Revison erledigt durch Rücknahme der Revision durch Beigeladene zu 1)
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 01.02.2006 aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten vom 25.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 wird aufgehoben. Der Beigeladene zu 1 wird verurteilt, der Klägerin Eingliederungshilfe für ihre Betreuung in der Mutter-Kind-Einrichtung H in C im Zeitraum 18.08.2004 bis 12.05.2005 i.H.v. 36.361,54 EUR zu gewähren. Der Beigeladene zu 1 trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung zwischen den Beteiligten nicht statt. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, wer die Kosten für die Unterbringung der Klägerin in der Mutter-Kind-Einrichtung H in C tragen muss.
Die am 00.00.1985 geborene Klägerin leidet nach einem Gutachten vom 07.07.2004 der Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. N, F, das diese für das Amtsgericht H im Rahmen eines Betreuungsverfahrens erstellt hat, an einer leichten geistigen Behinderung, welche eine ausreichende schulische Bildung i.S.v. Rechnen, Schreiben, Lesen lernen schon nicht mehr ermöglicht habe. Die Persönlichkeit der im Zeitpunkt der Begutachtung schwangeren Klägerin sei unausgereift, unstet, strukturschwach und abhängig. Infolge der geistigen Behinderung und der Persönlichkeitsunreife bedürfe sie der Hilfestellung durch einen Betreuer in diversen (im Gutachten näher bezeichneten) Lebensbereichen. Die Behinderung werde zeitlebens bestehen bleiben; bei ausreichender Kooperation könnte die Klägerin in einer Mutter-Kind-Wohngemeinschaft mit soziotherapeutischer Anleitung etwas nachreifen und alltragspraktische Kompetenzen entwickeln. Eine einfache Verständigung sei möglich, Geschäftsfähigkeit bestehe nur für Taschengeldgeschäfte.
Nach einem individuellen Hilfeplan des Beklagten vom 09.08.2004 kann die Klägerin u.a. einen Einkauf nicht planen und den Bedarf nicht überblicken. Sie kann nicht selbständig ausgewogene Mahlzeiten kochen, benötigt Aufforderung zur Ordnung im eigenen Bereich, muss Geld eingeteilt bekommen und kann komplexe Zusammenhänge nicht nachvollziehen. Sie hat Schwierigkeiten, ihre Freizeit zu gestalten, kann neue Strecken und Wege nicht selbständig erschließen, hat wenig Bezug zu realistischen Zielen und nur sehr unkonkrete Vorstellungen zu Zukunftsperspektiven und Lebensplanung, hat Schwierigkeiten, sich längere Abfolgen zu merken und zeitliche Zuordnungen zu treffen, benötigt mehrfache Wiederholungen, hat Schwierigkeiten, Monat oder Wochentag zu bestimmen, braucht Begleitung bei Ersterkundungen von neuen Orten, fühlt sich nicht behindert und hat oft keinen Realitätsbezug, da sie die eigenen Grenzen bzw. die Behinderung nicht erkennt, hat oft wenig Antrieb bei großer Bequemlichkeit, kann nicht lesen, rechnen und schreiben, ist bei der Ausführung ärztlicher oder therapeutischer Verordnungen nicht zuverlässig und hält sich nicht an eine gesunde Lebensweise.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten des Dr. N sowie den Hilfeplan der Beklagten Bezug genommen.
Bis zum Schuljahr 2001/2002 besuchte die Klägerin die N-Schule für Lernbehinderte in H. Vom 04.11. bis 01.12.2002 nahm sie (bei Testung eines IQ von 56) zunächst an einem Eingangsverfahren der Werkstatt für behinderte Menschen (WFBM) I-P teil und blieb dort ab dem 02.12.2002 bis Juli 2003 im Berufsbildungsbereich. Anschließend lebte sie nach ihren Angaben gegenüber der Gutachterin Dr. N eine Zeit lang bei ihrem Freund in I, nach einem Streit mit dem Freund zunächst kurz bei einem Onkel eines Exfreundes und sodann wieder bei ihrer Mutter in H.
Am 22.07.2004 beantragte die zwischenzeitlich bestellte Betreuerin der Klägerin beim Beigeladenen zu 1 die Gewährung von Hilfe nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Die Klägerin werde voraussichtlich am 28.08.2004 entbinden, lebe derzeit bei ihrer Mutter in beengten Verhältnissen und könne dort mit dem Kind nicht bleiben. Sie werde nicht in der Lage sein, sich allein um die Belange des Kindes zu kümmern.
Der Beigeladene zu 1 teilte der Klägerin mit (Schreiben vom 28.07.2004), nach Auswertung des Gutachtens (Dr. N) sei Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die vorrangige Hilfeart, für die der Beklagte zuständig sei. Der Antrag werde an den Beklagten als zuständigem Kostenträger weitergeleitet; er werde jedoch erst dann tätig werden, wenn ein geeigneter Platz für die Klägerin gefunden sei.
Die H Einrichtungen "N I" beantragten unter dem 09.08.2004 beim Sozialamt des Beigeladenen zu 1 ambulante Eingliederungsleistungen nach §§ 39 ff. BSHG für die Klägerin. Der beigefügte Hilfeplan basiere auf dem Hilfebedarf der Klägerin, berücksichtige aber nicht deren bevorstehende Mutterschaft. Es sei Anliegen der Einrichtungen, das Recht auf Mutterschaft der Klägerin zu erhalten; diese werde deshalb einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung stellen. Nach der Geburt sei auf der Grundlage der vorliegenden individuellen Hilfeplanung eine Neubewertung unter Berücksichtigung der erzieherischen Hilfen notwendig. Ausweislich einer Auszahlungsanordnung vom 02.09.2004 wurden den G Einrichtungen 780,01 EUR als Eingliederungshilfe für die Betreuung der Klägerin zuhause in den Monaten Juli und August 2004 bis zur Aufnahme ins Mutter-Kind-Heim ausgezahlt.
Der Beigeladene zu 1 übersandte mit Schreiben vom 16.08.2004 den Antrag der Klägerin vom 22.07.2004 an den Beklagten (Eingang dort: 19.09.2004) mit der Bitte um Entscheidung über die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 39 BSHG in eigener Zuständigkeit. Da für die Klägerin kurzfristig ein Platz im H zur Verfügung stehe, habe der Beigeladene zu 1 dem Heim (unter dem 16.08.2004) gestützt auf § 4 des Gesetzes zur Ausführung des BSHG für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-BSHG NRW) eine vorläufige Kostenzusage erteilt. In dieser Zusage ist ausgeführt, für die Gewährung der erforderlichen Eingliederungshilfe sei der Beklagte sachlich zuständig, der jedoch in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit eine Entscheidung nicht treffen könne. Zahlungen aufgrund dieser vorläufigen Kostenzusage wurden in der Folgezeit nicht erbracht.
Am 18.08.2004 wurde die Klägerin in die Mutter-Kind-Einrichtung H in C aufgenommen. Am 30.08.2004 brachte sie ihren Sohn K L M zur Welt. Seit der Entlassung aus dem Krankenhaus am 07.09.2004 lebte sie zusammen mit ihm im H-heim. Nach einer jugendamtlichen Stellungnahme der Stadt C hat ein Gespräch mit Mitarbeiterinnen des H-heims am 01.12.2004 deutlich gemacht, dass die Klägerin ihren Sohn nicht eigenständig zu betreuen und zu versorgen in der Lage sei. Stets müssten Mitarbeiter der Einrichtung zum Schutz des Kindes anwesend sein. Die Klägerin sei zwar bemüht; immer wieder werde aber deutlich, dass sie bedürfnisorientiert handele, ohne die Auswirkungen auf ihr Kind zu berücksichtigen. Mit Beschluss vom 17.01.2005 bestellte das Amtsgericht C das Jugendamt der Stadt C als Pfleger für den Sohn der Klägerin mit dem Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge, Antragsrecht auf Jugendhilfe und Mitwirkung im Verfahren gem. § 36 SGB VIII. Am 13.05.2005 verzog die Klägerin nach Gangelt, wo sie an einer tagesstrukturierenden Maßnahme der dortigen Einrichtungen "N-If" teilnahm. Vom 13.05. bis 07.06.2005 wurde der Sohn der Klägerin im Kinderheim des C H-heims betreut; seit dem 08.06.2005 ist er in einer Pflegefamilie untergebracht.
Das H-heim teilte der Beklagten auf Anfrage mit, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) habe das Heim als geeignete Einrichtung zur Leistung von Eingliederungshilfe gem. § 39 BSHG und Leistungen der Hilfe für Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten gem. § 72 BSHG anerkannt. Außerdem sei die Mutter-Kind-Einrichtung als Einrichtung zur Leistung der Hilfe gem. § 19 KJHG anerkannt. Das H-heim fügte ein Schreiben des LWL vom 12.02.1987 und eine Betriebserlaubnis des LWL vom 09.06.2004 bei, auf die Bezug genommen wird.
Mit Bescheid vom 25.10.2004 lehnte der Beklagte eine Kostenübernahme für die Unterbringung der Klägerin im H-heim ab. Das H-heim sei eine Mutter-Kind-Einrichtung, bei der es vorrangig um die Förderung der Entwicklung und Erziehung des Kindes gehe. Die Leistungen an den betreuenden Elternteil sollten dem Kind zugute kommen. Es handele sich dabei um eine Leistung i.S.v. § 19 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), für die der Beigeladene zu 1 zuständig sei.
Die Klägerin legte Widerspruch ein mit der Begründung, ihre Behinderung schließe eine Jugendhilfe nach § 19 SGB VIII aus; Behinderung und Persönlichkeitsstruktur erforderten vielmehr Eingliederungshilfe nach dem BSHG. Die Situation sei schlimm; sie – die Klägerin – sei in keiner Weise in der Lage, sich um ihre eigenen Belange zu kümmern. Sie leide erheblich an der Trennung von ihrer Mutter und sehe sich vollends außerstande, sich selbst und ihren Sohn adäquat zu betreuen. Sie sei nicht in der Lage, sich oder ihrem Sohn Mahlzeiten zuzubereiten. Sie könne ihren Tag nicht ordentlich strukturieren, bedürfe vollständiger Anleitung durch Dritte. Sie müsse zum Aufstehen bewegt werden. Ihr sei etwa nicht ersichtlich, dass man sich bei Regen nach drinnen begebe; das Heim müsse sie dazu auffordern. So habe sie sich einmal mit dem Kind bei strömendem Regen nach draußen begeben und sei dort auch nach weiterer Aufforderung verblieben.
Der Beigeladene zu 1 teilte der Beklagten unter Vorlage u.a. eines Rechtsgutachtens des Deutschen Instituts für Jugend- und Familienhilfe (DIJuF) vom 27.05.2004 (Das Jugendamt 2004, 309 – 311) mit Schreiben vom 01.12.2004 mit, aufgrund der Behinderung und der Persönlichkeitsstruktur bestehe bei der Klägerin Bedarf für Eingliederungshilfe nach dem BSHG. Dieser Hilfebedarf habe sich gegenüber der ursprünglich ins Auge gefassten Maßnahme eines betreuten Wohnens durch die Geburt des Kindes derart vergrößert, dass eine Unterbringung in einer Mutter-Kind-Einrichtung unumgänglich sei. Die Klägerin sei aufgrund ihrer intellektuellen Minderbegabung allein schon mit der Grundversorgung des Kindes überfordert. Da sich die Bedürfnisse des gerade erst geborenen Kindes altersbedingt auf eine Primärversorgung beschränkten, bestehe bei adäquater Hilfestellung für die Kindesmutter zunächst kein Raum für den Eintritt der Jugendhilfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar sei die Klägerin behindert i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und könne grundsätzlich Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 53 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) haben. Laut einer Stellungnahme der N-Schule vom 02.05.2005 werde es außerhalb einer geschützten Einrichtung später kaum Arbeitsmöglichkeiten für die Klägerin geben. Nach einem am 06.02.2003 erstellten ärztlichen Gutachten des Dr. K könne sie an einer Arbeitstrainingsmaßnahme in einer geschützten Einrichtung (WFBM) teilnehmen. Ursprünglich sei nach dem bereits erstellten Hilfeplan (vom 09.08.2004) auch eine Maßnahme des Betreuten Wohnens und eine (erneute) Teilnahme an Maßnahmen in der WFBM I im Rahmen der Eingliederungshilfe geplant gewesen, für die der Beklagte zuständig gewesen wäre. Nunmehr gehe es jedoch um Hilfe für die Klägerin und ihren Sohn nach § 19 SGB VIII. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gingen Leistungen nach dem SGB VIII denjenigen nach dem BSHG vor. Durch Schwangerschaft und Geburt des Kindes ständen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr nur die Bedürfnisse der Klägerin im Vordergrund. Wenn die Entwicklung und Erziehung des Kindes auf Grund der behinderungsbedingt mangelnden Fähigkeit des zuständigen Elternteils gefährdet sei, habe sich die Hilfeform vorrangig nach den Belangen des Kindes zu richten. Die Leistungen an den betreuenden Elternteil sollten dem Kinde zugute kommen (Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Urteil vom 31.08.1998 – 19 K 4705/95). Nach § 19 Abs. 2 SGB VIII solle während der Zeit der Hilfegewährung nach Abs. 1 darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginne oder fortführe oder eine Berufstätigkeit aufnehme. Hiernach seien die ausschließlich auf die Klägerin als Mutter bezogenen, ihrer Eingliederung dienenden Hilfen einbezogen. Die ins Auge gefasste Förderung der Klägerin, insbesondere die Entwicklung alltagspraktischer Kompetenzen, sei in diesem Rahmen gewährleistet. Behinderungsbedingt seien bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine berufliche Ausbildung oder eine Berufstätigkeit in einer WFBM gegeben. § 19 SGB VIII setze zwar bei einem Persönlichkeitsdefizit der Mutter oder des Vaters an, welches auch auf eine seelische, geistige oder körperliche Behinderung zurückgehen könne. Das spezifisch jugendhilferechtliche Ziel der Behebung oder Milderung dieses Persönlichkeitsdefizites bestehe jedoch darin, eine der Entstehung eines Erziehungsdefizits beim Kind vorbeugende Art des Zusammenlebens sicherzustellen; ein Vorrang der Eingliederungshilfe nach dem BSHG bzw. SGB XII gegenüber der Hilfe nach § 19 SGB VIII lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen (OVG Münster, Beschluss vom 30.11.2000 – 22 B 762/00). Es bestehe daher eindeutig die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers; dort möge ein Antrag gestellt werden.
Der Beigeladene zu 1 teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10.03.2005 mit, auch in Ansehung des Widerspruchsbescheides sei für ihn kein Grund ersichtlich, weshalb der Träger der Sozialhilfe aus seiner Verpflichtung nach § 44 BSHG heraus keine Leistungen erbringe und anschließend eine ggf. bestehende vorrangige Leistungsverpflichtung im Wege der Kostenerstattung gegen den Jugendhilfeträger geltend mache.
Die Klägerin hat am 23.03.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Aachen erhoben. Das SG Aachen hat mit Beschluss vom 07.04.2005 aus Gründen der örtlichen Zuständigkeit den Rechtsstreit an das SG Münster verwiesen. Das SG Münster hat mit Beschluss vom 13.04.2005 den Landrat des Kreises I nach § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen (Beigeladener zu 1).
Die Klägerin hat vorgetragen, sowohl der Beklagte als auch der Jugendhilfeträger hätten Leistungen abgelehnt. Es könne nicht richtig sein, dass der dringend notwendige Aufenthalt im H-heim durch ein Zuständigkeitsgeplänkel zwischen Beigeladenem zu 1 und Beklagtem gefährdet werde. Der Beigeladene zu 1 habe ihr mitgeteilt, für einen neuerlichen Antrag vom 02.03.2005 auf Jugendhilfeleistungen bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis; entsprechend einer Bitte des H-heims habe sie den Beklagten gebeten, die Kosten zunächst nach § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu übernehmen. Die Klägerin hat eine Kostenaufstellung des Beigeladenen zu 2 vorgelegt, wonach für ihren Aufenthalt im H-heim Kosten i.H.v. 36.361,54 EUR angefallen sind. Bisher habe das Heim keine Zahlungen erhalten.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 zu verurteilen, der Klägerin Eingliederungshilfe für die Betreuung in der Mutter-Kind-Einrichtung H-heim in C im Zeitraum 18.08.2004 bis 12.05.2005 i.H.v. 36.361,54 EUR zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat u.a. vorgetragen, wenn unstreitig die sachliche Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers bestände, hätte der Beigeladene zu 1 gegen ihn – den Beklagten als zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträger – einen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX. § 43 Abs. 1 SGB I sei schon deshalb als "Rettungsanker" nicht verfügbar, weil er – der Beklagte – nicht zuerst angegangener Leistungsträger sei; dieses sei der Beigeladene zu 1 als örtlicher Sozialhilfeträger.
Der Beigeladene zu 1 hat u.a. vorgetragen, die sachlichen Voraussetzungen für eine Jugendhilfe nach § 19 SGB VIII lägen nicht vor. Die Vorschrift setze ein Entwicklungsdefizit der Mutter voraus, welches für den Leistungsbedarf ursächlich sei. Ziel der Jugendhilfe sei die Aufarbeitung dieses Defizites, um die Mutter zur eigenständigen Versorgung und Betreuung des Kindes zu befähigen. Dieser Kausalzusammenhang bestehe nicht, wenn die Mutter aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur zu einer selbständigen Betreuung des Kindes gar nicht zu befähigen sei (OVG Münster, a.a.O.). In einem solchen Fall seien für Mutter und Kind getrennte Lösungen zu treffen. So sei es bei der Klägerin, die ausweislich des Gutachtens des Dr. N auch perspektivisch nicht in der Lage sei, sich jemals selbständig um die Betreuung, Versorgung und Erziehung ihres Sohnes zu kümmern; das Kind müsse vielmehr von der Klägerin getrennt untergebracht werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.02.2006 hat das SG den Beklagten dem Antrag der Klägerin entsprechend verurteilt. Der Klägerin stehe die Übernahme der Kosten ihres Aufenthalts im H-heim als Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 BSHG bzw. für die Zeit ab 01.01.2005 nach §§ 17, 61 SGB XII zu. Bei Eltern mit Behinderung stelle sich die Frage des zuständigen Sozialleistungsträgers, wenn es um Leistungen gehe, die sie bei der Kindererziehung unterstützen sollten. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sei die Jugendhilfe gegenüber der Sozialhilfe vorrangig. Bei der Klägerin gehe es jedoch nicht um Jugendhilfemaßnahmen, was sich schon darin zeige, dass über Ansprüche ihres Kindes nicht gestritten werde. Sehe das SGB VIII keine Leistungen vor, kämen auch für Eltern mit Behinderung Leistungen nach dem BSHG bzw. dem SGB XII in Betracht, welche ausschließlich in der Leistungsverantwortung des Sozialhilfeträgers lägen. Die notwendige Abgrenzung müsse sich an den Umständen des Einzelfalles orientieren. Dabei komme es darauf an, ob die Behinderung die Eltern an der Ausübung einer angemessenen Pflege des Kindes hindere; in diesem Fall sehe das Kinder- und Jugendhilferecht keine Hilfen vor, Hilfe zur Pflege der Eltern sei von einer Hilfe zur Erziehung i.S.d. §§ 27 ff. SGB VIII nicht erfasst. Allerdings komme den Eltern gewährte Unterstützung in irgendeiner Weise zwangsläufig auch den Kindern zugute. Daraus folge jedoch nicht, dass jegliche Unterstützung für Eltern mit minderjährigen Kindern auch Jugendhilfe sei. Vielmehr sei darauf abzustellen, ob die Hilfe primär dem Ausgleich eines Defizites in der Erziehung diene ober aber einer verbesserten Teilhabe von Erwachsenen mit Behinderung am Leben als Eltern (DIJuF-Rechtsgutachten vom 27.05.2004). Nach dem Gutachten des Dr. Meyer vom 07.07.2004, dem Hilfeplan des Beklagten vom 09.08.2004, einer jugendamtlichen Stellungnahme des Beigeladenen zu 1 vom 30.11.2004 und der jugendamtlichen Stellungnahme der Stadt C vom 14.03.2005 hätten die Probleme der Klägerin im streitigen Zeitraum ihre Ursache eindeutig in erheblichen behinderungsbedingten eigenen Problemen gehabt, welche mit der Unterbringung im Gerburgisheim hätten behoben werden sollen. Die Klägerin sei in keiner Weise in der Lage, sich um ihre Belange zu kümmern, leide erheblich an der Trennung von ihrer Mutter und sehe sich außerstande, sich um ihren Sohn adäquat zu kümmern. Sie könne sich selbst keine Mahlzeiten zubereiten, dementsprechend auch nicht ihrem Sohn, könne ihren Tag nicht ordentlich strukturieren und bedürfe vollständiger Anleitung durch Dritte. Sie müsse zum Aufstehen bewegt werden und könne keine eigenverantwortlichen Entscheidungen – z.B. abhängig vom Wetter ggf. das Haus zu hüten – treffen. Ungeachtet der Zukunft ihres Sohnes werde sie stets (ambulante) Hilfe benötigen. Dementsprechend sei sie ab dem 01.01.2005 auch nicht dem Leistungssystem für dem Arbeitsmarkt zur Verfügung Stehende des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zugeordnet worden. Offen bleiben könne deshalb, ob der Beklagte auch als Erstinanspruchgenommener nach § 43 Abs. 1 SGB I zuständig sei.
Gegen den am 06.02.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 20.02.2006 Berufung eingelegt. Er hat vorgetragen, der Beigeladene zu 1 hätte als zuständiger Leistungsträger vom SG verpflichtet werden müssen. Denn die Leistungen nach dem SGB VIII gingen gem. dessen § 10 Abs. 2 Satz 1 (a.F.) denjenigen nach dem BSHG bzw. dem SGB XII vor. Die Unterbringung der Klägerin im H-heim sei erforderlich gewesen, weil sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung nicht in der Lage gewesen sei, ausreichend für ihr Neugeborenes zu sorgen. Da für sie selbst ursprünglich die Betreuung im Betreuten Wohnen ins Auge gefasst gewesen sei, sei die Unterbringung im H-heim ausschließlich zum Wohle des Kindes erfolgt. Das aber begründe die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers nach § 19 SGB VIII. Die Beklagte wiederholt im Übrigen die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid zur von ihr herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung; das SG habe diese nicht gänzlich außer Acht lassen dürfen. Das Wohlergehen des Kindes habe das SG gar nicht erst thematisiert. Eingliederungshilfe sei nach ihrer Konzeption auf eine Einzelperson bezogen. Werde diese Person schwanger, ändere sich die bisher auf sie bezogene Betrachtungsweise; es rücke dann das Kind in den Mittelpunkt mit der Folge, dass sich Hilfeformen nun an dessen Belangen zu orientieren hätten. Seien dessen Entwicklung und Erziehung wegen behinderungsbedingt mangelnder Fähigkeiten der Mutter gefährdet, seien die staatlichen Maßnahmen in erster Linie auf die Behebung dieser das Kind betreffenden Schwierigkeiten auszurichten. Soweit dies durch einheitliche Unterbringung von Mutter und Kind in einer gemeinsamen Wohnform geschehe, komme für beide als Rechtsgrundlage nur § 19 SGB VIII in Betracht. In Fällen dieser Art bestehe die durch § 10 Abs. 2 Satz 2 (a.F.) SGB VIII geregelte Konkurrenz zwischen Maßnahmen der Eingliederungshilfe und der Jugendhilfe für geistig behinderte junge Menschen nicht; die Vorschrift erfasse vielmehr nur junge Menschen, derentwegen letztlich Jugendhilfe geleistet werde, was im Falle des § 19 SGB VIII das Kind sei, für das Eingliederungshilfe nach dem BSHG nicht in Betracht komme. Im Übrigen sei der Beigeladene zu 1 der erstangegangene Leistungsträger i.S.v. § 43 SGB I; er habe auch eine vorläufige Kostenzusage auf der Grundlage des § 4 AG-BSHG erteilt. Der Klägerin habe deshalb schon erstinstanzlich das Rechtsschutzinteresse gefehlt; der Beigeladene zu 1 hätte auf einen Erstattungsstreit verwiesen werden müssen.
Der Beklagte hat beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 01.02.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Beklagte berufe sich auf eine weitere Entwicklung, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch gar nicht absehbar gewesen sei. Seinerzeit habe noch nicht festgestanden, dass sie – die Klägerin – in erheblichem Maße unter der Trennung von ihrer Mutter leiden und nicht in der Lage sein werde, sich um ihren Sohn adäquat zu kümmern. Vielmehr habe die Hoffnung bestanden, dass sie in der Mutter-Kind-Einrichtung eine Tagesstruktur erlernen werde und sich sodann um den Sohn werde kümmern können.
Der Beigeladene zu 1 hat im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag wiederholt. Es habe sich mittlerweile mit dem Auszug der Klägerin aus dem H-heim und der anderweitigen Unterbringung ihres Sohnes die seinerzeitige Perspektive bestätigt, dass die Klägerin nicht in der Lage sein werde, sich jemals selbständig um Betreuung und Erziehung ihres Sohnes zu kümmern. Die Klägerin habe erhebliche behinderungsbedingte eigene Probleme, die mit der Unterbringung unabhängig von der bevorstehenden Geburt hätten behoben werden sollen; die Unterbringung habe daher ihrer eigenen Eingliederung gedient.
Mit Urteil vom 30.07.2007 – L 20 SO 15/06 hat der Senat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin gehöre wegen ihrer geistigen Behinderung zum eingliederungshilfeberechtigten Personenkreis nach § 39 BSHG und habe die gesetzlichen Voraussetzungen der stationären Maßnahme auch im Übrigen erfüllt, weil die Maßnahme notwendig und geeignet gewesen sei, der Klägerin ein möglichst selbstständiges Leben gemeinsam mit ihrem Sohn zu ermöglichen. Es könne dahinstehen, ob daneben auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 SGB VIII für die Leistung der gemeinsamen Wohnform für Mütter/Väter und Kinder vorgelegen hätten. Leistungen der Jugendhilfe seien den Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG bzw. nach dem SGB XII für junge Menschen gegenüber nachrangig (§ 10 SGB VIII). Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Hiergegen hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Revision eingelegt.
Mit Urteil vom 24.03.2009 – B 8 SO 29/07 R hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des Senats vom 30.07.2007 aufgehoben und die Sache wegen fehlender notwendiger Beiladung des Trägers des H-heims zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen. Wegen der Zurückverweisung zur Nachholung der Beiladung durch das LSG sei das BSG gehindert, über die von der Revision aufgeworfenen materiell-rechtlichen Fragen in für das LSG bindender Weise (§ 170 Abs. 5 SGG) zu entscheiden, weil anderenfalls das rechtliche Gehör des beizuladenden Einrichtungsträgers verletzt würde. Als bloße Entscheidungshilfe für das LSG sei zur Frage des Konkurrenzverhältnisses von Leistungen nach § 19 SGB VIII und Eingliederungshilfe nach §§ 39 ff. BSHG bzw. §§ 53 ff. SGB XII davon auszugehen, dass es sich bei § 19 SGB VIII um eine Komplexleistung für Mutter und Kind handele, die nicht aufgespalten werden könne und solle, und die in dieser Form in §§ 39 ff. BSHG bzw. 53 ff. SGB XII nicht vorgesehen sei. Hieraus ergäbe sich ggf. eine Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 (als Träger der Jugendhilfe) für die Leistungserbringung, nicht aber des Beklagten. Ob die der Klägerin gewährten Leistungen allerdings die Voraussetzungen des § 19 SGB VIII erfüllten, lasse sich anhand der Feststellungen des LSG nicht beurteilen. Ob eine Verurteilung des Beigeladenen zu 1 (als Jugendhilfeträger) analog § 75 Abs. 5 SGG in Betracht komme, sei zweifelhaft. Sollte der Klägerin Sozialhilfe erbracht worden sein, komme eine Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 (als Sozialhilfeträger) bereits gemäß § 14 SGB IX in Betracht, wenn dieser den Leistungsantrag nicht rechtzeitig an den Beklagten weitergeleitet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des BSG Bezug genommen.
Das Verfahren wird seither unter dem jetzigen Aktenzeichen beim LSG fortgeführt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 05.08.2009 den Caritasverband für das Dekanat C als Träger des H-heims beigeladen (Beigeladener zu 2).
Der Beigeladene zu 2 trägt vor, aus Sicht der Einrichtung könne eine eindeutige Zuord-nung der für die Klägerin erbrachten Leistungen zur Eingliederungshilfe oder zum Leistungsbereich des § 19 SGB VIII nicht vorgenommen werden. Nach dem ganzheitlichen pädagogischen Handlungsansatz der Einrichtung hätten sich jedoch alle Leistungen (Ausnahme: Tätigkeiten im Zusammenhang mit Entwicklung und Umsetzung einer Perspektive für die Klägerin nach der Entscheidung zur Inpflegegabe des Kindes) letztlich sowohl auf das Kind wie auch auf die Mutter bezogen. Bei der Aufnahme habe sich die Einrichtung zunächst auf das psychiatrische Gutachten des Dr. N vom 07.07.2004 gestützt, in dem u.a. davon gesprochen worden sei, bei ausreichender Kooperation könne die leicht geistig behinderte Klägerin etwas nachreifen und alltagspraktische Kompetenzen erlangen.
Der Beigeladene zu 2 stellt die Inhalte der für die Klägerin erbrachten Leistungen wie folgt dar (Schriftsatz vom 16.09.2009):
Pädagogische Begleitung der Klägerin vor Geburt ihres Kindes (Begleitung der Klägerin zum Gynäkologen, zur PDA-Aufklärung im Krankenhaus, Erklärung der o.g. Aufklärung gegenüber der Klägerin, enge Begleitung beim Kochen – die Klägerin habe Rezepte nicht lesen können -, beim Einkauf – die Klägerin habe sich nicht mit Geldbeträgen ausgekannt -, beim Packen der Tasche für den bevorstehenden Krankenhausaufenthalt, beim Waschen der Kleidung, beim Reinigen des Zimmers der Klägerin, bei der Freizeitgestaltung, während des Krankenhausaufenthalts vor der Entbindung, während diverser Arztbesuche),
nach der Geburt des Kindes Begleitung (bei der Versorgung des Kindes – je nach Stimmung der Klägerin teilweise auch vollständige Übernahme -, bei der Betreuung des Kindes – je nach Verfassung der Klägerin häufig auch vollständige Betreuung -, engmaschige Begleitung durch den Tagesablauf – die Klägerin habe die Uhr nicht lesen können -, zu diversen Arztbesuchen, beim Einkauf von Kleidung für die Klägerin, beim Einkauf von Kleidung für den Sohn, ständige bei Interaktionen zwischen Mutter und Kind, bei der Zubereitung der Mahlzeiten für die Gruppe, beim Abwasch, beim Säubern der Küche, beim Säubern des eigenen Zimmers, bei der Zubereitung der Kindernahrung – die Klägerin habe die entsprechende Wasser- und Pulvermenge nicht selbständig abmessen können -, während der Medikamentengabe an das Kind, während der Inhalationen des Kindes – die beiden letztgenannten Aufgaben seien ab Dezember 2004 vollständig von Mitarbeiterinnen übernommen worden -), Begleitung der Gespräche mit dem Jugendamt bzgl. der weiteren Perspektiven der Klägerin und ihres Sohnes, Vermittlung des Kontaktes zu den zukünftigen Pflegeeltern des Kindes,
Gespräche mit der Klägerin (regelmäßig wöchentlich über die Bedürfnisse und die Versorgung des Kindes, regelmäßig zum Befinden der Klägerin, Krisengespräche bei Auseinandersetzungen der Klägerin mit anderen Bewohnerinnen, zur Einhaltung von Körperhygiene bei der Klägerin, zur Notwendigkeit sauberer Kleidung und Vermeidung unangenehmer Körpergerüche, nach Arztbesuchen zur Aufklärung über die Details der Behandlung und Übersetzung der ärztlichen Diagnose und Verordnung, zur Vorbereitung auf die Zahnoperation der Klägerin, zum Erstellen dataillierter Tagesabläufe, zur Entwicklung von Perspektiven für die Zukunft der Klägerin, zur Entwicklung von Zukunftsperspektiven für den Sohn, intensiv zu den Themen "Umgang mit Wut" und "meine Traurigkeit", zur Klärung der Beziehung zwischen Klägerin und Kindesvater),
organisatorische Aufgaben (Anmeldung von Mutter und Kind im zuständigen Bürgerbüro, Terminierung zur PDA-Aufklärung im Krankenhaus, Besichtigung des Kreissaals, Beantragung von Stiftungsgeldern, Verwaltung von Taschen- und Bekleidungsgeldern für Mutter und Kind, Beantragung von Eltern- und Kindergeld in Zusammenarbeit mit der Betreuerin, Klärung der für den Sohn zuständigen Krankenversicherung, Regelung der Schulden der Klägerin, Kontakte mit den Gläubigern, Führung des Kontos der Klägerin, Terminierung notwendiger Arztbesuche für das Kind, Regelung der Unterbringung des Kindes im Krankenhaus, Unterbringung des Kindes im Sozialpädiatrischen Zentrum in Wesel, Regelung der Vaterschaftsanerkennung, Regelungen bzgl. des Sorgerechts, Organisation der Heimfahrten der Klägerin, Anmeldung der Klägerin zu einem Praktikum in der WFBM, Vorstellung, Gespräche, Begleitung, Motivierung, Besprechung der dortigen Tätigkeiten und Möglichkeiten, Erstellung von Entwicklungsberichten über den Sohn, Planung der Inpflegegabe des Sohnes, Vorbereitung der weiteren Schritte in der Trennungsphase von Mutter und Kind, Vorbereitung des Umzugs der Klägerin, Klärung ihrer weiteren Perspektiven, Planung mit der Lebenshilfe Heinsberg zwecks Erstellung eines Profils der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer evtl. Übersiedlung nach Beendigung der Mutter-Kind-Maßnahme, Organisation des Auszugs der Klägerin, Planung und Durchführung der Kontaktanbahnung zwischen Sohn und dessen Pflegefamilie innerhalb der Einrichtung, Organisation seines Auszuges.
Der Beigeladene zu 2 hat eine allgemeine Leistungsbeschreibung des H-heims beigefügt. Das H-heim hat auf Anforderung des Senats seine Aufzeichnungen betreffend die Klägerin vorgelegt. Auf beides wird Bezug genommen.
Der Beklagte hält den Beigeladenen zu 1 nach § 14 SGB IX für wenigstens vorläufig zuständig. Der Beigeladene zu 1 habe es versäumt, den am 22.07.2004 eingegangenen Antrag, mit dem zumindest auch Eingliederungshilfe begehrt worden sei, rechtzeitig innerhalb von 14 Tagen weiterzuleiten. Die Leistungsbeschreibung des Beigeladenen zu 2 zeige, dass sich die erbrachten Leistungen mit verschwindend geringen Ausnahmen dem Bereich des § 19 SGB VIII zuordnen ließen. Eine Verurteilung analog § 75 Abs. 5 SGG dürfte allerdings nicht in Betracht kommen.
Der Beigeladene zu 1 trägt ergänzend vor, unabhängig von der Frage der Einhaltung der Frist des § 14 Abs. 1 SGB IX hätte der Beklagte dem an ihn weitergeleiteten Antrag der Klägerin nach § 14 Abs. 2 SGB IX entsprechen müssen; § 14 Abs. 4 SGB IX sehe für einen solchen Fall ein Erstattungsverfahren vor. Eine Verurteilung des Beigeladenen zu 1 nach § 75 Abs. 5 SGG sei nicht möglich, weil der Träger der Jugendhilfe in der abschließenden Aufzählung von Leistungsträgern in dieser Norm nicht genannt sei. Eine Hilfe für Mutter und Kind unter der Zielsetzung des § 19 SGB VIII sei für die Klägerin von vornherein ungeeignet gewesen; das für § 19 SGB VIII erforderliche Entwicklungspotenzial habe bei der Klägerin von Anfang an nicht bestanden. Die Beschreibung der der Klägerin erbrachten Leistungen durch den Beigeladenen zu 2 unterstreiche, dass keine Jugendhilfe nach § 19 SGB VIII gewährt worden sei.
Die Klägerin ist demgegenüber der Ansicht, zum Zeitpunkt des Leistungsantrags habe noch nicht festgestanden, dass sie nicht in der Lage sein würde, sich selbst um ihren Sohn angemessen zu kümmern; ihre weitere Entwicklung sei damals noch nicht beurteilbar gewesen. Letztlich sei allerdings die Bemühung des H-heims, der Klägerin die Möglichkeit zu geben, sich um ihren Sohn zu kümmern, am fehlenden Grundvermögen der Klägerin gescheitert.
Der Senat hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 22.10.2009 – 5 C 19/08 in das Verfahren eingeführt. Auf das Urteil wird Bezug genommen.
Der Senat hat in einem Erörterungstermin vom 10.05.2010 durch den Berichterstatter die Mitarbeiter des H-heims N-I (Erzieherin im Kinderbereich des H-heims), Q (Erzieherin, Bezugspädagogin der Klägerin während deren Zeit im H-heim) und W (pädagogischer Leiter des H-heims) als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Der Beigeladene zu 1 hat im Anschluss daran auf Aufforderung des Senats mit Blick auf § 14 SGB IX ergänzend vorgetragen, die Klägerin habe am 22.07.2004 sowohl beim Jugendamt als auch beim Sozialamt des Beigeladenen zu 1 einen Antrag auf Eingliederungshilfe gestellt. Unmittelbar anschließend habe offenbar eine interne Zuständigkeitsprüfung zwischen dem Jugendamt und dem Sozialamt des Beigeladenen stattgefunden. Jedenfalls sei dem Schreiben vom 28.07.2004 an die Betreuerin der Klägerin zu entnehmen, dass sich der Beigeladene nach Prüfung der Antragsunterlagen und aufgrund einer mit dem Jugendhilfeträger getroffenen Entscheidung als Sozialhilfeträger für sachlich zuständig erklärt habe. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stelle der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags auf Teilhabeleistungen fest, ob der nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig sei. Er – der Beigeladene zu 1 – habe deshalb als Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX zu prüfen gehabt, ob sich aus dem SGB VIII eine Leistungsverpflichtung ergebe. Die Prüfung habe zu der Auffassung geführt, dass der Sozialhilfeträger zu Leistungen nach dem BSHG verpflichtet sei. Als Jugendhilfeträger habe er – der Beigeladene zu 1 – daraufhin den Antrag der Klägerin wenn auch nicht schriftlich, so doch – wie aus dem Schreiben vom 28.07.2004 erkennbar – innerhalb von sechs Tagen an den Träger der Sozialhilfe weitergegeben. Dabei handele es sich um eine wirksame Weiterleitung i.S.v. § 14 Abs. 1 SGB IX, da der Antrag den zuständigen Rehabilitationsträger erreicht habe; dabei komme es nicht darauf an, ob dies der auch örtlich zuständige Rehabilitationsträger gewesen sei. Ob und weshalb es nach der Antragsweiterleitung bzw. aufgrund des beim Sozialhilfeträger ebenfalls vorliegenden Antrags zwischen den nach dem BSHG sachlich zuständigen Trägern möglicherweise zu Verzögerungen gekommen sei, könne anhand der Verwaltungsvorgänge des Sozialamtes des Beigeladenen zu 1 nicht mehr nachvollzogen werden. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass der Antrag der Klägerin zunächst nicht konkret auf eine stationäre Maßnahme gerichtet gewesen sei. Der Beigeladene zu 1 habe deshalb zunächst, gestützt durch einen entsprechenden Antrag der H Einrichtungen N-I vom 09.08.2004, der Klägerin ambulante Eingliederungshilfe für die Zeit vom 26.07. bis 18.08.2004 gewährt. Hierfür sei er als Sozialhilfeträger örtlich und sachlich zuständig gewesen. Die Klägerin habe ihn am 13.08.2004 (Niederschrift über eine Vorsprache der Mutter der Klägerin; diese hat ausgeführt, die seit zwei Monaten bei ihr wohnende Klägerin solle langfristig in einer Einrichtung untergebracht werden, und ein langfristiger Aufenthalt in der Wohnung der Mutter sei nicht vorgesehen) informiert, dass sie sich eine stationäre Einrichtung (offenbar das H-heim) ansehen werde; mit Schreiben vom 16.08.2004 sei die Kostenzusage erteilt und der Antrag der Klägerin, für den sich nunmehr die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergeben habe, mit Schreiben vom gleichen Tage an diesen weitergeleitet worden. Er – der Beigeladene zu 1 – scheine wie auch der Beklagte von einer wirksamen Weiterleitung ausgegangen zu sein, da der Widerspruchsbescheid vom 23.02.2005 ausführe, der Antrag sei über den Beigeladenen gestellt worden. Der Beklagte hätte auf den Antrag der Klägerin vom 22.07.2004 auf Eingliederunghilfe nach § 14 SGB IX entweder die Möglichkeit gehabt, bei Annahme einer wirksamen Weiterleitung durch den Beigeladenen zu 1 über den Anspruch als sachlich und örtlich zuständiger Rehabilitationsträger zu entscheiden; evtl. Erstattungsansprüche wären anschließend geltend zu machen gewesen. Wenn der Beklagte nicht von einer wirksamen Weiterleitung ausgegangen wäre, hätte er den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weiterleiten bzw. zurückgeben müssen. Soweit er den Antrag mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2005 wegen Unzuständigkeit abgelehnt habe, habe er sich rechtswidrig verhalten; unabhängig von der Frage der sachlichen Zuständigkeit sei der Klage schon deshalb stattzugeben.
Der Beklagte hält es demgegenüber für eine "sehr einsame Sicht" des Beigeladenen zu 1, wenn er eine mündliche oder wie auch immer geartete Weiterleitung innerhalb ein- und derselben juristischen Person konstruiere. Der Antrag sei vielmehr nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 14 SGB IX weitergeleitet worden. Den Antrag der Klägerin vom 22.07.2004 als bloßen Antrag auf ambulante Eingliederungsleistungen zu deuten, sei "haarspalterisch"; der Beigeladene zu 1 habe in seiner schriftlichen Reaktion am 28.07.2004 das im Antrag vom 22.07.2004 enthaltene Begehren auf Übernahme der Kosten in der Mutter-Kind-Einrichtung direkt aufgegriffen. Es treffe zu, dass er – der Beklagte – streng genommen wegen der verfristeten Weiterleitung durch den Beigeladenen zu 1 mit Bescheid vom 25.10.2004 nicht mehr über den Antrag hätte entscheiden dürfen. Das ändere jedoch nichts an der materiell-rechtlichen Zuständigkeit, zumal die Beteiligten sich sechs Jahre nach dem eigentlichen Geschehen "Lichtjahre" vom Zweck des § 14 SGB IX, im Interesse des Leistungsberechtigten eine schnelle Hilfe zu sichern, entfernt hätten.
Klägerin, Beklagte und Beigeladene zu 1 haben im Erörterungstermin vom 10.05.2010 erklärt,
es verbleibe bei den Anträgen, die bereits in der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2007 gestellt worden sind.
Die Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, des Beigeladenen zu 1 und der seitens des H-heims überreichten Unterlagen, ferner auf die beigezogenen Revisionsakten BSG B 8 SO 29/08 R Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden; sämtliche Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
B. Beklagter des vorliegenden Verfahrens ist der Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland, Beigeladener zu 1 ist der Landrat des Kreises I. Der Senat ist (trotz anderer Ansicht; vgl. etwa Beschluss vom heutigen Tage i.S. L 20 AY 13/09) insoweit nach § 170 Abs. 5 SGG an die entsprechende Beurteilung des BSG im Urteil vom 24.03.2009 – B 8 SO 29/07 R gebunden.
C. Die zulässige Berufung des Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Bescheide des Beklagten und einer Verurteilung des Beigeladenen zu 1 (als Sozialhilfeträger) nach § 75 Abs. 5 SGG begründet.
Der Beigeladene zu 1 ist als Sozialhilfeträger (nicht als Jugendhilfeträger) zur Erbringung der mit der Klage geltend gemachten Leistungen zuständig. Denn es handelt sich bei diesen Leistungen nicht etwa um Jugendhilfe, sondern um Eingliederungshilfe (I.). Die Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 als Sozialhilfeträger für die Leistungserbringung folgt dabei aus § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (II.).
I. Der Senat hält an seiner Ansicht im Urteil vom 30.07.2007 – L 20 SO 15/06 fest, dass es sich bei der der Klägerin im streitigen Zeitraum erbrachten Hilfe um sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe und nicht um Jugendhilfe handelte. An die zu einem anderen Ergebnis gelangenden Erwägungen des BSG im Revisionsurteil vom 24.03.2009 – B 8 SO 29/07 R ist der Senat nicht gebunden. Zwar ist dieses Urteil im Rahmen des vorliegenden Verfahrens der Klägerin ergangen. Die diesbezüglichen Ausführungen des BSG (Rn. 15 ff). sind jedoch, wie das BSG selbst (Rn. 14) zu Recht ausführt, keine das LSG nach § 170 Abs. 5 SGG bindende Entscheidung. Sie sind vielmehr lediglich als Entscheidungshilfen erfolgt, welche der Senat auch nach Zurückverweisung in eigener Beurteilungszuständigkeit zu bewerten hat.
1. Der Klägerin stand während ihres Aufenthalts im H-heim (18.08.2004 bis 13.05.2005) sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe zu (demgegenüber bleibt das Abstellen des SG auf § 61 SGB XII [Hilfe zur Pflege] ohne erkennbaren Sinn).
Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 des bis zum 31.12.2004 geltenden BSHG bzw. nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des ab dem 01.01.2005 geltenden SGB XII ist Personen, die durch eine Behinderung i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind, Eingliederungshilfe zu gewähren, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt ist. Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach § 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG bzw. nach § 53 Abs. 3 i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 SGB IX. Von § 55 Abs. 1 SGB IX sind Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erfasst, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen. Nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX gehören hierzu Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen; nach Nr. 6 der Vorschrift gehören hierzu Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten.
Die Klägerin erfüllt aufgrund ihrer im Gutachten des Dr. N eingehend untersuchten, lebenslangen geistigen Behinderung die Voraussetzungen für eine Eingliederungshilfe nach dem BSHG bzw. SGB XII. Dass die Voraussetzungen einer Eingliederungshilfeleistung bei der Klägerin grundsätzlich vorlagen (und vorliegen), steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Die ergänzenden Ermittlungen des Senats nach Zurückverweisung des Verfahrens an das LSG haben den bereits zuvor vom Senat und den Beteiligten geteilten Eindruck bestätigt, dass die Klägerin aufgrund ihrer intellektuellen Defizite weder allein ohne Hilfestellungen unbeeinträchtigt am Leben in der Gemeinschaft teilhaben kann, noch dass sie – aus gleichem Grund – die Pflege und Erziehung ihres Sohnes bewältigen konnte. Die Unterbringung und Betreuung der Klägerin im H-heim erfüllte die genannten gesetzlichen Kriterien der ihr konkret zuteil gewordenen Eingliederungshilfe. Im H-heim wurde das Leben der Klägerin als Mutter ihres Sohnes in geeigneter Weise strukturiert und unterstützt, um ihr ein möglichst selbständiges Wohnen und Leben gemeinsam mit ihrem Sohn sowie den Erwerb und den Ausbau diesbezüglicher Fähigkeiten zu ermöglichen.
Die Förderung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung und ihrer gleichberechtigten Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nimmt auch nicht etwa eine Lebenssituation wie diejenige der Klägerin, nämlich eine behinderte Elternschaft, aus. Vom Ziel, dem behinderten Menschen ein Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, ist es vielmehr auch umfasst, ihm die Fähigkeiten zu vermitteln und die Hilfen zu gewähren, welche zur sachgerechten Wahrnehmung der Elternverantwortung notwendig sind. Die Wahrnehmung der Elternrolle ist eine gemeinschaftsbezogene Entfaltungsform des Menschen (mit Behinderung) im Sinne der Eingliederungshilfe. Diese Gemeinschaftsbezogenheit bringt nicht zuletzt das Grundgesetz (GG) durch das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) und das staatliche Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) zum Ausdruck. Die Pflege und Erziehung eines Kindes durch die Eltern ist dabei verfassungsrechtlich als Grundbedürfnis aller Eltern, auch solcher mit Behinderung, vorausgesetzt. Da die Eltern-Kind-Beziehung existenziell und eine soziale Bindung von herausragender Bedeutung ist, bildet die Verantwortungsübernahme der Eltern (mit Behinderung) für ihr Kind einen zentralen Aspekt der Teilhabe der Eltern am Leben in der Gemeinschaft (BVerwG, Urteil vom 22.10.2009 – 5 C 19/08 Rn. 16 m.w.N.).
2. Der Beklagte und ihm folgend das BSG im Urteil vom 24.03.2009 – B 8 SO 29/07 R sind allerdings der Ansicht, der Anspruch der Klägerin auf sozialhilferechtliche Eingliede-rungshilfe sei während ihres Aufenthalts im H-heim hinter das Jugendhilferecht zurückgetreten.
Die Qualifizierung des Aufenthalts der Klägerin im H-heim als jugendhilferechtliche Maßnahme kommt insofern einzig als eine Maßnahme nach § 19 SGB VIII in Betracht. Nach dieser Vorschrift sollen Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen sollen, gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen (Abs. 1 Satz 1). Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt (Abs. 2).
Zwar lassen sich der Klägerin im H-heim zugekommenen Hilfeleistungen auch unter die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII fassen. Dies belegt die Darstellung der der Klägerin erbrachten Hilfestellungen im Schriftsatz der Beigeladenen zu 2 vom 16.09.2009 und wurde auch in der ergänzenden Vernehmung von Mitarbeitern des H-heims, die die Klägerin während ihres dortigen Aufenthalts betreut haben, nochmals deutlich. Der pädagogische Leiter Vriesen hat ausgeführt, anfangs habe man noch nicht sagen können, welche Eigenressourcen die Klägerin habe; diese hätten jedoch nach Möglichkeit ausgebaut werden sollen mit dem Ziel, dass die Klägerin befähigt werde, ihre Verantwortung gegenüber ihrem Kind wahrzunehmen. Im Laufe der Zeit habe sich dann herausgestellt, dass sie nicht über genügend eigene Ressourcen verfüge, um eine allein verantwortete Elternschaft auf sich nehmen zu können. Bestätigt wurde dies durch die Angaben der Bezugspädagogin der Klägerin Q, die neben umfangreichen Schilderungen des Alltags der Klägerin im H-heim ausgeführt hat, anfangs sei noch die Hoffnung zum Ausdruck gebracht worden, die Klägerin könne im Laufe der Zeit mehr Selbständigkeit erwerben; erst im Laufe der täglichen Arbeit mit der Klägerin habe man gemerkt, dass bei ihr letzten Endes nennenswertes Entwicklungspotenzial schlichtweg nicht vorhanden sei. Die weitere Erzieherin N-I hatte keine lebhafte Erinnerung an die Klägerin mehr, zumal sie in erster Linie mit der Betreuung der Kinder im Kinderbereich des Heims befasst war; sie erinnerte sich allerdings daran, dass sie gleich zu Beginn den Eindruck von der Klägerin gewonnen hatte, es werde einiges an Betreuungsarbeit auf das Haus zukommen. Aus allem wird deutlich, dass die Klägerin, die bereits für sich allein strukturierende und führende Anleitungen benötigt, um den Alltag zu bewältigen, mit der Betreuung und Erziehung ihres – selbst nicht behinderten – Sohnes gänzlich überfordert war und deshalb i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII der Unterstützung bei seiner Pflege und Erziehung bedurfte.
Daran ändert auch nichts, dass sich letztlich herausgestellt hat, dass die Klägerin auch nach längerer Anleitung im H-heim behinderungsbedingt niemals in der Lage sein würde, in Pflege und Erziehung den Bedürfnissen ihres Sohnes zu entsprechen, und dass deshalb eine Inpflegegabe des Sohnes erfolgen musste. Insofern reicht es für eine Leistung i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aus, dass eine entsprechende Verbesserung der alltagspraktischen Fertigkeiten der Klägerin jedenfalls versucht worden ist. Dabei gab das Gutachten vom 07.07.2004 (Dr. Meyer), das davon sprach, die Klägerin könne in einer Mutter-Kind-Wohngemeinschaft bei ausreichender Kooperation etwas nachreifen und alltagspraktische Kompetenzen entwickeln, durchaus Anlass dafür, derartige Verbesserungen zumindest zu versuchen.
3. Besaß die Klägerin deshalb für die Zeit ihres Aufenthalts im H-heim tatbestandlich sowohl einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe als auch auf solche der Jugendhilfe, so ist sie nicht etwa vorrangig auf eine Inanspruchnahme von Jugendhilfe zu verweisen:
a) Nach § 10 SGB VIII werden Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, durch das SGB VIII nicht berührt (Abs. 1 Satz 1). Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem SGB VIII entsprechende Leistungen vorgesehen sind (Abs. 1 Satz 2 i.d.F. bis 31.12.2004; i.d.F. ab 01.01.2005: "auf Rechtsvorschriften beruhende" Leistungen). Allerdings gehen die Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem BSHG bzw. SGB XII vor (§ 10 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII i.d.F. bis 31.12.2004, in der Gesetzesfassung ab 01.01.2005 als § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). Nach einer Rückausnahme (Abs. 2 Satz 2 bzw. ab 2005 Abs. 4 Satz 2) gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG/SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, jedoch wiederum Leistungen nach dem SGB VIII vor.
Die 1985 geborene, zur Zeit ihres Aufenthalts im H-heim 19- bzw. 20-jährige Klägerin fällt unter den Begriff des "jungen Menschen" i.S.d. SGB VIII; denn nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB III ist junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist. Für sie gehen deshalb nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII i.d.F. bis 31.12.2004 bzw. nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII i.d.F. ab 01.01.2005 Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG/SGB XII Leistungen nach dem SGB VIII vor. Dies gilt auch für die der Klägerin im H-heim gewährten Leistungen.
Ohne die Rückausnahme in § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII wären nach Satz 1 der Vorschrift alle Jugendhilfeleistungen gegenüber Sozialhilfeleistungen vorrangig. Die Rückausnahme in Satz 2 setzt als Sonderregelung für Maßnahmen der Eingliederungshilfe lediglich voraus, dass Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG/SGB XII für junge Menschen, die körperlicher oder geistig behindert oder von Behinderung bedroht sind, geleistet werden oder zu leisten sind. Die Abgrenzung, ob nach Satz 1 der Jugendhilfeträger oder nach Satz 2 der Sozialhilfeträger zuständig ist, hängt deshalb allein von der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialhilfeleistung ab; bei Eingliederungshilfe ist die Sozialhilfe vorrangig, bei anderen Sozialhilfeleistungen ist die Jugendhilfe vorrangig. Bei vermeintlichen Abgrenzungsschwierigkeiten auf Satz 1 als Grundsatzregelung zurückzugreifen, ist nicht zulässig. Jugendhilfe und Sozialhilfe sind zwei umfassende sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen, die nicht trennscharf aufeinander abgestimmt und deshalb auch nicht sachtypisch voneinander abzugrenzen sind. Mit den Kollisionsregelungen in § 10 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 4 n.F. SGB VIII hat der Gesetzgeber für den wichtigsten und schwierigsten Überschneidungsbereich der Leistungen für behinderte junge Menschen eine bereichs-spezifische Differenzierung vorgenommen (vgl. auch Wiesner, SGB VIII, 2006, § 10 Rn. 31). Diese Vor- und Nachrangregelung stellt allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen ab. Eine Differenzierung danach, ob der Schwerpunkt des Bedarfs oder Leistungszwecks bzw. -ziels eher auf die Jugendhilfe oder aber auf die Eingliederungshilfe verweise, ist nicht zulässig. Denn die Regelung eines Nach- bzw. Vorrangs zwischen Leistungen der Jugendhilfe und der Sozialhilfe setzt von vornherein voraus, dass sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind; nur in einem solchen Fall besteht überhaupt ein Bedürfnis für eine Nach- bzw. Vorrangregelung. § 10 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 4 n.F. SGB VIII stellt deshalb nicht auf einen Schwerpunkt in Bezug auf eine der beiden denkbaren Hilfestellungen ab, sondern allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen; konkurrieren Maßnahmen der Eingliederungshilfe für behinderte junge Menschen nach dem BSHG/SGB XII mit Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII, so ist nach Satz 2 der Vorschrift(en) ohne Weiteres die Sozialhilfe vorrangig (BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 – 5 C 26/98 = FEVS 51, S. 337 – 340, S. 339 f.; insoweit noch übereinstimmend BSG, Urteil vom 24.03.2009 – B 8 SO 29/07 zu Rn. 17).
Demgegenüber lässt sich für Fälle wie den vorliegenden auch nicht einwenden, § 19 SGB VIII und die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe dienten gänzlich anderen Zwecken. Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen stehe der Jugendhilfe zur Förderung und Erziehung der Familie gegenüber, so dass mit gleicher Zielsetzung Leistungen der Rehabilitation und der Erziehung gegenüber stünden. Auf dieses Konkurrenzverhältnis aber sei § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII nicht zugeschnitten; die Vorschrift könne nur die Konkurrenz von jugendhilferechtlicher Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII und sozialhilferechtlicher Eingliederungshilfe betreffen, nicht aber die Konkurrenz von sozialhilferechtlicher Eingliederungshilfe und anderen jugendhilferechtlichen Maßnahmen (wie etwa solchen nach § 19 SGB VIII), bei denen es bei der allgemeinen Regel des § 10 Abs. 2 Satz 1 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 1 n.F. SGB VIII verbleibe (so aber Mrozynski, Die gemeinsame Betreuung behinderter Eltern mit ihren Kindern, ZfJ 2003, 458, 460). Der Wortlaut des § 10 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 4 n.F. SGB VIII legt mit dem Abstellen auf "Leistungen nach diesem Buch" und eben nicht "Leistungen der Eingliederungshilfe nach diesem Buch" einen entsprechend eingeschränkten Anwendungsbereich gerade nicht nahe. Auch die systematisch Stellung spricht eher gegen eine solche Einschränkung; die Vorschrift will vielmehr – gleichsam "vor die Klammer" der verschiedenen Leistungen des SGB VIII gezogen – Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG/SGB XII bei jungen Menschen gegenüber sämtlichen jugendhilferechtlichen Maßnahmen vorrangig stellen.
Auch nach Sinn und Zweck kommt eine entsprechend einschränkende Anwendung nicht in Betracht. Vielmehr soll § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII für den Fall von Eingliederungshilfeansprüchen junger Menschen nach BSGH/SGB XII eine in der verwaltungspraktischen Handhabung eindeutige Verpflichtungszuweisung liefern und damit Verpflichtungsstreitigkeiten in Fällen reduzieren, in denen nach dem Lebensalter der behinderten oder von Behinderung bedrohten jungen Menschen typischerweise mit Sachverhaltsgestaltungen zu rechnen ist, in denen sowohl Jugendhilfemaßnahmen als auch sozialhilferechtliche Eingliederungsmaßnahmen für ein und denselben zur Hilfebedürftigkeit führenden Lebenssachverhalt in Frage kommen. Für eine einschränkende Auslegung des § 10 Abs. 2 Satz 1 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII streitet schließlich (entgegen Mrozynski, a.a.O. S. 460) auch nicht etwa die Entscheidung des BVerwG vom 23.09.1999 – 5 C 26/98 (a.a.O.). Diese fordert für die in Anwendung des Satzes 2 der Vorschrift notwendige Kongruenz der Jugendhilfe- und Eingliederungshilfeleistungen keineswegs eine völlige Deckungsgleichheit, sondern lässt auch ein teilweises Überschneiden genügen ("gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich").
Angesichts der nicht notwendig völligen Deckungsgleichheit kongruenter Eingliederungs-maßnahmen nach BSHG/SGB XII und Jugendhilfemaßnahmen erscheint es auch als unzulässige Umgehung des § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII, wollte man – wie das VG Düsseldorf (Urteil vom 31.08.1997 – 19 K 4705/95 = ZfSH/SGB 1999, 84 – 87) – wegen einer Einzelpersonenbezogenheit der Eingliederungshilfe nach BSHG/SGB XII und eines mit Schwangerschaft und Geburt in den Mittelpunkt rückenden Kindes – wohl im Sinne einer spezielleren Hilfeform (so VG Düsseldorf, Urteil vom 06.04.2005 – 19 K 8703/02) – § 19 SGB VIII für einzig anwendbar halten und Betreuungsleistungen an der Mutter allein als im Dienst der Pflege und Erziehung des Kindes stehend ansehen. Ähnliches gilt für die Ansicht des OVG Münster (Beschluss vom 30.11.2000 – 22 B 762/00; ihm folgend VG Hamburg, Urteil vom 26.05.2005 – 13 K 195/05; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10.06.2005 – 19 K 1193/03), § 19 SGB VIII sei dem sich mit dem Ziel der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe nur teilweise überschneidenden doppelten Ziel der Unterstützung des Vaters oder der Mutter verpflichtet, die jedoch letztlich der Pflege und Erziehung des Kindes zugute komme. Dem inhaltlichen Ansatz dieser Entscheidungen ist im Übrigen schon entgegenzuhalten, dass man den Zweck und das Ziel sozialhilferechtlicher Eingliederungshilfemaßnahmen in Fällen wie dem vorliegenden u.a. auch darin sehen kann, dem elterlichen Unvermögen zur angemessenen Pflege und Betreuung des Kindes als Behinderungsfolge entgegenzuwirken; es erscheint danach als beliebig, wollte man bei Vorliegen von Schwangerschaft und Geburt den Hilfefokus auf das Kind beschränken. Dass Gesichtspunkte der Hilfe bei Behinderung (auch wegen der Einschränkungen, die diese Behinderung bei der Bewältigung von Schwangerschaft und bei der Pflege und Betreuung des Kindes mit sich bringt) und der Hilfe für das Kind nebeneinandertreten, ohne dass Aspekte entweder des Kindes oder des betroffenen Elternteils gänzlich in den Hintergrund rücken, verursacht in Fällen wie dem vorliegenden gerade den in § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII geregelten normtypischen Fall des Infragekommens sozialhilferechtlicher und gleichzeitig jugendhilferechtlicher Hilfen, deren Vor- bzw. Nachrang es deshalb im Interesse einer klaren Zuweisung der Einstandspflicht zu regeln gilt.
b) Allerdings ist das BSG (Urteil vom 24.03.2009 – B 8 SO 29/07 R zu Rn. 18 ff.) der Ansicht, § 19 SGB VIII enthalte nach seinem Sinn und Zweck ein einheitliches Hilfeangebot für zwei Generationen bei einem alleinerziehenden Elternteil, das mittels einer komplexen, multifunktionalen Leistungspalette darauf abziele, den gesamten pädagogischen Bedarf in der von ihr erfassten spezifischen Lebenssituation zu decken, während sich die Eingliederungshilfe des BSHG bzw. des SGB XII nur an den behinderten Menschen richte mit dem Ziel der Eingliederung. Die personelle Teilidentität alleine genüge nicht, um eine teilweise Kongruenz für die Anwendung der Konkurrenzregelung des § 10 Abs. 2 a.F. SGB VIII anzunehmen. Vielmehr widerspräche eine Aufspaltung der verschiedenen Leistungen (Leistungen für das Kind durch den Jugendhilfeträger, Leistungen für die Mutter durch den Sozialhilfeträger) dem Sinn und Zweck der Regelung des § 19 SGB VIII. Darüber hinaus bestehe keine sachliche Zielidentität. Es handele sich bei § 19 SGB VIII um eine komplexe Leistung, die darauf ziele, den gesamten pädagogischen Bedarf in dieser spezifischen Lebenssituation abzudecken, und zwar nicht nur der Mutter (bzw. des Vaters) – gegebenenfalls sogar vor der Geburt des Kindes -, sondern auch des Kindes selbst und dessen älterer Geschwister (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Mit dieser umfassenden Aufgabenstellung und dem umfassenden Leistungsangebot konkurriere die Eingliederungshilfe des BSHG bzw. des SGB XII, die keinem derart komplexen Postulat unterliege, nicht. Die Vorschriften über die Eingliederungshilfe zielten auf die Eingliederung des behinderten Menschen und damit auf Leistungen an diesen, nicht an dritte Personen, wenn anderes nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt sei. Keinesfalls erhöben die Vorschriften über die Eingliederungshilfe den "Ganzheitlichkeitsanspruch" des § 19 SGB VIII, der im Gegensatz zur Eingliederungshilfe die Förderung aller von der Bedarfssituation betroffenen Personen in der Familie im Auge habe. Bei anderem Verständnis wäre die vorrangige Zuständigkeit des Trägers der Jugendhilfe nach § 10 Abs. 2 a.F. SGB VIII erst dann begründet, wenn der behinderte Elternteil das 27. Lebensjahr vollendet hätte und damit nicht mehr junger Mensch i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 6 SGB VIII wäre. Wäre danach erst dann der Träger der Jugendhilfe vorrangig zuständig, so sei dies ein widersinniges Ergebnis, welches gerade nicht wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts hinzunehmen, sondern dem bereits durch eine dem Sinn und Zweck der Regelung des § 19 SGB VIII entsprechende Auslegung zu begegnen sei.
Der Senat schließt sich dieser Auffassung nicht an, sondern hält an seiner bereits im Urteil vom 30.07.2007 – L 20 SO 15/06 getroffenen Zuordnung der der Klägerin gewährten Leistungen als Eingliederungshilfe fest:
Im Falle der Klägerin bestehen zwei tatbestandlich einschlägige Hilfeleistungsformen – Jugendhilfe und Eingliederungshilfe -, bei denen sich über die gesetzliche Konkurrenzregel des § 10 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 4 n.F. SGB VIII ergibt, dass der Klägerin Eingliederungshilfe und nicht Jugendhilfe zu leisten ist. Keineswegs ist die Jugendhilfe nach § 19 SGB VIII nach ihrem Sinn und Zweck die vorrangige Hilfeform, die deshalb von vornherein keine Eingliederungshilfe annehmen ließe (zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 22.10.2009 – 5 C 19/08):
Zwar enthält die nach § 19 SGB VIII zu gewährende Leistung der Jugendhilfe ein einheitliches Hilfeangebot für zwei Generationen in der vom BSG beschriebenen Weise. Diese sachlich aufeinander bezogenen Leistungen für Mutter und Kind, die durch die einrichtungsgebundene Gewährung auch zeitlich und örtlich verbunden sind, hindert jedoch nicht daran – gerade im Hinblick auf den Elternteil -, insgesamt eine (zumindest teilweise) Kongruenz dieser Leistung mit der Eingliederungshilfe anzunehmen und für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII ausreichen zu lassen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Vorrangregel des § 10 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 4 n.F. SGB VIII nur und erst dann eingreifen würde, wenn die zu gewährenden Leistungen nach Leistungsvoraussetzungen, Leistungsumfang und Zielsetzung identisch wären und eine (wesentliche) Überschneidung nicht hinreichend wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Kann nämlich – wie im Falle der Klägerin – der auf die Person des eingliederungshilfeberechtigten Menschen mit Behinderung bezogene Bedarf, so wie er in einer gemeinsamen Wohnform mit dem Kind entsteht, für die behinderte Mutter vollständig durch die Leistungen der Eingliederungshilfe abgedeckt werden, dann sind die insoweit hiermit verfolgbaren Ziele auch dann mit jenen des § 19 SGB VIII (teil-) identisch, wenn § 19 SGB VIII – in Bezug auf das Kind und seine Betreuung – auch weitere Leistungen mit umfassen sollte.
Die sachliche, zeitliche und örtliche Verknüpfung der Leistungen für Elternteil und Kind zu einer Komplexleistung schließt eine getrennte Betrachtung der Rechtsgrundlagen von Leistungsgewährung und Abrechnung für einen behinderten Elternteil einerseits und dessen (behindertes oder nicht behindertes) Kind andererseits weder logisch noch tatsächlich aus. Sie macht die Leistung auch nicht zu einem "aliud", die den eingliederungshilferechtlichen Bedarf nicht decken könnte.
Die Anwendbarkeit von § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil der Vorrang der Eingliederungshilfe für die Unterbringung eines geistig behinderten jungen Elternteils in einer Mutter-Kind-Einrichtung mit der Zwecksetzung des § 19 SGB VIII, ein einheitliches und umfassendes Leistungsangebot für den Elternteil und das Kind zur Verfügung zu stellen, nicht vereinbar wäre. Die unterschiedliche Zwecksetzung von Leistungen ist schon kein Abgrenzungskriterium für die Anwendung der Konkurrenznorm des § 10 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 4 n.F. SGB VIII. Selbst wenn man dieses Abgrenzungskriterium zuließe und den Zweck des § 19 SGB VIII in der vorgenannten Weise bestimmte, stünde diese Vorschrift einer unterschiedlichen Kostenträgerschaft für die Betreuung des Kindes einerseits und des behinderten Elternteils andererseits nicht entgegen.
Selbst wenn der Zweck der Leistungsverpflichtungen für die Frage der Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII von Bedeutung wäre, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. § 19 SGB VIII enthält nicht selbst eine besondere Vorrang-regel zugunsten der Jugendhilfe, welche die Anwendbarkeit der Konkurrenzregelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII ausschließt. Soweit der aus der Anwendung der Norm gesetzlich angeordnete Vorrang der Eingliederungshilfe auch in Fällen der gemeinsamen Betreuung eines behinderten Elternteils mit seinem Kind dem Sinn und Zweck des § 19 SGB VIII zuwiderliefe, könnte dies nur über eine teleologisch reduzierende Auslegung des § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. bzw. Abs. 4 Satz 2 n.F. SGB VIII berücksichtigt werden; für diese besteht indes, selbst wenn der Wortlaut hierfür noch Raum ließe, kein Anlass:
Der sachlich zutreffende Hinweis des BSG auf den "Ganzheitlichkeitsanspruch" der Jugendhilfeleistung nach § 19 SGB VIII, d.h. auf die Einheitlichkeit und Komplexität der sowohl an den allein erziehenden Elternteil als auch an das Kind gem. § 19 SGB VIII zu gewährenden Hilfen, rechtfertigt keine teleologische Reduktion. Denn der Ganzheitlichkeitsanspruch einer Leistung nach § 19 SGB VIII kann nur so weit reichen, wie es das Leistungsrecht der Jugendhilfe vorgibt, zu dem aber gerade auch die Vorrangregel des § 10 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 4 n.F. SGB VIII zählt. Eine Auslegung des § 19 SGB VIII, welche diese Vorschrift als eigene jugendhilferechtliche Vorrangregel begreift, würde aber die gesetzliche Vorrangregel insoweit außer Kraft setzen. Der Geltungsanspruch des § 10 Abs. 2 a.F. bzw. Abs. 4 n.F. SGB VIII ist deshalb seinerseits bei der Bestimmung der Reichweite des § 19 SGB VIII mit zu berücksichtigen und wirkt einer zu weiten Ausdehnung des Zwecks dieser Vorschrift entgegen. Auch wenn daher der Zweck des § 19 SGB VIII in einem "Ganzheitlichkeitsanspruch" gesehen wird, reicht dieser nicht so weit, dass er die Vorrangregel des § 10 Abs. 2 Satz 2 a.F. (Abs. 4 Satz 2 n.F.) SGB VIII verdrängt.
Der in dieser Weise begrenzte Zweck des § 19 SGB VIII wird auch sonst nicht dadurch vereitelt oder unzulässig beeinträchtigt, dass der Träger der Eingliederungshilfe die Kosten für die Unterbringung der behinderten Mutter zu tragen hat. Einer damit verbundenen "Aufspaltung" der Leistungen dahin, dass der Unterbringungsbedarf der behinderten Mutter in einer Mutter-Kind-Einrichtung vom Sozialhilfeträger und derjenige des Kindes vom Jugendhilfeträger zu decken ist, steht § 19 SGB VIII nicht entgegen. Ein jugendhilferechtliches Verbot kombinierter Bedarfsdeckung lässt sich aus der Vorschrift nicht ableiten.
Die mit dem "Ganzheitlichkeitsanspruch" beschriebene Zwecksetzung des § 19 SGB VIII wäre überbetont, wenn hieraus auch normativ eine Untrennbarkeit der in einer Einrichtung nach § 19 SGB VIII zu gewährenden Hilfen folgen sollte. Eine solche Aussage hat weder im Gesetzestext noch sonst ihren Niederschlag gefunden, noch ist sie durch Erfordernisse der Verwaltungspraktikabilität zwingend geboten. Dass die Leistungen an den behinderten Elternteil hinsichtlich der Gewährung und der damit verbundenen Kostenträgerschaft nicht untrennbar sind, unterstreicht der vorliegende Fall. Es ist nicht ersichtlich, dass es trotz der in einer gemeinsamen Wohnform gewährten Hilfe für die Verwaltungspraxis problematisch wäre, die Kostenträgerschaft für diese Hilfe zu trennen und die Leistungen für das Kind aus den Mitteln der Jugendhilfe zu gewähren. Die kalkulatorische Kostentrennung ist von dem konzeptionell komplexen Hilfeangebot logisch und systematisch trennbar.
II. Zuständig für die Leistungserbringung ist allerdings nicht der Beklagte als an sich zuständiger überörtlicher Leistungsträger.
Die Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1 ergibt sich – unbeschadet der endgültigen Zuständigkeit nach den Zuständigkeitsregeln des SGB XII (vgl. § 97 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 SGB XII) – bereits aus § 14 SGB IX. Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 1, 1. HS. SGB IX). Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (Satz 2). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilita-tionsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (Abs. 2 Satz 1).
1. Die Klägerin hat beim Beigeladenen zu 1 am 22.07.2004 Leistungen zur Teilhabe beantragt. Dementsprechend hätte der Beigeladene zu 1 nach § 14 Abs. 1 Satz 1, 1. HS SGB IX binnen zwei Wochen über seine Zuständigkeit befinden müssen. Wenn der Beigeladene zu 1 insoweit ausführt, er habe – als Jugendhilfeträger – innerhalb von sechs Tagen den Antrag (wenn auch nicht schriftlich) an den aufgrund dieser Zuständigkeitsprüfung für zuständig erachteten Sozialhilfeträger weitergeleitet, der ebenfalls bei ihm angesiedelt sei, so handelt es sich dabei jedenfalls nicht um eine Weiterleitung i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Denn dies würde die Weiterleitung an eine andere Behörde voraussetzen; die Abteilungen für Jugendhilfe und für Sozialhilfe des Beigeladenen zu 1 sind nicht etwa zwei unterschiedliche Rehabilitationsträger, unter denen eine Weiterleitung i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX stattfinden könnte. Es handelt sich vielmehr um ein- und denselben Rehabilitationsträger – den Beigeladenen zu 1 -, der lediglich in einem Falle Leistungen nach dem SGB VIII und in dem anderen Falle Leistungen nach dem SGB XII erbringt.
Keineswegs kann der Beigeladene zu 1 sich insoweit darauf berufen, die Befassung seiner eigenen Sozialhilfeabteilung reiche aus, auch wenn insoweit keine örtliche Zuständig-keit bestanden habe, und auf die (über-) örtliche Zuständigkeit des Beklagten komme es insoweit nicht an. Es geht von vornherein nicht um einen bloßen Streit um die örtliche Zuständigkeit; § 97 SGB XII zeigt vielmehr, dass die Frage der Zuständigkeit des örtlichen oder aber des überörtlichen Sozialhilfeträgers gesetzlich nicht als Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern als eine der sachlichen Zuständigkeit geregelt ist. Der Senat folgt in diesem Zusammenhang auch nicht der Ansicht, es spreche einiges dafür, dass § 14 SGB IX nur die Klärung der Zuständigkeit zwischen Rehabilitationsträgern verschiedener Leistungsgesetze regele, nicht aber für einen Streit von Trägern von Sozialleistungen nach demselben Gesetz gelte (so aber wohl Dalichau, in: SGB IX/Teil 1, Loseblatt, Stand 1/2010, § 14 Rn. 18, der in diesem Zusammenhang ausdrücklich die stationäre Eingliederungshilfe nennt). Der Zweck des § 14 SGB IX, im Interesse behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen durch eine rasche Zuständigkeitsklärung Nachteilen des gegliederten Rehabilitationsleistungssystems entgegenzuwirken (Dalichau, a.a.O., Rn. 2), steht einer Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm nur auf Fälle von nach unterschiedlichen Leistungsgesetzen in Frage kommenden Rehabilitationsträgern entgegen. Auch wenn zwei rechtlich selbständige Leistungsträger nach demselben Leistungsgesetz betroffen sind, besteht vielmehr die Gefahr einer Verzögerung durch Klärung von Rechtsfragen; es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Fälle aus dem Anwendungsbereich des § 14 SGB IX ausschließen wollte (Welti, in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX, 3. Aufl. 2010, Rn. 3). Ob Gleiches auch gilt, wenn es allein um einen Streit über die örtliche Zuständigkeit geht, hat der Senat wegen des vorliegend allein bestehenden sachlichen Zuständigkeitsstreits nicht zu entscheiden.
2. Als Weiterleitung i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX kommt deshalb allein die Abgabe des Vorgangs durch den Beigeladenen zu 1 an den Beklagten mit Schreiben vom 16.08.2004 (Zugang beim Beklagten am 19.08.2004) in Betracht. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings die zweiwöchige Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1, 1. HS SGB IX bereits verstrichen. Im Rahmen pflichtgemäßer Verwaltungsabläufe muss regelmäßig eine Weiterleitung spätestens an dem auf die Feststellung folgenden regulären Arbeitstag erfolgen; die Weiterleitung mehr als einen Tag nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist ist deshalb nicht mehr rechtzeitig (vgl. Welti, a.a.O., § 14 Rn. 27). Ohnehin ist für die zögerliche Weitergabe des Antrags der Klägerin durch den Beigeladenen zu 1 von vornherein kein Grund ersichtlich, der noch die Annahme eines "unverzüglichen" Weiterleitens (§ 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): ohne schuldhaftes Zögern) erst am 16.08.2004 rechtfertigen könnte. Eine Weiterleitung kommt in einem solchen Fall nicht mehr in Betracht. Vielmehr hat der Rehabilitationsträger, der sich für unzuständig hält, den Fall jedoch gleichwohl nicht (unverzüglich) weiterleitet, ihn nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX so weiter zu bearbeiten, als handele es sich um eine Fall, für welchen er selbst zuständig sei. Er wird deshalb (spätestens) mit Ablauf der Zweiwochenfrist für die Bearbeitung des Falles selbst zuständig, und eine Weiterleitung ist nicht mehr zulässig (Stevens-Bartol, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, 2009, § 14 Rn. 19; Dalichau, a.a.O., § 14 Rn. 30 m.w.N.).
3. Die sich mangels rechtzeitiger Weiterleitung für den Beigeladenen zu 1 aus § 14 SGB IX ergebende Leistungszuständigkeit ist auch nicht etwa unbeachtlich, weil der von der Klägerin mit der Klage einzig in Anspruch genommene Beklagte ebenfalls der Klägerin gegenüber als leistungszuständig anzusehen wäre und die insoweit von der Klägerin mit seiner Inanspruchnahme getroffene Auswahl aus mehreren zuständigen Leistungsträgern zu beachten wäre.
Allerdings hat der 4. Senat des BSG (Urteil vom 14.12.2006 – B 4 R 19/06 R; ihm folgend Stevens-Bartol, a.a.O., Rn. 19 f.) die Ansicht geäußert, zwar regele § 14 SGB IX ein Verfahren, durch das im Interesse behinderter Menschen ein Rehabilitationsträger rasch und ohne strikte Anbindung an seine Verbandszuständigkeit als für das Rehabilitationsverfahren im Einzelfall für den Bürger zuständiger Hoheitsträger bestimmt werde. Gleichwohl bleibe die materiell-rechtliche Verpflichtung des "wirklich" zuständigen Trägers gegenüber dem Bürger unberührt; der Bürger behalte seine gegen diesen Träger gerichteten Rechte, erhalte aber mit dem sonderzuständigen Träger einen weiteren Schuldner zugewiesen.
Sollte der 4. Senat des BSG damit zum Ausdruck gebracht haben wollen, der Hilfeempfänger könne sich zur gerichtlichen Durchsetzung seines Leistungsanspruchs wahlweise gegen den nach § 14 SGB IX verpflichteten Träger oder aber gegen den nach den Regeln des betroffenen Leistungsgesetzes "wirklich" zuständigen Träger wenden, so folgt dem der Senat nicht. Denn § 14 SGB IX soll – wie etwa der 8. Senat des BSG (Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 19/08 R m.w.N.) zutreffend ausführt – nicht nur im Interesse des behinderten Menschen Zuständigkeitszweifel beseitigen; die Vorschrift soll vielmehr auch Rechtssicherheit schaffen, indem eine einmal (nur) nach § 14 SGB IX begründete Zuständigkeit als die dann für den Kläger endgültige erhalten bleibt. § 14 SGB IX trifft deshalb im Verhältnis Leistungsträger-Kläger eine an die Stelle der Zuständigkeitsregelung nach dem betroffenen Leistungsgesetz tretende und diese für den Kläger verdrängende Zuständigkeitsbestimmung (der 7. Senats des BSG, Urteil vom 26.10.2004 – B 7 AL 16/04 R, spricht insoweit davon, dass "eine nach außen verbindliche neue Zuständigkeit geschaffen worden ist").
Über einen gleichzeitig möglichen Erstattungsanspruch im Verhältnis der Leistungsträger untereinander (des Beigeladenen zu 1 gegen den Beklagten etwa nach § 14 Abs. 4) hat der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht zu entscheiden.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG, bezüglich der fehlenden Erstattung von Kosten der Beigeladenen zu 2 aus § 193 Abs. 4 i.V.m. § 184 Abs. 1 SGG.
E. Der Senat lässt die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zu. Zur Frage, ob es sich in einem Fall wie dem der Klägerin um Jugendhilfe oder um Eingliederungshilfe handelt, bestehen aktuell unterschiedliche Rechtsansichten bei BSG und BVerwG. Die Rechtsprechung verschiedener Senate des BSG wendet zudem § 14 SGG IX uneinheitlich an. In beiden Fällen bedarf es einer grundsätzlichen Klärung mit dem Ziel einer einheitlichen Rechtsanwendung durch BSG und BVerwG bzw. innerhalb der verschiedenen Senate des BSG.
Erstellt am: 29.03.2012
Zuletzt verändert am: 29.03.2012