Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 25.07.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Das Sozialgericht (SG) Münster hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und führt ergänzend aus: Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Regelung ist § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Nach § 86a Abs. 2 SGG entfällt die sonst grundsätzlich eintretende aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 86a Abs. 1 SGG) bei einer Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG) ebenso wie bei den – hier nicht in Betracht kommenden – sonstigen in § 86a Abs. 2 SGG abschließend aufgezählten Fällen. Dabei kann in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen (§ 86a Abs. 3 S.1 SGG).
Auf Antrag kann (auch) das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs.1 Nr. 2 SGG).
Bei den Entscheidungen des Gerichts nach § 86b Abs. 1 SGG hat eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen stattzufinden. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein öffentliches Interesse (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.08.2006 – L 10 B 11/06 KA ER – und Beschlüsse des Senats vom 02.04.2009 – L 11 KA 2/09 ER -, vom 22.02.2010 – L 11 KR 4110 B ER – und vom 03.05.2010 – L 11 KR 139/10 B ER -; Düring in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 11). Ist eine Klage gegen den angefochtenen Verwaltungsakt hingegen aussichtslos, kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, § 86b Rdn. 12f). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, dass in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die Vollziehung ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Auch über diese ausdrückliche Regelung hinaus ist das aus den Regelungen des § 86a SGG hervorgehende gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis zu beachten: In den Fallgruppen des § 86a Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 SGG ist maßgebend zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – zu § 80 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 Verwaltungsgerichtsordnung).
Die angefochtenen Beitragsbescheide sind weder offenbar rechtswidrig noch offenbar rechtmäßig. Dem Senat erschließen sich aber auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide dergestalt, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache – hier die von der Antragstellerin erhobenen Klage – wahrscheinlicher ist als ihr Misserfolg und dass der Antragstellerin deshalb entgegen dem vorgeschilderten Regel-Ausnahmeverhältnis einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren wäre. Die Antragstellerin hat auch keine Gründe für derartige ernstliche Zweifel vorgetragen, so dass dem öffentlichen Vollziehungsinteresse schon aus diesen Gründen der Vorzug zu geben ist.
Der Senat zieht dabei in seine Erwägungen ein, dass die von der Antragsgegnerin bei der Beitragserhebung u.a. zugrundegelegten Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler – BVSzGs – vom 27.10.2008) zumindest nicht unumstritten sind, vermag daraus aber – im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage – keine ernsthaften Zweifel im vorgenannten Sinn herzuleiten:
Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung der Art. 2 Nr. 29a 1, 46 Abs. 10 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26.03.2007 wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V). § 2 Abs. 4 der auf dieser gesetzlichen Grundlage erlassenen BVSzGs sieht insoweit vor:
(4) Bei Mitgliedern, deren Ehegatte oder Lebenspartner nach dem LPartG nicht einer Krankenkasse (§ 4 Abs. 2 SGB V) angehört, setzen sich die beitragspflichtigen Einnahmen aus den eigenen Einnahmen und den Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners zusammen. Von den Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners ist für jedes gemeinsame unterhaltsberechtigte Kind,
1. für das eine Familienversicherung nur wegen der Regelung des § 10 Abs. 3 SGB V nicht besteht, monatlich ein Betrag in Höhe von einem Drittel,
2. für das eine Familienversicherung besteht, monatlich ein Betrag in Höhe von einem Fünftel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV abzusetzen. Für die Beitragsbemessung werden nacheinander die eigenen Einnahmen des Mitglieds und die Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners bis zur Hälfte der sich aus der nach Satz 1 und 2 ergebenden Summe der Einnahmen, höchstens bis zu einem Betrag in Höhe der halben Beitragsbemessungsgrenze, berücksichtigt.
Diese Regelungen hat die Antragsgegnerin umgesetzt. Umsetzungsfehler sind nicht ersichtlich und werden von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht.
Auch der Frage, ob die BVSzGs zunächst unwirksam waren, weil sie nicht durch den dafür zuständigen Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes erlassen worden sind (SG Wiesbaden, Urteil vom 06.07.2011 – S 1 KR 52/10 -; Sächsisches LSG, Beschluss vom 07.11.2011 – L 1 KR 1743/10 B ER -), ist nicht weiter nachzugehen. Ein solcher Mangel wäre nämlich geheilt, weil die Beitragsverfahrensgrundsätze aufgrund der Genehmigung des Verwaltungsrats als zuständiges Organ mit Beschluss vom 30.11.2011 rückwirkend zum 01.01.2009 wirksam geworden und damit Grundlage der Beitragsfestsetzung ab dem 01.01.2009 sind (so LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.01.2012 – L 16 KR 9/11 -).
Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die konkreten Regelungen des § 2 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 BVSzGs. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Satzung die höheren Einnahmen des Ehegatten eines freiwillig versicherten Mitglieds zur Beitragsbemessung mit heranziehen darf, wenn das Mitglied nicht oder nur geringfügig erwerbstätig ist und keine oder nur geringere eigene Einnahmen als der Ehegatte hat (BSG, Urteile vom 24.04.2002 – B 7/1 A 1/00 R – und vom 28.09.2011 – B 12 KR 9/10 R -). Derartige Regelungen verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht (BSG a.a.O.), unabhängig davon, ob sie – wie früher – in der Satzung einer Krankenkasse oder wie hier – ab 2009 – in den BVSzGs enthalten sind.
Schließlich hat das SG mit zutreffendem Ergebnis eine allgemeine Interessenabwägung vorgenommen, eine unbillige Härte verneint und auch mit dieser Begründung den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 10.10.2012
Zuletzt verändert am: 10.10.2012