Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 03.11.2008 abgeändert. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird in vollem Umfang abgelehnt. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 03.11.2008 ist zulässig und begründet.
1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
2. Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
a) Der Antragsteller hat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
aa) Der Antragsteller begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Regelung des § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II sieht jedoch einen Leistungsausschluss vor für solche Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60-62 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig ist. Die Agentur für Arbeit bewilligte dem Antragsteller (mit Bescheiden vom 26.06.2007 und vom 18.11.2008) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 97 ff. SGB III für die Zeit vom 01.08.2007 bis zum 31.07.2010. Der Antragsteller absolviert in dieser Zeit eine berufliche Ausbildung bei dem Berufsbildungswerk in G. Der Antragsteller ist während dieser Ausbildung im dortigen Internat untergebracht. Die Agentur für Arbeit ordnete in ihren Bewilligungsbescheiden an, dass die Lehrgangs- und Internatskosten unmittelbar an den Maßnahmeträger überwiesen werden.
Der Antragsteller ist als schwerbehinderter Mensch damit ein Auszubildender, dessen Ausbildung im Rahmen der §§ 60-62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist. Denn gemäß § 104 Abs. 2 SGB III gelten für das Ausbildungsgeld bei einer beruflichen Ausbildung behinderter Menschen die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend und damit auch die §§ 60-62 SGB III. Die Konsequenz daraus ist, dass der Antragsteller gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von dem Leistungssystem des SGB II grundsätzlich ausgeschlossen ist.
bb) Die Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 7 SGB II für Unterkunftskosten greift bei dem Antragsteller nicht ein.
Danach erhalten Auszubildende, die Ausbildungsgeld nach dem SGB III erhalten und deren Bedarf sich nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 SGB III bemisst, einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II). Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift nicht. Denn sein Bedarf bemisst sich nicht nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 SGB III, sondern nach § 105 Abs. 1 Nr. 2 SGB III. Nach dieser Regelung wurden als Bedarf bei einer beruflichen Ausbildung – wie der Antragsteller sie absolviert – bei Unterbringung insbesondere in einem Wohnheim oder Internat monatlich grundsätzlich 93,00 EUR (jetzt: 102,00 EUR) zugrunde gelegt. Dieser Betrag wurde dem Antragsteller von der Agentur für Arbeit mit Bescheid vom 26.06.2007 monatlich auch bewilligt.
cc) Allerdings ist für diejenigen Personenkreise, die aufgrund der abschließenden Regelung der zuschussberechtigten Auszubildenden keine Leistung gemäß § 22 Abs. 7 SGB II erhalten können, die Möglichkeit einer Darlehensleistung nach der Härtefallklausel des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II zu prüfen (vgl. Lang/Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 121a unter Hinweis auf BT-Drucksache 16/1410, S. 24).
Gem. § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Darlehen geleistet werden. Ob ein solcher besonderer Ausnahmefall vorliegt, ist unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Der Antragsteller hat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass er die Anspruchsvoraussetzungen der Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II erfüllt. Zwar hat er in dem weiteren einstweiligen Rechtsschutzverfahren, das die Beteiligten vor dem erkennenden Senat führen (L 7 B 41/09 AS ER und L 7 B 42/09 AS), mit seiner Beschwerdeschrift vom 26.01.2009 vorgetragen, dass nach der Auskunft des Schulleiters des Bildungswerkes (Herr N) es wünschenswert sei, wenn die Auszubildenden eine Heimatadresse haben und behalten. Es sei unmöglich, sämtliche Auszubildende im direkten Umkreis des Berufsbildungswerks in G zu vermitteln. Diesen Vortrag hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht (gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Antragsgegnerin hat im hiesigen Verfahren mit Schriftsatz vom 20.01.2009 zudem vorgetragen, eine bei dem Berufsbildungswerk G beschäftigte Frau W habe mitgeteilt, dass das Berufsbildungswerk G derzeit mit etwa 10 Betrieben in G und Umgebung zusammenarbeite. Da die Praktika für die Auszubildenden zeitversetzt vorgesehen seien, sei für jeden Auszubildenden ein Praktikumsplatz in einem derartigen Betrieb gewährleistet.
Der Senat hat sich nicht veranlasst gesehen, den Sachverhalt insoweit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aufzuklären, weil der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat (dazu sogleich). Es wird deshalb im sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller in der nächsten oder in absehbarer Zeit darauf angewiesen sein wird, eine eigene Wohnung unter seiner (bisherigen) Heimatanschrift vorzuhalten. Dann könnte unter Umständen ein besonderer Härtefall gemäß § 7 Abs. 5 S. 2 SGB II vorliegen. Im sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren ist ferner zu klären, ob für den Antragsteller – so der Vortrag der Antragsgegnerin – ein ungestörtes Lernen im Internat möglich ist oder – so der Vortrag des Antragstellers – dies insbesondere aufgrund einer stetigen Lärmbelästigung ausscheidet.
Bei der Prüfung, ob ein besonderer Härtefall gemäß § 7 Abs. 5 S. 2 SGB II vorliegt, wird ferner zu berücksichtigen sein, dass die Antragsgegnerin für die Zeit vom 01.08.2007 (Anmietung der Wohnung) bis zum 31.07.2008 die Kosten der Unterkunft des Antragstellers in C in vollständiger Höhe übernommen und dem Antragsteller vom Grundsicherungsträger der Umzug in diese Wohnung bewilligt worden ist. Die Antragsgegnerin hat zudem auch die Kaution für diese Wohnung darlehensweise übernommen. Die Antragsgegnerin könnte damit einen besonderen Vertrauensschutztatbestand geschaffen haben.
b) Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Zum einen hat der Vermieter seiner Wohnung in C bislang eine Kündigung nur angekündigt, nicht jedoch ausgesprochen. Dies ergibt sich aus dem im Verfahren L 7 B 41/09 AS ER / L 7 B 42/09 AS vom Antragsteller vorgelegten Schreiben seines Vermieters vom 10.11.2008. In der Verwaltungsakte findet sich zudem ein Schreiben des Vermieters des Antragstellers vom 07.10.2007, in dem eine Kündigung aufgrund rückständiger Mieten bereits ebenfalls angekündigt worden war. Der Vermieter des Antragstellers hat sich bislang nicht veranlasst gesehen, eine Kündigung tatsächlich auszusprechen.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller im Internat untergebracht ist und sich dort auch am Wochenende aufhalten kann und darf. Selbst wenn der Antragsteller also aufgrund einer wirksamen Kündigung des Vermieters seine Wohnung in C aufgeben müsste, wäre seine Unterbringung nach jetzigem Stand der Dinge nach wie vor gesichert. Es ist dem Antragsteller daher zuzumuten, den Ausgang des sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahrens, in dem der Sachverhalt wie ausgeführt weiter aufzuklären ist, abzuwarten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens hat der Senat dem Antragsteller mit Beschluss vom 10.12.2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner bevollmächtigten Rechtsanwältin bewilligt (gemäß § 73a SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 26.02.2009
Zuletzt verändert am: 26.02.2009