Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 11.06.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) Münster hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, die zukünftig anfallenden Kosten einer Protonentherapiebehandlung im Universitätsklinikum Heidelberg hilfsweise im Rinecker Proton Therapy Center in München bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu übernehmen, zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche herleitet. Maßgeblich sind mithin grundsätzlich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdn. 27 ff.). Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist.
Diese Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind hier nicht erfüllt; es besteht kein Anordnungsanspruch.
Ein Anspruch auf eine Protonentherapiebehandlung scheitert daran, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die Protonentherapie des Prostatakarzinoms bzw. die Protonenbestrahlung der Prostataloge nach Prostatektomie nicht positiv empfohlen hat und auch kein Ausnahmefall vorliegt, in dem dies entbehrlich ist.
Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 SGB V und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in einer Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Neu ist eine Behandlungsmethode, wenn sie, wie hier die Protonentherapie, zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im einheitlichen Bewertungsmaßstab vertragsärztlicher Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (vgl. u.v.a. BSG, Urteile vom 16.09.1997 – 1 RK 28/95 – und vom 19 16.12.2008 – B 1 KR 11/08 R -). Als nicht vom GBA empfohlene neue Methoden sind weder die Protonentherapie des Prostatakarzinoms noch die Protonenbestrahlung der Prostataloge nach Prostatektomie Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.2008 a.a.O.). Dies wird letztlich auch von dem Antragsteller nicht in Abrede gestellt.
Ausnahmefälle, in denen es keiner Empfehlung des GBA bedarf, liegen entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht vor. Für einen Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004 – B 1 KR 27/02 R -), ist nichts vorgetragen oder ersichtlich, ebenso wenig für ein Systemversagen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 1 KR 24/06 R -). Der GBA hat sich mit der Protonentherapie bei Prostatakarzinom beschäftigt (vgl. z.B. "Protonentherapie – Indikation: Prostatakarzinom, Abschlussbericht des Unterausschusses "Methodenbewertung" des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 29.05.2008 (Abschlussbericht vom 29.05.2008)) und schließlich in Erwartung validerer Ergebnisse zur Wirkung und Nebenwirkung der Protonentherapie das Bewertungsverfahren bis Ende 2018 ausgesetzt (Abschlussbericht vom 29.05.2008; Beschluss des GBA vom 19.06.2008, BAnz. Nr. 151, S. 3571 vom 07.10.2008).
Ein Leistungsanspruch des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 -), nunmehr mit Wirkung vom 01.01.2012 kodifiziert in § 2 Absatz 1a Satz 1 SGB V zum Vorliegen einer notstandsähnlichen Krankheitssituation. Danach darf der Versicherte in Fällen, in denen eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegt und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, nicht von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode ausgeschlossen werden, wenn diese eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet (BVerfGE, Beschluss vom 06.12.2005 a.a.O.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
1. Es ist bereits fraglich, ob bei dem Antragsteller eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit, wie sie z.B. ein Rezidiv der Krebserkrankung darstellen würde, vorliegt. Nach im März 2009 wegen eines Prostatakarzinoms erfolgter Prostatektomie wurde dem Kläger im August 2010 eine "komplette Remission des Tumorleidens" bescheinigt (Entlassungsbericht der Kurpark-Klinik Bad Nauheim vom 02.08.2010). In keinem der nachfolgenden Berichte, auch nicht in dem Bericht des Universitätsklinikums Heidelberg vom 29.01.2013, werden Rezidive der Erkrankung, Metastasen o.Ä. aufgeführt. Von dem Antragsteller wird vielmehr auf erhöhte Werte des prostataspezifischen Antigens (PSA) verwiesen. Dies belegt indes ein Wiederauftreten der Tumorerkrankung nicht. Ein PSA-Anstieg gilt zwar als erster Hinweis darauf, dass eine erneute Krankheitsaktivität vorliegen kann, lange bevor andere klinische Zeichen auftreten. Eine PSA-Erhöhung ist aber nicht gleichzusetzen mit einem klinisch manifesten Rezidiv und kann harte Endpunkte wie das manifeste Rezidiv nicht ersetzen (Abschlussbericht vom 29.05.2008). Dem und auch dem Umstand, dass seitens der behandelnden Ärzte keine weitergehende Untersuchungen zu einem Tumorrezidiv durchgeführt worden sind, entsprechend verbleibt als Grundlage für die begehrte Protonenbehandlung allein das Bemühen, einem lediglich als möglich angesehenen Wiederauftreten der Tumorerkrankung vorzubeugen. Dies ist aber kein Fall des Vorliegens einer lebensbedrohlichen oder in der Regel tödlich verlaufenden Krankheit.
Letztlich kann die Frage, ob bei dem Antragsteller ein Tumorrezidiv vorliegt, jedoch dahinstehen.
2. Gleiches gilt für die Frage, ob die von dem Antragsteller begehrte Protonenbehandlung eines ggf. vorliegenden Prostatakarzinoms eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet. Für den Antragsteller streiten insoweit zumindest die Feststellungen in dem Abschlussbericht vom 29.05.2008, dass die Daten zur Protonentherapie unter Berücksichtigung einer Risikostratifizierung nach klinischem Stadium, PSA-Spiegel und Gleason-Score beim Prostatakarzinom sowohl für Patienten mit hohem als auch niedrigem Risiko die Aussage zulassen, dass die Protonentherapie ebenso wie die konformale Photonentherapie ohne schwere Nebenwirkungen wirksam sei.
3. Allerdings bestehen zur Behandlung eines Prostatakarzinoms bzw. eines Tumorrezidivs allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungsmethoden. Insoweit folgt der Senat der Stellungnahme des Zentralen Beratungsdienstes / Sozialmedizin vom 22.02.2013, dass eine konventionelle Bestrahlung möglich und vertretbar ist. Darauf, dass entsprechend den Ausführungen des SG darüber hinaus eine Chemotherapie in Betracht kommen kann, kommt es damit schon mehr an. Die Stellungnahme des Zentralen Beratungsdienstes / Sozialmedizin vom 22.02.2013 stimmt im Ergebnis mit den Ausführungen in dem auf der Auswertung der umfangreichen Literatur und der abgeschlossenen Studien beruhenden Abschlussbericht vom 29.05.2008 überein, nach denen keiner der Bestrahlungs-Behandlungsmethoden der Vorzug zu geben ist. Dabei wurden im Übrigen auch die von dem Antragsteller angeführten potentiellen, keineswegs zwingenden Risiken einer konventionellen Bestrahlung in die Prüfung einbezogen. Ein Vorteil der Protonentherapie hinsichtlich der Nebenwirkungsrate konnte jedoch durch die weltweit erhobenen klinischen Daten nicht belegt werden. Dass demgegenüber das Rinecker Proton Therapy Center als Anwender der Protonentherapie diese in seinem Erfahrungsbericht präferiert, widerlegt die Feststellungen in dem Abschlussbericht schon im Hinblick auf die Singularität des Erfahrungsberichts nicht einmal ansatzweise und führt zudem auch deshalb nicht weiter, weil das Therapy Center die Ergebnisse selber kennzeichnet mit "Natürlich sind diese Ergebnisse aufgrund der noch relativ kurzen Nachbeobachtungszeit mit Vorbehalt zu betrachten, ".
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 05.09.2013
Zuletzt verändert am: 05.09.2013