Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.02.2019 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G aus N beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die gegen den Bescheid vom 16.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.07.2018 gerichtete Klage, mit der der Kläger im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X die Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles begehrt, zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 115 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Nach der im Beschwerdeverfahren maßgeblichen Sach- und Rechtslage und der gebotenen summarischen Prüfung ist eine Erfolgsaussicht nicht ausgeschlossen, da weitere Ermittlungen zum Sachverhalt erforderlich sind und der Ausgang des Rechtsstreits in Abhängigkeit von dem Ergebnis der Ermittlungen somit zumindest als offen angesehen werden kann.
Die Beklagte hatte in dem bindenden, zur Überprüfung nach § 44 Abs. 1 SGB X gestellten Bescheid vom 16.01.2013 das Vorliegen eines Arbeitsunfalles und die Gewährung von Leistungen bezogen auf das Unfallereignis vom 04.12.2012 mit der Begründung abgelehnt, der Unfall habe sich im Zusammenhang mit der selbständigen und -wegen unterbliebener Beitragszahlung- auch nicht freiwillig versicherten Tätigkeit als Bauunternehmer ereignet. Sie hat insoweit auf die Gewerbeanmeldung vom 21.11.2011, den Aufnahme- und Veranlagungsbescheid vom 14.06.2012 und die Angaben des Klägers gegenüber dem Durchgangsarzt verwiesen. Der Kläger hat in seinem Überprüfungsantrag vom 16.06.2017 geltend gemacht, er habe zum Zeitpunkt des Unfalls wie auch schon in den Jahren zuvor, tatsächlich für das Bauunternehmen N GmbH in N gearbeitet und sei in dieses Unternehmen eingegliedert gewesen; die Anmeldung als Selbständiger sei nur zum Schein erfolgt, er habe in sämtlichen Angelegenheiten den Weisungen der Firma N unterlegen, die Einteilung der Baustellen und der einzelnen Arbeiten habe allein dieses Unternehmen vorgenommen. Hierfür hat er Zeugenbeweis (6 Zeugen) angeboten.
Der Kläger hat damit einen Sachverhalt vorgetragen, der zumindest die Möglichkeit eröffnet, dass sich der Unfall im Rahmen einer versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII oder zumindest als Wie- Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 SGB VII ereignet hat, somit der Bescheid vom 16.01.2013 auf einem unrichtigen Sachverhalt basieren könnte und der Überprüfungsantrag in den hier angefochtenen Bescheiden zu Unrecht abschlägig beschieden worden ist. Bereits die Beklagte hätte im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht gemäß § 20 SGB X im Hinblick auf die angebotenen Zeugen diesen Sachvortrag – ggfls. begleitet durch Ermittlungen direkt bei dem angegebenen Unternehmen N – eine entsprechende Prüfung durchführen müssen, zumal die Konstruktion und Begründung einer derartigen Scheinselbständigkeit im Baugewerbe in Gestalt von Aufträgen, die an ausländische "Subunternehmer" erteilt werden, erfahrungsgemäß häufig anzutreffen ist.
Diese Ermittlungen wird das Sozialgericht nunmehr – unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung im Kontext des § 7 SGB IV bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und ggfls. auch einer Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 SGB VII (vgl hierzu z. B. BSG, Urteil vom 14.03.2018 – B 12 KR 12/17 R- ; juris Rn 23 f m.w.N.; BSG, Urt. vom 30.06.2009 B 2 U 3/08 R – , juris Rn 19 und 23; BSG, Urteil vom 06.09.2017 B 2 U 18/17 R- , juris Rn. 11) nachzuholen haben. Der Hinweis des Sozialgerichts, etwaigen Zeugenaussagen käme im Hinblick auf die aktenkundigen Unterlagen kein wesentliches Gewicht zu, stellt eine vorweggenommene Beweiswürdigung dar, welche sich nach den Grundsätzen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verbietet; vielmehr muss sich das Gericht durch Einvernahme der Zeugen selbst einen Eindruck von der Glaubwürdigkeit und Substantiiertheit der Angaben machen und diese entsprechend im Rahmen seiner Beweiswürdigung unter Berücksichtigung des Akteninhaltes und der eigenen Angaben des Klägers bewerten (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 12. Auflage 2012, § 103 SGG, Rn 8b ff. m.w.N).
Die Rechtsverfolgung ist in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen auch nicht mutwillig.
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die im Beschwerdeverfahren nochmals überprüft worden sind, nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Nach Abzug der in § 115 Abs. 1 ZPO genannten Beträge verbleibt kein anzurechnendes Einkommen.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO bei Streitverfahren mit umfassendem Ermittlungsbedarf grundsätzlich geboten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m § 127 Abs. 4 ZPO.
Erstellt am: 27.06.2019
Zuletzt verändert am: 27.06.2019