Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12. Mai 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkennen muss.
Der 1949 geborene Kläger durchlief ab April 1963 erfolgreich eine dreijährige Malerlehre und war danach bis Mitte Oktober 1966 als Geselle beschäftigt. Dabei erledigte er alle üblichen Malerarbeiten, verlegte asbesthaltige Bodenbeläge und schnitt Asbestplatten zu. Im Januar/Februar 1967 arbeitete er vier Wochen als Malergeselle im Akkord und anschließend bis Ende April 1972 als Betriebsmaler für die Universitäts-Kliniken L, wo er kleinere Malerarbeiten überwiegend mit fertigen Öllacken und Holzlasuren durchführte. Danach war er – unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit – bis Anfang der 80iger Jahre überwiegend als Auslieferungs- und Kraftfahrer beschäftigt. Dabei kam er beim Reinigen von Radkästen nicht mit Asbestfasern in Kontakt, wie aus einer Stellungnahme des Dipl.-Chem. S von der Technischen Sachverständigenstelle der Beklagten, Servicebereich Berufskrankheiten, vom 10. Oktober 2006 hervorgeht. Von Mitte August 1982 bis Mitte Januar 1983 übte der Kläger seinen Lehrberuf nochmals im Betrieb seiner Ehefrau aus. Als Maler hatte er bei allen Arbeitgebern jeweils asbesthaltige Spachtelmassen (Moltofill) anzurühren, aufzutragen und abzuschleifen. Die daraus resultierende Asbestbelastung schätzte Dipl.-Chem. S in seiner Stellungnahme vom 11. November 2003 auf maximal zwei Faserjahre und errechnete am 08. August 2006 für den Umgang mit Moltofill eine Asbestexposition von 1,41 Faserjahren. In den 80iger Jahren arbeitete der Kläger als Portier, Hausmeister und Geschäftsführer eines Golf- und Tennisclubs mit dazugehörigem Kiosk. Von November 1990 bis Mitte März 1992 war er beim Industriereinigungsservice U C in M beschäftigt. Für diese Firma reinigte er drei Wochen lang Fertigungshallen der Fa. U1, die Bremsbeläge für die Automobilindustrie herstellt, und dichtete bei der E in L vier Monate Asbestabschottungen ab. Nach Angaben des Dipl.-Chem. S kam es bei der Fa. U1 zu einer Asbestexposition von 0,04 Faserjahren (= 0,06 Jahre x 0,7 Fasern/cm³) und bei der E von 1,645 Faserjahren (0,329 Jahre x 5 Fasern/cm³). Insgesamt sei der Kläger einer maximalen "Lebensarbeitszeitdosis" von 3,1 Faserjahren ausgesetzt gewesen, wobei darin die Belastung beim Verlegen und Montieren asbesthaltiger Bodenbeläge und Brandschutzplatten mitberücksichtigt sei.
Ab seinem 17. Lebensjahr rauchte der Kläger Zigaretten, wobei er seinen täglichen Nikotinkonsum auf 50 bis 60 Zigaretten steigerte. 1994 trat ein warzenförmiger Kehlkopfkrebs der linken Stimmlippe auf, der operativ behandelt wurde.
Mitte Februar 2003 beantragte der Kläger, sein Kehlkopfkrebsleiden als BK anzuerkennen, weil er als Maler mit Moltofill und Klebern umgegangen und dabei mit Asbest belastet gewesen sei. Im Feststellungsverfahren zog die Beklagte u.a. einen Befundbericht des niedergelassenen Internisten und Pneumologen Dr. N aus L vom 31. März 2003 bei, der das Kehlkopfkrebsleiden auf den Nikotinmissbrauch zurückführte. Dagegen wies die niedergelassene Allgemeinmedizinerin Dr. V aus I in ihrem Befundbericht vom 09. April 2003 auf die beruflichen Schadstoffbelastungen hin. Der niedergelassene Hals-, Nasen- und Ohrenarzt Dr. E1 aus L gelangte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 06. Juni 2003 zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einem primären Kehlkopfkrebs im Sinne der BK nach Nr. 4103 erkrankt sei. Prof. Dr. O, Direktor des Instituts für Radiologie und Nuklearmedizin der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C1 in C2, wertete Röntgen- und Computertomographieaufnahmen aus, die im März 1994 erstellt worden waren, und verneinte in seinem fachradiologischen Gutachten vom 20. August 2003 sowohl eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) als auch asbestassoziierte Beläge (Plaques) oder Verkalkungen (Kalzifikationen) des Brustfells (Pleura).
Mit Bescheid vom 16. Januar 2004 lehnte es die Beklagte daraufhin ab, eine BK nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) i.V.m. Nr. 4104 der Anlage zur BKV anzuerkennen, weil keine asbestbedingte Lungen- oder Brustfellerkrankung vorliege und die Mindestbelastungsdosis von 25 Faserjahren unterschritten worden sei. Dem widersprach der Kläger am 18. Februar 2004 und behauptete, er habe beim Bremsenhersteller U1 "zentimeterdicken" (Asbest-)Staub beseitigt. Überdies sei er bei der Asbestsanierung in den Räumen der E beteiligt gewesen. Deshalb könne die Asbestfaserjahrberechnung der Beklagten "unmöglich zutreffen". Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004, der am 03. November 2004 zur Post gegeben worden ist, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen hat der Kläger am 03. Dezember 2004 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben und geltend gemacht, seine Kehlkopfkrebserkrankung müsse "als" BK nach Nr. 4101, hilfsweise "wie" eine BK nach § 9 Abs. SGB VII anerkannt und entschädigt werden. Die Beklagte habe es versäumt zu prüfen, ob der Kehlkopfkrebs mit einer Minimalasbestose oder einer Vermehrung des Bindegewebes (Fibrose) zusammenhänge. Immerhin zeigten die Röntgenbilder Dichteranhebungen des Lungenparenchyms, eine pleuropulmonale Narbe links sowie eine kleine pleuroperikadiale Schwiele links, was für eine Minimalasbestose spreche. Das operativ entfernte Kehlkopfgewebe müsse – soweit vorhanden – auf Asbestrückstände untersucht werden. Die Faserjahrberechnung sei unvollständig, weil die Beklagte dabei nur Fasern berücksichtigt habe, die länger als 5 µm seien.
Zur Sachaufklärung hat das SG einen Befundbericht des niedergelassenen HNO-Arztes Dr. I1 aus L vom 20. Februar 2005 beigezogen und die Klage mit Urteil vom 12. Mai 2005 abgewiesen: Es lägen weder asbestassoziierte Lungenpleuraveränderungen noch eine (Minimal-)Asbestose vor, wie der Verwaltungsgutachter Prof. Dr. O überzeugend dargelegt habe. Darüber hinaus sei nicht belegt, dass der Kläger in seinem Berufsleben einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis von mindestens 25 Faserjahren ausgesetzt gewesen sei. Für den Nachweis reiche es nicht aus, die Faserjahrberechnung lediglich anzuzweifeln. Bei der Zusammenhangsfrage müsse zudem der massive Nikotinmissbrauch des Klägers berücksichtigt werden. Denn Tabakrauchen sei "ein besonders bedeutsamer und vielfach bestätigter Faktor für die Entstehung von Kehlkopfkrebs". Soweit der Kläger hilfsweise eine "Wie-BK" geltend mache, sei die Klage unzulässig, weil die Beklagte "hierüber überhaupt noch nicht entschieden" habe.
Nach Zustellung am 18. Mai 2005 hat der Kläger gegen dieses Urteil am 16. Juni 2005 Berufung eingelegt und bemängelt, dass das SG weder die tatsächliche Asbestfaserbelastung ermittelt noch medizinische Brückensymptome eruiert habe. Auch einer synkanzerogenen Wirkung verschiedener Arbeitsstoffe (Teer, Bitumen, Bleimennige) sei es nicht nachgegangen. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass er wegen seiner chronischen Bronchitis und dem Bluthochdruckleiden bei der Asbestsanierung keinen Atemschutz getragen habe. Zudem steige das relative Lungenkrebsrisiko eines Asbestwerkers vom 5fachen auf das 53fache, wenn er Nikotin konsumiere. Dieselbe Risikozunahme sei bei Kehlkopfkrebserkrankungen anzunehmen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, das Urteil des SG Köln vom 12. Mai 2005 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2004 festzustellen, dass sein Kehlkopfkrebsleiden eine BK nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV, hilfsweise nach § 9 Abs. 2 SGB VII, ist.
Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt schriftsätzlich, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Hauptgutachten des Internisten, Pneumologen, Allergologen und Schlafmediziners Prof. Dr. U2, Chefarzt der Abteilung Pneumologie der Universitätsklinik und S1 F, vom 08. Mai 2006, ein lungenfunktionsanalytisches Zusatzgutachten des Internisten, Lungen- und Bronchialheilkundlers Dr. T, Oberarzt ebd., vom 20. Januar 2006 sowie ein radiologisches Zusatzgutachten des niedergelassenen Radiologen Dr. C3 aus W vom 28. März 2006 über eine Spiral-Computertomographie der Brust beigezogen. Bei den Untersuchungen konnten asbesttypische Beläge des Brustfells (Pleuraplaques) und asbestinduzierte Lungenparenchymveränderungen weder röntgenologisch noch computertomographisch gesichert werden. Die Lungenfunktionsprüfung erbrachte Normalbefunde. Prof. Dr. U2 verneinte einen Zusammenhang zwischen dem Kehlkopfkrebsleiden und der Asbestbelastung, weil Brückensymptome, wie eine pleurale oder pulmonale Asbestose, ebenso fehlten wie die arbeitstechnischen Voraussetzungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte (Az.: 3 B 01084687-7) verwiesen. Beide Akten waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt, "ihm wegen der Folgen einer BK nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV, hilfsweise nach § 9 Abs. 2 SGB VII, Entschädigungsleistungen zu gewähren". Legt man diesen Antrag aus (§ 123 SGG), so erstrebt er die gerichtliche Feststellung, dass sein Kehlkopfkrebsleiden Folge einer BK ist. Um dieses Ziel zu erreichen, muss er die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erheben (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 SGG). Soweit er auch Entschädigungsleistungen fordert, wollte er damit ersichtlich keine Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG erheben. Denn er hat keine konkreten Leistungsansprüche geltend gemacht, und für den Erlass eines allgemein auf "Entschädigung” gerichteten Grundurteils bietet das Gesetz keine Handhabe. Die Möglichkeit der Entscheidung durch Grundurteil ist nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG auf Fälle beschränkt, in denen der Kläger eine oder mehrere ihrer Art nach feststehenden Geldleistungen begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht (BSG, Urteil vom 07. September 2004, Az: B 2 U 46/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; Urteil vom 13. Dezember 2005 Az.: B 2 U 29/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 16). Vorliegend steht jedoch nicht fest, welche Leistungen (Krankenbehandlung, Rehabilitation, Verletztengeld, Verletztenrente u.a.) der Kläger für welchen Zeitraum tatsächlich beanspruchen kann. Zudem handelt es sich bei der begehrten "Entschädigung" nur teilweise um Geldleistungen (z.B. Rentenansprüche) und im Übrigen (z.B. Rehabilitation) um Sachleistungen, die keinesfalls durch Grundurteil zugesprochen werden können (BSG, a.a.O.; BSG, Urteil vom 14. Februar 1978, Az: 7 Rar 65/76, SozR 1500 § 130 Nr. 2; Senatsurteil vom 10. Mai 2006, Az.: L 17 U 109/05; Pawlak in: Hennig, Kommentar zum SGG, § 130 Rn. 34 ff.). Angesichts dessen kann das Begehren des Klägers nicht als Leistungsklage aufgefasst werden. Nachdem die Beklagte jedwede Entschädigung schon deshalb abgelehnt hatte, weil keine BK vorliege, kann der Kläger die Grundlage der Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen. Das betrifft nicht nur den ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Gesundheitsstörung und einer BK, wie dies § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ausdrücklich vorsieht, sondern auch die Feststellung, dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, wenn der Versicherungsträger – wie hier – bereits das Vorliegen einer BK bestritten hat (BSG, Urteile vom 27. Juli 1989, Az: 2 RU 54/88, SozR 2200 § 551 Nr. 35 und vom 28. April 2004, Az: B 2 U 21/03 R). Eine solche Feststellungsklage hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (§ 123 SGG) erhoben und allein hierüber hat der Senat zu entscheiden. Dem ursprünglich weiter formulierten Antrag, "Entschädigungsleistungen zu gewähren”, kommt daneben keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, SozR 4 – 2700 § 8 Nrn. 6 und 16).
Die so verstandene Klage hat das SG zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid vom 16. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2004 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, das Kehlkopfkrebsleiden des Klägers "als" BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 4104 der Anlage zur BKV (A.) oder "wie" eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII (B.) anzuerkennen.
A.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BKen solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die Versicherte infolge einer Tätigkeit erleiden, die Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründet. Die Feststellung einer BK setzt voraus, dass der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (vgl. BSG, Urteile vom 20. Januar 1987, Az.: 2 RU 27/86, SozR 2200 § 548 Nr. 84, vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9a RVg 3/87, SozR 1500 § 128 Nr. 34 und vom 22. August 2000, Az: B 2 U 34/99 R, SozR 3- 5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, [Handkommentar], § 9 SGB VII Rn. 3; Mehrtens/ Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung [Kommentar], E § 9 SGB VII Rn. 14). Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-)ursächlich, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, a.a.O.). Die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität müssen nicht nur möglich, sondern hinreichend wahrscheinlich sein (BSG, Urteile vom 02. Februar 1978, Az.: 8 RU 66/77, SozR 2200 § 548 Nr. 38 und vom 27. Juni 2000, Az: B 2 U 29/99 R, HVBG-INFO 2000, 2811, 2814 ff.; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., E § 9 SGB VII Rn. 26). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Ursache ausscheiden (BSG SozR § 548 Nr. 38 und Urteil vom 18. Dezember 1997, Az.: 2 RU 48/96, SGb 1999, 39, 40). Die Faktoren, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, müssen die Umstände, die gegen die Kausalität sprechen, deutlich überwiegen (vgl. Schulz-Weidner, SGb 1992, 59, 64f.).
Die BK nach Nr. 4101 der Anlage zur BKV erfasst Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs – in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose), – in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder – bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren {25 x 106 [(Fasern/m³) x Jahre]}.
Das Kehlkopfkarzinom des Klägers gehört zu den Erkrankungen, wie es die BK nach Nr. 4101 grundsätzlich erfordert. Es ist jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Kläger an einer Asbeststaublungenerkrankung (I. Lungenasbestose) oder einer Erkrankung der Pleura (Brustfell) leidet, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einer Belastung mit Asbeststaub beruht (II. Pleuraasbestose). Es ist auch nicht erwiesen, dass der Kläger an seinen Arbeitsplätzen einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis von mindestes 25 Faserjahren ausgesetzt war (III.).
I.
Die Diagnose einer Asbestose basiert vor allem auf dem röntgenologischen Befund (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Abschnitt 17.6.5, S. 1093; vgl. auch Abschnitt III des zur BK 4103 herausgegebenen Merkblattes für die ärztliche Untersuchung, Bekanntmachung des BMA vom 01. Juni 1988, BArbBl. 7-8 / 1988, S. 122 abgedruckt bei Mehrtens/ Brandenburg,.a.a.O., M 4103), wobei eine diffuse Vermehrung des Bindegewebes (Fibrose) der Mittel- und Unterfelder kennzeichnend ist. Die Veränderungen weisen wabenähnliche oder grob netzförmige, unregelmäßig streifige, bandartig verflochtene oder auch maschenartige Strukturen auf. Sie nehmen in den Lungen von oben nach unten zu. Derartige röntgenologische oder computertomographische Befunde, die auf eine (Lungen-)Asbestose hinweisen, haben die Radiologen Prof. Dr. O und Dr. C3 in ihren Gutachten vom 20. August 2003 und vom 28. März 2006 einmütig verneint. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
II.
Eine Erkrankung des Brustfells (Pleura) hat der Sachverständige Prof. Dr. U2 ausgeschlossen und sich dabei auf den Röntgenbefund sowie auf die übereinstimmenden Gutachten der Radiologen Prof. Dr. O und Dr. C3 gestützt. Denn bindegewebsartige (hyaline) oder verkalkte Pleurabeläge (Plaques), wie sie für die Pleuraasbestose charakteristisch sind (Schönberger u.a., a.a.O., Abschnitt 17.6.6, S. 1096 und Merkblatt für die ärztliche Untersuchung, a.a.O.), liegen nicht vor.
III.
Der Kläger war während seines Berufslebens deutlich unterhalb des Schwellenwertes von 25 Faserjahren asbestbelastet, weil er nur einer maximalen Lebensarbeitszeitdosis von 3,1 Faserjahren ausgesetzt war. Dies hat Dipl.-Chem. S in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08. August 2006 zutreffend errechnet. Als Maler hatte der Kläger in 9,14 Jahren an jährlich 240 Arbeitstagen durchschnittlich 7,5 Minuten täglich (= 30 Stunden/Jahr) asbesthaltige Spachtelmasse anzurühren und im Durchschnitt 6 Minuten täglich (= 24 Stunden/Jahr) abzuschleifen. Diese Expositionsanteile erscheinen realistisch, zumal sie der Kläger nicht in Zweifel gezogen hat. Zu seinen Gunsten ist dabei eine relativ hohe Zahl an Arbeitstagen und der eher unwahrscheinliche Umstand berücksichtigt worden, dass er nie asbestfreie Spachtelmasse benutzt hat. Um die jeweilige Asbestexposition retrospektiv zu ermitteln, hat sich Dipl.-Chem. S an dem BK-Report "Faserjahre" (Bearbeitungsstand Oktober 2004) orientiert, der im Internet unter der Adresse "http:// www.hvbg.de/d/bia/fac/asbest info/pdf/faserjahre-04-101.pdf" allgemein zugänglich ist. Es handelt sich dabei um einen Report, der den Technischen Aufsichtsdiensten und Fachabteilungen Hilfestellung gibt, um auf möglichst einheitlicher Grundlage die Ermittlungen im BK-Verfahren durchzuführen. Bei den Konzentrationsangaben wurden jeweils Festlegungen zur sicheren Seite (d.h. im Zweifelsfall zu höheren Konzentrationen) getroffen, wobei sich die Asbestexpositionswerte in den Tabellen in Abschnitt 7 des BK-Reports auf Tätigkeiten beziehen, bei denen keine Schutzmaßnahmen getroffen wurden (Ziffer 7.1 des BK-Reports). Aus der Tabelle 7.23 des BK-Reports "Faserjahre" ist abzulesen, dass der Kläger beim Anmischen bzw. Anrühren asbesthaltiger Baustoffe (Kleber, Mörtel, Fugenmassen, Spachtel) mit maximal 2,0 Fasern/cm³ und beim Abschleifen mit maximal 10,0 Fasern/cm³ belastet wurde. Diese Höchstwerte hat Dipl.-Chem. S mit der jeweiligen Expositionsdauer multipliziert und so für den Umgang mit Moltofill eine Asbestexposition von 1,41 Faserjahren korrekt ermittelt.
Bei der Fa. U1 reinigte der Kläger 3 Wochen Fertigungshallen, die mit Asbeststaub kontaminiert waren. Dabei kam es in 0,06 Jahren zu einer Asbestexposition von 0,04 Faserjahren. Denn aus der Tabelle 7.13 des BK-Reports "Faserjahre" (Brems- und Kupplungsbeläge, industrielle Herstellung) ergibt sich, dass der Kläger bei dieser Reinigungstätigkeit 0,7 Fasern/cm³ ausgesetzt war. Bei der Abdichtung von Asbestabschottungen, die der Kläger in den Räumen der E vornahm, kam es zu einer Asbestbelastung von 5 Fasern/cm³, wie sich aus Tabelle 7.23 des BK-Reports "Faserjahre" ableiten lässt. Bei einer Expositionsdauer von 0,329 Jahren errechnet sich eine Belastung von 1,645 Faserjahren. Insgesamt ergibt sich somit eine maximale Gesamtbelastung von aufgerundet 3,1 Faserjahren, wobei darin auch das Verlegen asbesthaltiger Bodenbeläge und der gelegentliche Zuschnitt von Asbestplatten in den Anfangsjahren mitberücksichtigt ist. Beim Reinigen von Radkästen an Kraftfahrzeugen unterblieben Asbestkontakte, wie Dipl.-Chem. S in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 2006 unter Hinweis auf Ziffer 7.14 des BK-Reports "Faserjahre" (Brems- und Kupplungsbeläge in Kfz-Werkstätten) überzeugend dargelegt hat.
B.
Die Berufung ist schließlich auch erfolglos, soweit der Kläger hilfsweise die Feststellung seiner Kehlkopfkrebserkrankung als sog. "Quasi-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII geltend macht. Denn die Beklagte hat über diesen Anspruch, den der Kläger erstmals im Klageverfahren erhoben hat, bisher nicht durch Verwaltungsakt entschieden. Hierauf hat das SG zu Recht hingewiesen. Mit einer reinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG kann er das Klageziel, das er mit seinem Hilfsantrag verfolgt, nicht erreichen, weil die Entscheidung darüber, ob ein Gesundheitsschaden den Tatbestand einer Wie-BK erfüllt, durch (feststellenden) Verwaltungsakt zu treffen ist. Richtige Klageart war damit die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG. Deren Erhebung setzt jedoch zwingend die Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens voraus (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, Az: B 2 U 22/03 R; Senatsurteil vom 23. August 2006, Az.: L 17 U 255/05).
In dem angefochtenen Bescheid vom 16. Januar 2004 hat sich die Beklagte allein mit der Anerkennung des Kehlkopfkarzinoms als BK nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV befasst. Zu einer anderen Listen-BK oder zu einer Wie-BK finden sich keine Ausführungen. Die Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer BK bezieht sich stets auf eine bestimmte, genau definierte Krankheit, die der Verordnungsgeber aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII als BK bezeichnet und in der Anlage zur BKV unter einer eigenen Ordnungsnummer aufgelistet hat oder die nach § 9 Abs. 2 SGB VII im Einzelfall wie eine BK zu behandeln ist. Sie beinhaltet nicht gleichzeitig die Anerkennung oder Ablehnung anderer Listenkrankheiten oder Quasi-BKen, die bei dem Krankheitsbild des Versicherten möglicherweise ebenfalls in Betracht kommen könnten. Diese Beschränkung folgt schon daraus, dass für jede der in Frage kommenden Krankheiten eigene Voraussetzungen gelten und es gerade der Zweck des Verwaltungsverfahrens ist, das Vorliegen dieser Voraussetzungen bezogen auf das jeweilige Krankheitsbild zu prüfen (BSG, a.a.O., Senatsurteil, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 30.03.2007
Zuletzt verändert am: 30.03.2007