Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 24. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die 1948 geborene Klägerin (d. Kl.) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Detmold. Im Hauptsacheverfahren wendet sie sich gegen einen Bescheid, mit dem der beklagte Rentenversicherungsträger es abgelehnt hat, einen Summenbescheid über die Nachforderung von Gesamt-Sozialversicherungsbeiträgen (§ 28f Abs. 2 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV)) aufzuheben.
D. Kl. (Mutter von zwei 1969 und 1973 geborenen Söhnen, von ihrem Ehemann seit langem getrennt lebend) arbeitete nach einer 1975 begonnenen Lehre zur Reisebürokauffrau ab 1986 bis Ende 1995 als Angestellte im Reisebüro ihres Ehemannes in W bei Kassel/ Nordhessen. Nachdem dieser in N/Nordhessen ein weiteres Reisebüro eröffnet hatte, übernahm sie ab Januar 1996 den Betrieb in W, in dem sie im Wesentlichen allein, aber zumindest mit Unterstützung ihres studierenden Sohnes B und der damaligen Studentin N1 N (so jedenfalls ihre Angaben vom 12.03.2006 im ersten PKH-Verfahren), selbständig tätig war. Den Betrieb führte sie offenbar bis August 2001 und gab ihn dann an einen Erwerber ab, nachdem ihre Mutter, die sie bei der Betriebsführung immer unterstützt hatte, schwer erkrankt und erblindet war.
Im Juli 2001 kündigte die Beklagte (d. Bekl.) der Kl. eine sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung an und ermittelte aufgrund nicht näher bekannter Hinweise aus Beitragsmeldungen die Beschäftigung von mehreren Arbeitnehmern im Betrieb d. Kl. für die Zeit von 1996 bis Oktober 2000 (D1 I, D U – Sohn der Kl. -, W H, B I und L N). Ein Anhörungsschreiben zu den Ermittlungsergebnissen übersandte sie an d. Kl. unter deren Privatanschrift in W, die ihr vom neuen Firmeninhaber mitgeteilt worden war. Unter dem 26.10.2001 erließ d. Bekl. gegenüber d. Kl. einen Beitragssummenbescheid über 17.879,88 DM, wobei sie die beitragspflichtigen Entgelte schätzte, jedoch sie den genannten Versicherten (mit Ausnahme des Sohnes d. Kl.) im Einzelnen zuordnete. Den Bescheid sandte sie an die ihr bekannte neue Adresse d. KL. Wo und wann der Kl. dieser Bescheid zugegangen ist, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Einer Bescheinigung des Diakonieverbandes vom 07.03.2003 lässt sich hingegen entnehmen, dass d. Kl. ab 01.08.2001 ihre Mutter in der gemeinsamen Wohnung in Bad T pflegt.
Offenbar nachdem es zu Vollstreckungsmaßnahmen des Hauptzollamtes gekommen war, beantragte die nunmehr anwaltlich vertretene Kl. unter ihrer Wohnanschrift in Bad T am 14.09.2004, den Bescheid vom 26.10.2001 zu überprüfen. Der Bescheid sei ihr nicht zugegangen. D. Bekl. sei von unrichtigen Tatsachen ausgegangen. Beitragsrückstände seien nicht vorhanden gewesen. Die Beiträge seien zu Unrecht festgesetzt worden. Eine nähere Begründung erfolgte jedoch nicht. Auch wurden keine weiteren Nachweise eingereicht. Daraufhin entschied d. Bekl., dem Antrag auf Rücknahme des Beitragsnachforderungsbescheides vom 26.10.2001 könne nicht entsprochen werden und stützte sich auf § 44 des Zehnten , Buchs des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren – (SGB X). Dabei wies sie darauf hin, dass ein Summenbescheid zu widerrufen sei, wenn nachträglich die Versicherungspflicht oder -freiheit der Beschäftigten festgestellt und die Höhe der Arbeitsentgelte nachgewiesen werde; bei der Überprüfung des Bescheides nach § 28f Abs. 2 S. 5 und 6 SGB IV könnten auch evtl. höhere Nachforderungen entstehen (Bescheid vom 27.01.2005 unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 08.11.2004). Der nicht weiter begründete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.04.2005).
Mit der am 31.05.2005 erhobenen Klage behauptet d. KL, sie sei ab 1997 alleine im Reisebüro tätig gewesen. Die genannten Beschäftigten seien lediglich aus früheren Beschäftigungen noch gemeldet gewesen und seien offenbar nur versehentlich nicht abgemeldet worden. Die angeblich bei ihr gemeldeten Personen seien in Wirklichkeit im Büro ihres Ehemannes in N beschäftigt gewesen.
D. Bekl. hält die Angaben d. Kl. für unglaubwürdig und verweist darauf, dass es feststehe, dass d. Kl. keine Lohnunterlagen geführt habe. Schon dies habe den Erlass eines Summenbescheides gerechtfertigt.
Einen ersten Antrag auf PKH haben das SG und das erkennende Gericht abgewiesen, weil die Angaben d. Kl. widersprüchlich bzw. als Schutzbehauptungen zu werten seien (Beschluss des SG vom 19.01.2006; Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 23.10.2006, Az. L 5 (3) B 9/06 R).
Nach Vorlage von (weitgehend ungeordneten) Lohnunterlagen hat d. Kl. am 23.07.2007 erneut PKH beantragt und vorgetragen, sie habe 1997 nur Aushilfen und im Jahr 2000 nur ihre Söhne beschäftigt.
Mit Beschluss vom 24.01.2008 hat das SG den erneuten PKH-Antrag abgelehnt: Auch die neuerlichen Unterlagen ließen nicht erkennen, dass die Lohnunterlagen bis 2001 ordnungsgemäß geführt worden seien. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage sei nicht erkennbar. Der am 13.02.2008 eingelegten Beschwerde hat, mit der d. Kl. vorgebracht hat, das Gericht habe weder beim Finanzamt noch bei dem Steuerberater d. Kl. ermittelt, hat das SG nicht abgeholfen.
Der Senat hat d. Kl. darauf hingewiesen, dass angesichts des grob nachlässigen Buchungsverhaltens d. Kl. während der Zeit ihrer Betriebsführung Anhaltspunkte eher für die Richtigkeit des früheren Beitragsbescheides sprechen. Der Senat hat d. Kl. Gelegenheit gegeben, eine fehlende oder eingeschränkte Beitragspflicht durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen (etwa der im Ausgangsbescheid genannten Personen) glaubhaft zu machen. Auch hat er Bedenken wegen eines Anspruchs d. Kl. auf einen Prozesskostenvorschuss gegen ihre Angehörigen zu erkennen gegeben.
D. Kl. hat trotz Fristverlängerung weder eidesstattliche Erklärungen vorgelegt noch die Einkommensverhältnisse ihrer Angehörigen offen gelegt. Sie hat lediglich ergänzend vorgetragen, über ihre Geschäftsverhältnisse im streitigen Zeitraum könne der damalige Betriebsberater L, J, Näheres vortragen. Man möge ihn befragen.
Wegen näherer Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.
II. Der Antrag auf Gewährung von PKH ist auch nach Vorlage der ergänzenden Unterlagen gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit §§ 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) weiterhin unbegründet, weil die Klage auch jetzt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Darüber hinaus hat d. Kl. die Bedenken hinsichtlich ihrer fehlender Bedürftigkeit nicht ausgeräumt.
Gegenstand des Ausgangs-Rechtsstreites ist, ob d. Bekl. den von ihr erlassenen Beitrags-Summenbescheid vom 26.10.2001 über 17.879,88 DM aufheben muss. Rechtsgrundlage kann dafür § 44 SGB X sein (Rücknahme wegen Unrichtigkeit); ebenso aber kann der Bescheid widerrufen werden, wenn bestimmte Nachweise zur Versicherungspflicht, -freiheit und zur Entgelthöhe vorliegen (Widerruf gemäß § 28f Abs. 2 S.5 und 6 SGB IV).
Ob der Ursprungsbescheid auf § 28f Abs. 2 SGB IV gestützt und als Summenbescheid erlassen werden konnte, erscheint bei näherer Betrachtung der inzwischen weiter erhellten Verhältnisse allerdings fraglich. Zwar trifft weiterhin die Annahme d. Bekl. und des Sozialgerichts zu, dass die Entgeltaufzeichnungen d. Kl. in den Jahren bis 2001 offensichtlich lückenhaft waren und im Grundsatz einen Lohnsummenbescheid zugelassen haben könnten. Andererseits kann ein Lohnsummenbescheid aber nur erlassen werden, wenn gesichert ist, dass im Betrieb des Arbeitgebers Dritte beschäftigt waren; selbst wenn dies feststeht, kann der Bescheid auf Schätzungen gestützt werden, wenn und soweit nicht bessere und einfachere Erkenntnisquellen vorliegen. In diesem Zusammenhang fragt sich, ob es nicht schon im Jahre 2001 ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand möglich gewesen wäre, von Amts wegen nähere grundlegende Erkenntnisse über die Beschäftigung Dritter und die Beitragshöhe zu ermitteln. Denn wie dem Ursprungsbescheid zu entnehmen ist, hat d. Bekl. die Entgelte bestimmten Versicherten zuordnen können. Dann aber hätte schon durch Anfragen bei diesen Versicherten (ggf. Vernehmungen) u.a. geklärt werden können, ob und inwieweit diese bei d. Kl. oder aber – wie später behauptet- bei deren Ehemann beschäftigt gewesen waren (vgl. zu Fragen der Zulässigkeit eines Summenbescheides und des unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes BSGE 89, 158. ff. mit weiteren Nachweisen). Indes hat d. Kl. aber keinerlei konkrete Geschehensabläufe, die auf eine fehlende Beitragspflicht der damals als Beschäftigte in Betracht kommenden Personen (etwa der angeblichen Aushilfskräfte) hinweisen könnten, durch Mittel der Glaubhaftmachung belegt. Schließlich bewirkt auch der Hinweis auf mögliche Bekundungen des als Zeugen benannten früheren Betriebsberaters L nichts; denn es mangelt auch insoweit an der erforderlichen Glaubhaftmachung. Angesichts all dessen hat der erkennende Senat zur Zeit keine Veranlassung, die Erkenntnisse und die Auffassung des 5. Senats in seinem Beschluss vom 23.10.2006 in Zweifel zu ziehen. Ob nach weiterer Sachaufklärung durch das SG zu einem späteren Zeitpunkt sich eine ausreichende Erfolgsaussicht einstellen könnte, mag dahinstehen. Jedenfalls derzeit ist sie nicht belegt.
Auch mag bei der weiteren Sachprüfung zu bedenken sein, dass d. Bekl. den Sachverhalt nur unter den Gesichtspunkten des § 44 SGB X überprüft hat, nicht aber unter den Gesichtspunkten des § 28f Abs. 2 S. 5 und 6 SGB IV. Insoweit könnte zu beachten sein, dass d. Bekl. gehalten sein könnte, den früheren Bescheid unter Umständen auch unter einem anderen Blickwinkel zu ändern: denn selbst wenn der Bescheid wegen der Mängel in den Aufzeichnungspflichten damals rechtmäßig gewesen sein sollte, kann er bei Nachweis der tatsächlichen Verhältnisse widerrufen werden. Die Vorschrift sagt nichts dazu aus, ob der dort genannte nachträgliche Nachweis allein vom beitrags- und aufzeichnungspflichtigen Arbeitgeber zu tragen ist oder ob auch den Versicherungsträger Ermittlungspflichten treffen. Ob d. Bekl. diese Gesichtspunkte nur in einem gesonderten Verfahren prüfen und aus dem vorliegenden Streit ausklammern kann, wie sie dies im Bescheid vom 27.01.2005 angedeutet hat, erscheint fraglich. In diesem Zusammenhang könnte jedenfalls Folgendes von Bedeutung sein: Angesichts des Umstandes, dass die Betriebsprüfung 2001 in einer betrieblichen Umbruchphase erfolgt ist, hält es der Senat in diesem besonders gelagerten Einzelfall für möglich, zur Frage der Beschäftigung der ursprünglich gemeldeten Personen sowie der Söhne d. Kl. und der daran eventuell anknüpfenden Beitragspflicht weitere Beweise zu erheben, insbesondere die genannten Versicherten und den (früheren) Ehemann d. Kl., zu hören.
Dies erlaubt es allerdings nicht, derzeit eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage anzunehmen. Denn mangels Beibringung eidesstattlicher Erklärungen der früheren Mitarbeiter spricht im jetzigen Verfahrensstadium nichts dafür, dass der Nachweis mangelnder oder geringerer Beitragsverpflichtungen gelingen könnte.
Bei alldem sei darauf hingewiesen, dass zumindest die von d. Bekl. benachrichtigten Einzugsstellen notwendig am Verfahren zu beteiligen sind. Ob die Versicherten angesichts der konkreten Auswirkungen auf ihre Versicherungsverhältnisse gleichfalls am Verfahren zu beteiligen sind, obgleich dies bei Summenverfahren in der Regel nicht erforderlich ist, wird ebenfalls zu entscheiden sein. Jedenfalls erscheint nicht ausgeschlossen, dass durch die – allerdings Kosten verursachende – Beteiligung anderer Stellen und Personen weitere Erkenntnisse gewonnen werden können. Ob diese Erkenntnisse zu einem späteren Zeitpunkt eine Erfolgsaussicht der Klage begründen können, bleibt abzuwarten.
Ob die Klägerin gemäß § 114 ZPO nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, mag offen bleiben. Zwar hat sie selbst ausweislich ihrer Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse keine ausreichenden Einkünfte und kein Vermögen. Da sie aber mit ihrer Mutter zusammen lebt und diese pflegt, ist nicht auszuschließen, dass sie von dieser im Gegenzug Mittel zum Lebensunterhalt erhält oder bei deren Leistungsfähigkeit Anspruch auf einen Prozesskostenvorschuss hat. Dazu hat d. Kl. aber nichts vorgetragen; gleiches gilt für die Frage, ob gegebenenfalls Ansprüche d. Kl. gegen weitere zwangsverpflichtete Personen (getrennt lebender Ehemann oder Söhne) bestehen, was unter Umständen einen Anspruch d. Kl. auf PKH ausschließen könnte.
Auch insoweit ist d. Kl. einen Nachweis schuldig geblieben. Solange keine entsprechende Belege oder glaubhaften Erklärungen vorgelegt werden, steht dies schon einer PKH-Bewilligung entgegen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 23.10.2008
Zuletzt verändert am: 23.10.2008