Die Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 10.08.2009 wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der im Rahmen von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) für ein Klageverfahren.
Mit ihrer am 18.08.2006 beim Sozialgericht (SG) Detmold erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung der Nachteilsausgleiche "B" und "aG" nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Der Beklagte unterbreitete mit Schreiben vom 07.04.2009 einen "Regelungsvorschlag", in dem er sich bereit erklärte, die Merkzeichen "B" und "aG" ab Antragstellung festzustellen. Dieses Regelungsangebot nahm die Klägerin mit Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 27.04.2009 an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Am 05.05.2009 hat der Beschwerdeführer eine Vergütungsfestsetzung in Höhe von 872,87 Euro beantragt. Aufgeführt waren eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV/RVG von 250 Euro, eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV/RVG von 200 Euro und eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV/RVG von 190 Euro sowie eine Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV/RVG in Höhe von 20,00 Euro, Fahrtkosten gemäß Nr. 7003 VV/RVG in Höhe von 18,00 Euro, ein Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV/RVG in Höhe von 20,00 Euro sowie eine Dokumentenpauschale für 120 Ablichtungen in Höhe von 35,50 Euro, insgesamt netto 733,50 Euro, zzgl. 19 % MWSt 139,37 Euro.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Vergütung mit Beschluss vom 22.05.2009 auf 604,52 Euro festgesetzt. Die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 1a) VV/RVG könne nicht angesetzt werden, da im Beiordnungszeitraum ab Januar 2007 keine Akteneinsicht erfolgt sei. Für eine Erledigungs- oder Einigungsgebühr mangele es an einer besonderen, über das übliche Maß hinausgehenden Tätigkeit des Anwalts, die auf den Verfahrensabschluss ohne förmliche Entscheidung gerichtet gewesen sein müsse.
Mit Beschluss vom 10.08.2009 hat das SG die gegen diese Festsetzung gerichtete Erinnerung zurückgewiesen und auf die Gründe der Festsetzung Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat gegen den ihm am 14.08.2009 zugestellten Beschluss am selben Tage Beschwerde eingelegt. Die Erörterung in einem Termin am 04.02.2009, bei der er wesentlich mitgewirkt habe, sei Voraussetzung für die Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme durch den Beklagten und den anschließenden Regelungsvorschlag gewesen. Entsprechend müsse die beantragte Erledigungsgebühr angesetzt werden. Auch die Gebühr für die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV/RVG sei entstanden. Wenngleich bei der Akteneinsicht noch keine PKH bewilligt worden sei, so hätten die Voraussetzungen für die Bewilligung zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen. Es sei auch nicht zumutbar, vor Akteneinsicht zunächst auf die Bewilligung von PKH zu warten, da dies rechtliche Nachteile für den Mandanten bewirken könne.
Der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Nordrhein-Westfalen hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 07.11.2006 – B 1 KR 23/06 R und Urteil vom 02.10.2008 – B 9/9a SB 3/07 R sowie die weit überwiegende Meinung in der Literatur verlangten ein Mehr an anwaltlicher Mitwirkung für die Entstehung der Erledigungsgebühr als hier festzustellen sei. Ein Anspruch auf Kostenerstattung für die vom Beschwerdeführer gefertigten Kopien bestehe nicht.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und nicht durch den Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 1 HS. 2 RVG, auch wenn der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. § 33 Abs. 8 Satz 1 HS. 2 RVG, wonach auch über die Beschwerde der Einzelrichter entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist, findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung, selbst wenn die angefochtene Entscheidung durch den Kammervorsitzenden allein ergangen ist. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG weist die Entscheidung dem Einzelrichter als Mitglied des Gerichts zu. Der Kammervorsitzende des Sozialgerichts entscheidet nicht als einzelnes Mitglied der Kammer, sondern als Kammer in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter, denn diese wirken gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist daher keine Einzelrichterentscheidung im Sinne des § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG (vgl. LSG NRW Beschluss vom 28.05.2010 – L 19 B 286/09 AS m.w.N.; a.A. LSG NRW Beschluss vom 16.03.2011 – L 7 B 406/08 AS).
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die aus der Staatskasse im Rahmen der PKH zu zahlende Vergütung des Bevollmächtigten der Antragstellerin ist vom Sozialgericht zu Recht mit 604,52 Euro festgesetzt worden.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft, §§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG (vgl LSG NRW Beschluss vom 28.05.2010 – L 19 B 286/09 AS; Beschluss vom 25.01.2010 – L 1 B 19/09 AS zum Vorrang dieser Spezialvorschriften gegenüber den Vorschriften des SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 Euro (§§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Beschwerdewerts ist der Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2009, § 144 Rn 19). Die Beschwer beträgt 268,35 Euro, da das Sozialgericht die erstattungsfähigen Kosten in dem angefochtenen Beschluss auf 604,52 Euro festgesetzt hat und der Beschwerdeführer eine Festsetzung auf insgesamt 872,87 Euro begehrt hat. Die Beschwerde ist fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts an die Beschwerdeführerin erhoben worden (§§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG). Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem LSG vorgelegt (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 1 RVG). Erinnerungsführer bzw. Beschwerdeführer ist nicht die Antragstellerin selbst, sondern deren Prozessbevollmächtigter (§ 56 Abs. 1 und 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG i.V.m. § 55 Abs. 1 S. 1 RVG).
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin beantragte Erledigungsgebühr und die geltend gemachte Dokumentenpauschale einschließlich der entsprechenden Umsatzsteuer sind nicht angefallen.
Nach § 55 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt eines Klägers bzw. Antragstellers für anwaltliche Tätigkeiten die gesetzliche Vergütung. Dies sind sämtliche Gebühren und Auslagen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben (§ 48 Abs. 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz – wie hier (gemäß § 183 SGG) – nicht anzuwenden ist, entstehen nach § 3 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Teil 3 Abschnitt 1 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis – VV) Betragsrahmengebühren.
Als gesetzliche Gebühren sind hier eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV/RVG, eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG, eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV/RVG, Fahrkosten nach Nr. 7003 VV/RVG, Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV/RVG und die entsprechend zu berechnende Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV/RVG angefallen. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV/RVG und die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV/RVG sind hingegen nicht entstanden.
Eine Erledigungsgebühr entsteht nach Nr. 1006 i.V.m. Nr. 1002 VV-RVG, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Die anwaltliche Mitwirkung erfordert dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein qualifiziertes, erledigungsgerichtetes Tätigwerden des Rechtsanwalts, das über das Maß desjenigen hinausgeht, welches bereits durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchs- bzw. Klageverfahren abgegolten wird (vgl. BSG Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R – juris Rn 42 m.w.N.; BSG Urteil vom 05.05.2009 – B 13 R 137/08 R – juris Rn 16 m.w.N.; BSG Urteil vom 02.10.2008 – B 9/9a SB 3/07 R – juris Rn 15; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl. 2011, VV 1002 Rn. 9; Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Aufl. 2010, VV 1002 Rn 38, VV 1005-1007 Rn 2).
Hier hat sich das Klageverfahren nicht durch eine diesen Voraussetzungen entsprechende Mitwirkung des Bevollmächtigten der Antragstellerin erledigt. Die umfangreiche Erörterung der Sach- und Rechtslage in dem 25minütigen Termin beim SG am 04.02.2009 rechtfertigt allein nicht den Ansatz der Erledigungsgebühr. Diese anwaltliche Tätigkeit wird bereits mit der Terminsgebühr honoriert.
Die Erledigungsgebühr ist auch nicht deshalb angefallen, weil der Beschwerdeführer das vom Beklagten abgegebene Regelungsangebot nach Rücksprache mit seiner Mandantin angenommen hat. Sowohl die Annahme eines Anerkenntnisses als auch eine Klagerücknahmeerklärung oder andere Erledigterklärung sind in aller Regel keine über die normale Prozessführung hinaus gehende, qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung (vgl. Hartmann, a.a.O., VV 1002 Rn 9 und Rn 14 zur "Erledigtanzeige" und zur "Klagerücknahme"; LSG Rheinland-Pfalz – Beschluss vom 30.08.2010 – L 3 SF 6/09 E; OVG Mecklenburg-Vorpommern – Beschluss vom 05.05.2010, 1 O 27/10; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 23.03.2010 – L 6 SB 64/09). Die Abgabe einer solchen Prozesserklärung wird mit der Verfahrensgebühr abgegolten. Eine besondere Mühewaltung des Beschwerdeführers, die die Entstehung der zusätzlichen Gebühr rechtfertigen würde, ist nicht erkennbar. Wenn der Prozessgegner ein Anerkenntnis abgibt und damit dem Kläger den vollen Klageerfolg zugesteht, wird ein Rechtsanwalt seine Mandantin bzw. hier deren Betreuer regelmäßig ohne Mühe und somit ohne qualifizierende Mitwirkung zur Annahme des Anerkenntnisses bewegen können.
Der Beschwerdeführer hat – unabhängig von der Angemessenheit der Anzahl der gefertigten Kopien – auch keinen Anspruch auf die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Ziff 1 a). Grund hierfür ist, dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Kopien angefertigt hat, bevor er ihr vom Sozialgericht als Bevollmächtigter im Rahmen der hier abzurechnenden PKH beigeordnet worden ist. Der Vergütungsanspruch richtet sich jedoch gem. § 48 Abs 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die die PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet wird und erfasst demnach nur diejenigen Handlungen, die nach der Beiordnung vorgenommen werden. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, dass bei der Akteneinsicht – vom 20.11.2006 bis 14.12.2006 – die Voraussetzungen zur Bewilligung von PKH bereits erfüllt gewesen seien – also quasi Akteneinsicht nach fiktiver PKH-Bewilligung gegeben sei, trifft dies nicht zu. Bewilligungsreife des PKH-Antrag bestand erst im Januar 2007, weil (trotz Aufforderung durch das SG im November 2006) erst zu diesem Zeitpunkt aktuelle Einkommensnachweise für die Klägerin vorgelegt wurden. Der weitere Vortrag des Beschwerdeführers, es sei auch nicht zumutbar, vor Akteneinsicht zunächst auf die Bewilligung von PKH zu warten, da dies rechtliche Nachteile für die Mandanten bewirken könnte, ist nicht nachvollziehbar. Derartige Nachteile sind im Hinblick darauf, dass der Ehemann und Betreuer der Klägerin bereits selbst am 17.08.2006 Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16.08.2006 beim SG erhoben hatte, nicht erkennbar.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Erstellt am: 25.05.2011
Zuletzt verändert am: 25.05.2011