Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01. Dezember 1997 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der 1927 geborene, in Polen wohnhafte Kläger begehrt Versorgungsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Im März 1989 beantragte er erstmals bei dem Beklagten Versorgung und gab an, ab Mai 1943 Frontarbeiter in der Organisation Todt gewesen zu sein. Bei einem Einsatz in Finnland sei er im Herbst 1944 bei einer Bombardierung am Kopf verwundet worden. Seit dieser Zeit habe er Kopfschmerzen, leide an einer Verletzung des rechten Auges, an einem Nerven- sowie an einem Magenleiden und könne auf dem rechten Ohr schlechter hören. Zudem habe die schwere Arbeit während seiner Dienstzeit in der Organisation Todt zu einer Wirbelsäulenverbiegung geführt.
Der Kläger übersandte seine Ersatzkarte für das Dienstbuch der Organisation Todt, in der sein Einsatz in Finnland ab 17.07.1943 vermerkt ist, sowie schriftliche Erklärungen des T. und des C. Darin geben diese an, sie seien zusammen mit dem Kläger bei der Organisation Todt in Finnland und anschließend in Norwegen eingesetzt worden. In der zweiten Hälfte des Jahres 1944 sei ihr Lager bombardiert worden; der Kläger habe dabei durch herabfallendes Gebälk eine Kopfverletzung erlitten. Er sei einen Monat im Krankenhaus behandelt worden; nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe er über Kopfschmerzen, Gedächtnisstörungen und eine Sehverschlechterung sowie über eine Neurose (so der Zeuge C) geklagt.
Ferner legte der Kläger Bescheinigungen der Gesundheitsfürsorge Lebork vor, nach denen er an einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung, einer Sehbehinderung des rechten Auges, einer Hypertonia arterialis, einer Osteoarthrosis universalis und an einem Morbus coronarius chronica leidet.
Der Beklagte zog aus Polen die Unterlagen der Sozialversicherungsanstalt – Auslandsrentenbüro – bei und veranlaßte eine chirurgisch-orthopädische und eine augenfachärztliche Untersuchung des Klägers in Polen. Nach Auswertung dieser Unterlagen gelangte der Augenarzt Dr. D. zu dem Schluß, daß bei dem Kläger ein grauer Star vorliege, der nicht traumatischen Ursprungs sei. In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme führte Dr. O. ergänzend aus, daß chirurgischerseits keine Folgen der angegebenen Kopfverletzung beständen.
Der Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Klägers durch Bescheid vom 25.02.1991 und am 20.10.1991 zugestelltem Widerspruchs bescheid vom 02.09.1991 mit der Begründung ab, daß bei dem Kläger keine auf Schädigungen im Sinne des BVG zurückzuführenden Gesundheitsstörungen vorlägen.
Mit seiner Klage vom 06.01.1992 hat der Kläger sein Vorbringen vertieft, Unterlagen über ärztliche Behandlungen seit April 1986 vorgelegt und u.a. vorgetragen, daß es ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, zu einer ärztlichen Untersuchung in die Bundesrepublik Deutschland zu reisen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom
25.02.1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.09.1991 zu verurteilen, ihm Beschädigtenteilversorgung nach den Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht (SG) Münster hat den Kläger in Polen allgemein medizinisch, psychiatrisch, neurologisch, augenärztlich und HNO- ärztlich untersuchen lassen und sodann Gutachten nach Aktenlage von der Internistin und Sozialmedizinerin Dr. L. (24.02.1997) und von dem Augenarzt Dr. G. (18.08.1997) eingeholt. Dr. G. hat ebenso wie Dr. L. ausgeführt, daß die Herabsetzung der Sehschärfe am rechten Auge des Klägers Folge einer schädigungsunabhängigen, zumindest schon 1942 bestehenden Innenschielstellung dieses Auges sei. Die Röntgen- und Computeraufnahmen gäben keine Hinweise für eine traumatische Schädigung des Gehirns. Die Sachverständige Dr. L. hat einen Zusammenhang zwischen den bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen (wiederkehrende Nasennebenhöhlenentzündungen; altersentsprechende beidseitige Hörminderung; arterielle Hypertonie mit Augenhintergrundveränderungen I°; 1987 erstmalig beschriebene coronare Herzerkrankung; Zustand nach Magenteilresektion 12/1997 mit wiederkehrenden Anastomosengeschwüren und Zustand nach intestinaler Blutung 1986; 1987 beschriebene Osteoarthrose; Gefügestörung im Halswirbelsäulen-Bereich mit degenerativen Veränderungen; Prostataadenom, 1992 beschrieben; Unterschenkelvarikose; 1995 neurologisch-psychiatrisch festgestellter abstumpfender psycho-organischer Symptomenkomplex und Sprachstörungen vom Typ des Stotterns) und schädigenden Einflüssen während des Krieges verneint.
Das SG hat die Klage daraufhin mit Urteil vom 01.12.1997 abgewiesen; bei dem Kläger lägen keine Gesundheitsstörungen vor, die ur sächlich auf seinen Einsatz in der Organisation Todt zurückzuführen seien.
Gegen das am 19.01.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.02.1998 Berufung eingelegt und insbesondere der Beurteilung widersprochen, er habe bereits vor der Verwundung im Jahr 1944 an einem Augenfehler gelitten. Ein solcher Fehler wäre schon bei seiner Einstellungsuntersuchung bemerkt worden. Im übrigen seien die Aussagen der beiden Augenzeugen zu wenig berücksichtigt worden.
Seit 1945 bestünden Augenkrankheit, Neurose, Magen- und Leberleiden, Krampfadern, Kopfschmerzen, von Zeit zu Zeit auftretender Gedächtnisschwund, Gleichgewichtsstörungen sowie Knochenschmerzen, insbesondere der Wirbelsäule. Weitere medizinische Unterlagen könne er nicht vorlegen.
Der Kläger beantragt sinngemäß schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.12.1997 abzuändern und nach seinem erstinstanzlichen Klageantrag zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, daß beabsichtigt sei, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verfahren und durch Beschluss zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
Das Berufungsgericht hat durch Beschluss über die Berufung des Klägers entscheiden und diese zurückweisen können, weil sie nach der Beurteilung aller beteiligten Richter unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist; die Beteiligten sind angehört worden, § 153 Abs. 4 SGG.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das SG Münster hat die Klage zu Recht und mit überzeugender Begründung abgewiesen, weil der Kläger durch den Bescheid vom 25.02.1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.09.1991 nicht beschwert ist, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem BVG. Die erforderlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung von Teilversorgung lassen sich unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers und des Ergebnisses der Ermittlungen nicht feststellen, § 64 Abs. l Satz 1, § 64 e Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 BVG. Es fehlt bereits an den Grundvoraussetzungen für einen Versorgungsanspruch, die bei der Auslandsversorgung ebenso wie bei der Inlandsversorgung erfüllt sein müssen.
Gemäß § 1 Abs. 1 BVG wird auf Antrag Versorgung wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schädigung gewährt, die durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während des militärischen oder militärähnlichen Dienstes herbeigeführt worden ist. Der Versorgungsanspruch setzt voraus, daß durch schädigende Einwirkungen eine gesundheitliche (Primär-) Schädigung eingetreten ist und daß Gesundheitsstörungen vorliegen, die als Folgen dieser Schädigung zu beurteilen sind. Militärischer bzw. militärähnlicher Dienst, schädigende Einwirkungen, (Primär-) Schädigung und Schädigungsfolgen müssen mit an Sicherheit grenzender, ernste vernünftige Zweifel ausschließen der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein (vgl. Urteil des BSG vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84 = BSGE 60, 58, 59 ff = SozR 3850 § 51 Nr. 9). Lediglich für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhanges zwischen (Primär-) Schädigung und Schädigungsfolgen genügt Wahrscheinlichkeit, § l Abs. 3 Satz 1 BVG.
Davon ausgehend hat das SG die Klage mit zutreffender Urteilsbegründung, auf die nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, abgewiesen: bei dem Kläger sind keine Schädigungsfolgen festzustellen.
Ergänzend ist auszuführen: Auch der Senat ist davon überzeugt, daß der Kläger ab 1943 Dienst bei der Organisation Todt, damit militärähnlichen Dienst (§ 3 Abs. 1 Buchst. m), geleistet hat und bei einer Bombardierung im Herbst 1944 verletzt worden ist. Es läßt sich aber schon nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit fest stellen, welche konkrete (Primär-) Schädigung der Kläger dabei er litten hat; eine Beurteilung des Kausalzusammenhangs mit den nun mehr bestehenden Gesundheitsstörungen ist damit nicht möglich.
Der Kläger gibt lediglich eine Kopfverletzung an, die auch in dieser Form von T. und C. bestätigt wird. Art, Schwere und Ausmaß der Verletzung können beide aber – wie in der Regel alle medizinischen Laien – nicht beschreiben, so daß die erforderliche sichere Feststellung der konkreten Schädigung unmöglich ist. Unterlagen, die eine konkrete Schädigung belegen, konnten nicht aufgefunden werden. Ebenso existieren keine Unterlagen mehr über ärztliche Behandlungen des Klägers in den Jahren nach Beendigung des zweiten Weltkrieges, die ggf. einen Rückschluß auf die konkrete Schädigung ermöglichen könnten. Einen solchen Rückschluß lassen auch die vorliegenden Befundunterlagen, in denen über ärztliche Behandlungen erst ab 1986 berichtet wird, nicht zu. Vielmehr spricht nach diesen Unterlagen und dem Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen alles dafür, daß der Kläger 1944 keine Verletzung mit Dauerfolgen erlitten hat und daß die nunmehr bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen schädigungsunabhängig entstanden sind. Insbesondere der Umstand, daß weder die Röntgen aufnahmen des Kopfes des Klägers noch das Computertomogramm vom 02.11.1993 Hinweise auf eine traumatische Schädigung des Gehirns geben, belegt entscheidend, daß die Kopfverletzung im Jahre 1944 keine bleibenden organischen Folgen hinterlassen hat. Dementsprechend konnten auch bei keiner Untersuchung des Klägers äußere Verletzungszeichen gefunden werden (Gutachten vom 25.07.1990, 15.07.1990, 26.10.1994).
Insbesondere das Fehlen von augenärztlichen Befunden aus der Zeit unmittelbar nach dem Unfall im Jahre 1944 und den folgenden, mehr als 40 Jahren führt dazu, daß auch die nunmehr bestehende hochgradige Einschränkung der Sehfähigkeit des rechten Auges nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen ist. Ausschließlich bei Kenntnis der konkreten (Primär-) Schädigung ist eine ausreichend gesicherte Beurteilung des Zusammenhangs mit den nunmehr vorliegenden Gesundheitsstörungen möglich. Ohne diese Kenntnis besteht für die rückblickende medizinische Beurteilung, zumindest wenn die erhobenen Befunde – wie vorliegend – nicht zu einem nahezu zwingenden Rückschluß auf die Primärschädigung führen, keine ausreichende Grund lage. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die eingeholten medizinischen Bewertungen. Dr. D. sieht als Ursache für die Sehschärfenminderung einen grauen Star. Dr. R. geht hingegen aufgrund der Angaben des Klägers und der von ihm festgestellten Veränderungen und Narben der Netzhaut von einer schädigungsbedingten Gesundheitsstörung aus (Gutachten vom 07.10.1994). Dr. G. und Dr. L. führen die Veränderungen und Narben der Netzhaut demgegenüber auf einen Bluthochdruck und chronische Entzündungszustände zurück und beurteilen die Herabsetzung der Sehschärfe des rechten Auges als eindeutige Folge einer Innenschielstellung.
Für eine schädigungsbedingte Verletzung der Wirbelsäule besteht kein Anhalt. Die vorhandenen degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule sind auch nicht auf von dem Kläger angeführte schwere körperliche Arbeiten während seines ca. zweijährigen Einsatzes in der Organisation Todt zurückzuführen. Scheidet wie vorliegend nämlich ein Unfall als Ursache für Wirbelsäulenverändrungen aus, können diese nur als Schädigungsfolge anerkannt werden, wenn sie im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit (BK) anerkannt sind und die dort genannten Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen (BSG SozR 3 – 3200 Nrn. 3, 8 und 9 zu § 81 SVG; Urteil vom 10.11.1993, Az. 9/9a RV 41/92 = Breithaupt 1994, 592). Danach kommt eine Anerkennung schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nicht einmal annähernd den geforderten langjährigen Belastungen ausgesetzt war (BK 2108 bzw. 2109 = etwa bzw. mindestens 10jährige Belastung).
Inwieweit die sonstigen Leiden des Klägers, die nach den vorliegenden Unterlagen erstmals 1977 (Magenleiden) und später aufgetreten sind, mit dem Unfall von 1944 oder dem Dienst in der Organisation Todt in Zusammenhang stehen könnten, vermag der Senat mit der Sachverständigen Dr. L. nicht einmal im Ansatz zu erkennen.
Der Senat sieht auch weder Anlaß noch Möglichkeit, den entscheidungserheblichen Sachverhalt weiter aufzuklären. Die vorliegenden medizinischen Befunde lassen keinen Rückschluß darauf zu, daß bei dem Kläger Schädigungsfolgen bestehen. Eine Untersuchung und Begutachtung des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland scheidet zudem aus; denn der Kläger hat erklärt, daß diese ihm nicht möglich sei (vgl. BSG SozR 3-1500 § 128 Nr. 6; BSG Meso B 40/46; BSG SuP 1992, 241, 242).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlaß, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Erstellt am: 16.08.2003
Zuletzt verändert am: 16.08.2003