Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. – 2 –
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Honorarrückforderung in Höhe von 26.520,55 EUR, die aufgrund einer Plausibilitätsprüfung erfolgt ist.
Der am 08.12.1940 geborene Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin in C zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Aufgrund ihres Beschlusses vom 02.06.2008 informierte die Plausibilitätskommission der Beklagten den Kläger mit Anhörungsschreiben vom 03.06.2008 darüber, dass sich bei seinen Honorarabrechnungen für die Quartale II/2005 bis IV/2006 nach den einschlägigen Richtlinien relevante Auffälligkeiten ergeben hätten. Der Kläger habe jeweils Leistungen in Ansatz gebracht, für die er an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als zwölf Stunden benötige; für die Quartale II/2005 bis I/2006 fänden sich außerdem auch Überschreitungen der Gesamtminutenzeit von 46.800 Minuten. Auffällig sei dabei insbesondere der häufige Ansatz der GBN 03120. Beigefügt waren beispielhaft Quartalsprofile und Tagesprofilübersichten sowie die Darstellung einzelner Spitzentage mit ihren zeitrelevanten Gebührenziffern der Quartale II/2005 und IV/2006.
In seiner Stellungnahme vom 15.06.2008 erwiderte der Kläger: Wegen des außer-gewöhnlich hohen Arbeitsanfalls in seiner überdurchschnittlich großen Landarztpraxis müssten Umsetzung und computertechnische Erfassung der geleisteten ärztlichen Arbeit ausschließlich durch seine Helferinnen erfolgen und könnten von ihm auch nicht kontrolliert werden, zumal ihm die Bedienung des Computers aufgrund seines fortgeschrittenen Lebensalters ein Buch mit sieben Siegeln geblieben sei. Leider habe die Beklagte ihn erst sehr verspätet darauf hingewiesen, dass er die Vorgaben
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hinsichtlich der Gesamtminutenzahl pro Quartal und Gesamtzahl der Tage mit mehr als zwölf Arbeitsstunden überschreite. Im Übrigen möchte er zu den Zeitvorgaben des EBM einmal grundsätzlich anmerken, dass er für die Leistungen nach den GNR 03110 bis 03112 drei Minuten und nur bei über 70-jährigen Patienten auch mal fünf Minuten benötige. Die GNR 03120 habe er in 30 Sekunden erledigt. Auch um die Problematik einer chronischen Krankheit zu vermitteln, brauche er keine zehn Minuten. Wirklich Zeit lasse er sich allerdings bei den zwei bis drei Terminen täglich, in denen er Jugendlichen die Spätfolgen des Rauchens zu vermitteln versuche. Hätte man in seiner Praxis wissentlich die Möglichkeit gehabt, durch Aufrufen der Tages- oder Quartalsprofile die Leistungslegenden zu beachten, hätte es mit Sicherheit keine Überschreitungen gegeben.
Nachdem die Plausibilitätskommission die Ergebnisse ihrer Ermittlungen an den Vorstand der Beklagten weitergeleitet hatte, beschloss dieser, dass das zuviel gezahlte Honorar zurückzufordern sei.
Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 25.11.2008 die dem Kläger für die Quartale II/2005 bis IV/2006 erteilten Honorar-/Abrechnungsbescheide aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung teilweise auf und forderte dementsprechend abzüglich bereits gezahlter 2,4 % Verwaltungskostenumlage in Höhe 652,15 EUR insgesamt 26.520,55 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Vertragsarzt einen Honoraranspruch nur für die Leistungen erwerbe, die er tatsächlich und in vollständiger Übereinstimmung mit der Leistungslegende erbracht habe. Aufgrund der Prüfung mittels Quartals- und Tagesprofilen stehe jedoch fest, dass der Kläger in nicht unerheblichem Umfang Leistungen abgerechnet habe, die von ihm nicht oder zumindest nicht vollständig erbracht worden seien. Nach dem Zeitkatalog des EBM ließen sich für jedes Quartal mindestens drei, z.T. aber auch deutlich mehr Behandlungstage mit mehr als zwölf Arbeitsstunden errechnen; in den ersten vier Quartalen habe der Kläger
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ausweislich seiner Abrechnungen außerdem den plausiblen Quartalszeitbedarf von 46.800 Minuten je Arzt überschritten. Bei diesen Zeiten, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzten, seien u.a. privatärztliche Leistungen, Gutachten, Verwaltungs-aufgaben, Mitarbeitergespräche, Pausen etc. nicht berücksichtigt. Die Überschreitungs-quoten des Klägers lägen zwischen 0,3 % bis 22,3 %. Auf dieser Grundlage errechneten sich nach den in Anlage 2 im Einzelnen dargestellten Rechnungsschritten die für die sieben Quartale jeweils festgesetzten Rückforderungsbeträge. Die Beklagte müsse nicht konkret angeben, auf welche Leistungen sich die unkorrekten Abrechnungen bezögen. Bei einer zumindest grob fahrlässig falschen Angabe in der Vierteljahreserklärung verliere diese ihre Garantiefunktion mit der Folge, dass der Vertragsarzt seinen Honoraranspruch für jede einzelne Leistung selbst zu belegen habe. Im Umfang der sachlich-rechnerischen Berichtigung und der entsprechenden Aufhebung der Honorarbescheide sei das Honorar zurückzuzahlen. Derartige Bescheide dürften noch bis zu vier Jahren nach dem Honorarbescheid ergehen. Da der Schaden als Anteil des tatsächlich ausgekehrten Honorars ermittelt werde, seien Überschreitungen des Punktzahlgrenzvolumens berücksichtigt worden.
Am 18.12.2008 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Er wies darauf hin, dass die Beklagte ihn erstmals mit Schreiben vom 3.6.2008 über Implausibilitäten der Abrechnungen informiert habe. Damit habe sie ihre Pflicht, den Vertragsarzt durch zeitnahe Beratung und Information vor finanziellem Schaden zu bewahren, grob verletzt. Soweit der Kläger im Übrigen zunächst noch geltend gemacht hatte, dass die statistischen Erhebungen der Beklagten nicht mit den Daten seiner eigenen Software übereinstimmten und daher noch zu prüfen sei, wo eigentlich der Fehler liege, räumte er im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens ein, dass die Tagesprofilauswertungen der Beklagten zuträfen; dies habe die Herstellerin seiner Software schließlich eingestanden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2009 wies die Beklagte den Widerspruch gemäß Vorstandsbeschluss vom 15.07.2009 zurück. Zur Begründung wurden die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses aufgegriffen und ergänzend ausgeführt, dass eine zeitnähere Überprüfung wegen der Komplexität des Verfahrens und der Vielzahl der angefallenen Plausibilitätsüberprüfungen nicht möglich gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des BSG seien nachträgliche Honorarberichtigungen innerhalb eines Zeitraumes von vier Jahren zulässig. Unzulänglichkeiten seiner Praxissoftware habe allein der Kläger selbst zu vertreten. Auch ein hoher Arbeitsaufwand könne ihn nicht entlasten. Soweit er Leistungen an seine Helferinnen delegiert habe, sei ihm deren Fehlverhalten zuzurechnen. Das in der Leistungslegende der GNR 03120 EBM 2000plus geforderte Zeitmaß von zehn Minuten bzw. das in der Anmerkung zu dieser Leistung geforderte Zeitmaß von zwanzig Minuten bei einer Nebeneinanderabrechnung von Gesprächsleistung und Ordinationskomplex sei zwingende Abrechnungs-voraussetzung, so dass der Vortrag des Klägers, er könne diese Leistungen in kürzerer Zeit erbringen, unbeachtlich sei.
Am 23.08.2009 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Unter Bezug auf sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren macht er im Wesentlichen geltend: Bei den Tagesprofilen sei die Beklagte von einer GNR 03111/03120 bzw. 03112/031220 ausgegangen, die es als solche Kombination im EBM nicht gebe und für die dessen Anhang auch keine Prüfzeit ausweise. Lege man dagegen zutreffender Weise die für die GNR 03120 im Anhang 3 allein ausgewiesene Prüfzeit von 10 Minuten zugrunde, so ergebe sich für keinen Tag eine Überschreitung der Tagesgrenzwerte. Auch bei den Quartalsprofilen lägen keine Überschreitungen vor, wobei er allerdings einräumen müsse, die Anmerkungen zur GNR 03120 nicht immer beachtet zu haben, deren Bedeutung ihm – wie Hunderten anderer Ärzte auch – nicht bewusst gewesen sei. Er bedauere seine Bemerkung, dass er für die Beratung nach GNR 03120 lediglich 30 Sekunden brauche. Sie beruhe auf seiner außerordentlichen Erregung darüber, dass
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die Beklagte ihm Abrechnungsbetrug vorgeworfen habe. Tatsächlich habe er an keinem Tag Beratungen abgerechnet, die nicht im Mittelwert mindestens zehn Minuten gedauert hätten. Auffälliger Weise habe die Beklagte aber an keiner Stelle die Nichtbeachtung der Anmerkung zu GNR 03120 beanstandet, sondern zu Unrecht ihm tendenziell betrügerisches Abrechnungsverhalten vorgehalten. Da seine Praxis-Software die in der Anmerkung zu GNR 03120 enthaltene Verknüpfung mit dem Ordinationskomplex nicht berücksichtigt und daher keine Überschreitungen der 12-Stunden-Grenze ausgewiesen habe, könne man weder ihm noch seinen Helferinnen eine vorsätzliche Falsch-abrechnung vorwerfen. Im Übrigen sei diese Verknüpfung auch unsinnig, weil sich im Praxisalltag Beratungen in erheblich kürzerer Zeit durchführen ließen, als nach dem EBM 2000plus vorgesehen. Indem die Beklagte ihm in jedem Quartal versichert habe, dass seine Abrechnung geprüft und richtiggestellt worden sei, habe sie durch diese Falschinformation entscheidend dazu beigetragen, dass er nicht auf die Bedeutung der Anmerkung aufmerksam geworden sei, sondern schutzwürdig darauf vertraut habe, dass die von der Beklagten bereits im März 2005 im Pluspunkt angekündigten regelmäßigen Plausibilitätsüberprüfungen bereits durchgeführt worden seien. Nach dem Ergebnis seiner Nachfragen bei Herstellerfirmen von Abrechnungs-Software wäre der Beklagten eine Plausibilitätsprüfung sehr wohl wesentlich früher möglich gewesen, was anderen Kassenärztlichen Vereinigungen ja auch gelungen sei. Hinsichtlich des Rückforderungsbetrags sei er so zu stellen, wie wenn die Richtigstellung bereits vor der Honorarberechnung vorgenommen worden wäre.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. – 7 –
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte in dem vorliegenden Verfahren und in dem Verfahren S 16 KA 73/09 sowie auf die in diesen Verfahren jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -). Zu den im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgetragenen Zweifeln des Klägers an der Neutralität ehrenamtlicher Richter, die ja von der Beklagten vorgeschlagen worden seien, sei angemerkt, dass die Besetzung der Kammern für Angelegenheiten der Vertragsärzte mit Sozialrichtern, die gemäß § 14 Abs. 2 SGG zu diesem Amt von den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgeschlagen werden, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17.12.1969, Az: 2 BvR 271/68, 2 BvR 342/68) verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Ein allein mit dem Vorschlagsrecht der Beklagten begründetes Ablehnungsgesuch gegen einen ehrenamtlichen Richter wäre rechtsmissbrächlich (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Beschlüsse vom 30.1.1962, Az: 6 RKa 23/60, und 28.5.1965, Az: 6 RKa 2/65). Einen gerade in der Person der am vorliegenden Verfahren mitwirkenden ehrenamtlichen Richter gegebenen, also individuell begründeten Ablehnungsgrund hat der Kläger aber zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht. Nachdem ihm auf seinen Wunsch hin vor der mündlichen Verhandlung die Namen der mitwirkenden ehrenamtlichen Richter benannt worden waren, hat er seine Bedenken gegen deren Neutralität dann auch nicht weiterverfolgt.
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Die als Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2009 beschwert den Kläger nicht. Denn die darin ausgesprochene teilweise Aufhebung der Abrechnungsbescheide für die Quartale II/2005 bis IV/2006 aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung sowie die entsprechende Honorarrückforderung sind rechtmäßig.
Gesetzliche Rechtsgrundlage für die sachlich-rechnerische Richtigstellung ist die im angefochtenen Bescheid insoweit auch ausdrücklich angeführte Vorschrift des § 106a des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V) in ihren für die in Rede stehenden sieben Prüfquartale geltenden Fassungen vom 14.11.2003 bzw. 31.10.2006. Abs.1 dieser Vorschrift normiert die Pflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen, die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu überprüfen. In diesem Rahmen hat gemäß Abs. 2 die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen, wozu auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität gehört. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitäts-prüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes. Dabei ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechen-baren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden. Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB V, also im Einheitlichen Bewertungs-maßstab (EBM), bestimmt sind, sind diese bei den zeitaufwandsbezogenen Plausibilitätspüfungen zu Grunde zu legen.
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Die von der Kassenärztlichen Vereinigung durchzuführende Plausibilitätsprüfung ist also auf die Prüfung ausgerichtet, ob der Arzt in zeitlicher Hinsicht sämtliche von ihm in seine Abrechnung eingestellten Leistungen überhaupt ordnungsgemäß erbracht haben kann, was durch Erstellung von Tages- und/oder Quartalsprofilen der Ärzte zu überprüfen ist. Mit dieser Zielsetzung stellt die Plausibilitätsprüfung einen Unterfall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung dar (vgl. Clemens, juris Praxiskommentar SGB V, 2008, § 106a Rdnr. 6).
Inhalt und Durchführung der den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Kranken-kassen obliegenden Prüfungen richten sich nach den dazu ergangenen Richtlinien, zu deren Vereinbarung die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Spitzen- verbände der Krankenkassen in § 106a Abs. 6 SGB V ermächtigt sind, sowie nach den im Rahmen dieser Richtlinien von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen und Verbänden der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich zu treffenden Vereinbarungen nach § 106a Abs. 5 SGB V.
Diese zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Richtlinien sehen in ihrem § 7 eine regelhafte Plausibilitätsprüfung vor, die sich auf die Feststellung von Aufrechnungsauffälligkeiten durch Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand erstreckt. Die Einzelheiten dieser Prüfung nach Zeitprofilen sind in § 8 der Richtlinien festgelegt. Danach sind für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit im Hinblick auf die angeforderten Leistungen des Vertragsarztes gleichrangig ein Tageszeitprofil und ein Quartalsprofil zu ermitteln. Hierbei sind die im Anhang 3 zum EBM in dessen jeweils gültiger Fassung aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde zu legen, und zwar unter Beachtung der in diesem Anhang enthaltenen Vorgaben, welche Leistungen nicht dem Tagesprofil unterliegen. Leistungen im organisierten Notdienst, die auf Muster 19 der Vordruckvereinbarung abgerechnet werden, Leistungen aus der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des
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Vertragsarztes außerhalb der Sprechstundenzeiten und bei Unterbrechung der Sprechstunde mit Verlassen der Praxis bleiben außer Betracht. Beträgt die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tagesprofilen an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als zwölf Stunden oder im Quartalsprofil mehr als 780 Stunden, erfolgen weitere Überprüfungen nach § 12 der Richtlinien. Danach hat die Kassenärztliche Vereinigung weitere Prüfungen durchzuführen, wenn sich bei der Plausibilitätsprüfung Abrechnungsauffälligkeiten ergeben haben. Diese weiteren Überprüfungen dienen dazu, mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen zu klären, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit der Leistungs-abrechnung (vgl. § 6 der Richtlinien) verstoßen worden ist. Das Verfahren der Plausibilitätsprüfung und das Verfahren der Prüfung der sich aus der Plausibilitätsprüfung ergebenden Abrechnungsauffälligkeiten ist gemäß § 13 der Richtlinien für den Bereich der Beklagten in der nach § 106a Abs. 5 SGB V geschlossenen Vereinbarung zur Abrechnungsprüfung (VAP) geregelt, die zum 1.4.2005 in Kraft getreten ist.
§ 8 VAP bestimmt, dass die Plausibilitätskommission, die mit der Vorprüfung betraut ist und innerhalb von drei Monaten nach Bereitstellung der zur Prüfung erforderlichen Unterlagen den Prüfbericht erstellen soll, den Arzt gemäß § 9 VAP anzuhören hat, falls sie in ihrem Prüfbericht den Verdacht einer schuldhaften implausiblen Abrechnung bestätigt. Bestätigt die Anhörung den Verdacht einer schuldhaften implausiblen Abrechnung und sind aus der Sicht der Plausibilitätskommission keine weiteren Ermittlungen mehr notwendig, leitet sie gemäß §10 Abs.1 VAP den Vorgang mit einer Beschlussvorlage an den Vorstand weiter, der gemäß § 13 VAP auf dieser Grundlage über das Vorliegen eines Abrechnungsverstoßes, die Höhe des nachweisbaren oder geschätzten Schadens, die Art und Weise der Schadensbereinigung und die Einleitung weiterer Maßnahmen nach § 12 Abs. 2 VAP, insbesondere eines Disziplinarverfahrens entscheidet.
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Nach Maßgabe dieser Normen erweist sich der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides formell- und materiell-rechtlich als fehlerfrei. Verfahrensrechtliche Bedenken, insbesondere in anhörungsrechtlicher Hinsicht, sind weder ersichtlich noch vom Kläger selbst geltend gemacht worden.
Zu Recht geht die Beklagte in ihrem Bescheid vom 25.11.2008 bzw. dem Widerspruchs-bescheid vom 27.07.2009, die beide jeweils auf der Grundlage eines entsprechenden und in diesen Bescheiden auch ausdrücklich in Bezug genommenen Vorstands-beschlusses erlassen wurden, von Abrechnungsauffälligkeiten aus, die jedenfalls in dem von der Beklagten angenommenen Ausmaß so auch tatsächlich vorliegen. Denn in den Tagesprofilen bzw. Tagesprofil-Übersichten des Klägers finden sich für jedes der sieben Prüfquartale mindestens drei Tage, bei denen die arbeitstägliche Zeit mehr als zwölf Stunden betrug: Im Quartal II/2005 waren es 15 Tage, im Quartal III/2005 25 Tage, im Quartal IV/2005 23 Tage, im Quartal I/2006 32 Tage, im Quartal II/2006 25 Tage, im Quartal III/2006 5 Tage und im Quartal IV/2006 3 Tage. Außerdem ergeben sich aus den Quartalsprofilen für die Quartale II/2005 bis I/2006 jeweils Arbeitszeiten von mehr als 780 Stunden, nämlich 800:10 Stunden, (48.010 Minuten), 799:55 Stunden (47.995 Minuten), 888:48 Stunden (53.328 Minuten) bzw. 1003:52 Stunden (60.232 Minuten).
Der Einwand des Klägers, dass diese Berechnungen nicht mit den Vorgaben des EBM vereinbar seien, geht fehl. Soweit die Beklagte in den Tages- und Quartalsprofilen die Gebührennummern (GNR) "03110/03120", "03111/03120" und "03112/03120" ausweist, bedeutet dies nicht – wie der Kläger geltend macht – die Verwendung einer im EBM so nicht enthaltenen Gebührennummer, sondern dient ersichtlich nur der Kenntlich-machung der Fallkonstellation, dass die GNR 03120 neben der GNR 03110, 03111 bzw. 03112 vom Kläger abgerechnet wurde. Insoweit ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für solche Konstellationen sowohl im Quartals- als auch im Tagesprofil jeweils eine Leistungszeit von 20 Minuten in Ansatz gebracht hat.
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Die dem Bereich "Hausärztliche Grundleistungen" zugeordnete GNR 03120 betrifft die Leistung "Beratung, Erörterung und/oder Abklärung", die nach ihrem im EBM definierten Leistungsinhalt eine Dauer von mindestens 10 Minuten voraussetzt und je vollendete 10 Minuten mit 150 Punkten bewertet wird. In der anschließenden Anmerkung heißt es: "Bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nrn. 03110 bis 03112 und 03120 ist eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 03120." Die Verbindlich-keit dieser Anmerkung lässt sich nicht ernsthaft in Frage stellen; denn sie ist Bestandteil des vom Bewertungsausschuss verabschiedeten EBM (vgl. Sozialgericht – SG – Marburg, Urteil vom 08.12.2010, Az: S 12 KA 250/10).
Der Sinn dieser Anmerkung erklärt sich daraus, dass die GNRn 03110 bis 03112, die alle drei den hausärztlichen Ordinationskomplex betreffen und sich nur nach der Zuordnung der Altersgruppe des Patienten unterscheiden, eine "Betreuung und Behandlung bis zu 10 Minuten Dauer" als fakultativen Leistungsinhalt umfassen. Diese Bestimmung des Leistungsinhalts liefe leer, wenn neben dem Ordinationskomplex die Beratungsgebühr nach GNR 03120 abgerechnet werden könnte, der Arzt-Patienten-Kontakt aber weniger als 20 Minuten gedauert hätte. Um dies zu verhindern ist es zulässig und geboten, in derartigen Fallkonstellationen auch im Tagesprofil eine Prüfzeit von 20 Minuten anzusetzen, obwohl der Anhang 3 zum EBM die Prüfzeit für die GNR 03120 im Tages- und Quartalsprofil mit lediglich 10 Minuten angibt und für die GNRn 03110 bis 03112 des Ordinationskomplexes eine Prüfzeit nur für das Quartalsprofil ausweist. Sind somit die Tages- und Quartalsprofile für die Prüfquartale in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, so ist es unerheblich, welche Zeiten sich unter Zugrundelegung der vom Kläger vertretenen gegenteiligen Rechtsauffassung ergeben würden. Dem diesbezüglichen Beweisantrag, den der Kläger insoweit zu seinem Gliederungspunkt "1. (Keine Prüfung auf Zeitplausibilität der Leistungs-erbringung)" in der Anlage zum Schriftsatz vom 13.9.2011 in der mündlichen – 13 –
Verhandlung gestellt hat, war deshalb nicht nachzugehen. Das gilt erst recht für den Beweisantrag zu Gliederungspunkt "2. (Keine vollständige Prüfung, verspätete Teilprüfung, Falschbeurkundung)", Unterpunkte (1) und (2): Dass die Plausibiltäts-prüfung in Anwendung der Anmerkung zu GNR 03120 erfolgt ist, steht fest und entspricht – wie vorstehend ausgeführt – der Rechtslage. Von daher kommt eine Beweiserhebung darüber, dass der Vorstand der Beklagten "bewusst und vorsätzlich die ihm obliegenden Plausibilitätsprüfungen in Bezug auf den zeitlichen Umfang der abgerechneten Leistungen nicht durchgeführt hat, sondern stattdessen lediglich – und zwar erheblich verspätet- eine Prüfung auf Einhaltung der Anmerkingen zur Beratungsziffer durchgeführt hat " bzw. er "bewusst und vorsätzlich die Ergebnisse seiner Plausibilitätsprüfungen auf Einhaltung der Anmerkungen gegenüber Dritten, insbesondere dem Disziplinarausschuss fälschlich dargestellt hat als Ergebnisse, die eine Aussage über die Leistungserbringung als solche ermöglichten" nicht in Betracht.
Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich erfolgreich auf eine Fehlerhaftigkeit der in dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Tages- und Quartalsprofile berufen könnte. Eine Abweichung von den Vorgaben des EBM besteht allerdings insoweit, als die Beklagte die Prüfzeiten für die GNRn des Ordinations-komplexes jeweils nur mit der Hälfte der dafür im Anhang 3 des EBM vorgesehenen Minutenzahl in Ansatz gebracht hat. Dies beruht auf einer im Februar 2007 im Pluspunkt mitgeteilten Entscheidung des Vorstandes der Beklagten, der damit dem Umstand Rechnung tragen wollte, dass im Anhang 3 zum EBM die Prüfzeiten der Ordinations-/Konsiliarkomplexe bei gleich gebliebener Leistungslegende und damit gleichem Zeitbedarf gegenüber den zuvor maßgeblichen Prüfzeiten zum Teil mehr als verdoppelt worden waren. Ob diese Vorgehensweise der Beklagten zulässig ist, mag dahinstehen; denn der Kläger wird dadurch nicht beeinträchtigt, sondern begünstigt.
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Angesichts dieser Verfahrensweise des Vorstandes erübrigt es sich, dessen Zweifeln an der Angemessenheit der im Anhang 3 des EBM für die Ordinations-/Konsiliarkomplexe ausgewiesenen Prüfzeiten im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nachzugehen. Auch im Übrigen weichen die in den Tages- oder Quartalsprofilen des Klägers in Ansatz gebrachten Prüfzeiten nicht zu seinen Lasten von den im Anhang 3 ausgewiesenen Prüfzeiten ab. Die in den Richtlinien festgelegten Aufgreifkriterien der mindestens dreimaligen Überschreitung einer zwölfstündigen Arbeitszeit im Tagesprofil und einer Arbeitszeit von mehr als 780 Stunden im Quartalsprofil begegnen ebenfalls keinen Bedenken, insbesondere wenn man sich dabei vor Augen hält, dass dabei unvermeid-bare Handlungen wie z.B. die tägliche Organisation des Praxisablaufs, das Anleiten und Überwachen des Praxispersonals bei delegationsfähigen Leistungen, persönliche Bedürfnisse wie Nahrungsaufnahme oder Toilettengänge sowie Behandlungszeiten für Privatpatienten nicht mit eingeflossen sind (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.02.2004, L 11 KA 72/03).
Die dargestellten Abrechnungsauffälligkeiten, die sich aus den Tages- und Quartals-profilen ergeben, begründen deshalb die Vermutung einer rechtlich fehlerhaften Abrechnung. Diese Vermutung ist im weiteren Verfahrensverlauf durch die Stellung-nahmen des Klägers sogar noch bestätigt worden. Seine Einlassung, dass er für die Leistungen nach den GNR 03110 bis 03112 drei Minuten und nur bei über 70-jährigen Patienten auch mal fünf Minuten benötige, bedeutet, dass er die Beratungsgebühr 03120 regelmäßig nicht erst nach Ausschöpfung des dem Ordinationskomplex zugeordneten fakultativen Leistungsinhalts einer "Betreuung und Behandlung bis zu 10 Minuten Dauer" abgerechnet hat. Soweit er seine ursprüngliche Einlassung, die Leistung nach der GNR 03120 in 30 Sekunden zu erledigen, im gerichtlichen Verfahren dahingehend korrigiert hat, dass er an keinem Tag Beratungen abgerechnet habe, die nicht im Mittelwert mindestens zehn Minuten gedauert hätten, heißt auch dies nichts anderes, als dass es nach seiner eigenen Einschätzung duchaus Fälle gab, in denen
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die Beratung sogar weniger als zehn Minuten in Anspruch nahm. Davon abgesehen würden aber auch zehn Minuten im Fall der Nebeneinanderberechnung mit dem Ordinationskomplex keinesfalls ausreichen, weil – wie ausgeführt – die Abrechenbarkeit der GNR 03120 dann einen mindestens 20-minütigen Arzt-Patienten-Kontakt voraussetzt. Mit seinem Vortrag, er hätte bei zeitnaher Überprüfung durch die Beklagte sein Abrechnungsverhalten früher umstellen können, räumt der Kläger indirekt entsprechende Abrechnungsfehler selbst ein (vgl. SG Marburg, Urteile vom 08.12.2010, Az: S 12 KA 248/10 und S 12 KA 248/10, sowie vom 13.01.2010, Az: S 12 KA 238/09).
Damit steht die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der für alle sieben Prüfquartale implausiblen Abrechnungen des Klägers fest. Soweit der Kläger sich gegen den Vorwurf unvollständiger Leistungserbringung verwahrt und dazu ausführt, er habe die Leistung nach GNR 03120 als solche vollständig erbracht, sie aufgrund der zusätzlichen Anforderungen in der Anmerkung zu dieser GNR nur nicht abrechnen dürfen, handelt es sich letztlich nur um einen unerheblichen "Streit um Worte". Denn auch die Abrechnung einer zwar vollständig erbrachten, aber nicht abrechenbaren GNR stellt eine sachlich-rechnerisch falsche Abrechnung dar, die als solche der Richtigstellung durch die Beklagte unterliegt.
Soweit § 8 Abs. 3 VAP die sachlich- rechnerische Richtigstellung aufgrund einer Plausibilitätsprüfung von einem Verschulden des Arztes abhängig macht und dabei zumindest grobe Fahrlässigkeit voraussetzt, kann dahinstehen, ob diese Anforderungen zu Recht aufgestellt worden sind. Denn ein Verschulden im Sinne dieser Vorschrift liegt beim Kläger jedenfalls vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem Urteil verwiesen, das in dem Verfahren S 16 KA 73/09 ergangen ist und die aufgrund desselben Sachverhalts gegen den Kläger verhängte Disziplinarmaßnahme betrifft.
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Was die Berechnung des Berichtigungsbetrages angeht, so ist zunächst klarzustellen, dass es durchaus Fälle geben mag, in denen die Voraussetzungen der Anmerkung zu GNR 03120 für eine Nebeneinanderberechnung von Ordinationskomplex und Beratungsleistung erfüllt waren. Das ändert aber nichts daran, dass angesichts der erheblichen und durch den Vortrag des Klägers noch bestätigten Implausibilitäten in allen Prüfquartalen ein teilweise rechtswidriges Abrechnungsverhalten des Klägers feststeht.
Insoweit ist die Beklagte berechtigt, im Rahmen ihres Schätzungsermessens den Leistungsanteil abzuschöpfen, der auf Leistungen jenseits der zeitlichen Grenze von 12 Stunden pro Tag bzw. 780 Stunden pro Quartal entfällt (vgl. SG Marburg, Urteil vom 08.12.2010, Az: S 12 KA 250/10). Dies hat die Beklagte in der Weise umgesetzt, dass sie für die Quartale II/2005 bis I/2006 die im jeweiligen Quartalsprofil ausgewiesenen Gesamtminuten zu dem in den Richtlinien vorgegebenen Grenzwert von 780 Stunden ins Verhältnis gesetzt und entsprechend der sich danach ergebenden Überschreitungs-quote die Honorarbeträge (mit Ausnahme der Honoraranteile für Kosten/Wegegebühren und Laborkosten) gekürzt hat. Bei den Quartalen II bis IV/2006, in denen es lediglich Auffälligkeiten im Tagesprofil gab, wurde die Überschreitungsquote als der Prozentsatz errechnet, der von der Gesamtzeit aus dem Quartalsprofil auf die Summe der Minuten entfällt, um welche in den Tagesprofilen die 12-Stunden-Grenze überschritten wurde. Diese Berechnung des Rückforderungsbetrags ist nicht zu beanstanden und entspricht insbesondere auch der Vorgabe des § 106a Abs. 2 Satz 6 SGB V, wonach bei den Prüfungen von dem durch den Vertragsarzt angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungen auszugehen ist. Ob zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit insoweit ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, wenn die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information seitens der Kassenärztlichen Vereinigung mitverursacht wurde (vgl. die Ausführungen des BSG, Urteil vom 11.03.2009, Az: B 6 KA 62/07 R, zu einem Sach-verhalt, der allerdings vor Inkrafttreten des § 106a SGB V lag), kann dahinstehen, weil – 17 –
es um eine solche besondere Fallkonstellation vorliegend nicht geht. Der in der mündlichen Verhandlung gemäß Nr. 3 der Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 13.09.2011 gestellte Beweisantrag war abzulehnen. Dass der Rückforderungsbetrag von 26.520,55 EUR sich in dieser Höhe auf die Tatsache der erst nachträglichen sachlich-rechnerische Richtigstellung stützt und dass bei quartalsgleicher Richtigstellung eine "entscheidend verringerte Honorarreduktion erfolgt wäre", ist unstreitig. Allerdings ist die nachträgliche Richtigstellung im Fall des Klägers nicht zu beanstanden.
Gegenüber der Rückforderung kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen: Dem Interesse der Vertragsärzte entspricht es, nach jedem Quartal möglichst zeitnah und umfassend Honorar zu erhalten. Damit ist allerdings das Risiko verbunden, dass noch keine ausreichende Prüfung aller Ansprüche erfolgen konnte. Angesichts der Begrenztheit des Gesamtvergütungsvolumens wirken sich Fehler der Honorarvergütung des einzelnen Vertragsarztes dann aber immer auch auf die Honorarvergütung der anderen Ärzte aus. Aufgrund dieser Besonderheiten ist im Vertragsarztrecht für den Bereich der Honorarvergütung ein erweitertes Korrektur-bedürfnis anzuerkennen, dem mit dem Institut der sachlich-rechnerischen Richtig-stellung Rechnung getragen wird, das die allgemeinen Regelungen des § 45 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) verdrängt (vgl. Clemens, a.a.O., § 106a Rdnr. 172 f.). Deshalb wird eine Korrektur des Honorarbescheides innerhalb von vier Jahren nach dessen Erlass grundsätzlich als zulässig angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2005, Az: B 6 KA 17/05 R). Etwas anderes gilt nur, wenn die Kassenärztliche Vereinigung ihre Befugnis zur Richtigstellung "bereits verbraucht" hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie schon vor Ablauf dieser Frist eine sachlich-rechnerische Überprüfung vorgenommen und zugunsten des Vertragsarztes entschieden hat (vgl. Clemens, a.a.O., § 106a Rdnr. 176 ff). Allein ein den Abrechnungsbescheiden des Vertragsarztes beigefügtes Rundschreiben der Beklagten, in dem es heißt: "Die von Ihnen eingereichten Behandlungsfälle wurden sachlich und
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rechnerisch richtiggestellt, soweit Fehler erkennbar waren (z.B. unrichtige Anwendung des EBM)" reicht insoweit jedenfalls nicht aus, zumal der Vorbehalt "soweit Fehler erkennbar waren" die Korrektur weiterer Fehler ausdrücklich nicht ausschließt und offen lässt, in welchem Umfang der Beklagten Fehler erkennbar waren. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich dieser Passus nach seinem objektiven Inhalt eben nicht als Mitteilung verstehen, dass bereits eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt worden sei und sich dabei kein Berichtigungsbedarf ergeben habe. Schon von daher scheidet die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung im Sinn von Unterpunkt (3) zu Gliederungspunkt 2. der Anlage zu seinem Schriftsatz vom 13.09.2011 beantragte Beweiserhebung darüber aus, dass der Vorstand der Beklagten ihn mit dieser Mitteilung "bewusst und vorsätzlich" über eine bereits erfolgte Durchführung der Plausibiltätsprüfung getäuscht habe.
Erfolglos bleibt auch die Rüge des Klägers, die Beklagte habe ihn weder zeitnah informiert noch geprüft und dadurch ihre Pflicht verletzt, den Vertragsarzt vor finanziellem Schaden zu bewahren. Diese Argumentation trägt schon deshalb nicht, weil in ihrer Konsequenz die vorstehend begründete Befugnis der Beklagten "ausgehebelt" würde, Honorarbescheide bis zu vier Jahren nach deren Erlass noch zu korrigieren (vgl. SG Marburg, Urteil vom 08.12.2010, Az: S 12 KA 250/10). Es obliegt dem Arzt, sich über die Abrechenbarkeit seiner Leistungen anhand des EBM kundig zu machen. Dies wäre dem Kläger – wie jedem anderen hausärztlich tätigen Vertragsarzt – insbesondere auch hinsichtlich der Abrechnungsvoraussetzungen der GNR 03120 angesichts deren unmissverständlicher Leistungslegende und der zugehörigen Anmerkung zweifelsfrei möglich gewesen. Die Bedeutung dieser eigenen Verpflichtung verkennt der Kläger völlig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Erstellt am: 20.01.2014
Zuletzt verändert am: 20.01.2014