Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 11.04.2005 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Umstritten ist, ob die Beklagte dem Kläger einen Zuschuss für den Einbau einer behindertengerechten Toilette als Maßnahme zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 40 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) zu leisten hat.
Der 1958 geborene Kläger leidet im Wesentlichen an einer Multiplen Sklerose mit deutlichen Bewegungseinschränkungen und einschießenden Spastiken. Zur Fortbewegung ist er auf die Benutzung eines Rollstuhles angewiesen. Er wohnt im Haus seiner Eltern in einer Wohnung im Souterrain (Kellergeschoss). Seit August 1998 bezieht er auf Grund eines MDK-Gutachtens vom 19.10.1998 von der Beklagten Pflegegeld nach Stufe I und seit April 2003 entsprechend einem MDK-Gutachten vom 11.06.2003 Pflegegeld nach Stufe II (Bescheid vom 17.06.2003).
Auf Antrag von November 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger nach Auswertung eines MDK-Gutachtens vom 19.11.2001 einen Zuschuss für die Erstellung einer Rampe, damit der Kläger aus seiner Wohnung über eine Treppe den Garten erreichen könne. Sie zahlte dem Kläger im Januar 2002 den Höchstbetrag von 2.557,00 EUR als Zuschuss. Die Wohnung des Klägers verfügte zu dieser Zeit über keine eigene Toilette; die Wohnung war im Sanitärbereich mit Dusche und Waschbecken ausgestattet. Für die Toilettengänge suchte der Kläger jeweils die Gästetoilette im Erdgeschoss der Elternwohnung auf.
Der Kläger reichte der Krankenkasse der Beklagten im Oktober 2002 eine ärztliche Verordnung über den Einbau einer behindertengerechten Toilette mit Stützgriff ein. Diese befragte den Arzt Dr. O vom MdK C, der den Einbau der Toilette befürwortete, weil hierdurch bei Toilettengängen der Hilfebedarf beim Bewältigen der Treppe entfalle. Nachdem die Krankenkasse die Übernahme der Kosten abgelehnt hatte (die Ablehnung ist nicht aktenkundig), beantragte der Kläger mit Schreiben vom 31.01.2003 nunmehr bei der beklagten Pflegekasse einen Zuschuss für den Einbau der Toilette. Er fügte dem Antrag eine Rechnung vom 16.12.2002 über Einbaukosten in Höhe von 2.029,13 EUR bei.
In einem weiteren MdK-Gutachten vom 11.06.2003 wurde neben der Zuerkennung der Pflegestufe II auch der Einbau der Toilette befürwortet. Die Beklagte holte von der Pflegefachkraft I eine weitere Stellungnahme zu den Wohnverhältnissen des Klägers ein (07.07.2003) und lehnte mit Bescheid vom 28.07.2003 die Kostenübernahme für den Toilettenumbau ab. Anfang 2002 sei bereits der Bau der Rampe bezuschusst worden. Damals habe der Kläger schon keine Treppen steigen können. Insoweit habe sich die Pflegesituation nicht geändert.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch trug der Kläger vor, es sei zwar richtig, dass er bereits bei der Gewährung des Zuschusses für die Rampe an der Eingangstreppe eine innenliegende Treppe habe überwinden müssen, um zur elterlichen Wohnung und damit zur Toilette zu gelangen. Dies sei ihm aber damals noch möglich gewesen. Danach habe sich seine Bewegungsfähigkeit bei Fortschreiten der multiplen Sklerose weiter verschlechtert und sich die Pflegesituation geändert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine erneute Zuschussgewährung sei nicht möglich, da sich die zum Zeitpunkt des Einbaus der Rampe bestehende Pflegesituation im Hinblick auf das Überwinden von Treppen nicht geändert habe. Es handele sich somit um eine einheitliche Maßnahme im Sinne des SGB XI.
Mit der am 31.10.2003 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und geltend gemacht, dass sich sein Pflegezustand nach der ersten Zuschussgewährung im Januar 2002 weiter verschlechtert habe. Im Herbst 2002 sei es aufgrund der multiplen Sklerose zu einer weiteren Einschränkung der Bewegungsfähigkeit gekommen, so dass er ohne fremde Hilfe nicht mehr die Treppe zur Elternwohnung und damit zur Toilette hätte hinaufsteigen können. Demgegenüber hat die Beklagte weiterhin die Auffassung vertreten, dass sich nach Gewährung des Zuschusses für den Bau der Rampe die Pflegesituation nicht geändert habe. Deswegen seien beide Einzelmaßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes als eine einheitliche Verbesserungsmaßnahme zu werten.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Fachkrankenpflegers für Intensivpflege N vom 14.12.2004. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass sich der Pflegebedarf nach Januar 2002 weiter verschlechtert habe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch regelmäßig mit Unterstützung die Gästetoilette im Erdgeschoss aufgesucht habe.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.02.2004 stattgegeben und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 28.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2003 verurteilt, den Antrag auf Bezuschussung einer behindertengerechte WC-Anlage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden. Wegen der weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes und der Pflegesituation sei der Einbau der Toilette als weiterer Schritt zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes erforderlich. Zum Zeitpunkt des Einbaus der Rampe sei die neue Maßnahme noch nicht notwendig gewesen.
Gegen diesen ihr am 02.05.2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 20.05.2005 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Bereits zum Zeitpunkt des Einbaus der Rampe im November 2001 sei der Einbau einer Toilette in der Wohnung des Klägers grundsätzlich notwendig gewesen und hätte bezuschusst werden müssen. Die früheren für die Zuschussgewährung bei der Rampe vom MDK getroffenen Feststellungen müssten sich auf alle Treppen im Haus beziehen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 11.04.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Pflegesituation habe sich nach Gewährung des ersten Zuschusses geändert. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Rampe sei der Einbau einer Toilette in seiner Wohnung noch nicht notwendig gewesen.
Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Beklagte hat es mit den angefochtenen Bescheiden vom 28.07.2003 und 02.10.2003 zu Recht abgelehnt, dem Kläger einen Zuschuss für den Einbau der behindertengerechten Toilette als Maßnahme zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 40 Abs. 4 SGB XI zu gewähren. Denn der Einbau der Toilette und der vorangegangene Bau der Rampe sind als einheitliche Maßnahme im Sinn des § 40 Abs. 4 SGB XI zu werten. Entsprechend ist das Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.
Nach § 40 Abs. 4 SGB XI, der allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, können die Pflegekassen subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des versicherten Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird (Satz 1). Die Zuschüsse dürfen dabei einen Betrag in Höhe von 2.557 EUR je Maßnahme nicht übersteigen (Satz 3). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stellen sämtliche Umbauten und technischen Hilfen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen objektiv erforderlich sind, eine einheitliche Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB XI dar, die mit höchstens 5.000 DM (=2.557,00 EUR) bezuschusst werden können. Zur Begründung hat sich das BSG vornehmlich auf die Gesetzesmaterialien gestützt, in denen es zu dieser Frage heißt: Die behindertengerechte Umgestaltung der Wohnung des Pflegebedürftigen ist dabei insgesamt als Verbesserungsmaßnahme zu werten und nicht in Einzelschritte aufzuteilen. So stellt nicht jede einzelne Verbreiterung einer Tür eine Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift dar, sondern die Türverbreiterungen und Entfernung von Türschwellen insgesamt, die notwendig sind, um die Wohnung beispielsweise mit dem Rollstuhl befahrbar zu machen" (BR-Drucks. 505, S. 113, 114 zu § 36 Abs. 4 SGB XI). Hieraus hat das BSG hergeleitet, dass alle in einem Zeitpunkt notwendigen Umbauten rechtlich eine Maßnahme darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die zu diesem Zeitpunkt notwendigen Einzelmaßnahmen nicht in einem Auftrag zusammengefasst oder zeitlich nacheinander durchgeführt werden. Die Gewährung eines zweiten Zuschusses kommt erst in Betracht, wenn sich die Pflegesituation objektiv ändert (z.B. Hinzutreten einer weiteren Behinderung oder altersbedingte Ausweitung des Pflegebedarfs) und dadurch im Laufe der Zeit Schritte zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes erforderlich werden, die bei der Durchführung der ersten Umbaumaßnahme (bzw. der Beantragung des ersten Zuschusses) noch nicht notwendig waren (BSG, Urteil vom 03.11.1999 – B 3 P 6/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr.2; Urteil vom 25.04.2001 – B 3 P 24/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 5).
In Anwendung dieser Rechtsprechung, der der Senat folgt, ist für die Entscheidung allein maßgeblich, ob bereits im Zeitpunkt der Bezuschussung der ersten Maßnahme (Rampe) Ende November 2001 auch eine grundsätzliche Notwendigkeit für den Einbau einer Toilette in der Wohnung des Klägers bestanden hat, diese Maßnahme also bereits zum damaligen Zeitpunkt nach § 40 Abs. 4 SGB XI hätte bezuschusst werden können. Dies ist zur Überzeugung des Senats der Fall. Zwar hat sich, worauf das Sozialgericht allein abgestellt hat, die Pflegebedürftigkeit des Klägers nach dem Einbau der Rampe insgesamt erhöht, was auch ab April 2003 zur Erhöhung des Pflegegeldes nach Stufe II geführt hat. Die aktenkundigen Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 2001/2002 und auch die früheren Aufzeichnungen im Pflegetagebuch aus dem Jahr 1998 verdeutlichen aber, dass auf Grund des objektiven Pflegebedarfs bereits Ende 2001 (nur etwa 10 Monate vor dem Antrag bei der Krankenkasse) zur Erleichterung der Pflege der Einbau einer Toilette geboten war. Denn bereits Ende 2001 konnte der Kläger, wie vom Sachverständigen unter Hinweis auf die Angaben der Mutter dargelegt, die Treppe vom Keller ins Erdgeschoss nur mit Unterstützung überwinden, um zur Toilette in die Elternwohnung zu gelangen. Auch in dem 1998 vorgelegten Pflegetagebuch hatte die Mutter des Klägers schon angegeben, dass ihrem Sohn das Treppensteigen allein nicht mehr möglich ist und er der Unterstützung bedarf. Dementsprechend ist auch schon in dem MDK-Gutachten vom 19.10.1998 ein Hilfebedarf beim Treppensteigen beschrieben worden. Diese für 1998 und 2001 getroffenen Feststellungen sprechen dafür, dass bereits Ende 2001 bei Beantragung des Zuschusses für die Rampe der Einbau einer Toilette in der Wohnung des Klägers zur Erleichterung der Pflege dringend notwendig war und die Pflege des Klägers, mehr noch als durch den Einbau der Rampe, ganz erheblich erleichtert worden wäre.
Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger bei Beantragung des weiteren Zuschusses im Januar 2003 die Treppe in die Elternwohnung, im Gegensatz zur Jahreswende 2001/2002, auch mit Unterstützung der Mutter nicht mehr überwinden konnte. Denn für einen Anspruch nach § 40 Abs. 4 SGB XI reicht es aus, dass die Pflege erheblich erleichtert wird. Diese Voraussetzung hat auch hinsichtlich des Toiletteneinbaus bereits Ende 2001 vorgelegen. Schon damals war der Einbau einer Toilette in der Wohnung des Klägers zur Erleichterung der Pflege objektiv notwendig und hätte bereits zu diesem Zeitpunkt wie auch der Bau der Rampe bezuschusst werden müssen. Die daraus folgende rechtliche Bewertung als einheitliche Maßnahme lässt sich nicht dadurch umgehen, dass grundsätzlich notwendige Maßnahmen mit zeitlichem Abstand durchgeführt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 31.01.2007
Zuletzt verändert am: 31.01.2007