Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.12.2011 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Verbindung mit dem Fremdrentengesetz (FRG).
Der am 00.00.1966 als Sohn russischer Eltern in U, Usbekistan, geborene Kläger reiste am 00.10.2001 gemeinsam mit seiner Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Ehefrau wurde am 12.12.2001 eine Bescheinigung nach § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) erteilt und der Kläger ab diesem Tag als Ehegatte einer Spätaussiedlerin nach § 7 Abs. 2 BVFG anerkannt. Entsprechend ist er seither gem. § 7 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StGA) in der damals geltenden Fassung Deutscher im Sinne von Art. 116 Grundgesetz (GG).
Im August 2009 beantragte der Kläger beim Landschaftsverband Rheinland (LVR), ihm und seiner Mutter, Frau S M, Hinterbliebenenleistungen nach seinem am 00.00.1939 in Usbekistan geborenen und dort am 00.01.1991 verstorbenen Vater, Herrn W T, zu gewähren. Auf einen Hinweis des LVR, dass ein Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) nicht bestehe, ggf. aber – sofern der Tod auf einem Arbeitsunfall beruhe – ein Anspruch auf Unfallleistungen in Betracht komme, stellte der Kläger am 21.08.2009 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Hinterbliebenenrente. Er übersandte u.a. den Lebenslauf bzw. Angaben zu seinem Vater, dessen Geburts- und Sterbeurkunde (Todesursache: akuter Herzgefäßparoxysmus, ischämische Herzkrankheit), seine eigene Geburtsurkunde sowie eine Kopie seines Staatsangehörigkeitsausweises und eine Bescheinigung des Standesamtes Berlin vom 28.03.2002 über die Namensbestimmung seiner Familie. Weiter teilte er mit, dass seine Mutter bei einem Verkehrsunfall am 14.10.2009 schwer verletzt worden sei.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen nach dem FRG mit Bescheid vom 06.05.2010 ab. Ansprüche bestünden weder für den Kläger noch für seine Mutter. Grund hierfür sei zum einen, dass beide nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen nach § 1 FRG gehörten. Auch sei der Vater nicht an den Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben, sondern Todesursache vielmehr ein Herzinfarkt gewesen, den er auf der Betriebsstätte erlitten habe. Ein Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit lasse sich weder glaubhaft noch wahrscheinlich machen. Schließlich erfülle der Kläger die konkreten Voraussetzungen für die Gewährung einer Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Waisenrente werde gem. § 67 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gewährt; er sei zum Zeitpunkt der Antragstellung jedoch bereits 42 Jahre alt gewesen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 11.05.2010 Widerspruch ein. Er führte unter Vorlage verschiedener Bescheinigungen u.a. an, dass seine 1936 geborene Mutter ihren Wohnsitz in U habe, wo sich die deutsche Botschaft befinde. Die verstorbenen Eltern seiner Mutter, Herr J M und Frau B M, seien Vertriebene i. S. d. §§ 1, 2 BGFV, § 20 WGSVG sowie Kriegsgeschädigte. Herr J M habe seinen Wohnsitz einmal am 31.12.1937 im Vertreibungsgebiet (Kreis Saratow / Deutsche Republik Sowjetunion) gehabt, dieses Gebiet aus Verfolgungsgründen 1932/1933 verlassen und sich dann unter Bekennung zum deutschen Volkstum in U aufgehalten. 1941 sei er zum Kampf gegen den Faschismus als Soldat eingezogen und 1944/1945 während des militärischen Dienstes in Deutschland verletzt worden. Trotz Impfung sei er 1948 in U an einer Tuberkulose verstorben. Seine Großmutter sei dann mit ihren Kindern, u.a. seiner Mutter, von 1941 bis 1947 ins Vertreibungsgebiet im Kreis Saratow geflohen. 1965 habe seine Mutter Herrn W T, seinen Vater, geheiratet und sei 1968 geschieden worden. Im Zeitpunkt des Todes des Vaters im Januar 1991 sei er selbst wehrdiensttätig gewesen und von diesem unterhalten worden. Die Mutter erhalte in U derzeit eine kleine Rente und werde im Übrigen von ihm und seiner Frau, N C, finanziell unterstützt. Seit dem Verkehrsunfall vom 14.10.2009 erhalte sie eine Erwerbsminderungsrente.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 zurück. Herr W T sei keine anspruchsberechtigte Person nach § 1 FRG. Bei dem Kläger und seiner Mutter handele es sich zwar um Hinterbliebene gem. § 1e FRG. Eine Anspruchsberechtigung ergebe sich hieraus jedoch nicht, da Herr W T keine in § 1a-e FRG genannte Person darstelle. Ungeachtet dessen sei dieser auch nicht an den Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben und der Kläger gem. § 67 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII aus Altersgründen von einer Rentenzahlung ausgeschlossen.
Der Kläger hat am 23.08.2010 durch seinen damaligen Bevollmächtigten Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und Hinterbliebenenleistungen für sich sowie die Verzinsung der zu gewährenden Leistung mit 4 % begehrt. Er sei deutscher Staatsangehöriger und berechtigte Person nach § 16 FRG. Von 1983 bis 2001 sei er als Berufssoldat und Beamter bei der Feuerwehrverwaltung (Dienststudium bei der Feuerwehr-Ingenieurschule in U mit Besoldung von 09/87 bis 07/91) tätig gewesen. Wegen der Wehrdiensttätigkeit bzw. des Dienststudiums habe er im Zeitpunkt des Todes seines Vaters 1991 die Wartezeit i. S. d. § 305 SGB VI erfüllt und entsprechend Anspruch auf Waisenrente gem. § 307 a SGB VI, Art. 79 a VO 1408/71 i.V.m. 883/2004. Im Oktober 2001 sei seine Beamtentätigkeit aus familiären Gründen (Umsiedlung in die BRD) unterbrochen worden. Aus der Vertrauensschutzregelung des § 14a FRG lasse sich ebenfalls ein Anspruch auf Anerkennung der Zeit nach dem FRG und Hinterbliebenenrente herleiten, da er vor dem 01.01.2002 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD genommen habe.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 05.12.2011 abgewiesen und zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid vom 06.05.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 Bezug genommen.
Gegen den ihm am 14.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.01.2012 Berufung eingelegt und sein Vorbringen im Wesentlichen wiederholt. Es müsse insbesondere die Verfolgung seiner Großeltern und seiner Mutter berücksichtigt werden und auch die Tatsache, dass sein Vater nicht zuhause, sondern am Arbeitsplatz gestorben und seine Mutter durch einen Unfall 2009 schwer verletzt worden sei. Abkommen mit dem Land Usbekistan fänden aus Gründen des Vertrauensschutzes auch nach dem 31.12.1992 Anwendung, wie sich aus einem Schreiben der Deutschen Rentenversicherung in einer vor dem Sozialgericht Düsseldorf geführten rentenrechtlichen Streitsache seiner Mutter, S M (Az.: S 52 R 642/10), ergebe. Es laufe auch ein Verfahren vor dem 13. Senat des Landessozialgerichts zur Opferentschädigung. Seiner Auffassung nach wäre es sachdienlich, die verschiedenen Verfahren zu verbinden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.12.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 06.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2010 zu verurteilen, ihm Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach seinem am 05.01.1991 verstorbenen Vater, Herrn W T, zu zahlen sowie diese mit 4 % zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Vorbringens des Klägers im Einzelnen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie den Inhalt der Vorprozessakten S 12 R 187/07 – L 14 R 133/11 (Streitverfahren um die Feststellung von Versicherungszeiten nach dem FRG) verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Streitgegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens sind entsprechend des – vom damaligen Bevollmächtigten des Klägers, Rechtsanwalt Bonn – gestellten Klageantrags (allein) Hinterbliebenenleistungen an den Kläger aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine – vom Kläger gewünschte – Verbindung dieses Verfahrens mit seinem Begehren auf Zahlung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. dem Opferentschädigungsgesetz war bzw. ist nicht möglich, da für die jeweiligen Leistungen unterschiedliche Leistungsträger zuständig sind.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 06.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2010 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen in Form einer hier allein in Betracht kommenden Halbwaisenrente gem. § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nach seinem 1991 verstorbenen Vater, Herrn W T. Ungeachtet der – von der Beklagten und dem Sozialgericht für den Kläger schon grundsätzlich verneinten Anspruchsvoraussetzungen nach dem FRG bzw. des Kausalzusammenhangs zwischen betrieblicher Tätigkeit und Tod – scheitert ein eventueller Anspruch bereits an der Altersgrenze des § 67 Abs. 3 SGB VII. Nach der anspruchseinschränkenden Vorschrift des § 67 Abs. 3 S. 1 SGB VII wird Halb- oder Vollwaisenrente gezahlt
1. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres,
2. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise
a) sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet oder
b) sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstabens c liegt, oder
c) ein freiwilliges soziales oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes oder einen Dienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz leistet oder
d) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
In den Fällen des § 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Buchstabe a SGB VII erhöht sich die maßgebende Altersgrenze bei Unterbrechung oder Verzögerung der Schulausbildung oder Berufsausbildung durch den gesetzlichen Wehrdienst, Zivildienst oder einen gleichgestellten Dienst um die Zeit dieser Dienstleistung, höchstens um einen der Dauer des gesetzlichen Grundwehrdienstes oder Zivildienstes entsprechenden Zeitraum (§ 67 Abs. 4 SGB VII).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Altersgrenze erreicht wird, ist bei Ansprüchen auf Waisenrente grundsätzlich der Todestag des Versicherten, da etwaige Leistungen gem. § 72 Abs. 2 S. 1 SGB VII von diesem Tag an gezahlt werden, eine Antragstellung somit nicht konstitutiv für den Anspruch ist. Finden die Regelungen des SGB VII jedoch (nur) über das FRG Anwendung, ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Tag der Übersiedlung in die Bundesrepublik. Dies folgt daraus, dass die Gewährung jeglicher unfallversicherungsrechtlicher Leistungen gem. § 12 Abs. 1 S. 1 FRG ruht, solange sich der Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs des FRG, d.h. außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, aufhält. Ruhen i.S. dieser Vorschrift bedeutet dabei, dass ein materiellrechtlich bestehender Anspruch formal nicht geltend gemacht werden kann (Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, Fremdrentengesetz, 22. Lfg., § 12 Anm. 3 iVm § 11 Anm. 6). Da der dem FRG zugrungeliegende Grundsatz der Eingliederung und Gleichstellung nur während des gewöhnlichen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes greifen kann, sind Leistungen (aus der Zeit des Ruhens) auch dann nicht nachzuzahlen, wenn der Berechtigte später in die Bundesrepublik übersiedelt (Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, a.a.O., § 12 Anm. 2). Maßgeblich für die Auszahlung von Leistungen ab Wohnsitznahme in der Bundesrepublik und damit nach Beendigung des Ruhens gem. § 12 Abs. 1 FRG ist, dass sämtliche Anspruchsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Übersiedlung (weiter) vorliegen.
Bei seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik im Oktober 2001 war der Kläger bereits 35 Jahre alt und hat damit (anspruchsausschließend) die Altersgrenze des § 67 Abs. 3 SGB VII überschritten. Einer der in § 67 Abs. 4 SGB VII genannten Ausnahmetatbestände lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Insbesondere weist der Senat darauf hin, dass die in Usbekistan bei der Feuerwehr bis 2001 verrichtete Dienstzeit keine gesetzliche Wehrdienstzeit im Sinne des in dieser Vorschrift u.a. genannten Grundwehrdienstes ist und ein etwaiger Leistungsanspruch des Klägers im Übrigen spätestens mit Beendigung dieser Dienstzeit 2001 vor der Übersiedlung in die Bundesrepublik geendet hätte.
Soweit der Kläger im Streitverfahren eine Leistungsberechtigung nach dem FRG auf die Herkunft bzw. den Lebensweg seiner Vorfahren stützen will, ist dies für den Leistungsausschluss gem. § 67 Abs. 3 SGB VII ohne Relevanz. Die von ihm angenommene Erfüllung einer Wartezeit bzw. der Weitergeltung von (rentenrechtlichen) Abkommen mit dem Land Usbekistan ist für etwaige – hier im Verfahren allein streitige – Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich. Ein Streitverfahren um die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist vom Kläger zudem bereits (erfolglos) gegen die Deutsche Rentenversicherung Rheinland geführt worden (Urteil des SG Düsseldorf vom 13.10.2010 – S 39 R 47/10 bzw. Urteil des LSG NRW vom 13.09.2013 – L 14 R 133/11).
Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Zinsen besteht mangels eines Anspruchs auf die in der Hauptsache begehrten Leistungen nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 15.01.2015
Zuletzt verändert am: 15.01.2015