Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.11.2019 wird zurückgewiesen. Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 225 EUR auferlegt. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die gestaffelte Kürzung seiner Übergangsleistungen.
Der am 00.00.1947 geborene Kläger arbeitete von 1961 bis Dezember 2005 als KFZ-Lackierer. Ab dem 02.01.2006 bezog er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 10.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2009 und Bescheid vom 17.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2009 lehnte es die Beklagte ab, eine Bronchialerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) der Nummern 4302/4301 und 1315 anzuerkennen und Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKVO zu gewähren. Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.10.2013 (Az.: S (36) U 37/09). Das sich hieran anschließende Berufungsverfahren (Az: L 10 U 701/13) endete am 02.11.2016 mit einem Vergleich, in dem sich die Beklagte – unter der Annahme einer konkreten Gefahr der Verschlimmerung einer vorbestehenden nicht berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankung – zu einer Prüfung verpflichtete, ob und in welchem Umfang Leistungen nach § 3 BKV zu erbringen sind.
Die Beklagte ermittelte zu den Einkommensverhältnissen des Klägers und zog Lohnunterlagen sowie den Rentenbescheid vom 01.12.2006 bei.
Mit Bescheid vom 07.09.2017 stellte die Beklagte fest, dass dem Kläger durch Unterlassen seiner früheren gefährdenden Tätigkeit eine Minderung seines Verdienstes eingetreten ist. Zum Ausgleich gewährte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 21.11.2005 bis 20.11.2010 eine Übergangsleistung, die sie so berechnete, dass im ersten Jahr nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit ein voller Ausgleich des Minderverdienstes erfolgt, im zweiten Jahr ein Ausgleich von 4/5, im dritten Jahr ein Ausgleich von 3/5, im vierten Jahr von 2/5 und im fünften Jahr noch ein Ausgleich von 1/5 des errechneten Minderverdienstes, der sich aus dem fiktiven Minderverdienst und der nun bezogenen Rente errechnete, angesetzt wurde. Hieraus ergab sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 25.826,62 EUR, den die Beklagte dem Kläger auszahlte. Hierzu führte die aus, diese Staffelung diene der schrittweisen Anpassung an die neue wirtschaftliche Lage und sei nicht ermessensmissbräuchlich. Entgegenstehende Umstände habe der Kläger nicht dargetan.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wandte sich der Kläger gegen diese Staffelung und Kürzung. Ihm sei ein vollständiger finanzieller Ausgleich seines Minderverdienstes zu gewähren, da seine sozialen Rechte nach § 2 Abs. 2 SGB I vollständig verwirklicht werden müssten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2018 wies die Beklagte den Rechtsbehelf zurück. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die geübte Verwaltungspraxis, bei dem Ausgleich eine Staffelung durch jährlichen Abzug von je einem Fünftel bei der Auszahlung rechtmäßig und widerspreche nicht dem Ausgleichsgedanken. Auch im Fall des Klägers seien keine Umstände erkennbar, die im Rahmen der Ermessenserwägungen eine andere Berechnung und Handhabung begründen könnten.
Hiergegen hat der Kläger am 23.03.2018 Klage vor dem Düsseldorf erhoben mit der Begründung, eine Kürzung nach Fünfteln sei nicht sachgerecht. Es sei nicht seine Schuld, dass er wegen der Berufskrankheit seine Tätigkeit habe aufgeben müssen. Er habe vorher gut verdient. Unterhaltspflichtige Kinder oder Schulden habe er nicht.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2018 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV ungekürzt zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 08.11.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 25.11.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.12.2019 Berufung eingelegt.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens macht er geltend, eine Kürzung widerspreche dem Schadenersatzcharakter der Übergangsleistungen, von dem die frühere BSG Rechtsprechung ausgegangen sei. Hieran habe sich sachlich nichts geändert. Vielmehr sei auch noch die Auslegungsvorschrift des § 2 Abs. 2 SGB I hinzugekommen. Deshalb seien die ersten fünf Jahre auch voll auszugleichen.
Der Kläger beantragt sinngemäß schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.11.2019 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 07.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2018 zu verurteilen, ihm im Zeitraum vom 21.11.2005 bis zum 20.11.2010 ungekürzte Übergangsleistungen in Form eines vollständigen Ausgleichs seines Minderverdienstes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Berichterstatterin hat den Kläger und die Beklagte mit Richterbrief vom 27.01.2020 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und zugleich die Verhängung von Verschuldenskosten in Höhe von 500 EUR angedroht.
Der Kläger hat sich hierzu mit Schriftsätzen seines Bevollmächtigten vom 25.02.2020, 20.03.2020, 25.03.2020 und 14.04.2020, dem noch die Kopie eines handschriftlichen Schreibens des Klägers beigefügt war, geäußert. Er macht sinngemäß geltend, eine solche Handhabung des Senats sei nicht sachgerecht. Außerdem seien die angedrohten Verschuldenskosten nicht angebracht, da er erhebliche finanzielle monatliche Belastungen habe.
Mit Schreiben vom 16.04.2020 hat die Berichterstatterin den Kläger und die Beklagte erneut angehört und erklärt, dass es bei den Hinweisen verbleibe mit der Maßgabe, dass Verschuldenskosten in Höhe des Mindestbetrages von 225 EUR angedroht werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Gerichts -und Verwaltungsakten Bezug genommen; dieser war Gegenstand der Beratung des Senats.
II.
Der Senat darf nach § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Sachverhalt ist geklärt und wirft weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten auf. Die Berufungsbegründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrages und setzt sich nicht vertieft mit der Begründung des angefochtenen Urteils auseinander. Der Kläger ist vom Sozialgericht persönlich angehört worden; vor diesem Hintergrund bedarf es keiner nochmaligen Erörterung der Sach- und Rechtslage in einer mündlichen Verhandlung.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 SGG zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid vom 07.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
Nach § 3 Abs. 2 BKV haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, dass eine Berufskrankheit entsteht, wieder auflebt oder sich verschlimmert, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistungen wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe von einem Zwölften der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt. Der Versicherte hat mit dem Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen noch keinen Anspruch auf Übergangsleistungen, sondern einen Anspruch darauf, dass der Versicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen über das Ob und ggfls. die Art, den Inhalt und die Dauer der Übergangsleistung entscheidet (BSG, Urt. 22.03.2011 – B 2 U 12/10 R -, juris RdNr 20 ff). Gemäß § 54 Abs. 2 S. 2 SGG hat der Träger der Unfallversicherung bei dieser Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechender Weise Gebrauch zu machen. Die Gesichtspunkte, von denen er bei der Ausübung seines Ermessens ausgegangen ist, müssen in der Begründung der Entscheidung erkennbar werden, § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X (BSG, Urt. vom 04.12.2001 – B 2 U 6/01 R, – juris, RdNr.14). Das BSG hat allerdings nunmehr verdeutlicht, dass die Übergangsleistungen eine präventive, zukunftsgerichtete Hilfe darstellen, die nicht zum Ausgleich eines konkreten Verdienstschadens gedacht sind und ihnen damit auch keine echte Schadensersatzfunktion zukommt (BSG, Urt. vom 22.03.2011 a.a.O. RandNr. 26).
Die Regelungen in dem angefochtenen Bescheid vom 07.09.2017, in dem die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Übergangsleistungen anerkannt hat, sind auch hinsichtlich des Beginns und der Dauer des Minderverdienstausgleiches sowie der Staffelung und der damit einhergehenden Gesamthöhe des errechneten Nachzahlungsbetrages rechtmäßig. Die Beklagte hat in diesem Bescheid und jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 22.02.2018 eine hinreichende Begründung für die Staffelung der Übergangsleistung gegeben. Dabei ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte in einer dem Zweck der Ermessensermächtigung nicht entsprechenden Weise entschieden hat. Neben der Anreizfunktion, die Tätigkeit einzustellen und sich zukünftig der Gefährdung nicht mehr auszusetzen, dienen Übergangsleistung dazu, den Versicherten bei der Festigung seiner sich nach der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit wandelnden wirtschaftlichen Situation zu unterstützen und ihm einen allmählichen Übergang auf das nun niedrigere wirtschaftliche Niveau zu verschaffen. Im Kontext diese Zielsetzung und der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstdauer von fünf Jahren ist eine auf diesen Zeitraum verteilte und rechnerisch in Bruchteilen gestaffelte Absenkung des Minderverdienstausgleiches vielmehr Ausdruck einer Ermessensausübung, die der genannten Zielsetzung der Leistungen nach § 3 BKV in der Regel Rechnung trägt (Regelermessen). Gerade die zeitliche Staffelung bietet die Möglichkeit, auch den Lebensstandard allmählich an ein niedrigeres Einkommensniveau anzupassen und stellt sich damit als naheliegende und pragmatische Lösung dar.
Der Kläger, bei dem die angesetzten Berechnungsfaktoren seines Minderverdienstes nicht in Zweifel zu ziehen sind und die von ihm auch nicht angegriffen worden sind, hat gegenüber der Beklagten vor Erlass des Bescheides auch keine Umstände aufgezeigt, welche ein Abweichen von diesem – in den Bescheiden auch erläuterten – Regelermessen geboten hätte. Dabei hat die Beklagte für den ersten Jahreszeitraum ohnehin keine Kürzung vorgenommen, sondern den Differenzbetrag zwischen dem fiktiven Nettolohn und der Erwerbsminderungsrente voll zur Auszahlung ausgewiesen (5/5), so dass für diesen Zeitraum der Vortrag des Klägers ohnehin ins Leere geht. Im Übrigen beschränkt sich sein Vorbringen auf die Darstellung der – bekannten – wirtschaftlichen Nachteile seiner Berufsaufgabe in Verkennung des Umstandes, dass aus den dargestellten Gründen finanzielle Abstriche an der Einkommensentwicklung vom Kläger hinzunehmen sind und dies deshalb nicht als ein vom Regelermessen abweichender Umstand zu würdigen ist. Dem mehrfach zitierten § 2 Abs. 2 SGB I, wonach "die nachfolgenden sozialen Rechte" bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB I bis SGB X) und bei der Ausübung des Ermessens im Sinne einer möglichst weitgehenden Verwirklichung der sozialen Rechte zu beachten sind, vermag der Senat keine Bedeutung dahingehend beizumessen, dass dem Versicherten stets eine seinen Vorstellungen entsprechende höchstmögliche finanzielle Ausgestaltung der Übergansleistungen zukommen soll.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger nach § 192 Abs. 1 S.1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dies ist im Rahmen der Anhörungsmitteilungen geschehen. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall auch missbräuchlich. Ein Missbrauch ist unter anderem dann anzunehmen, wenn die Klage oder das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und die Erhebung der Klage oder die Einlegung des Rechtsmittels von jedem Einsichtigen als völlig aussichtlos angesehen werden muss (vgl. u.a BVerfGG, Beschluss vom 19.02.2002 – 2 BvR 1255/02 -, juris Rn.3). Maßstab ist dabei nicht die subjektive Sicht des Klägers, sondern die eines verständigen Beteiligten. Ist ein Beteiligter durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist auf dessen Einsichtsfähigkeit abzustellen, für den i.ü erhöhte Anforderungen an die Einsichtsfähigkeit gelten. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich mit der Rechtsmaterie auseinandersetzt, die Rechtsprechung zu den aufgeworfenen Fragen prüft, die Erfolgsaussichten eingehend abwägt und sich entsprechend den Ergebnissen seiner Prüfung verhält (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.07.1995 – 2 BvR 1379/95-, juris Rn. 10). Die Kenntnis seiner Bevollmächtigten ist dem Kläger diesbezüglich zuzurechnen (§ 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG).
Den mit zahlreichen sozialgerichtlichen Verfahren zu diesem Themenkreis befassten Bevollmächtigten des Klägers ist sowohl die Rechtsprechung des BSG wie auch die dieser Rechtsprechung folgende Einschätzung des Senats bekannt. Die Bevollmächtigten haben sich gleichwohl in der Berufungsbegründung wie auch im Rahmen der Anhörung im Wesentlichen auf die bisherige Argumentation der von ihnen als allein maßgeblich angesehenen Schadensersatzfunktion der Übergangsleistungen beschränkt und sich nicht ansatzweise mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung und den dortigen Erwägungen auseinandergesetzt und trotz der Hinweise des Senats den Rechtsmittels fortgeführt.
Hinsichtlich der Höhe hat sich der Senat wegen der vom Kläger vorgetragenen derzeitigen eingeschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit auf eine Kostenbeteiligung in Höhe des Mindestbetrages von 225 EUR beschränkt.
Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Erstellt am: 23.06.2020
Zuletzt verändert am: 23.06.2020