Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer zwischen den Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern geschlossenen "Ergänzungsvereinbarung", derzufolge die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Radiologen in Westfalen-Lippe ihre Kosten für bestimmte Kontrastmittel nach Pauschalen erstattet bekommen sollten.
Die Klägerin hat im Wege einer Abspaltung nach §§ 123 ff. des Umwandlungsgesetzes mit Wirkung zum 28.06.2013 von der Firma D (Fa. D), der deutschen Konzerntochter eines amerikanischen Medizingeräteherstellers mit Konzernsitz in Irland, deren Kontrastmittelsparte übernommen. Diese Sparte umfasst im Wesentlichen die jeweils in verschiedenen Konzentrationen, Handelsformen und Packungsgrößen hergestellten Produkte Optiray (Röntgen-Kontrastmittel) und Optimark (MRT-Kontrastmittel). Nach Angaben der Fa. D betrug der Gesamtumsatz des Jahres 2009 in allen ihren Geschäftsbereichen, die eine vielfältige Palette medizinischer und pharmazeutischer Produkte umfassten, ca. 260 Mio EUR; davon entfielen ca. 11,5 Mio EUR auf den Vertrieb der Kontrastmittel, wobei der Umsatz im Bereich der Beklagten zu 1) mit ca. 1,8 Mio EUR beziffert wurde.
Für die Zeit bis Ende 2009 hatten vertragsärztlich tätige Radiologen in Westfalen-Lippe Kontrastmittel für bildgebende Verfahren getrennt vom übrigen Sprechstundenbedarf (SSB) auf gesonderten Verordnungsblättern (Muster 16) anzufordern. Auf dieser Grundlage rechnete der jeweilige Lieferant die Kosten des Kontrastmittels mit der Krankenkasse ab.
Am 01.12.2009 schlossen die Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgänger) eine "Ergänzungsvereinbarung zur Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf vom 01.07.2008". Danach sollten vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 für Radiologen die in den Anlagen 2a und 2 b aufgeführten Pauschalen für Kontrastmittel gelten.
Diese Anlagen lauten, soweit vorliegend von Interesse, wie folgt:
Anlage 2 a: Vergütung nicht-ionischer Kontrastmittel für niedergelassene Radiologen
1. Für den patientenbezogenen Verbrauch an nicht-ionischen Kontrastmitteln gilt mit Ausnahme der Ziffer 2 eine Pauschale in Höhe von 0,47 EUR je ml. inkl. Überleitsystem und MWSt.
2. Für den in Ausnahmefall erforderlichen Einsatz nicht-ionischer, dimerer Kontrastmittel bei Hochrisikopatienten mit Niereninsuffizienz (Kreatinin über 1,5 mg/DL) gilt abweichend von Ziffer 1 eine Pauschale in Höhe von 1,10 EUR je ml inkl. Überleitsystem und MWSt. Die Notwendigkeit der besonderen Kontrastmittelgabe sowie die Aufklärung des Patienten über mögliche Nebenwirkungen sind in der Patientenakte gesondert zu dokumentieren.
3. Bei der Abrechnung ist die Menge je Patient in Milliliter durch 5 zu teilen und der sich daraus ergebende Wert mit der jeweiligen Symbolnummer (SNR) zu multiplizieren. Die SNR sind wie folgt bewertet:
SNR Typ Wertigkeit je 5 ml 91061 monomer 2,35 Euro (= 0,47 Euro x 5) 91062 dimer 5,50 Euro (= 1,10 Euro x 5)
[ ].
Anlage 2 b Vergütung Gadolinium (MRT-Kontrastmittel) für niedergelassene Radiologen
Für den patientenbezogenen Verbrauch an MRT-Kontastmitteln gilt eine Pauschale in Höhe von 3,75 EUR je ml (Ausnahme Wirkstoff Gadobutrol = 0,5 ml) inkl. Applikationshilfen zur Verabreichung der Mittel und MWSt.
Mittel mit den Wirkstoffen Gadoxetsäue und Gadovosfeset werden aufgrund der seltenen Anwendung nicht vereinbart und können im Einzelfall gesondert abgerechnet werden.
SNR Typ Wertigkeit 91063 Gadolinium 3,75 EUR x 1 ml 91064 Gadobutrol 7,50 EUR x 1 ml* *doppelte Wertigkeit für 1 ml aufgrund ½ Dosierung".
Am 04.01.2010 hat die Fa. D die vorliegende Klage erhoben und gleichzeitig vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anwendung der Ergänzungsvereinbarung beantragt (Az.: S 52 KA 2/10 ER). Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass eine Ermächtigungsgrundlage für die von ihr angegriffenen Pauschalen fehle. Die speziellen Regelungen der §§ 35 und 35 b, 92, 139 a SGB V über Festbeträge und eine Nutzenbewertung von Arzneimitteln und das insoweit einzuhaltende Verfahren ließen keinen Raum für die von den Beklagten im Wege der Pauschale vorgenommene Preisfestsetzung. Obwohl sich die marktgängigen Kontrastmittel nach ihren physikochemischen Eigenschaften (insbesondere Osmolalität, Viskosität und Hydrophilie) sowie nach ihren Handelsformen und Applikationssystemen klinisch erheblich und auch sicherheitsrelevant voneinander unterschieden, weise die ml-bezogene Vergütungspauschale nur einen geringen Differenzierungsgrad auf, wobei die insoweit vorgenommene Bevorzugung der nicht-ionischen dimeren Kontrastmittel gar nicht dem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspreche und auch nicht einzusehen sei, weshalb nur bei den MRT-Kontrastmitteln, nicht aber auch bei den Röntgenkontrastmitteln die Verdoppelung der Konzentration zu einer höheren Pauschale geführt habe. Die Pauschale bewirke berufsrechtswidrig einen massiven Anreiz für den Arzt, seine therapeutische Entscheidung von erzielbaren Einkaufsvorteilen abhängig zu machen. Schließlich verstoße die Pauschale auch gegen das Kartellrecht. Bei den Röntgenkontrastmitteln seien die Umsätze der Fa. D von 865.181 EUR im Jahr 2009 auf 196.319 EUR im Jahr 2010 zurückgegangen.
Mit Beschluss vom 07.04.2010 hat das Sozialgericht den Eilantrag, soweit es ihn nicht als unzulässig angesehen hat, mangels Anordnungsgrundes abgelehnt. Die daraufhin eingelegte Beschwerde der Fa. D ist vom Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NW) durch Beschluss vom 23.12.2010 (Az.: L 11 KA 54/10 B ER) zurückgewiesen worden; denn die Antragstellerin habe keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zum Anordnungsanspruch hat das LSG ausgeführt, dass die Ergänzungsvereinbarung von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei und auch nicht gegen höherrangiges Recht verstoße. Lediglich die Frage, ob und inwieweit die Fa. D zu Recht einen Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB geltend gemacht habe, müsse der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die für das Jahr 2010 für Radiologen geltende Ergänzungsvereinbarung zur Sprechstundenbedarfsvereinbarung rechtswidrig und damit nichtig sei.
Die Beklagten zu 1), 2) und 3) beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die anderen Beklagten haben keine Anträge gestellt. Die auf Seiten der Beklagten federführende Beklagte zu 2) hat unter Bezug auf ihre Ausführungen im Eilverfahren darauf hingewiesen, dass die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Urologen aufgrund einer entsprechenden Ergänzungsvereinbarung vom 1.7.2006 bereits seit mehreren Jahren die von ihnen bezogenen nicht-ionischen Röntgenkontrastmittel im Wege der Pauschalvergütung abrechneten. Im Einvernehmen mit dem Verband der Urologen sei die ursprünglich auf 0,54 EUR pro Milliliter festgesetzte Pauschale den tatsächlichen Marktpreisen entsprechend auf 0,47 EUR verringert worden. Diese Anpassung sei das Ergebnis einer Analyse der Konditionen gewesen, zu denen Optiray und die damit vergleichbaren Kontrastmittel, die für dieselben oder sogar noch zusätzliche Indikationsbereiche zugelassen seien, von den
… Lieferanten angeboten würden. Die Pauschale sei Jahr für Jahr überprüft und in der bekannten Höhe weitergeführt worden. Die Höhe der Pauschale für die MRT-Kontrastmittel basiere wesentlich auf der schriftlichen Erklärung eines Mitbewerbers der Fa. D, der insoweit einen Nettopreis von 1,60 EUR pro Milliliter zugesagt habe, und auf einem ergänzenden Überblick über tatsächliche Abrechnungen für verschiedene andere MRT-Kontrastmittel. Die in der Ergänzungsvereinbarung festgesetzten Pauschalen beließen dem Arzt ausreichenden finanziellen Spielraum, um auf medizinische Besonderheiten im Einzelfall reagieren zu können. Die Pauschalierung sei sachgerecht und entspreche dem Wirtschaftlichkeitsgebot.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in dem vorliegenden Verfahren und in dem Eilverfahren S 52 KA 2/10 ER/ bzw. L 11 KA 54/10 B ER Bezug genommen; diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich – wie in dem Beschluss des LSG NW in dem zugehörigen Eilverfahren näher dargelegt – um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).
Die Klage ist als Feststellungsklage im Sinne des § 55 SGG zulässig. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf diesen Eilbeschluss Bezug genommen, in dem das LSG NW ein Rechtsschutzbedürfnis bzw. Feststellungsinteresse für eine solche Klage ausdrücklich bejaht hat. Inzwischen ist die auf die Zeit vom 1.1. bis 31.12.2010 begrenzte Geltungsdauer der Ergänzungsvereinbarung zwar bereits abgelaufen. Damit ist das Feststellungsinteresse jedoch nicht entfallen. Denn zum einen ist der Ausgang des vorliegenden Klageverfahrens entscheidend für den von der Klägerseite in Betracht gezogenen Schadensersatzprozess; zum anderen ergibt sich das Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Denn gleiche Vereinbarungen als Anlage zum Gesamtvertrag haben die Beklagten jeweils auch für die Folgejahre geschlossen.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Mit dem LSG ist davon auszugehen, dass die Ergänzungsvereinbarung ihre Rechtsgrundlage in § 82 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V) findet. Nach dieser Vorschrift sind die Beklagten berechtigt, die Vergütungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte durch Gesamtvertrag zu regeln. Dabei beschränkt sich der Inhalt von Gesamtverträgen nicht auf die in Abs. 2 genannten Vergütungsregelungen, sondern umfasst gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V vielmehr vertragliche Vereinbarungen über den Gesamtbereich der vertragsärztlichen Versorgung (vgl. Hess in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 82 Rn. 9, § 83 Rn. 3). Demgemäß kann auch die Verordnung von SSB im Wege des Gesamtvertrags geregelt werden (Freudenberg in: jurisPK-SGB V, § 83 Rn. 39; Hess, a.a.O., § 83 Rn. 3). In diesem Rahmen ist auch die Vereinbarung von Kostenpauschalen für bestimmte Materialien (Röntgenkontrastmittel) oder Behandlungen zulässig (vgl. Sozialgericht –SG- München, Beschluss vom 09.08.2001, Az.: S 33 KA 2031/01 ER; Freudenberg, a.a.O., § 83 Rn 45).
Soweit die Klägerin meint, Ziffer 7.4 der Allgemeinen Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) schließe eine gesamtvertragliche Regelung der Kosten für Arzneimittel aus, so ist dem jedenfalls für den Bereich des SSB nicht zu folgen. Beim SSB geht es nicht darum, welche Arzneimittel und Medizinprodukte der Versicherte beanspruchen kann, sondern in welchem Umfang der Vertragsarzt die gemäß Ziffer 7.3 EBM nicht in den Gebührenordnungspositionen enthaltenen Kosten seines Praxisbedarfs (insbesondere bei Notfällen) nicht selbst aufwenden muss, sondern entweder unmittelbar zu Lasten der Krankenkassen verordnen kann oder von diesen erstattet bekommt. Dies beurteilt sich gemäß Ziffer 7.4 EBM nach Maßgabe der Gesamtverträge.
Die Ergänzungsvereinbarung verletzt auch nicht durch ihre konkrete Ausgestaltung Rechte der Fa. D bzw. der Klägerin.
§ 69 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden durch das 4. Kapitel des SGB V und die (vorliegend nicht in Betracht kommenden) §§ 63, 64 des SGB V abschließend geregelt sind. Zu den sonstigen Leistungserbringern in diesem Sinne gehören auch die pharmazeutischen Unternehmen. Darauf weist schon deren Erwähnung in der Überschrift zum Siebten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V hin, die die Beziehungen zu den Apotheken und pharmazeutischen Unternehmen betrifft (vgl. Engelmann in: jurisPK-SGB V, § 69 Rn. 17 f.). Tatsächlich werden Gestalt und Preis der Leistungen in der Arzneimittelversorgung mehr durch letztere als durch die Apotheken bestimmt (Schneider in: jurisPK-SGB V, § 131 Rn. 2). Dementsprechend regeln in diesem Abschnitt die §§ 130 a, 131 SGB V Rabatte der pharmazeutischen Unternehmer bzw. Rahmenverträge mit pharmazeutischen Unternehmen. Weder aus der Existenz dieser Vorschriften noch aus den Bestimmungen über Festbeträge für Arznei(- und Verband-)mittel nach § 35 SGB V und die Festsetzung von Höchstbeträgen nach § 31 Abs. 2a SGB V lässt sich schließen, dass den Krankenkassen die Möglichkeit zur Beeinflussung der SSB-Kosten im Wege der vorliegenden Pauschalisierung verschlossen sein sollte. Auch insoweit kann auf die Ausführungen in dem Beschluss des LSG vom verwiesen werden. Außerdem geht die erkennende Kammer mit dem SG München (a.a.O.) davon aus, dass die Regelung des § 82 Abs. 2, Satz 1 SGB V über die Kompetenz der Beklagten zur Festsetzung der ärztlichen Vergütung als die speziellere Regelung den arzneimittelrechtlichen Vorschriften vorgeht, auch insoweit als sich daraus faktische mittelbare Auswirkungen auf die Arzneimittelpreise ergeben sollten.
Eine Rechtswidrigkeit der Pauschale lässt sich auch nicht aus § 69 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit wettbewerbsrechtlichen Vorschriften herleiten. Dieser durch Gesetz vom 15.12.2008 mit Wirkung zum 18.12.2008 eingeführte Absatz schreibt in seiner bis zum 31.12.2010 und damit vorliegend maßgeblichen Fassung in Satz 1 vor, dass die §§ 19 bis 21 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) für die in § 69 Abs. 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend gelten; die §§ 97 bis 115 und 128 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind anzuwenden, soweit die dort
genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 SGB V allerdings nicht für Verträge von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Gemäß Satz 3 der Vorschrift gelten die in Satz 1 genannten Vorschriften mit der Maßgabe, dass der Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen besonders zu berücksichtigen ist.
Die im Streit stehende Ergänzungsvereinbarung ist nicht schon vornherein von der entsprechenden Geltung des Kartellrechts ausgenommen. Denn es handelt sich dabei nicht um einen Vertrag im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 SGB V, zu dessen Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände verpflichtet sind und bei dessen Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Zu solchen gesetzlich vorgegebenen Verträgen (wobei durchaus Spielraum hinsichtlich der Regelungsinhalte bzw. einzelnen Regelungsbestandteile besteht, vgl. Molière/Zalweski in: Kassenarztrecht, § 89 SGB V [C 89-6]; Vahldiek in: Hauck, Sozialgesetzbuch, SGB V, § 89 Rn. 20f.), gehören insbesondere die Gesamtverträge (§§ 82,83 SGB V, Richtgrößenvereinbarungen). Freiwillige Verträge – z.B. Impfvereinbarungen – auch wenn sie wie SSB-Vereinbarungen in einen Gesamtvertrag aufgenommen werden können, der als solcher gesetzlich vorgeschrieben ist, und in einem weiteren Sinn zur Regelung der vertragsärztlichen Versorgung dienen, sind nicht schiedsamtsfähig, da sie selbst keine gesetzlich vorgeschriebenen Verträge sind (vgl. zu Impfvereinbarungen Molière, a.a.O.; Vahldiek, a.a.O., Rn. 21). Dass SSB-Vereinbarungen nicht schiedsamtsamtsfähig sind, ist in der mündlichen Verhandlung auch von Seiten der Beklagten eingeräumt worden. Für die Ergänzungsvereinbarung zur SSB-Vereinbarung kann dann nichts anderes gelten.
Damit ist das Wettbewerbsrecht vorliegend zwar grundsätzlich beurteilungsrelevant. Ein Rechtsverstoß liegt jedoch insoweit nicht vor. Zunächst ist klarzustellen, dass § 1 GWB entgegen der Ansicht der Klägerin keine Anwendung findet, da diese Vorschrift erst durch das am 01.11.2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG -) in die Aufzählung der nach § 69 Abs. 2 SGB V maßgeblichen Regelungen des Wettbewerbsrechts einbezogen worden ist. Ein Verstoß gegen die vergaberechtlichen Vorschriften der §§ 97 bis 115 und 128 GWB kommt nicht in Betracht, weil es sich bei der Ergänzungsvereinbarung nicht um öffentliche Lieferaufträge im Sinne des § 99 Abs. 1 und 2 GWB handelt. Den diesbzgl. Ausführungen im Beschluss des LSG NW ist die Klägerin in zutreffender Einschätzung der Rechtslage auch nicht entgegengetreten. Ihrer Ansicht, die Beklagten hätten allerdings gegen die §§ 19 bis 21 GWB verstoßen, vermag das Gericht nicht zu folgen. Denn die hierzu vorgetragene Begründung der Klägerin, die Beklagten hätten mit der Ergänzungsvereinbarung im Sinne des § 19 GWB missbräuchlich dem von ihnen beherrschten Markt einen Einkaufspreis vorgegeben und u.a. gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 GWB verstoßen, indem sie eine einheitliche Kontrastmittelpauschale festgesetzt hätten, ohne den therapeutischen Unterschieden der am Markt angebotenen Produkte Rechnung zu tragen, trifft nicht zu.
Das ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Beklagten keine Unternehmen sind. Die in § 69 Abs. 2 SGB V vorgeschriebene entsprechende Anwendung der §§ 19 bis 21 GWB stellt eine Teil-Rechtsgrundverweisung dar. Die Rechtsgrundverweisung ist danach insoweit eingeschränkt, als es sich bei den Institutionen, auf deren Tätigkeit im Wettbewerb diese GWB-Bestimmungen Anwendung finden, nicht um Unternehmen handeln muss, diese Bestimmungen vielmehr auch für die in Abs. 1 genannten Rechtsbeziehungen und insoweit auch für die Krankenkassen und deren Verbände sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen gelten (vgl. BSG, Urteile vom 20.11.2008, Az.: B 3 KR 25/07 R, und vom 17.07.2008, Az.: B 3 KR 23/07 R). Damit die Rechtsfolgen der §§ 19 bis 21 GWB eintreten, müssen deren Voraussetzungen mit Ausnahme der Unternehmenseigenschaft erfüllt sein. Das ist hier jedoch nicht der Fall.
§ 19 GWB in seiner vorliegend maßgeblichen Fassung vom 15.07.2005 verbietet in seinem Absatz 1 die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen. Ein Unternehmen ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt – erstens – ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder – zweitens – eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Zwei oder mehr Unternehmen sind marktbeherrschend, soweit zwischen ihnen für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht und soweit sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllen. Der räumlich relevante Markt im Sinne dieses Gesetzes kann weiter sein als der Geltungsbereich dieses Gesetzes. Nach Abs. 3 wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat. Eine Gesamtheit von Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn sie – erstens – aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von 50 vom Hundert erreichen, oder – zweitens – aus fünf oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen, es sei dann, die Unternehmen weisen nach, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat. Ein Missbrauch liegt gemäß Abs. 4 insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen – erstens – die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmer in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt; – zweitens – Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirsamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. § 20 Abs. 1 GWB bestimmt, dass marktbeherrschende Unternehmen (und – was vorliegend von vornherein nicht in Betracht kommt – freigestellte Kartelle nach §§ 2, 3 und 28 Abs. 1 GWB sowie Preisbinder nach § 28 Abs. 2 oder 30 Abs. 1 Satz 1 GWB) ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber
gleichartigen Unternehmen ohne sachlichen Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln dürfen. Diesem Diskriminierungs- und Behinderungsverbot sind gemäß Abs. 2 auch Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen unterworfen, soweit von ihnen kleine oder mittlere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblicher Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen.
Die Beklagten sind jedoch weder in diesem Sinne marktbeherrschend oder zumindest im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB marktstark noch nehmen sie überhaupt am Markt teil.
Die Definition der Marktbeherrschung erfasst Anbieter und Nachfrager gleichermaßen. Die Feststellung einer Marktbeherrschung setzt voraus, dass das betroffene Unternehmen die Ware oder Leistung, die einem Markt zugeordnet wird, auch tatsächlich anbietet oder nachfragt (vgl. Bechtold in Bechtold/Otting/Bosch, Kartellgesetz, § 19 Rn. 3). Die Marktabgrenzung hat stets aus der Sicht der Marktgegenseite zu erfolgen. Bei Angebotsmärkten kommt es auf die Sicht des Abnehmers, bei Nachfragemärkten auf die Sicht des Anbieters an (vgl. Bechtold, a.a.O., Rn. 5).
In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich folgendes: Die Fa. D bzw. die Klägerin macht als Anbieterin von Röntgenkontrastmitteln ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten auf dem Nachfragemarkt geltend, so dass der Markt aus ihrer, der (Anbieter-) Sicht abzugrenzen ist (vgl. auch Landgericht Hannover, 1. Kammer für Handelssachen, Urteil vom 15.06.2011, Az.: 21 O 25/11). Die Kontrastmittel Optiray und Optimark sind zumindest bundesweit angeboten worden, also nicht nur in dem von der Ergänzungsvereinbarung ausschließlich betroffenen Zuständigkeitsbereich der beklagten KV. Den Angaben der Fa. D zufolge lag ihr Gesamtumsatz im Bereich der Kontrastmittel seinerzeit bei ca. 11,5 Mio EUR, von denen 1,8 Mio EUR auf den Bezirk der beklagten KV entfielen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch in diesem Bezirk ein Einsatz der Kontrastmittel im privatärztlichen Bereich und im Rahmen von Krankenhausbehandlungen von der Ergänzungsvereinbarung nicht erfasst worden ist. Bei einem Vergleich der Größe des gesamten Nachfragemarkts für die von der Fa. D vertriebenen Kontrastmittel mit dem
von der Ergänzungsvereinbarung betroffenen Teilmarkt verbietet sich die Annahme, dass die Fa. D zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf die Beklagten angewiesen sei, oder dass ihr Markt von den mit dem Abschluss der Ergänzungsvereinbarung nur regional und sachlich begrenzt tätig gewordenen Beklagten sogar beherrscht würde.
In dem von dieser Vereinbarung betroffenen Bereich sind es im Übrigen auch nicht die Beklagten, sondern die Vertragsärzte, die die Kontrastmittel für Versicherte mit Wohnort im Bezirk der KV WL gekauft haben und damit gegenüber der Fa. D als Abnehmer bzw. Nachfrager aufgetreten sind. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von den Konstellationen, wie sie den Urteilen des BSG vom 17.07.2008, Az.: B 3 KR 23/07 R, 20.11.2008, Az.: B 3 KR 25/07 R, und 10.03.2010, Az.: B 3 KR 26/08 R, zugrunde lagen und in denen es um den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen ging, die unmittelbar zwischen der Krankenkasse und den Leistungserbringern von Haushaltshilfe, von Krankentransportleistungen bzw. von Hilfsmitteln ging. Demgegenüber ist die Klägerseite – ebenso wie ihre Mitbewerber – vorliegend nur mittelbar im Sinne eines Reflexes durch die faktischen Auswirkungen der Ergänzungsvereinbarung in ihren ihre Marktchancen betroffen.
Lässt sich somit kein Verstoß gegen § 69 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit den insoweit in Bezug genommenen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften feststellen, ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung abzuweisen.
Erstellt am: 10.04.2015
Zuletzt verändert am: 10.04.2015