Auf Rev. d.Bekl. wird Urteil des LSG aufgehoben
und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen!!! Neues AZ = L 20 SO 243/17 ZVW
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.10.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 verpflichtet, die Kosten für die stationäre Unterbringung des Klägers beim Beigeladenen im Monat Januar 2008 in Höhe von 3.600,39 EUR, im Monat Februar 2008 in Höhe von 3.693,46 EUR und im Monat März 2008 in Höhe von 3.941,72 EUR, jeweils unter Anrechnung bereits dafür erbrachter Leistungen, zu tragen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge. Eine Kostenerstattung im Übrigen findet nicht statt. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des beklagten Landkreises zur Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB XII für die Unterbringung in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe (nur mehr) für den Zeitraum von Januar bis März 2008.
Der am 00.00.1928 geborene Kläger leidet unter einem hirnorganischen Psychosyndrom nach langjährigem Alkoholkonsum mit schweren dissozialen und aggressiven Verhaltensauffälligkeiten sowie Verlust wesentlicher Teile der Sprachfähigkeit bei tertiärer Lues (progressive Paralyse). Vom Versorgungsamt wurde ihm ein Grad der Behinderung von 100 einschließlich der Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" zuerkannt. Er steht (auch schon während des streitigen Zeitraums) unter Betreuung (Bereiche: Gesundheits- und Heilmaßnahmen einschließlich stationärer Krankenhausaufenthalte, Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung einschließlich Entscheidungen über die Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen i.S.d. § 1906 Abs. 4 BGB). Willenserklärungen bei Gesundheits- und Heilmaßnahmen sowie der Aufenthaltsbestimmung bedürfen der Einwilligung des Betreuers.
Im noch streitigen Zeitraum erfüllte der Kläger in der Gesetzlichen Pflegeversicherung die Voraussetzungen der Pflegestufe I. Er verfügte mit Ausnahme einer monatlichen Altersrente von unter 800 EUR (und Pflegegeldleistungen aus der Gesetzlichen Pflegeversicherung) nicht über Einkommen oder Vermögen, welches nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII einzusetzen wäre.
Seine gesundheitlichen Einschränkungen machten schon in den 1990er Jahren intensive Betreuungsmaßnahmen bis hin zu stationären Krankenhausaufenthalten erforderlich. Bis April 1992 (Vollendung des 64. Lebensjahres am 26.04.1992) war er jedoch nicht stationär in einem Wohnheim untergebracht; auch erhielt er in der Zeit zwischen Vollendung des 64. und des 65. Lebensjahres (26.04.1992 und 26.04.1993) keine Eingliederungshilfe vom (damals noch zuständigen) überörtlichen Träger der Sozialhilfe, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).
Vor April 2002 lebte der Kläger längere Zeit allein in seiner eigenen Wohnung in I, wo er Leistungen der ambulanten psychiatrischen Pflege nach dem SGB V vom Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung erhielt. Am 19.04.2002 wurde er erstmalig in eine Wohngruppe (ebenfalls) in I aufgenommen, die von der Beigeladenen (seinerzeit noch A e.V.) betrieben wurde. Am 09.11.2005 übersiedelte er in die von der Beigeladenen getragene Wohngruppe E-straße 00 in H, wo er seither lebt.
Diese Wohngruppe in einem alten Hofgebäude mit Anbau bietet Platz für etwa zwölf überwiegend ältere Menschen mit geistigen Behinderungen und körperlichen Einschränkungen. Die Räumlichkeiten, die von der (Unter-)Wohngruppe bewohnt werden, welcher auch der Kläger angehört, befinden sich im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss des Hauptgebäudes, baulich getrennt von weiteren Räumlichkeiten für Personen, die Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhalten. Der Kläger bewohnt seit November 2005 durchgehend ein Einzelzimmer im Erdgeschoss.
Unter dem 04.11.2005 schlossen der Kläger (vertreten durch seinen Betreuer) und die Beigeladene mit Wirkung zum Tag der Aufnahme des Klägers in die Wohngruppe einen Heimvertrag. Dessen § 5, überschrieben mit "Leistungsentgelt (Pflegesatz)", enthält zur Vergütung u.a. folgende Bestimmungen: "Der Pflegesatz beträgt zur Zeit täglich … EUR entsprechend beiliegender Kopie der derzeit gültigen Vergütungsvereinbarung (siehe Anlage 4). Er wird von der für die Festsetzung der Pflegesätze zuständigen Stelle des LWL festgesetzt. [ …] Ist ein Heimbewohner / eine Heimbewohnerin bis zu drei Tagen abwesend, so wird für diese Zeit der volle Pflegesatz erhoben. Bei einer vorübergehenden Abwesenheit von mehr als drei Tagen kann vom ersten Tag der vollen Abwesenheit an eine Platzgebühr berechnet werden, wenn der Heimplatz in diesem Zeitraum freigehalten wird. Innerhalb eines jeden Kalenderjahres besteht ein Anspruch auf Platzgebühr höchstens für 28 Tage, sofern nicht der Kostenträger auf Antrag im Einzelfall einer anderen Regelung zugestimmt hat. Die Platzgebühr beträgt 75 vom Hundert des Pflegesatzes. [ …] (Sofern die Pflegesätze für die Heimunterbringung durch die Festsetzung der Pflegesätze zuständigen Stelle geändert werden, werden diese geänderten Pflegesätze in der festgesetzten Höhe von dem Tag ab gefordert, an dem sie, ggf. auch rückwirkend, in Kraft treten.)" Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Blatt 8 bis 15 Bd. II der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Zwischen der Beigeladenen und dem LWL bestanden zu dieser Zeit – wie auch im hier streitigen Zeitraum – Vergütungs- bzw. Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 S. 1 SGB XII (bzw. § 93 Abs. 2 S. 1 BSHG), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Verträge zwischen Erbringern von Leistungen der stationären Eingliederungshilfe und örtlichen Trägern der Sozialhilfe, insbesondere dem Beklagten, existieren im Bezirk des LWL hingegen nicht.
Die Kosten für die Unterbringung des Klägers in der Wohngruppe in I trug (im Anschluss an den Verbrauch des Vermögens des Klägers) zunächst der LWL als Eingliederungshilfe. Wegen einer Änderung in den landesrechtlichen Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit nach dem SGB XII (§ 2 Abs. 3 AV-BSHG NRW; heute: § 2 Abs. 1 Nr. 1b AV-SGB XII NRW) zum 01.01.2004 lehnte der LWL die Kostentragung für die Unterbringung des Klägers über den 01.12.2003 hinaus ab.
Der Kläger beantragte daher durch seinen Betreuer im Januar 2004 beim Beklagten die weitere Kostenübernahme für seine Unterbringung in der Wohngruppe. Mit Bescheid vom 16.02.2006 und Teilabhilfebescheid vom 28.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2008 übernahm der Beklagte die "angemessenen" Kosten für die Versorgung des Klägers durch die Beigeladene in der Zeit vom 01.01.2004 bis zunächst 31.12.2006 als Darlehen, und zwar abzüglich des vom Kläger monatlich einzusetzenden Einkommens (Altersrente und Pflegegeld), vorbehaltlich einer weiteren Kostenbeteiligung aus Vermögen sowie nur für Tage der Anwesenheit in der Wohngruppe (Tagessatz für Anwesenheitstage 111,42 EUR; monatlicher, auch bei Abwesenheitstagen nicht gekürzter Barbetrag einschließlich Zusatzbarbetrag 127,38 EUR; der Tagessatz setzte sich zusammen aus 7,58 EUR Investitionsbetrag, 12,90 EUR Grundpauschale und 90,94 EUR Maßnahmepauschale entsprechend den Leistungstypen [LT] 16 und 23 gemäß Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 des Rahmenvertrages gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII). Zur Ermittlung der Höhe der Pauschalen, zum Teil unter Zugrundelegung von Durchschnittswerten, wird auf die Ausführungen des Beklagten auf Blatt 277 bis 281 der Gerichtsakten Bezug genommen.
In einem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Detmold S 16 (19) SO 20/08 machte der Kläger geltend, der Beklagte habe für die Leistungsbemessung den zwischen der Beigeladenen und dem LWL vereinbarten Vergütungssatz (seinerzeit 117,74 EUR täglich) zu Grunde legen. Zudem sei es nicht rechtmäßig, bei Abwesenheit des Klägers (z.B. bei Krankenhausaufenthalten) keinerlei Entgelt für den Wohnheimplatz (sog. Platzgebühr) zu berücksichtigen. Das Klageverfahren endete durch Vergleich vom 14.05.2010, in dem sich die Beteiligten für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2006 auf einen Tagessatzes von 114,68 EUR sowie eine Platzgebühr für Ausfalltage in Höhe der Hälfte dieses Betrages einigten.
Zwischenzeitlich bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 02.04.2008 dem Kläger für den Folgezeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nunmehr (unter Heranziehung der Renteneinkünfte und des Pflegegeldes) als Zuschuss, und zwar weiterhin in Höhe der bisher (als Darlehen) bewilligten Leistungen (111,42 EUR; Zusammensetzung dieses Betrages wie zuvor). Die Altersrente des Klägers sei in vollem Umfang heranzuziehen. Die sachlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der §§ 53, 54 ff. SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX seien erfüllt. Der Kläger bedürfe einer umfassenden Betreuung und Versorgung. Seine psychischen und geistigen Beeinträchtigungen, die sich in aggressiven Verhaltensauffälligkeiten, schweren psychischen Krisen mit chronischen Verläufen, häufig auftretenden Erregungszuständen und schweren Kommunikations- und Sprachstörungen äußerten, ließen ihn unzweifelhaft zur Gruppe der älteren, pflegebedürftigen und behinderten Menschen zählen, die wegen ihrer geistigen und seelischen Behinderung wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt seien und für die gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer der Hilfe und Unterstützung bedürften. Eine Pauschalvergütung für Ausfallzeiten lehnte der Beklagte wiederum als unangemessen ab, da hierüber keine Vereinbarung bestehe. Die zwischen dem LWL als überörtlichem Träger der Sozialhilfe und der Beigeladenen getroffenen Vereinbarungen seien für andere Träger nicht bindend. Dem Beklagten stehe es frei, ob er sich dieser Vereinbarungen analog bediene oder eigene abschließen wolle. Grundsätzlich sei der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme der Vergütung von Leistungserbringern nur verpflichtet, wenn er mit diesen zuvor Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen habe. Sei dies nicht der Fall, dürfe der Sozialhilfeträger Leistungen durch diese Einrichtungen nur erbringen lassen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten sei. Der Sozialhilfeträger habe dann im Rahmen seines Ermessens über die notwendigen Betreuungsleistungen und die damit verbundene Kostenübernahme zu entscheiden. Die Maßnahmepauschale ergebe sich im Falle des Klägers aus der Zuordnung des konkreten Behinderungsbildes und des individuellen Hilfebedarfes zu dem entsprechenden LT auf der Grundlage des Rahmenvertrages zu den §§ 75 ff. SGB XII. Aufgrund der im Vordergrund stehenden psychischen Grunderkrankung und der damit einhergehenden sozialen Kompatibilitätsstörung sei der stationäre Bedarf des Klägers den LT 16 und 23 zuzuordnen; allerdings sei die Höhe der jeweiligen Pauschale an einem landesdurchschnittlichen Satz für die Maßnahmepauschale des LT 16 auszurichten.
Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 zurück.
Die Beigeladene stellte dem Kläger die ihm erbrachten Leistungen – auch nach dem 31.12.2006 – auf der Grundlage des Heimvertrages i.V.m. der jeweils geltenden Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII zwischen ihr und dem LWL in Rechnung. In den Monaten Januar bis März 2008 galt die Vergütungsvereinbarung für Januar 2007 bis Juni 2008. Daraus ergab sich ein Tagessatz i.H.v. 124,13 EUR, der sich aus einer Grundpauschale (11,67 EUR), einer Maßnahmepauschale (105,02 EUR) und einem Investitionsbetrag (7,44 EUR) zusammensetzte. Für Abwesenheitstage enthält diese Vereinbarung keinerlei Regelung. Vom 03. bis 08.01.2008 sowie vom 28.01. bis 01.02.2008 (insgesamt 11 Tage) hielt sich der Kläger nicht in der Wohngruppe, sondern im Krankenhaus auf.
Dementsprechend berechnete die Beigeladene dem Kläger für Januar 2008 3.600,39 EUR (20 Pflegetage à 124,13 EUR, 11 Platzgebührtage à 93,10 EUR, Barbetrag 93,69 EUR), für Februar 2008 3.693,46 EUR (29 Pflegetage à 124,13 EUR, Barbetrag 93,69 EUR) und für März 2008 3.941,72 EUR (31 Pflegetage à 124,13 EUR, Barbetrag 93,69 EUR). Hinsichtlich der Einzelheiten der Abrechnungen für diese Monate wird auf Blatt 185, 200 und 224 Band IV der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Rechnungsbeträge stehen, soweit sie nicht durch die vom Beklagten für diese Monate dem Kläger zuerkannten und gezahlten Leistungen gedeckt wurden, weiterhin zur Zahlung offen.
Mit Bescheid vom 15.05.2010 und Widerspruchsbescheid vom 08.02.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger auch für den weiteren Folgezeitraum vom 01.01.2010 bis zum 30.06.2011 Leistungen der Eingliederungshilfe unverändert wie zuvor für die Zeit von Januar 2007 bis Dezember 2009.
Gegen den Bescheid vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 sowie gegen den Bescheid vom 15.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2011 hat der Kläger jeweils (am 16.12.2010 bzw. am 08.03.2011) Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben. Das Sozialgericht hat die beiden Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Beigeladene zu dem Verfahren hinzugezogen (Beschlüsse vom 27.04.2011).
Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger ausgeführt, aufgrund des im Verfahren S 16 (19) SO 20/08 geschlossenen Vergleichs sei von der Unangemessenheit des mit den angefochtenen Bescheiden bewilligten Tagessatzes auszugehen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 sowie den Bescheid vom 15.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für seine stationäre Unterbringung im Zeitraum 01.01.2007 bis 30.06.2011 in vollem Umfang zu übernehmen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide verwiesen. Der Vergleich vom 14.05.2010 im Verfahren S 16 (19) SO 20/08 entfalte für Folgezeiträume keine Bindungswirkung; eine solche sei seinerzeit zu Protokoll des Sozialgerichts gerade ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Mit Urteil vom 24.10.2012 (dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 05.11.2012) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger erfülle zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. Er habe indes keinen weitergehenden Anspruch auf Kostenübernahme für seine stationäre Unterbringung in der Einrichtung der Beigeladenen. Nach § 75 Abs. 3 SGB XII sei der Träger der Sozialhilfe in den Fällen, in denen Leistungen in einer Einrichtung erbracht würden, zur Übernahme der Vergütung für die Leistungen nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen bestünden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Vereinbarungen zwischen Beigeladener und LWL könnten auch nicht entsprechend auf das Verhältnis zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten angewandt werden. Gemäß § 77 Abs. 1 S. 2 SGB XII seien zwischen Einrichtungsträgern und dem für den Sitz der Einrichtung zuständigen Träger der Sozialhilfe getroffene Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII zwar für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Der Beklagte sei jedoch kein "übriger Träger" der Sozialhilfe in diesem Sinne; denn er sei als örtlicher Träger der Sozialhilfe ebenfalls für die Einrichtung des Beigeladenen zuständig (§ 2 AV-SGB XII NRW). Dies bedeute, dass die Beigeladene ggf. sowohl mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe (also dem LWL) als auch mit dem örtlichen Träger (also dem Beklagten) Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII schließen müsse. Der Kläger könne sich auch nicht auf § 75 Abs. 4 SGB XII berufen. Danach sei neben einem vertragslosen Zustand auch erforderlich, dass die Besonderheiten des Einzelfalls die Leistungserbringung durch einen nicht vereinbarungsgebundenen Leistungserbringer geböten. Ein besonderer Einzelfall liege etwa vor, wenn der Bedarf nicht durch einen vereinbarungsgebundenen Leistungserbringer gedeckt werden könne (sog. objektive Unmöglichkeit), oder wenn die Inanspruchnahme der Leistungen eines vereinbarungsgebundenen Leistungserbringers dem Leistungsberechtigten nicht zumutbar sei (sog. subjektive Unmöglichkeit). Von einer subjektiven Unmöglichkeit könne jedenfalls im Zeitraum von Januar 2007 bis Juni 2011 nicht ausgegangen werden. Der Kläger sei 2005 von der Wohngruppe in I in die Wohngruppe in H umgezogen, so dass nicht ersichtlich sei, warum ihm ein nochmaliger Umzug in eine andere Einrichtung nicht hätte zugemutet werden können. In Anbetracht der zahlreichen Einrichtungen für behinderte Menschen im Kreisgebiet des Beklagten bestünden keine Zweifel, dass der Kläger in einer anderen (vertragsgebundenen) Einrichtung hätte untergebracht werden können.
Mit seiner am 04.12.2012 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, der Rechtsauffassung des Sozialgerichts wäre nur zu folgen, wenn er vom Beklagten erstmalig Leistungen beanspruchen würde. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil der Beklagte seit Jahren Leistungen erbringe und daher offenbar selbst vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 SGB XII ausgehe. Streitig sei allein die Frage, ob die Leistungen in angemessener Höhe erbracht würden. Dabei könne nicht außer Betracht bleiben, dass die Beteiligten im Verfahren S 16 (9) SO 20/08 bereits durch Vergleich höhere Leistungen vereinbart hätten. Ob zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten eine Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII bestehe, sei unerheblich. Die dem Kläger von der Beigeladenen erbrachten Leistungen seien nicht nur ausreichend, sondern auch zweckmäßig und wirtschaftlich im Sinne des § 76 Abs. 1 S. 3 SGB XII; das Maß des Notwendigen werde nicht überschritten. Schließlich könnten die Leistungen durch keinen anderen Leistungserbringer im Zuständigkeitsbereich des Beklagten erbracht werden; die Beigeladene sei der einzige Leistungsanbieter, der den Kläger ausreichend versorgen könne. Soweit der Beklagte auf Einrichtungen außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches verweise, sei dies nicht akzeptabel; der Kläger stamme aus der Nähe seines jetzigen Unterbringungsortes und habe an seinem Heimatort noch immer soziale Kontakte, die er nicht verlieren wolle.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2016 haben die Beteiligten durch Teilunterwerfungsvergleich den streitigen Zeitraum auf den 01.01. bis 31.03.2008 beschränkt. Der Beklagte hat sich mit der abrechnungstechnischen Berücksichtigung von 11 Krankenhaustagen im Januar 2008 anstelle von 10 Krankenhaustagen im Januar und einem Krankenhaustag im Februar 2008 einverstanden erklärt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.10.2012 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 04.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 zu verpflichten, die Kosten für seine stationäre Unterbringung beim Beigeladenen in dem Zeitraum vom 01.01. bis 31.03.2008 entsprechend den Abrechnungen des Beigeladenen gegenüber dem Beklagten zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Der Träger der Sozialhilfe dürfe Vergütungen nur bis zu der Höhe übernehmen, wie sie der Träger der Sozialhilfe am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen auf der Grundlage von Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit anderen Einrichtungen trage. Die Vergütungssätze der Beigeladenen lägen im Vergleich zu anderen Einrichtungen der Behindertenhilfe im Kreisgebiet des Beklagten im oberen Bereich. Auch die übrigen Einrichtungen im Kreisgebiet, deren Vergütungssätze über dem Durchschnittsbetrag lägen, erhielten von ihm nicht die mit dem LWL vereinbarten Vergütungssätze. Der Einwand des Klägers, bedarfsgerechte Leistungen könne nur die Beigeladene, nicht aber ein anderer Leistungserbringer zur Verfügung stellen, treffe nicht zu. Allein im Kreisgebiet des Beklagten böten acht Einrichtungen der Eingliederungshilfe den für den Kläger maßgeblichen LT 16 an. Der Beklagte sei weiterhin bereit, mit der Beigeladenen eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung abzuschließen; dies habe die Beigeladene allerdings bisher abgelehnt.
Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie pflichtet dem Berufungsbegehren bei. Nach dem angefochtenen Urteil wäre es dem Beklagten eigentlich verwehrt, überhaupt Leistungen für die Unterbringung des Klägers in der Einrichtung der Beigeladenen zu gewähren, da das Sozialgericht die Voraussetzungen von § 75 Abs. 4 SGB XII als nicht erfüllt ansehe. Dem Kläger sei allerdings aufgrund seiner persönlichen und krankheitsbedingten Situation ein Umzug in eine andere Einrichtung nicht zumutbar; jedenfalls hätte das Sozialgericht eine subjektive Unmöglichkeit näher erörtern und ggf. näher aufklären müssen. Hintergrund für den Umzug von I nach H im Jahr 2005 sei gewesen, dass der Kläger einer ständigen Präsenzkraft bedürfe, was allein in der Wohngruppe in H zu gewährleisten sei. Zudem stehe inzwischen sein hohes Alter einem nochmaligen Umzug entgegen. Zur Frage einer objektiven Unmöglichkeit genüge es nicht, wenn der Beklagte pauschal auf andere Einrichtungen verweise; oftmals gebe es in solchen Einrichtungen nicht sofort einen Platz. Der Beklagte hätte dem Kläger spätestens mit dem Übergang der sachlichen Zuständigkeit vom LWL auf ihn eine geeignete Unterbringungsalternative konkret anbieten müssen, deren Kosten in voller Höhe übernommen worden wären (§ 20 SGB X). Die Beweislast treffe den Beklagten. Die übrigen Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 SGB XII seien ebenfalls erfüllt. Dem Beklagten seien die Leistungen der Beigeladenen über die örtliche Heimaufsicht nach § 76 SGB XII bekannt. Entsprechend habe auch der LWL mit der Beigeladenen nach den Vorgaben des Landesrahmenvertrages gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen. Die Bestimmungen des Landesrahmenvertrages sähen insbesondere die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes vor; somit könne auch die Höhe der dem Kläger in Rechnung gestellten Beträge als wirtschaftlich und angemessen im Sinne des SGB XII angesehen werden. Eine Vergleichbarkeit mit den Angeboten anderer Leistungserbringer könne – anders als der Beklagte meine – gerade nicht anhand eines bloßen externen Vergleichs durch Bildung eines Durchschnitts hergestellt werden. Denn aufgrund unterschiedlicher Angebots- und Belegungsstrukturen seien die verschiedenen Einrichtungen nicht miteinander vergleichbar. Auch wenn der Beklagte behaupte, dass andere Einrichtungen dem Grunde nach die gleiche Art der Betreuung leisteten, so ergäben sich doch Unterschiede aus den jeweiligen Konzepten, der geplanten Auslastungsintensität, der Größe und Lage, den Kostenauswirkungen aufgrund historischer Verhältnisse, den jeweiligen Bauanforderungen sowie den gesetzlichen Grundlagen. Unterschiede in der Kostenstruktur könnten sich etwa auch aufgrund der Tarifgebundenheit oder -freiheit der einzelnen Anbieter, der Mitarbeiterstruktur und der unterschiedlichen Pflegesätze ergeben. Statthaft sei somit nur eine Evaluation der Kosten im Rahmen eins sog. internen Vergleichs; der Beklagte ziehe jedoch ausschließlich Durchschnittsvergütungen heran, deren Höhe insbesondere für den streitigen Zeitraum zudem gar nicht dargelegt worden sei. Im Übrigen sei das Einrichtungskonzept der Beigeladenen an die individuellen Bedürfnisse der Bewohner angepasst; auch insoweit sei die Wohngruppe, in der der Kläger lebe, nicht mit anderen Einrichtungen vergleichbar.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten; Prozessakte des Sozialgerichts Detmold – S 16 [19] SO 20/08; Auszüge aus den Akten des Betreuungsverfahrens des Klägers beim Amtsgericht H – 5 X 0/00 D), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
I. Die gemäß § 144 Abs. 1 (S. 1 Nr. 1 und S. 2) SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
1. Nachdem die Beteiligten den streitigen Zeitraum einvernehmlich auf die Monate Januar bis März 2008 beschränkt haben, ist Gegenstand des Verfahrens nur mehr der Bescheid vom 02.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 (§ 95 SGG), soweit mit ihnen für die genannten Monate die vom Beigeladenen für Eingliederungshilfe in Rechnung gestellten Kosten für die Unterbringung des Klägers in der Wohngruppe E-straße in H nicht übernommen wurden.
Unter Berücksichtigung des für stationäre Leistungen der Sozialhilfe geltenden sog. "Bruttoprinzips" und des für die Auslegung der angefochtenen Bescheide maßgeblichen Empfängerhorizonts (vgl. zu beiden Gesichtspunkten BSG, Urteil vom 25.09.2014 – B 8 SO 8/13 R Rn. 10, 33, jeweils m.w.N.) enthalten diese mehrere abtrennbare Verfügungen i.S.v. § 31 SGB X, nämlich eine Entscheidung über die Gewährung der Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII, eine Entscheidung über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich des Barbetrages (§ 35 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) sowie eine Entscheidung über die Heranziehung von Einkommen des Klägers zu den Kosten der bewilligten Leistungen insbesondere im Rahmen von § 92a SGB XII (vgl. zu diesen denkbaren Verfügungsbestandteilen auch BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 17/12 R Rn. 10 ff.).
Das Begehren des Klägers richtet sich allein auf die Gewährung höherer Leistungen der Eingliederungshilfe; im Übrigen beanstandet er die Entscheidungen des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden nicht. Zu entscheiden war damit nur die Frage, ob dem Kläger gegen den Beklagten für die Monate Januar bis März 2008 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Tagessatzes i.H.v. mehr als 111,42 EUR pro Anwesenheitstag und für die Zeiten seiner Abwesenheit aus der Wohngemeinschaft eine sog. Platzgebühr (entsprechend der Abrechnung der Beigeladenen i.H.v. 75% eines Tagessatzes) zusteht.
Dabei ist nach der Systematik des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses das Begehren des Klägers auf "Tragung der vollen Kosten" für den Aufenthalt in der Einrichtung der Beigeladenen nicht nur als solches auf Anfechtung (der Ablehnung weiterer Leistungen durch den Beklagten) und Zahlung an einen Dritten (hier: die Beigeladene) zu verstehen, sondern auch als solches auf Erlass eines Verwaltungsaktes, mit dem der Beklagte der Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen aus dem Heimvertrag auch im Übrigen beitritt (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2008 – B 8 SO 22/07 R Rn. 12, 25).
2. Davon ausgehend ist die Klage als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und (unechte) Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4, 56 SGG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 17/12 R Rn. 11 f.) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Beigeladene (auf der Grundlage von § 75 Abs. 1, 2. Var. SGG notwendig) zu dem Verfahren hinzugezogen, weil die dem Kläger für die im streitigen Zeitraum erbrachte Eingliederungshilfe in Rechnung gestellten Beträge immer noch teilweise zur Zahlung offen stehen (vgl. zur notwendigen Beiladung des Leistungserbringers in solchen Fallkonstellationen BSG, Urteil vom 28.10.2008 – B 8 SO 22/07 R Rn. 13 ff.).
3. Die Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 begegnet zwar formell keinen rechtlichen Bedenken – dazu a) -. Er ist jedoch materiell rechtswidrig, weil es der Beklagte zu Unrecht abgelehnt hat, der Schuld des Klägers aus dem Heimvertrag mit der Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungshilfe im Zeitraum von Januar bis März 2008 in vollem Umfang beizutreten – dazu b) -. Der Kläger ist deshalb beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
a) Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus § 98 Abs. 2 S. 1 (ggf. i.V.m. S. 2) SGB XII. Denn jedenfalls bei der (Unter-)Wohngruppe, in der der Kläger untergebracht war (und ist), handelt es sich um eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB XII (vgl. zu diesem Begriff BSG, Urteil vom 13.02.2014 – B 8 SO 11/12 R Rn. 19 m.w.N.). Sowohl den vorliegenden Verlaufsberichten über die Betreuung des Klägers durch Mitarbeiter der Beigeladenen (insbesondere dem Bericht vom 08.01.2010 für Oktober 2007 bis November 2009) als auch dem aktenkundigen Organisationskonzept der Beigeladenen (vom 03.02.2012) lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass in der (Unter-)Wohngruppe personelle und sächliche Mittel für eine gewisse Dauer bezogen auf ein Gebäude und zugeschnitten auf einen wechselnden Personenkreis zusammengefasst waren. Dabei hat die Beigeladene, ihrem Gesamtkonzept entsprechend, (spätestens) mit Beginn der Aufnahme des Klägers in diese Wohngruppe die Verantwortung für dessen tägliche Lebensführung übernommen; dies zeigt sich schon darin, dass allein für ihn eine Präsenzkraft vorgehalten werden musste. Der Kläger war ersichtlich im Rahmen des für ihn behinderungsbedingt notwendigen Betreuungssettings überhaupt nur im Rahmen einer Dauerbetreuung führbar. Der Qualifizierung der (Unter-)Wohngruppe als stationäre Einrichtung steht im Übrigen nicht entgegen, dass im selben Gebäude auch Personen Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhielten; die Unterbringung und Betreuung dieser Personen erfolgte von vornherein baulich und organisatorisch getrennt von der (Unter-)Wohngruppe des Klägers.
Es liegt nahe, dass die vormalige Wohngruppe in I einem vergleichbaren Betreuungskonzept folgte wie die spätere Wohngruppe in H, und dass sich wegen § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII die örtliche Zuständigkeit des Beklagten somit vom letzten gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I) des Klägers in seiner bis April 2002 bewohnten eigenen Wohnung (in I) ableitet. Sollte jedoch das Wohnheim in I keine stationäre Einrichtung gewesen sein, so hätte der Kläger jedenfalls seinen maßgeblichen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor Aufnahme in das Wohnheim E-straße in H ebenfalls in I und damit im Kreisgebiet des Beklagten gehabt (§ 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII).
Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten, der gemäß § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW zum örtlichen Träger der Sozialhilfe bestimmt ist, beruht – für die hier allein in Rede stehenden Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII – auf § 97 Abs. 1 SGB XII. Eine abdrängende Sonderzuweisung an den überörtlichen Träger nach § 97 Abs. 3 SGB XII bzw. § 97 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) oder lit. b) AV-SGB XII NRW besteht nicht. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AV-SGB XII NRW ist schon deshalb nicht einschlägig, weil der Kläger im streitigen Zeitraum sein 65. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) AV-SGB XII NRW sind nicht erfüllt, weil der Kläger nach dem insoweit plausiblen und zwischen den Beteiligten auch nicht streitigen Ermittlungsergebnis des Beklagten in dem Jahr vor Vollendung seines 65. Lebensjahres (zwischen April 1992 und April 1993) keine Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten hat. Der Beklagte hat seine Aufgaben insoweit auch nicht an die kreisangehörigen Gemeinden delegiert (vgl. § 2 Nr. 4 und Nr. 5 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis H).
Die nach § 116 Abs. 2 SGB XII erforderliche beratende Beteiligung sozial erfahrener Dritter hat stattgefunden.
b) Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Übernahme der ihm von der Beigeladenen für den streitigen Zeitraum für Eingliederungshilfe in Rechnung gestellten Kosten in voller Höhe. Anspruchsgrundlage ist § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX sowie § 2 bzw. § 3 EinglhV.
aa) Nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe – als gebundene Leistung – solche Personen, die durch eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Eine wesentliche Behinderung in diesem Sinne liegt beim Kläger ersichtlich vor. Denn unabhängig davon, ob man seine Lues-Erkrankung (als bakterielle Infektionskrankheit, die im Endstadium das zentrale Nervensystem zerstört) als seelische Behinderung im Sinne von § 3 Nr. 2 EinglhV erfassen kann, verursacht sie jedenfalls eine erhebliche Schwäche seiner geistigen Kräfte; sie führt deshalb beim Kläger jedenfalls zu einer geistigen Behinderung i.S.v. § 2 EinglhV. Diese Annahme einer wesentlichen Behinderung des Klägers (die zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten ist) deckt sich insbesondere mit der aktenkundigen Beurteilung der Beklagten durch die Diplom-Sozialpädagogin Tanski vom 03.03.2008.
Eine Zugehörigkeit zu dem in § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII genannten Personenkreis scheidet beim Kläger auch nicht etwa deshalb aus, weil angesichts seines Alters und der Schwere seiner Erkrankung die Aufgabe der Eingliederungshilfe – die Ermöglichung von Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – von vornherein nicht mehr erfüllt werden könnte und es sich deshalb bei den ihm erbrachten Leistungen nicht (mehr) um Hilfe zur Eingliederung, sondern nur noch um Pflege (nach dem SGB XI bzw. dem Siebten Kapitel des SGB XII) handelte. Denn Leistungen der Eingliederungshilfe müssen nicht notwendig auf eine möglichst vollständige gesellschaftliche Integration gerichtet sein; vielmehr reicht es aus, wenn die Hilfen (in Fällen der vorliegenden Art) auf eine zustandserhaltende Beheimatung des Betroffenen gerichtet sind (vgl. dazu das Senatsurteil vom 07.04.2008 – L 20 SO 53/06).
bb) Einkommen oder Vermögen des Klägers i.S.v. § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII stand den Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII im Grundsatz nicht entgegen. Die dem Kläger von der Beigeladenen im streitigen Zeitraum monatlich berechneten Kosten für Eingliederungshilfe beliefen sich stets auf mehr als 3.000 EUR. Kosten in diesem Umfang waren mit den Einkünften des Klägers (Altersrente deutlich unterhalb von 800 EUR sowie Pflegegeld nach der Pflegestufe I) nicht in Gänze zu decken. Auch über einsatzpflichtiges Vermögen verfügte der Kläger nicht mehr.
cc) Der Leistungspflicht des Beklagten steht ferner nicht entgegen, dass (im sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis) der Träger der Sozialhilfe einer Schuld des Leistungsberechtigten nur in dem Umfang beitreten kann, wie der Leistungsberechtigte (hier: der Kläger) seinerseits gegenüber dem Leistungserbinger (hier: der Beigeladenen) zur Zahlung verpflichtet ist (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 28.10.2008 – B 8 SO 22/07 R Rn. 31).
Der Kläger schuldete der Beigeladenen im streitigen Zeitraum für jeden Tag seiner Anwesenheit in der Wohngruppe einen Betrag i.H.v. 124,13 EUR. Grundlage für diesen Vergütungsanspruch ist § 5 (S. 1 und S. 2) des am 04.11.2005 zwischen dem Kläger und der Beigeladenen geschlossenen Heimvertrages i.V.m. der in dem streitigen Zeitraum geltenden Vergütungsvereinbarung (für Januar 2007 bis Juni 2008) zwischen der Beigeladenen und dem LWL (nach § 75 Abs. 3 SGB XII), auf welche die genannten Regelungen des Heimvertrages Bezug nehmen. Für die Zeiten der Abwesenheit des Klägers aus der Wohngruppe (im streitigen Zeitraum insgesamt 11 Tage) ergibt sich nach § 5 S. 9 bis 11 des Heimvertrages ein Vergütungsanspruch nur i.H.v. 75% des vorgenannten Tagessatzes (gerundet 93,10 EUR).
Anhaltspunkte dafür, dass der Heimvertrag insgesamt bzw. eine der vorgenannten Regelungen unwirksam sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Regelung über die Platzgebühr. Gemäß § 5 Abs. 8 HeimG (in der bis zum 30.09.2009 geltenden Fassung) war eine Vereinbarung über Abwesenheitszeiten im hier streitigen Zeitraum zwingender Bestandteil eines Heimvertrages. Zur Höhe der von der Beigeladenen berechneten Platzgebühr bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese sich außerhalb des üblichen Rahmens bewegen würde (vgl. z.B. LG Essen, Urteil vom 02.03.2006 – 11 O 469/04).
Darüber hinaus ist auch weder vorgetragen noch erkennbar, dass es an einem Vergütungsanspruch deshalb fehlen könnte, weil die Beigeladene die in den Abrechnungen aufgeführten Leistungen nicht bzw. nicht in dem geschuldeten Umfang erbracht hätte.
dd) Hinsichtlich der Höhe der deshalb dem Grunde nach zu erbringenden Leistungen ist der Beklagte an die Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII gebunden, die zwischen der Beigeladenen und dem LWL für den streitigen Zeitraum bestand.
Diese Bindungswirkung folgt – entgegen der Ansicht von Beklagtem und Sozialgericht -aus § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII, wonach Vereinbarungen (i.S.d. § 75 Abs. 3 SGB XII), die von dem für den Sitz der fraglichen Einrichtung zuständigen Träger der Sozialhilfe geschlossen wurden, auch für die übrigen Träger der Sozialhilfe gelten.
(1) Der Beklagte ist "übriger Träger" im Sinne der Vorschrift.
(a) Zwar ist der Wortlaut des § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII insoweit indifferent. Die Bindungswirkung der Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für "alle übrigen Träger der Sozialhilfe" ließe einerseits durchaus auch eine Lesart zu, welche allein alle mit Blick auf örtliche oder überörtliche Träger gleichgeordneten übrigen Träger erfasst; hätte also nur ein überörtlicher Träger eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII geschlossen, könnte sich bei dieser Lesart die Bindungswirkung nur auf alle übrigen überörtlichen Träger erstrecken. Ebenso ließe es der Wortlaut zu, die Bindungswirkung lediglich auf alle Träger außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Trägers zu beziehen, der eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen hat. Auf der anderen Seite schließt der Wortlaut des § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII jedoch auch eine Lesart nicht aus, welche sämtliche anderen Träger der Sozialhilfe an eine von einem örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe getroffene Vereinbarung bindet, unabhängig davon, ob sie diesem hinsichtlich der örtlichen bzw. überörtlichen Trägerschaft gleichgeordnet sind, oder ob sie im gleichen Bezirk wie der vereinbarende Träger liegen. Zu Letzterem folgt aus dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 S. 2 (1. HS) SGB XII ("der für den Sitz der Einrichtung zuständige Träger der Sozialhilfe") nicht etwa anderes; die gesetzliche Verwendung des Singular für den zuständigen Träger der Sozialhilfe zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber allein vom Fall eines einzigen örtlich zuständigen Trägers ausgegangen ist.
(b) Bestimmt der Gesetzeswortlaut die Anwendungsbreite des § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII mithin nicht eindeutig, so kommt dem Sinn und Zweck des § 77 SGB XII maßgebende Bedeutung zu.
Mit der gesetzlichen Regelung sollen vertragslose Zustände weitgehend vermieden werden (vgl. dazu z.B. Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 77 Rn. 36). Zwar hatte der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 16/2711 S. 11) offenbar insbesondere Fälle im Blick, in denen Leistungsberechtigte aus einem Bundesland Leistungen einer Einrichtung in einem anderen Bundesland in Anspruch nehmen. Eine solche Vorstellung des Gesetzgebers schließt allerdings nicht aus, auch Sozialhilfeträger einzubeziehen, die im gleichen Bezirk zuständig sind, etwa – wie hier der Beklagte neben dem LWL – als örtlicher Träger neben einem überörtlichen Träger; dies gilt insbesondere deshalb, weil nichts dafür spricht, dass im Gesetzgebungsverfahren das Problem paralleler Zuständigkeiten für örtliche und überörtliche Träger (das im vorliegenden Fall aus der Beschränkung der Zuständigkeit des überörtlichen Trägers bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres des Leistungsempfängers in § 2 Abs. 1 Nr. 1a AV-SGB XII NRW resultiert) überhaupt gesehen worden war.
(c) Neben dem Interesse an der Vermeidung eines vertragslosen Zustandes sprechen zudem systematische Erwägungen sowie Gründe der Effektivität der Leistungserbringung für die vom Senat gewählte Lesart, dass nach § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII nicht nur bestimmte, sondern jegliche weitere Träger der Sozialhilfe der Bindung an einen bereits bestehenden Vertrag i.S.d. § 75 Abs. 3 SGB XII unterliegen.
Denn die anderslautende Rechtsauffassung des Sozialgerichts und des Beklagten hätte die Frage zur Folge, welcher Vertrag für die übrigen Träger der Sozialhilfe gelten soll, wenn man für einen (örtlichen) Zuständigkeitsbereich und dieselbe Leistung zwei unterschiedliche Verträge nach § 75 Abs. 3 SGB XII zulassen wollte. Dieses (in der landesrechtlichen Zuständigkeitsverteilung nach § 2 AV-SGB XII NRW angelegte; s.o.) Problem lässt sich nach Ansicht des Senats sachgerecht nur dadurch vermeiden bzw. lösen, dass ein zwischen einem örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe geschlossener Vertrag auch den (hier nach Maßgabe des § 2 AV-SGB XII NRW) für dieselbe Leistung, aber einen anderen Personenkreis ebenfalls – gleichsam überlappend – örtlich zuständigen Träger bindet.
Das Verhandlungs- und Abschlussrecht für Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII des ebenfalls potenziell zuständigen weiteren Trägers der Sozialhilfe wird dadurch keineswegs geleugnet oder vereitelt. Vielmehr gilt nach Ansicht des Senats insoweit ein Prioritätsprinzip dergestalt, dass der als erstes zur Abschlussreife gebrachte Vertrag nach § 75 Abs. 3 SGB XII für die Dauer seiner Gültigkeit die übrigen Träger bindet, ohne sie daran zu hindern, Folgeverträge zu verhandeln und ggf. ihrerseits als erste zur Abschlussreife zu führen und insoweit einen dann wiederum die übrigen Träger bindenden Vertrag zu schließen. Allein dies vermeidet zum einen die Gefahr verschiedener Verträge der einzelnen Sozialhilfeträger über die gleiche Leistung eines Leistungserbringers, zum anderen einen vertragslosen Zustand, wenn (wie die Beigeladene beim Beklagten) ein Leistungserbringer gegenüber weiteren Trägern nicht von den bereits mit einem ersten Träger ausgehandelten Konditionen abweichen will.
Berücksichtigt man zudem einerseits, dass auf Seiten der Leistungserbringer regelmäßig dieselben Verbände mit den verschiedenen Sozialhilfeträgern verhandeln dürften, und bleibt das eigene Verhandlungsrecht der verschiedenen Sozialhilfeträger unbenommen, so bietet die vom Senat gewählte Lesart § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII insgesamt eine größtmögliche Gewähr dafür, dass die Interessen der Vertragsparteien, aber auch diejenigen der gesetzlich gebundenen, nicht selbst zum Vertragsabschluss gelangten übrigen Träger der Sozialhilfe in ein austariertes Verhältnis gelangen, und das gleichzeitig vertragslose Zustände vermieden werden. Denn dass verhandelnde Sozialhilfeträger nur zum Zwecke des Erreichens der frühesten Abschlussreife für sie nicht tragfähig erscheinende Konditionen vereinbaren, ist nicht anzunehmen; ohnehin sind die Interessen eines nicht an dem jeweiligen Vertragsabschluss beteiligten weiteren Trägers der Sozialhilfe im Rahmen der von § 86 SGB X geforderten Zusammenarbeit zu berücksichtigen (vgl. hierzu etwa H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 77 Rn. 7. Auf die Vorauflage dieser Kommentierung – 18. Aufl. 2010, kommentiert von W. Schellhorn – stützt das Sozialgericht im Übrigen zu Unrecht seine andere Rechtsauffassung. Denn dort wird nicht auf den – soweit ersichtlich bisher weder in Rechtsprechung noch Literatur behandelten vorliegenden Fall einer überlappenden Zuständigkeit – hier: für Eingliederungshilfe – aufgrund landesrechtlicher Zuständigkeitsverteilung abgestellt, sondern auf ein gefächertes Leistungsangebot von Einrichtungen, wenn diese z.B. parallel Leistungen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe anbieten. Nur bei solcherart unterschiedlichen Leistungsarten kommen unterschiedliche Verträge nach § 75 Abs. 3 SGB XII für einen örtlichen Zuständigkeitsbereich in Betracht; für ein- und dieselbe Leistungsart hingegen gilt auch nach W. Schellhorn, a.a.O., das Prinzip der einheitlichen Vertragsgeltung für alle Leistungsträger). Ob zu § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII im Einzelfall ausnahmsweise anders zu entscheiden wäre, wenn ein Leistungserbringer und ein Sozialhilfeträger (möglicherweise kollusiv) ersichtlich sachwidrige Konditionen mit nachteiligen, unvertretbaren Auswirkungen für die übrigen Träger der Sozialhilfe vereinbart hätten, kann offen bleiben; hierfür bestehen im vorliegenden Fall von vornherein keine Anhaltspunkte.
(d) Gilt nach allem ein der gesetzlichen Regelung zu entnehmendes Prinzip eines einheitlich für sämtliche Träger der Sozialhilfe in gleicher Weise geltenden Vertrages, so lässt der Senat offen, ob die von ihm gewählte Lesart des § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII auch durch die konstruktiven Parallelen der Vorschrift zu § 72 Abs. 2 S. 2 SGB XI und § 78e Abs. 1 S. 2 SGB VIII gestützt wird (beide Regelungen sehen ebenfalls eine weitreichende Bindungswirkung der dort behandelten Verträge für andere Leistungsträger vor; vgl. dazu etwa Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 27. EL III/12, K § 77 Rn. 7a; H. Schellhorn, a.a.O.).
(2) Demgemäß ist der Beklagte entsprechend der Handhabung zwischen Beigeladenem und LWL zur Gewährleistung der für den Kläger notwendigen Eingliederungshilfe verpflichtet, der heimvertraglichen Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen bis zur Höhe des in der Vergütungsvereinbarung für Januar 2007 bis Juni 2008 festgesetzten Tagessatzes (124,13 EUR) beizutreten.
Hiervon ist auch die von der Beigeladen in Rechnung gestellte Platzgebühr für Tage des Krankenhausaufenthaltes des Klägers erfasst, die sich nach der Vereinbarung im Heimvertrag auf 75% des Tagessatzes beläuft und somit hinter dem nach der Vergütungsvereinbarung für Januar 2007 bis Juni 2008 abrechenbaren Betrag zurück bleibt. Denn diese Vergütungsvereinbarung sah keinerlei Kürzung des Tagessatzes etwa bei Abwesenheit wegen eine Krankenhausaufenthaltes vor; zugleich kann bei langfristiger einrichtungsmäßiger Unterbringung (zumal mit zustandserhaltender Dauerbeheimatung des behinderten Menschen) nicht etwa gewollt gewesen sein, dass die personelle und sächliche Mittel unter Bindung an ein Gebäude zur Verfügung stellende Einrichtung für Abwesenheitstage keinerlei Vergütung in Anspruch nehmen kann. Eine – dem Heimvertrag (und § 5 Abs. 8 HeimG damaliger Fassung) entsprechende – Regelung über die (geringere) Vergütung von Ausfalltagen findet sich erst in § 6 Abs. 1 der Vergütungsvereinbarungen zwischen dem LWL und der Beigeladenen für die Zeiträume ab dem 01.01.2009. Indes konnte der Sozialhilfeanspruch des Klägers auf einen Schuldbeitritt des Beklagten im Rahmen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses von vornherein nicht weiter reichen als seine heimvertragliche Schuld gegenüber der Beigeladenen; dementsprechend richtet sich sein Begehren insoweit auch nur auf Leistungen in Höhe der heimvertraglichen Platzgebühr.
Der Umstand, dass die Beigeladene in ihren Abrechnungen (unrichtigerweise) elf Abwesenheitstage im Januar berücksichtigt hat statt (zutreffend) zehn Tage im Januar und einen Tag im Februar, wirkt sich rechnerisch auf die Höhe der Gesamtansprüche des Klägers für den streitigen Zeitraum Januar bis März 2008 nicht aus. Im Übrigen hat der Beklagte diese vereinfachende Abrechnungsweise ausdrücklich akzeptiert. Der Senat sieht (trotz der monatsweise zu erbringenden und an sich entsprechend abzurechnenden Leistungen des Beigeladenen) keinen Anlass, eine solcherart vereinfachende Handhabung, die über den Verlauf der beiden Monate Januar und Februar zusammengenommen ersichtlich keinen Mehrbedarf an Sozialhilfe hat entstehen lassen, im Rahmen der nachfolgenden gerichtlichen Prüfung mit juristisch-konstruktiven Bedenken zu versehen, welche dem von den Beteiligten vorgebrachten rechtlichen Klärungsbedarf in keiner Weise entgegenkämen.
Die Beklagte war nach alldem zu verpflichten, dem Kläger als Eingliederungshilfe nach dem SGB XII die von der Beigeladenen für den streitigen Zeitraum Januar bis März 2008 in Rechnung gestellten Beträge (3.600,39 EUR, 3.693,46 EUR bzw. 3.941,72 EUR) abzüglich der bereits erbrachten Leistungen zu zahlen. Dabei stellt sich der (in den vorgenannten Summen jeweils enthaltene) Barbetrag wegen bestandskräftiger Gewährung als reiner Rechenposten dar.
ee) Steht dem Kläger der geltend gemachte höhere Leistungsanspruch schon nach § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII zu, so kommt es auf § 75 Abs. 4 S. 1 bis 3 SGB XII von vornherein nicht an. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass Vieles dafür spricht, dass sich auch dann ein Anspruch des Klägers ergeben würde.
Der für die Anwendung des § 75 Abs. 4 S. 1 bis 3 SGB XII erforderliche vertragslose Zustand bestünde gerade dann, wenn man das Vorliegen der Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 S. 2 (2. HS) SGB XII (hier also eine Bindung des Beklagten an die Vergütungsvereinbarung zwischen Beigeladener und LWL) verneint. Eine sog. objektive Unmöglichkeit und damit ein besonderer Fall im Sinne von § 75 Abs. 4 S. 1 SGB XII dürfte ebenfalls anzunehmen sein; denn der Beklagte hat selbst eingeräumt, dass keine an ihn vertraglich gebundene Einrichtung existiert, welche die Versorgung des Klägers sicherstellen könnte. Insofern dürfte dem Kläger insbesondere nicht entgegen gehalten werden können, dass es andere (für seine Unterbringung geeignete) Einrichtungen gebe, die (wie die Beigeladene) Verträge nach § 75 Abs. 3 SGB XII (allein) mit dem LWL abgeschlossen haben. Ein den Anforderungen des § 76 SGB XII entsprechendes Angebot (§ 75 Abs. 4 S. 2 SGB XII) dürfte (sofern man es überhaupt für konstitutiv hält; dagegen Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 Rn. 139, 147 m.w.N.) in der (auch der Beklagten ersichtlich gewordenen und im Heimvertrag zum Ausdruck gekommenen) Bereitschaft der Beigeladenen liegen, ihre Leistungen gegenüber dem Kläger zu den Bedingungen der mit dem LWL geschlossenen Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII zu erbringen.
Sähe man deshalb die Voraussetzungen für eine Leistungserbringung im Rahmen von § 75 Abs. 4 S. 1 und S. 2 SGB XII als erfüllt an, wäre der Beklagte grundsätzlich zur Zahlung verpflichtet (vgl. Jaritz/Eicher, a.a.O. Rn. 141 m.w.N.; Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 75 Rn. 47). Für die Höhe dieser Verpflichtung ist von der heimvertraglich mit dem Kläger vereinbarten Vergütung auszugehen. Eine Deckelung unter diese Vergütung käme nur in Betracht, wenn andere Leistungserbringer mit vertraglicher Bindung i.S.v. § 75 Abs. 3 SGB XII an die Beklagte vergleichbare Leistungen erbringen (§ 75 Abs. 4 S. 3 SGB XII); nach seinen eigenen Angaben hat der Beklagte jedoch keine Verträge mit anderen Anbietern geschlossen. Ob darüber hinaus eine Ausnahme möglich wäre, wenn die geforderte Vergütung ersichtlich außer Verhältnis zur erbrachten Leistung stünde, bedarf keiner Klärung; denn die Vergütungsforderung der Beigeladenen orientiert sich an ihren Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit dem LWL, was eine hinreichende Gewähr für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen bietet.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Kosten der Beigeladenen waren nicht zu erstatten, weil sie keinen eigenen Antrag gestellt hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 18.04.2011 – L 20 SO 78/10 Rn. 62, ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 Rn. 3b).
III. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 30.05.2017
Zuletzt verändert am: 30.05.2017