Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.07.2011 wird zurückgewiesen. Der Klägerin werden Verschuldenskosten gem. § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 500,00 Euro auferlegt. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Bronchialkarzinoms bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin als sog. Wie-Berufskrankheit (BK) nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Der am 00.00.1950 geborene und am 00.04.1997 an einem Bronchialkarzinom verstorbene Ehemann der Klägerin, Herr N J (im Folgenden: E), war ausgebildeter Automechaniker. Von November 1971 bis Mai 1980 arbeitete er bei der Firma G in der Endmontage. Nach Arbeitslosigkeit und kurzer Tätigkeit als Autolackierer war er ab August 1981 als Tankwart bzw. ab Januar 1995 als Kassierer bis zur Arbeitsunfähigkeit ab 03.08.1996 an einer Autobahntankstelle beschäftigt.
Am 29.11.1996 ging bei der Berufsgenossenschaft (BG) für Fahrzeughaltungen eine ärztliche Anzeige der Kliniken der Stadt L, Krankenhaus N, Lungenklinik, über eine Berufskrankheit des E ein, die diese BG an die Beklagte weiterleitete. Beschrieben wurde ein Bronchialkarzinom, das möglicherweise auf das Einatmen von Gasen/Dämpfen (Benzol, Blei ) bei der Tätigkeit als Tankwart zurückgeführt werden könne.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Rheinland bei und holte Befundberichte des Dr. T vom 11.03.1997, des Allgemeinmediziners Dr. H vom 15.03.1997 und Berichte der Kliniken der Stadt L, Krankenhaus N (dortige Schreiben u.a. vom 14.04.1997 und 22.05.1997) ein. Ebenfalls wurde der Technische Aufsichtsdienst (TAD) um Stellungnahme gebeten. Dieser sah es im Bericht vom 21.04.1997 unter Berücksichtigung der Angaben des E anlässlich eines Besuches am 25.03.1997 sowie der Angaben des Arbeitsgebers und der Mitarbeiter als sehr unwahrscheinlich an, dass bei der beruflichen Exposition gegenüber Luftschadstoffkonzentrationen Grenzwerte überschritten worden seien. Ergänzend wurde auf einen hohen Nikotingenuss des E in den Jahren 1975 bis 1996 hingewiesen. Auch der TAD der Maschinenbau- und MetallBG ging für die Tätigkeit des Klägers bei den G-Werken 1971-1980 von keiner relevanten Abgasbelastung und keiner Asbestexposition aus (Bericht vom 16.12.1997).
Auf der Grundlage eines anschließend von den Fachärzten für Arbeitsmedizin Prof. Dr. C und Dr. Dr. S am 06.04.1998 erstatteten Gutachtens nach Aktenlage, die die wesentliche Ursache des Lungenkarzinoms in der erheblichen Belastung durch den Zigarettenkonsum sahen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.06.1998 die Anerkennung der Erkrankung des E als Berufskrankheit nach Nr. 1303 und Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) bzw. eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin vom 24.06.1998 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.1999 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 21.04.1999 Klage beim Sozialgericht Köln (SG) mit dem Antrag erhoben, die Erkrankung ihres verstorbenen Ehemannes als Berufskrankheit anzuerkennen (Az S 16 U 100/99 bzw. nach späterer Wiederaufnahme S 16 U 168/07).
Auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein arbeitsmedizinisches Gutachten des Dr. I vom 08.11.2007 eingeholt. Der Sachverständige hat die Angaben des verstorbenen Ehemannes der Klägerin (10 – 15 Zigaretten pro Tag, 1975 – 1996) als glaubhaft angesehen. Es könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass das Rauchverhalten die Erkrankung verursacht habe, jedoch sei aufgrund des geringen stattgehabten Zigarettenkonsums, der feingeweblichen Art des Tumors, fehlender Brückensymptome und des Erkrankungsalters nicht von einem naheliegenden Zusammenhang auszugehen. Es müsse von einer stattgehabten Asbestexposition von etwa 1,4 Faserjahren ausgegangen werden, die für eine Anerkennung der BK 4104 nicht genüge. Ggf. möge aber eine Asbestose und unter diesem Aspekt eine BK 4104 vorliegen, worüber er derzeit allerdings mangels Röntgenaufnahmen keine Aussage treffen könne. Weiter gehe er von einer Benzol-Exposition aus, die er mit 15 ppm-Jahren einschätze. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Benzol-Exposition und einer Krebserkrankung der Lunge i. S. d. BK 1303 sei jedoch wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. Ebenfalls sei der verstorbene Ehemann der Klägerin Automotorenemissionen ausgesetzt gewesen, die jedoch auch nicht in der BK-Liste erfasst seien. Bei Abwägung der beruflichen und außerberuflichen Faktoren spreche seines Erachtens aber aufgrund der Kumulation der Exposition gegenüber verschiedenen Gefahrstoffen mehr für als gegen eine Verursachung der Lungenkrebserkrankung durch die beruflichen Einwirkungen, so dass er die Entschädigung der Erkrankung nach § 9 Abs. 2 SGB VII empfehle. Die MdE schätze er auf 100 v. H.
Die Beklagte hat diesem Gutachten unter Beifügung eines weiteren Berichts des TAD vom 22.07.2008 bzw. des TAD der Maschinen- und MetallBG vom 19.06.2008 widersprochen und zu der vom Sachverständigen angenommenen BK unter Hinweis auf eine Stellungnahme der Prof. Dr. C vom 15.10.2008 und des Dr. Dr. S vom 03.11.2008 ausgeführt, dass Benzol als Promotor der Synkanzerogenese ausscheide, da eine lungenkanzerogene Wirksamkeit nicht erwiesen sei und die kumulative geschätzte Einwirkungsdosis unter der des Zigarettenkonsums liege. Die Belastung mit PAKs in Dieselabgasen sowie mit Asbeststaub liege im Niedrigstdosisbereich. Im Hinblick hierauf und die höhere Belastung durch Zigarettenkonsum lasse sich eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII nicht begründen.
Das SG hat eine Stellungnahme des BMAS vom 30.04.2009 eingeholt, das keine generelle Aussage dazu treffen konnte, ob die Tätigkeit als Tankwart oder Kfz-Mechaniker eine Erhöhung der Lungenkrebserkrankung gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen bedinge. Anschließend hat es ein lungenfachärztliches Gutachten des Prof. Dr. U vom 21.09.2009 eingeholt. Dieser hat einen Ursachenzusammenhang zwischen den Expositionen und der Karzinomerkrankung verneint. Vielmehr sei der Zigarettenkonsum selbst bei Annahme "nur" der vom E eingeräumten 15 Zigaretten täglich nicht geringfügig, sondern in erster Linie maßgeblich für die Erkrankung.
Auf Antrag der Klägerin ist eine ergänzende Stellungnahme des Dr. I vom 27.06.2010 eingeholt worden, der bei seiner Auffassung verblieben ist, zwischen der beruflichen Tätigkeit des Versicherten und der Erkrankung i. S. v. § 9 Abs. 2 SGB VII sei ein wahrscheinlicher Zusammenhang anzunehmen.
Die Beklagte hat ihrerseits den Ausführungen von Dr. I mit Schriftsatz vom 15.02.2011 widersprochen und hierzu eine Stellungnahme des Arbeitsmediziners Dr. S vom 29.10.2010 vorgelegt, der sich ausführlich noch einmal mit den Belastungen des E am Arbeitsplatz auseinandergesetzt hat.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14.07.2011 abgewiesen. Die Erkrankung des E sei nicht als Quasi-BK anzuerkennen, er sei auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Quasi-BK verstorben. Es habe am maßgeblichen Tag (dem 15.04.1997 als dem Todestag des Versicherten) – nach dem überzeugenden Gutachten der Prof. Dr. C keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gegeben, nach denen das Bronchialkarzinom, wenn es durch die Einwirkungen von Autoabgasen, Benzol und weiteren Stoffen, denen der Versicherte beruflich exponiert war, verursacht worden sei, in die Liste der BKen aufzunehmen gewesen sei. Daran habe sich auch zwischenzeitlich (10 Jahre nach dem Tod) im Übrigen nichts geändert, was auch das Gutachten des Dr. U bestätigt habe. Eine Aufnahme in die BK-Liste habe ja auch nicht stattgefunden. Das Gutachten des Dr. I sei schon insoweit nicht verwertbar, als er von Expositionen ausgehe, die nicht nachgewiesen seien. Im Übrigen benenne auch Dr. I keine gesicherte Studienlage. Zudem liege durch den Zigarettenkonsum ein relevanter konkurrierender Faktor vor.
Gegen das ihr am 15.08.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.09.2011 Berufung eingelegt und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Erkrankung ihres verstorbenen Ehemannes als sogenannte Quasi-BK anzuerkennen. Zur Begründung hat sie sich zunächst im Wesentlichen auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des Dr. I gestützt. Nachdem dieser seine Auffassung im Berufungsverfahren revidiert hat, ist von ihr die Befragung der Oberärztin Dr. F der Lungenklinik des Krankenhauses L beantragt worden. Diese habe in einem Gespräch mit dem als Zeugen angebotenen Herrn G1 ausdrücklich bestätigt, dass es sich bei der Krebserkrankung des E um eine berufsbedingte Erkrankung handle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.07.2011 sowie die Ablehnung einer Wie-Berufskrankheit im Bescheid der Beklagten vom 16.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Bronchialkarzinom ihres verstorbenen Ehemannes, Herrn N J, als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und sieht sich durch die weitere Beweiserhebung im Berufungsverfahren hierin bestätigt.
Der Senat hat den seinerzeit behandelnden Arzt des E, Dr. G, G, um Übersendung der Patientenakte gebeten. Anschließend ist eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. U vom 11.09.2012 eingeholt worden. Dieser hat ausgeführt, dass die Asbestfaser- und PAK-Belastung auch in Kombination mit der Benzolbelastung beim Versicherten zusammenwirkend nicht genüge, um ausreichend wahrscheinlich das Lungenkarzinom zu verursachen.
In einer auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG eingeholten Stellungnahme des Dr. I vom 05.02.2013 hat dieser zunächst seine vorige Auffassung bekräftigt, in einer weiteren Stellungnahme vom 17.04.2013 dann jedoch revidiert. Nach einer neu veröffentlichten Studie (Möhner et al.) sei die vorige Studie (Säverin et. al.), auf die er sich bisher gestützt habe, erneut wissenschaftlich evaluiert und die vorigen Ergebnisse nicht mehr bestätigt worden. Entsprechend könne er die Anerkennung einer Quasi-BK nun nicht mehr empfehlen. Die Beklagte hat eine ergänzende Stellungnahme der Prof. Dr. C vom 31.10.2013 vorgelegt, die die relevanten Studien noch einmal dargelegt und ausgewertet hat.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; zur Klageart vgl. BSG Urteil vom 18.06.2013 – B 2 U 6/12 R – juris Rn. 13 m.w.N.) zu Recht abgewiesen. Die allein streitgegenständliche Ablehnung der Anerkennung einer Wie-BK im Bescheid der Beklagten vom 16.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.1999 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin, die gem. § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) Sonderrechtsnachfolgerin des E ist, nicht in ihren Rechten. Soweit das Sozialgericht darüber hinaus entschieden hat, E sei auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Quasi-BK verstorben, hat die Klägerin diese Feststellung nicht beantragt. Auch die Beklagte hat darüber im Tenor nicht entschieden.
Ob Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung des Bronchialkarzinoms als Wie-BK die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) sind, wofür spricht, dass die Hauptbelastungszeit des E in den Jahren bis 1994 liegt und der Versicherungsfall damit eher vor Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten ist (vgl. die Übergangsregelung des § 212 SGB VII) oder die Vorschriften des SGB VII, kann offen bleiben. Die Regelung über die Anerkennung einer Wie-BK ist im SGB VII gegenüber den Regelungen der RVO im Wesentlichen inhaltlich unverändert geblieben (vgl. auch BSG Urteil vom 18.06.2013 – B 2 U 6/12 R – juris Rn. 14).
Nach § 9 Abs. 2 SGB VII (§ 551 Abs. 2 RVO) haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) erfüllt sind (sog Öffnungsklausel für Wie-BKen). Die Feststellung einer Wie-BK nach dieser Vorschrift ist u.a. vom Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig (zuletzt BSG vom 13.02.2013 – B 2 U 33/11 R – juris Rn 17 mwN auch zu den weiteren Voraussetzungen einer Wie-BK). Diese allgemeinen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII (§§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO) in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen (BSG Urteil vom 18.06.2013 – B 2 U 6/12 R – juris Rn. 15 mwN).
Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung der Krankheitsbilder. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Erst dann lässt sich anhand von gesicherten "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" i.S.d. § 9 Abs. 2 SGB VII (§ 551 Abs. 2 i. V. m. § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) nachvollziehen, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt. Solche Erkenntnisse setzen regelmäßig voraus, dass die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht kommenden Fachgebiet über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es ist nicht erforderlich, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner widerspiegeln. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (zB BSG Urteil vom 18.06.2013 – B 2 U 6/12 R – juris Rn. 17; Urteil vom 04.06.2002 – B 2 U 20/01 R – juris Rn 22; bereits auch BSG Urteil vom 23.03.1999 – B 2 U 12/98 R – juris Rn 30).
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) sind BKen grundsätzlich nur solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII (§§ 539, 540, 543 bis 545 RVO) begründenden Tätigkeit erleiden. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber das "Listensystem" als Grundprinzip des Berufskrankheitenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung festgelegt. Mit der Einführung der Wie-BK in § 551 Abs. 2 RVO durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30.04.1963 (BGBl I 1963, S. 241) wurde eine Ausnahme vom Listenprinzip nur für den Fall zugelassen, dass der Verordnungsgeber wegen der regelmäßig notwendigen mehrjährigen Intervalle zwischen den Anpassungen der BKV an die neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht rechtzeitig tätig wird (z.B. BSG Urteil vom 25.08.1994 – 2 RU 42/93 – juris Rn 20). Sinn des § 9 Abs. 2 SGB VII (§ 551 Abs. 2 RVO) ist es, ausnahmsweise vom Listensystem abweichen zu können, um solche durch die Arbeit verursachten Krankheiten wie eine BK zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der BKen aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Liste noch nicht vorhanden waren oder vom Verordnungsgeber nicht hinreichend berücksichtigt wurden (vgl. BSG Urteil vom 04.08.1981 – 5a/5 RKnU 1/80 – juris Rn 21). Die Anerkennung einer Wie-BK knüpft damit an dieselben materiellen Voraussetzungen an, die der Verordnungsgeber auch nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO) für die Aufnahme einer Erkrankung in die Liste zu beachten hat.
Die damit zur Anerkennung einer Wie-BK notwendigen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft liegen nach den im vorliegenden Rechtsstreit eingeholten medizinischen Gutachten und der (letztlich) übereinstimmend vertretenen Auffassung aller Sachverständigen nicht vor. Hinsichtlich eines solchen Zusammenhangs fehlt es an epidemiologischen Studien und statistisch relevanten Zahlen. Dabei ist im konkreten Fall zu beachten, dass es – wie insbesondere Prof. Dr. C ausgeführt hat – durchaus eine Vielzahl an Studien zu dieser Fragestellung gibt. Jedoch belegen diese Studien einen Zusammenhang weder zwischen der Exposition des E gegenüber Einzelstoffen und dem Bronchialkarzinom noch zwischen der Kumulation der verschiedenen Expositionen und dem Karzinom.
Auch Billigkeitserwägungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG enthält § 9 Abs. 2 SGB VII (§ 551 Abs. 2 RVO) keine allgemeine "Härteklausel", nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-BK anzuerkennen wäre. Dass die Anerkennung einer Wie-BK an das Vorliegen wissenschaftlich gesicherter Kausalbeziehungen anknüpft, ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BSG Urteil vom 18.06.2013 – B 2 U 6/12 R – juris Rn. 22 f.).
Den Beweisanträgen der Klägerin brauchte der Senat nicht zu folgen. Auch wenn als richtig unterstellt wird, dass Dr. F (vom Zeugen G1 bestätigt) einen Zusammenhang bejaht, würde dies nicht zur Anerkennung einer Wie-BK genügen. Eine Einzelmeinung ersetzt nach den obigen Ausführungen nicht medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse aus Studien und genügt nicht zur Annahme einer Wie-BK.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, der Klägerin sogenannte Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2014 auf die Aussichtslosigkeit der Fortführung des Rechtsstreits und die Missbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung sowie auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden. Sie hat den Rechtsstreit dennoch weiter fortgeführt. Mit diesem Verhalten handelte sie objektiv missbräuchlich. Ein missbräuchliche Rechtsverfolgung ist anzunehmen, wenn die Weiterführung des Rechtsstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. BVerfG Beschluss vom 19.12.2002 – 2 BvR 1255/02 – juris Rn. 3; Beschluss vom 03.07.1995 – 2 BvR 1379/95 – juris Rn. 10). Dies ist hier der Fall. Die Berufung der Klägerin war – wie im Verhandlungstermin vom Senat ausführlich erläutert – bei einem Beweisergebnis, das zuletzt keine ihr günstige ärztliche Stellungnahme enthielt, aussichtlos. Die – anwaltlich vertretene – Klägerin hat diese Rechtslage verstanden und dennoch an ihrem Begehren festgehalten.
Die Höhe der Kostenbeteiligung hat der Senat durch Schätzung des Kostenaufwandes für die Fortführung des Berufungsverfahrens festgesetzt. Dabei hat er berücksichtigt, dass es sich bei § 192 SGG um eine Schadensersatzregelung handelt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 192 Rn 1a und Rn 12 mwN), die bei Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung das Privileg der staatlich finanzierten Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens entfallen lässt und dazu führt, dass dieser die tatsächlichen Kosten für die Bearbeitung des Rechtsstreits zu tragen hat (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 29.02.2012 – L 29 AS 1144/11 – juris Rn 66). Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG, somit für Vefahren vor dem Landessozialgericht ein Betrag von mindestens 225,- Euro. Im Übrigen können die anfallenden Gerichtskosten geschätzt werden. Dabei sind neben den bei der Abfassung des Urteils entstehenden Kosten sämtlicher Richter und Mitarbeiter auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten zu berücksichtigen (vgl. Leitherer, a.a.O., § 192 Rn 14). Diese Kosten liegen in der Regel bei mindestens 1000,- Euro (vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 07.11.2011 – L 3 R 254/11 – juris Rn. 36; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 10.10.2011 – L 13 R 2150/10 – juris Rn. 22). Allein für das Absetzen des Urteils durch die Berichterstatterin sind mindestens vier Richterarbeitsstunden anzusetzen. Hinzu kommen die durch die Mitbefassung der Vorsitzenden und der weiteren Berufsrichterin verursachten mindestens zwei weiteren Richterarbeitsstunden. Der Wert einer Richterstunde wurde bereits 1986/1987 mit 350 bis 450 DM (dies entspricht ca. 180 bis 230 Euro) angesetzt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 10.10.2011 – L 13 R 2150/10 – juris Rn. 22 mwN). Selbst unter Berücksichtigung dieser für 1986/1987 geltenden Werte, die sich zwischenzeitlich aufgrund der allgemeinen Kostenentwicklung deutlich gesteigert haben dürften, sind somit allein für die zur Urteilsabsetzung erforderlichen Richterarbeitsstunden Kosten in Höhe von über 1000,- Euro entstanden. Die der Klägerin auferlegten Kosten in Höhe von 500,- Euro liegen damit noch deutlich unter den Kosten, die sie mit der Weiterführung des Rechtsstreits tatsächlich verursacht hat. Bei der Bestimmung der Kostenhöhe hat der Senat zugunsten der Klägerin den frühzeitigen Verlust des Ehemannes und damit dessen Einkommensbeitrag zur Haushaltsführung berücksichtigt sowie die Tatsache, dass sie selbst aus der aktenkundigen Tätigkeit als Angestellte an einer Raststätte nur über geringes eigenes Einkommen verfügen dürfte.
Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 20.01.2015
Zuletzt verändert am: 20.01.2015