Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 23.07.2014 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Entscheidung des Sozialgerichts Köln über ihr Zeugnisverweigerungsrecht im Rechtstreit des Klägers, ihres Sohnes, um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 30.12.2009.
Der am 00.00.1990 geborene Kläger wohnte im streitbefangenen Zeitraum in einem Haus, dessen Eigentümer die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann sind. In dem Haus wohnten im gleichen Zeitraum die Beschwerdeführerin, ihr Ehemann sowie deren gemeinsame Kinder, die Halbgeschwister des Klägers.
Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich: Beklagter) lehnte durch Bescheide vom 07.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2011, vom 05.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2011, vom 02.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2011 und mit Bescheid vom 02.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2011 die Anträge des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2009 ab. Der Kläger sei nicht hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs. 2 SGB II, da das Einkommen seines Stiefvaters seinen Bedarf decke.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Er hat u.a. geltend gemacht, dass er keine Auskünfte zu den Einkommensverhältnissen der Beschwerdeführerin, seines Stiefvaters und seiner beiden Halbgeschwister im streitbefangenen Zeitraum machen könne.
Das Sozialgericht hat die Beschwerdeführerin zum Erörterungstermin am 10.07.2014 geladen unter Benennung folgenden Beweisthemas:
"Einkünfte der Zeugin sowie Kosten der Unterkunft und Heizung (Miete Betriebs-/Heizkosten bzw. Schuldzinsen, Betriebskosten, Grundsteuer etc.) in der Zeit vom 01.01.2008 bis zum 30.11.2009"
Mit Schreiben vom 25.06.2014 hat die Beschwerdeführerin angekündigt, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Im Erörterungstermin hat die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf dieses Schreiben erklärt, sie werde nicht aussagen.
Durch Beschluss vom 23.07.2014 hat das Sozialgericht festgestellt, dass die Beschwerdeführerin wegen der im Schriftsatz vom 25.06.2014 vorgebrachten Gründe nicht zur Zeugnisverweigerung hinsichtlich ihrer Einkünfte sowie der Kosten für Unterkunft und Heizung (Miete Betriebs-/Heizkosten bzw. Schuldzinsen, Betriebskosten, Grundsteuer etc.) in der Zeit vom 01.01.2008 bis zum 30.11.2009 berechtigt ist. Der Beschwerdeführerin stehe aufgrund der Vorschrift des § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Der Zusammenhang zwischen den Einkünften der Zeugin und den nach den Regeln des SGB II zu bestimmenden Einkommensverhältnissen des Klägers beruhe allein auf dem bestehenden Verwandtschaftsverhältnis. Daher bezögen sich die begehrten Auskünfte auf Tatsachen, die durch das Familienverhältnis bedingte Vermögensangelegenheiten i.S.d. § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO betreffen.
Gegen den am 16.07.2014 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 12.08.2014 Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig.
Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Berufung auf Zeugnisverweigerungsrecht ergeht nach § 118 Abs. 1 S. 2 SGG durch Beschluss. Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde nach § 172 Abs. 1 SGG zulässig (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 01.12.2010 – L 19 AS 1094/10 B m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 118 Rn 10g ; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11.Aufl., § 172 Rn 3; Kühl in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. § 118 Rn. 11).
Die Beschwerdeführerin ist beschwerdebefugt, da sie sich gegen Verneinung ihres Zeugnisverweigerungsrechts durch das Sozialgericht wendet. Ihre Beschwerde wahrt die Monatsfrist ab Zustellung des Beschlusses aus § 173 S. 1 SGG.
Jedoch ist Beschwerde unbegründet.
Nach § 118 Abs. 1 S. 1 SGG sind auf die Beweisaufnahme nach dem SGG die §§ 358 – 363, 365 – 378, 380 – 386, 387 Abs. 1 und 2, § 388-390, 392-44, 478-484 ZPO entsprechend anzuwenden.
Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Beschwerdeführerin kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Grundsätzlich ist jeder verpflichtet, vor Gericht als Zeuge auszusagen, es sei denn, das Gesetz räumt ihm ausdrücklich ein Recht ein, die Aussage zu verweigern. In Betracht kommt im vorliegenden Fall nur ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, nach dem eine Mutter eines Beteiligten als Verwandte berechtigt ist, die Aussage zu verweigern. Jedoch besteht trotz des grundsätzlichen Zeugnisverweigerungsrechts im vorliegenden Fall eine Zeugnispflicht der Beschwerdeführerin nach § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Danach darf ein Zeuge das Zeugnis hinsichtlich solcher Tatsachen nicht verweigern, welche die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen. Das Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dient zur Vermeidung einer Konfliktsituation innerhalb der Familie. Der Gesetzgeber hat diesen möglichen Konflikt in dem in § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aufgeführten Fall im Interesse der Rechtspflege an der Wahrheitsfindung als nicht schützenswert angesehen und den Bedürfnissen der Aufklärung wegen des mutmaßlichen Mangels anderer Beweismittel den Vorrang eingeräumt (vgl. hierzu bereits RG Urteil vom 11.12.1902, RGZ 40, 345 (347); OLG München Beschluss vom 27.08.2013 – 2 W 1354/13 m.w.N.; OLG Stuttgart Beschluss vom 19.11.2012 – 11 W 4/12; LSG Berlin Beschluss vom 09.08.1995 – L 8 J 45/92, Breithaupt 1996, 449). Familiäre Vermögensangelegenheiten sind solche, die mit der Beweistatsache in einem durch den Familienverband bedingten unmittelbaren Zusammenhang stehen (OLG München Beschluss vom 27.08.2013 – 2 W 1354/13 m.w.N.; OLG Stuttgart Beschluss vom 19.11.2012 – 11 W 4/12). Unter § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO fallen nicht Geschehnisse, die durch das Familienverhältnis nicht bedingt sind und daher auch von einem beliebigen Dritten wahrgenommen werden können (vgl. hierzu OLG Karlsruhe Urteil vom 16.03.1989 – 2 UF 76/88). Für die Anwendung des § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist nicht Voraussetzung, dass sämtliche Beteiligte des Rechtstreits nahe Angehörige sind (vgl. hierzu OLG München Beschluss vom 27.08.2013 – 2 W 1354/13 m.w.N.; OLG Stuttgart Beschluss vom 19.11.2012 – 11 W 4/12; OLG Karlsruhe Urteil vom 16.03.1989 – 2 UF 76/88; LSG Berlin Beschluss vom 09.08.1995 – L 8 J 45/92, a.a.O.; LSG Hessen Beschluss vom 15.01.1975 – L 5 B 16/73).
Bei dem Einkommen sowie den Kosten für Unterkunft und Heizung von Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 2, 4 SGB II handelt es sich um durch ein Familienverhältnis bedingte Vermögensangelegenheiten i.S.v. § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG; vgl. auch Beschluss des Senats vom 01.12.2010 – L 19 AS 1094/10B zur Zeugnispflicht von Verwandten oder Verschwägerten im Fall der Vermutungsregelung des § 9 Abs. 5 SGB II). Die Einbeziehung eines volljährigen Kindes, vorliegend des Klägers, in die Bedarfsgemeinschaft seines leiblichen Elternteils und dessen Ehepartners beruht auf dem Familienverhältnis (vgl. hierzu BSG Urteil vom 14.03.2012 – B 14 AS 17/11 R). Der Zusammenhang zwischen den Einkünften der Beschwerdeführerin und den von ihr und ihrem Ehemann zu tragenden Kosten für das selbstgenutzte Haus und den nach den Regeln des SGB II zu bestimmenden Bedarf des Klägers (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs. 2 S. 2 SGB II) ist damit Folge des Familienverhältnisses und betrifft eine hierdurch bedingte Vermögensangelegenheit.
Soweit die Beschwerdeführerin zur Begründung der Beschwerde geltend macht, sie habe dem Kläger nur in geringem Umfang versorgt, Wohnraum habe der Kläger angemietet und an weitere Details könne sie sich nicht erinnern, ist dieser Einwand für die Frage, ob ihr ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, unerheblich.
Sämtliche mit der Ermittlung des Bedarfs eines volljährigen Kindes nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs. 2 S. 2 SGB II zusammenhängenden Beweistatsachen stehen in einem durch den Familienverband bedingten unmittelbaren Zusammenhang. Hierzu zählen auch die Beweistatsachen, die die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, die Voraussetzung für eine Einkommensanrechnung nach § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II ist, begründen können. Es obliegt der Beurteilung eines Gerichts, ob es das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II als erwiesen ansieht. Der nach § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auskunftspflichtige Zeuge kann im Rahmen seiner Vernehmung die Tatsachen bekunden, die nach seiner Auffassung gegen das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft sprechen. Gleiches gilt für die Einkommensverhältnisse und die Anrechnung von Einkommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundesozialgericht anfechtbar( § 177 SGG).
Erstellt am: 12.11.2014
Zuletzt verändert am: 12.11.2014