausärztlichen Internisten als Richtgröße für Heilmittel 4,83 EUR (wenn es sich bei dem Patienten um einen Versicherten oder einen mitversicherten Familienangehörigen handelt) bzw. 12,66 EUR (für Rentner) aus. Von diesen Werten sind die Prüfungseinrichtungen bei der Berechnung des Regresses vorliegend auch ausgegangen. Dass die Richtgrößenvereinbarung nicht nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nicht nach Krankheitsarten differenziert, sondern nur – relativ grob – zwischen den Gruppen der Mitglieder/Familienversicherten und der Rentner unterscheidet, ist für diesen Prüfzeitraum noch hinnehmbar (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.2014, Az: B 6 KA 8/14 R; a.A. SG Dresden, Urteil vom 11.12.2013, Az: S 18 KA 31/10), zum einen, weil es sich bei § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V um eine Sollvorschrift handelt, zum anderen, weil die nach § 84 Abs. 7 Satz 5 SGB V erlassenen Rahmenvorgaben der Spitzenorganisationen diesbzgl. keine strikte Verpflichtung enthalten.
Der Berechnung des Richtgrößenvolumens hat der Beklagte ebenso wie die Prüfungsstelle aber entgegen § 11 Abs. 3 GPV anscheinend nicht die Summe aller Behandlungsfälle, die sich ausweislich der vom Gericht beigezogenen Honorarbescheide auf 3411 beläuft, sondern nur die Summe der RLV-relevanten Fälle (3373) zugrunde gelegt. Selbst wenn es sich bei den somit zu Unrecht unberücksichtigt gebliebenen 38 Behandlungsfällen ausschließlich um solche von Rentnern gehandelt haben sollte und sich damit ein um 38 x 12,66 EUR = 481,08 EUR höheres Richtgrößenvolumen ergäbe, verbliebe (ohne Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten) immerhin noch eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens um 63,9 %.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die für die Festsetzung eines Regresses relevante Überschreitung um mehr als 25 % wegen zu berücksichtigender Praxisbesonderheiten entfiele:
Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist hier nicht anders zu verstehen als im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten. Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein speziG2, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenguts und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden. Praxisbesonderheiten sind also aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Verordnungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen – LSG NW -, Urteil vom 15.04.2015, Az: L 11 KA 116/13, mit weiteren Nachweisen). Ebenso wie bei der Prüfung nach Durchschnittswerten besteht auch bei einer Richtgrößenprüfung ein Beurteilungsspielraum der Prüfungseinrichtungen, soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2015, Az: B 6 KA 45/14 R; vom 15.07.2015, Az: B 6 KA 30/14 R; vom 05.06.2013, Az: B 6 KA 40/12 R, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Aufgrund § 106 Abs. 5a Satz 5 SGB V haben die Vertragspartner gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 9 GPV im Anhang 5 B. I. Praxisbesonderheiten vereinbart, die von den Prüfungseinrichtungen zu berücksichtigen sind. Diesen Vorgaben haben die Prüfgremien durch Berücksichtigung des jeweiligen Mehraufwandes in den Bereichen LY2 (Lymphabflussstörungen mit prognostisch länger andauerndem Behandlungsbedarf) und LY3 (Chronische Lymphabflussstörungen bei bösartigen Erkrankungen) Rechnung getragen. Dass sie dabei einen Mehraufwand in den Bereichen LY2 und LY3 jeweils nur insoweit berücksichtigt haben, als dieser sich aus dem überdurchschnittlich hohen Anteil entsprechender Patienten ergab, erscheint vertretbar. Allerdings ist die rechnerische Ermittlung des Mehraufwandes nicht ohne Weiteres nachvollziehbar: Nach der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Richtgrößenstatistik hatte die Klägerin 6 LY2-Patienten und 2 LY3-Patienten, was (bezogen auf 3373 Fälle) einem Anteil von 0,17788% bzw. 0,05929% entspricht, während die Vergleichswerte der Fachgruppe mit 0,06 % bzw. 0,02 % ausgewiesen sind. Die Klägerin hätte also 3,9762 mehr LY2-Patienten bzw. 1,3254 mehr LY3-Patienten gehabt als der Durchschnitt der Fachgruppe. Bei Fallkosten von 358,78 EUR bzw. 705,65 EUR ergäbe sich danach ein Mehraufwand von 1.426,58 EUR bei den LY2-Patienten bzw. 935,27 EUR bei den LY3-Patienten. Ob sich die von den Prüfgremien stattdessen zugrunde gelegten Beträge von 1.378,21 EUR bzw. 833,61 EUR ausreichend aus der Anwendung von Rundungsregeln erklären, mag dahinstehen: Zum einen würden sich nämlich die Differenzen verringern, wenn man anstelle von insgesamt 3373 Fällen richtiger Weise von 3411 Fällen ausginge. Zum anderen würde sich jedenfalls nichts daran ändern, dass die regressrelevante 25 %-Grenze überschritten ist. Was die übrigen Diagnoseguppen und Leitsymptomatiken nach Anhang 5 B. I. angeht, fanden sich in den Heilmittelverordnungen der Klägerin entsprechende Indikationsschlüssel entweder unterdurchschnittlich häufig (ZN2) oder gar nicht, so dass eine Anerkennung von Praxisbesonderheiten insoweit nicht in Betracht kam.
Dass die GPV über die ihrem Anhang 5.B.I. mit Indikationsschlüssel nach Heilmittelkatalog aufgeführten Praxisbesonderheiten hinaus nicht noch weitere Praxisbesonderheiten pauschal festgelegt, sondern unter 5.B.II. für bestimmte Indikationsschlüssel nach Heilmittelkatalog nur noch Empfehlungen zur Prüfung auf Anerkennung ausgesprochen hat, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Denn hinsichtlich der im Einzelnen getroffenen Regelungen steht den Vertragspartnern nach § 106 Abs. 5a Satz 5 SGB V ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer normativer Gestaltungsspielraum zu, den sie insoweit nicht überschritten haben. Der sich aus den Empfehlungen ergebenden Prüfungspflicht sind die Prüfgremien ausreichend nachgekommen, indem sie für den Indikationsschlüssel DF (Diabetisches Fußsyndrom mit Neuropathie und/oder Angiopathie im Stadium Wagner 0) einen Mehraufwand von 1.150,51 EUR anerkannt, im Übrigen aber Praxisbesonderheiten verneint haben. So ist es nämlich durchaus zweifelhaft, ob die Klägerin den Indikationsschlüssel WS2 (Wirbelsäulenerkrankungen mit prognostisch länger dauerndem Behandlungsbedarf, insbesondere Einschränkungen von relevanten Aktivitäten des täglichen Lebens, multistrukturelle oder funktionelle Schädigung) durchweg zutreffend verwandt hat. Denn in den dem Gericht vorliegenden Verordnungen zu Lasten der Beigeladenen zu 1) finden sich nämlich auch solche (z.B. in den Fällen der Patienten B, G1, G2, K, L1, L2, S), bei denen die angegebenen Diagnosen eines Hals-/Brust- und/oder Lendenwirbelsäulensyndroms bzw. eines Zervikobrachialsyndroms und die Tatsache, dass im Verlauf des gesamten Prüfjahres jeweils nur einmal eine Verordnung ausgestellt wurde, einen prognostisch länger andauernden Behandlungsbedarf fraglich erscheinen lassen.
Den Mehraufwand der Klägerin im Zusammenhang mit ihren Verordnungen von Logo- und Ergotherapie haben die Prüfgremien hinreichend berücksichtigt, indem sie in Fortführung der in der Protokollnotiz zu § 11 Abs. 5 und 9 sowie Anhang 5 GPV für das Jahr 2008 ausgesprochenen Empfehlung die Gesamtverordnungskosten um den von der Arztgruppentypik abweichenden Mehraufwand in diesen Bereichen (zusammen 944,85 EUR) bereinigt und darüber hinaus – entsprechend der sich daraus ergebenden Mehrkostenquote (21,71 %) – auch Mehrkosten für Hausbesuche abgezogen haben, die im Rahmen logopädischer und ergotherapeutischer Behandlung angefallen waren.
Des Weiteren haben die Prüfgremien erkannt, dass die Klägerin ganz überwiegend aktive Therapiemaßnahmen, insbesondere Krankengymnastik, verordnet und einen überdurchschnittlich hohen Anteil an älteren Patienten behandelt hat, und deshalb auch noch 30 % der Mehrkosten im Bereich der Verordnungen von Krankengymnastik als gerechtfertigt angesehen. Dabei ist anzumerken, dass sich die überdurchschnittlich hohe Zahl älterer Patienten ausweislich der Abrechnungsbescheide nicht zuletzt aus den Abrechnungshäufigkeiten der GOP 03121 und 03122 (Versichertenpauschalen bei Überweisung) ergibt, dass diese Überweisungen aber wohl in erster Linie wegen der qualitätsgebundenen Leistungen der Klägerin in den Bereichen Sonographie, Psychosomatik, Langzeit-Blutdruckmessung und Spirometrie erfolgt sein dürften und damit kaum auf einen Heilmittelbedarf schließen lassen.
Eine weitergehende Anerkennung von Praxisbesonderheiten haben die Prüfgremien zu Recht abgelehnt. Es obliegt dem Arzt, solche Umstände im Prüfverfahren, also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss, geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen. Auch ein im Prüfungsverfahren nicht anwaltlich vertretener Arzt ist nicht überfordert, derartige Umstände zu konkretisieren. Unterlässt er einen solchen gebotenen Vortrag, kann er mit seinem verspäteten Vorbringen ausgeschlossen werden (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.2012, Az: B 6 KA 17/11 R).
Damit der Beklagte eine Wirtschaftlichkeit des Mehraufwandes hätte nachvollziehen können, hätte die Klägerin also anhand ihrer Behandlungsdokumentationen im Einzelnen dartun müssen, welche Heilmittelverordnungen sie für welchen Patienten mit Blick auf die jeweils zugrunde liegende Diagnose ausgestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 05.06. 2013, Az: B 6 KA 40/12 R, zur Darlegung einer Praxisbesonderheit im Zusammenhang mit der Betreuung von Pflegeheimbewohnern) und inwieweit aufgrund der Art, Schwere und Häufigkeiten der entsprechenden Krankheitsbilder deshalb ein atypisches Patientengut anzunehmen sein soll. An einem entsprechenden Vortrag der Klägerin fehlt es vorliegend jedoch.
Die zu ihrer Stellungnahme vom 14.11.2011 eingereichten Diagnosestatistiken genügen den Anforderungen in keiner Weise. Es handelt sich dabei Listen, die für jedes der vier Quartale getrennt erstellt sind und jeweils einen mindestens 9 Seiten umfassenden, mit ICD-Kodierung versehenen Katalog von Diagnosen und sie betreffenden Fallzahlen enthalten. Ganz abgesehen davon, dass von den Prüfgremien nicht erwartet werden kann, diese quartalsbezogenen Daten zusammenzuführen, um die Diagnosehäufigkeiten im gesamten Prüfzeitraum überblicken zu können, sind die Aufstellungen aber auch als solche nicht aussagekräftig. Schon nach der einleitenden Angabe zu den Diagnoseeinstellungen: "Abrechnungsdiagnosen (Akutdiagnosen), anamnestische und abrechnungsrelevante Dauerdiagnosen, anamnestische und nicht abrechnungsrelevante Dauerdiagnosen, stets behandlungsbedürftige und abrechnungsrelevante Dauerdiagnosen, stets behandlungsbedürftige und nicht abrechnungsrelevante Dauerdiagnosen" bleibt offen, bei welchen Diagnosen es sich um für den Prüfzeitraum "relevante" handeln soll. Gleichzeitig fallen Mehrfacheinträge auf, deren Verhältnis zueinander unklar ist, und die z.T. auch Zweifel an der Richtigkeit der Kodierung erwecken: So finden sich z.B. in der Aufstellung für das Quartal I/2009 die Einträge "M25.59 Gonalgie 62" und "M25.59 Knieschmerzen 30" sowie zu der Kodierung M 54.4 die Einträge "LWS-S 101", "Lumbago 172", "Lumboischialgie 49", "Lumboischialgie links 34", "Lumboischialgie re 11", "Lumboischialgie 8" und "Lumbalgie 3".
Die zeitgleich eingereichten Unterlagen zu insgesamt 34 Patienten haben schon deshalb keinen Aussagewert, weil sie sich auf das Quartal IV/2011 beziehen oder (im Fall der Patientin C) keine Angaben zum Behandlungsquartal enthalten.
Auch die im Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumentationen zu 55 Patienten sind von der Klägerin nicht so aufbereitet worden, dass sich daraus weitere Praxisbesonderheiten herleiten ließen, zumal bei mehr als der Hälfte der Fälle die zugehörige Heilmittelverordnung nicht beigefügt war.
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf die von ihr zu den Gerichtsakten gereichte Stellungnahme eines Mitarbeiters aus dem Verordnungsmanagement der Beigeladenen zu 7) stützen. Diese Stellungnahme, die sich diese Beigeladene auf Nachfrage des Gerichts im Übrigen ausdrücklich nicht zu eigen gemacht hat, bezieht sich schwerpunktmäßig auf die Prüfbescheide für die Jahre 2010 bis 2012. Soweit darin eine Unstimmigkeit des vorliegend angefochtenen Beschlusses daraus herleitet werden soll, dass für 2008 bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um 65,2 % nur eine schriftliche Beratung festgesetzt worden sei, während die "unwesentlich unterschiedliche" Überschreitung von 66,8 % im Jahr 2009 zu einem Regress geführt habe, ist diese Argumentation offenkundig nicht haltbar. Soweit die Stellungnahme den überdurchschnittlich hohen Anteil älterer Patienten hervorhebt, haben die Prüfgremien diesem Umstand – wie bereits ausgeführt – mit der teilweisen Anerkennung des Mehraufwandes im Bereich der Verordnungskosten für Krankengymnastik ausreichend Rechnung getragen. Dass die Klägerin mit ihren Fallzahlen von insgesamt 3373 bzw. 3411 die durchschnittlichen Fallzahlen der Fachgruppe, die ausweislich des im Internet veröffentlichten Honorarberichts der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Allgemeinärzte im Bereich der Beigeladenen zu 7) bei 963 (I/2009), 968 (II/2009), 930 (III/2009) bzw. 982 (IV/2009) liegen, unterschritten hat, ist unerheblich. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten setzt eine hinsichtlich ihres Behandlungsbedarfs untypische Klientel voraus. Eine geringe Fallzahl stellt, für sich gesehen, deshalb noch keine Praxisbesonderheit dar. Soweit in der Stellungnahme ein Herausrechnen der Kosten für Verordnungen außerhalb des Regelfalles gefordert wird, gibt es dafür für den Prüfzeitraum noch keine Rechtsgrundlage. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 05.06.2013, Az: B 6 KA 40/12 R) ist darauf hinzuweisen, dass sich Patienten mit schweren und kostenintensiven Erkrankungen praktisch in jeder Hausarztpraxis finden. Ein Herausrechnen käme nur insoweit in Betracht, als eine Praxisbesonderheit anzuerkennen wäre. Über die von den Prüfgremien bereits berücksichtigten Praxisbesonderheiten hinaus lassen sich mangels ausreichender Darlegung durch die Klägerin insoweit aber keine weiteren annehmen.
Kompensierende Minderaufwendungen in anderen Bereichen sind nicht ersichtlich. Dass die Klägerin ihr Richtgrößenvolumen im Bereich der Arzneimittel unterschritten hat, reicht nicht aus. Denn den für eine Kompensation erforderlichen Kausalzusammenhang hat sie nicht dargelegt. Eigene kompensierende physikalisch-medizinische Leistungen werden von Hausärzten nicht in nennenswertem Umfang durchgeführt.
Obwohl die Prüfgremien damit zu Recht eine nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigte Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % angenommen haben, hätten sie wegen § 106 Abs. 5 e Satz 1 SGB V dennoch keinen Regress festsetzen dürfen. Nach dieser Regelung erfolgt abweichend von § 106 Abs. 5 a Satz 1 SGB V bei einer erstmaligen Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % eine individuelle Beratung nach § § 106 Abs. 5 a Satz 1 SGB V. Ein Regress kann bei künftiger Überschreitung erstmals für den Prüfzeitraum nach der Beratung festgesetzt werden (§ 106 Abs. 5 e Satz 2 SGB V).
Gegen die Anwendbarkeit der Vorschrift bestehen keine Bedenken. Wie das BSG in seinem Urteil vom 22.10.2014, Az: B 6 KA 3/24 R, ausgeführt hat, erfasst der in § 106 Abs. 5 e SGB V normierte Beratungsvorrang zwar nur Prüfverfahren, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren und in denen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses nach dem 25.10.2012 (d.h. vor Inkrafttreten von Art. 12 b Nr. 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften am 26.10.2012) ergangen ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend aber erfüllt.
Zwar hatte der Beklagte seinen Beschluss bereits in der Sitzung am 12.09.2012 gefasst. Diese Beschlussfassung erfolgte jedoch gemäß § 7 Abs. 1 GPV in einem schriftlichen Verfahren. Weder hatte der Beklagte vorliegend von der in § 7 Abs. 2 GPV eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die persönliche Anhörung des Arztes zu beschließen, noch hatte die Klägerin einen Antrag auf persönliche Anhörung gestellt (vgl. § 7 Abs. 3 GPV). Dass gemäß § 15 GPV in der Niederschrift über die Sitzung des Beschwerdeausschusses unter anderem auch die in der Sitzung gestellten Anträge und der mündlich verkündete Beschluss wiederzugeben sind, lässt sich angesichts der für den Regelfall vorgesehenen Schriftlichkeit des Verfahrens nur auf den Fall einer ausnahmsweisen Anwesenheit des Arztes beziehen. In allen anderen Fällen und so auch vorliegend dient die Protokollierung der Entscheidung des Beklagten nur der schriftlichen Fixierung und bedeutet keine Verkündung im Sinne einer Bekanntgabe.
Damit war die Entscheidung des Beklagten noch nicht in der Sitzung am 12.09.2012 "ergangen". Denn der Beschluss ist der Klägerin erst mit Zustellung des ihn ausführenden Bescheides am 06.02.2013 bekanntgegeben worden. Gemäß § 39 SGB X wird ein Verwaltungsakt – und um einen solchen handelt es sich bei der Festsetzung eines Regresses – erst mit seiner Bekanntgabe wirksam. Zugleich stellt die Bekanntgabe des Verwaltungsakts den Abschluss des Verwaltungsverfahrens dar (§ 8 SGB X).
Der Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass es sich im Fall der Klägerin nicht um eine erstmalige Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % gehandelt habe. Dass für das Quartal I/2006 bereits ein Regress in Höhe von 432,07 EUR wegen überhöhter Kosten im Bereich der Heilmittelkosten aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten festgesetzt worden war, ist unerheblich. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ist mit dem BSG ist davon auszugehen, dass § 106 Abs. 5 e Satz 1 SGB V einen Regress von einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % voraussetzt – und zwar zum einen bezogen auf den aktuell zur Prüfung anstehenden Zeitraum, weil sich andernfalls die Frage einer regressersetzenden Beratung überhaupt nicht stellte, zum anderen in Bezug auf vorangegangene Prüfungszeiträume, weil dies für die Frage der "Erstmaligkeit" von Bedeutung ist. Ein vorangegangener Regress aufgrund einer Prüfung nach Durchschnittswerten genügt folglich nicht.
Auch die für das Jahr 2008 im Rahmen einer Richtgrößenprüfung erfolgte schriftliche Beratung vom 13.09.2010 ermöglicht die in Rede stehende Regressfestsetzung nicht. Denn nach der gesetzlichen Systematik reicht es sowohl in Bezug auf die "erstmalige" als auch auf die "vorangegangene" Überschreitung des Richtgrößenvolumens nicht aus, dass rein statistisch das Verordnungsvolumen um mehr 25 vom Hundert überschritten worden ist, sondern es bedarf zusätzlich der Feststellung, dass die Überschreitungen (jeweils) nicht durch Praxisbesonderheiten begründet sind. Wie sich aus dem Beratungsschreiben für 2008 ergibt, lag diesem aber weder eine abschließende Prüfung von Praxisbesonderheiten zugrunde noch war nach Durchführung der Vorabprüfung überhaupt die 25 %-Grenze überschritten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung. Da die Beigeladenen zu 2) bis 7) keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, sie ihre Kosten selbst tragen zu lassen.
Erstellt am: 08.10.2018
Zuletzt verändert am: 08.10.2018