Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.01.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der von den Eltern der Klägerin aufgebrachten Kosten für die von der Beigeladenen durchgeführte Nachmittagsbetreuung im Rahmen des Schulbesuchs im Schuljahr 2010/2011 in der Zeit von November 2010 bis Juli 2011.
Die im Jahre 1995 geborene Klägerin ist schwerbehindert und leidet ausweislich des Gutachtens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes des Kreises O vom 19.02.2002 an einer Behinderung mit ausgeprägt reduziert kognitiv intellektuellen Leistungen, Sprechstörungen, u.a. Stottern, Störungen der Grobmotorik, der Koordination, des Gleichgewichtes, der Feinmotorik, der auditiven und visuellen Wahrnehmung. Das Amtsgericht O spricht im Beschluss (im Rahmen des Betreuungsverfahrens) vom 01.10.2013 von einer "Intelligenzminderung am ehesten auf dem Boden einer frühkindlichen Hirnschädigung".
Die Klägerin besuchte in dem Schuljahr 2010/2011 wie bereits in den Schuljahren zuvor den integrativen Schulunterricht der Realschule T in O. Ab November 2010 nahm die Klägerin an einem Nachmittag pro Woche an einer von ihren Eltern vorfinanzierten Nachmittagsbetreuung durch die Beigeladene teil. Die hierfür in diesem Schuljahr insgesamt angefallenen Kosten beliefen sich nach anfänglicher Auskunft der Beigeladenen auf 774,00 EUR, nach im Berufungsverfahren korrigierter Auskunft auf 564,38 EUR.
Vor Beginn des Schuljahrs, am 03.05.2010, beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Weiterbewilligung der Eingliederungshilfe für die damals bereits für sie bestehende Nachmittagsbetreuung durch die Beigeladene für das Schuljahr 2010/2011. Nach Einholung eines Berichtes der Beigeladenen über die Nachmittagsbetreuung vom 20.07.2010 sowie einer Stellungnahme der Schulärztin/Kinderärztin Werner, Gesundheitsamt Kreis O, zu dem o.a. Bericht der Beigeladenen lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 09.08.2010 ab. Aus der Situationsbeschreibung der Beigeladenen ergebe sich, dass im Rahmen der Nachmittagsbetreuung die Freizeitgestaltung einen größerer Raum einnehme. Die Angebote zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft überwögen. Diese Hilfen seien anders als die Hilfe zur angemessenen Schulbildung abhängig von Einkommen und Vermögen der Eltern.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, die Ansicht der Beklagten berücksichtige nicht, dass die Fähigkeit, Freizeit in ihren verschiedenen Möglichkeiten zu erfahren, ein ausdrückliches Unterrichts- und Erziehungsziel im Lehrplan der Schule für geistig Behinderte/Förderschule für geistige Entwicklung sei und dass die Nachmittagsbetreuung eben dieses Unterrichtsziel aufgreife und vertiefe. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2011 wies der Rhein-Kreis O den Widerspruch der Klägerin zurück. Aus dem Situationsbericht der Beigeladenen ergebe sich, dass bei einer Nachmittagsbetreuung der Klägerin im maßgeblichen Schuljahr überwiegend eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft geübt werden solle. Im Ergebnis stünden die Verbesserung der lebenspraktischen Fähigkeiten, die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und die Freizeitgestaltung ganz eindeutig im Vordergrund. Wenn der Schwerpunkt der Betreuung auf der Förderung der lebenspraktischen Fähigkeiten liege, scheide jedoch eine Übernahme nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) aus, da die schwerpunktmäßige Förderung von lebenspraktischen Fähigkeiten nicht unter eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbaren Bildung einzuordnen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.06.2011 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, dass die Förderschwerpunkte der Nachmittagsbetreuungen das gleiche Spektrum abdeckten wie dasjenige, welches in der Förderschule für geistige Entwicklung angeboten werde. Zur weiteren Begründung hat sie u. a. das ihr unter dem 22.04.2010 übersandte pädagogische Konzept der Beigeladenen vorgelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2011 zu verurteilen, ihr Leistungen der Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für die Nachmittagsbetreuung durch die Beigeladene in Höhe von 774,00 EUR für das Schuljahr 2010/2011 zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat den angefochtenen Bescheid weiterhin für rechtmäßig gehalten.
Mit Urteil vom 09.01.2013 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Bescheid der Beklagten vom 09.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Leistungen der Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für die Nachmittagsbetreuung durch die Beigeladene in Höhe von 774 EUR für das Schuljahr 2010/2011 zu bewilligen. Zur Begründung hat das Sozialgericht Folgendes ausgeführt: Entgegen der Ansicht der Beklagten handele es sich bei der von der Klägerin geltend gemachten Nachmittagsbetreuung um eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Die Klägerin gehöre aufgrund der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen unstreitig zu dem in § 53 Abs. 1 SGB XII genannten Personenkreis. Ihre Teilnahme an der Nachmittagsbetreuung der Beigeladenen sei erforderlich und geeignet, ihr den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zumindest zu erleichtern, d.h. ihre Schulfähigkeit zu verbessern. Der Begriff der Schulbildung bei geistig behinderten Kindern bzw. Jugendlichen, zu denen die Klägerin nach den Feststellungen des Schulamtes gehöre, sei weit zu verstehen. Hierzu zählte auch der Besuch einer nachmittäglichen Betreuung, sofern dort Maßnahmen erfolgten, die dem behinderten Kind den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht ermöglichten bzw. erleichterten. Die Hilfen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII seien nicht auf den eigentlichen Schulbesuch (Pflichtunterricht) beschränkt. Maßgeblich sei, dass die begleitende, gegebenenfalls freiwillige Maßnahme – wie hier die Teilnahme der Klägerin an dem Nachmittagsangebot der Beigeladenen – speziell auf schulische Maßnahmen abgestimmt sei und die Maßnahme erforderlich und geeignet sei, die Schulfähigkeit des Behinderten zu verbessern bzw. den Schulbesuch zu ermöglichen oder zumindest zu erleichtern. Dies treffe für die Teilnahme der Klägerin an der Nachmittagsbetreuung zu. Aus dem Vortrag der Klägerin und dem von ihr vorgelegten Konzept der Beigeladenen ergebe sich, dass der Schwerpunkt der Nachmittagsbetreuung der Klägerin darin liege, ihre Lernfähigkeit einschließlich der sprachlichen sowie sozialen Kompetenzen zu verbessern und zu fördern. Dass es mit der Teilnahme der Klägerin an den Betreuungsangeboten der Beigeladenen zu Überschneidungen mit den Bereichen der "Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft" im Sinne des § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) kommen möge, habe entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zur Folge, dass deshalb der einkommensunabhängige Anspruch auf "Hilfe zur angemessenen Schulbildung" entfalle.
Gegen dieses der Beklagten am 08.02.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.02.2013 Berufung eingelegt. Die Beklagte meint, dass es sich um einen Grenzfall zwischen Schulrecht und Sozialrecht handele. Es sei eine Definition der angemessenen Schulbildung für behinderte Menschen zu finden. Zunächst sei eine Differenzierung zwischen der Wahl einer Förderschule und einer integrativen Realschule geboten. Die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der Förderung von rein sonderpädagogischen Leistungen sei im Hinblick auf den Besuch einer allgemeinen Schule zu beurteilen. Im Zusammenhang mit § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII müsse ein direkter Bezug zur angemessenen Schulbildung erfolgen. Das Erlernen von lebenspraktischen Fähigkeiten stehe nicht im von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII bezweckten Zusammenhang, nämlich der gezielten Förderung einer angemessenen Schulbildung. Das Nachmittagsprogramm der Klägerin diene in der Hauptsache dazu, jegliche den Alltag vereinfachenden Fähigkeiten zu unterstützen und zu fördern. Hauptschwerpunkt sei nicht die Unterstützung und Erleichterung der Bewältigung des Schulstoffs durch gezielte Vor- und Nachbereitung. Es fehle an einem direkten Sachkriteriumszusammenhang in Bezug zu § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.01.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verweist auf das erstinstanzliche Urteil. Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stünden mögliche vorrangige Leistungspflichten der Schulbehörde den Leistungen der Eingliederungshilfe nur dann entgegen, wenn diese auch tatsächlich geleistet würden. Vorliegend leiste die Schule aber nicht. Hausaufgabenbetreuung, Spiel- und Sportveranstaltungen erleichterten die behinderungsbedingten Folgen im Hinblick auf die angemessene Schulbildung. Die Nachmittagsbetreuung habe ihren Schwerpunkt in der schulischen Vor- und Nachbereitung. In erster Linie seien die schulischen Belange im Hinblick auf die Bildung relevant, nicht die Sicherstellung der Teilhabe am Leben. Die Klägerin weist darauf hin, dass sie auch auf einer Behindertenschule die gleiche Förderung im Nachmittagsbereich hätte erlangen können.
Die im Berufungsverfahren Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie reicht eine "Pädagogische Begutachtung der Nachmittagsbetreuung für Kinder-/Jugendliche mit Förderbedarf zur schulischen Vor- und Nachbereitung in einer Gruppe, C X -Schuljahr 2010/2011" vom 12.06.2014 zur Gerichtsakte.
Der Senat hat am 22.10.2015 eine öffentliche Sitzung abgehalten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 22.10.2015 verwiesen. Im Nachgang hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.11.2015 einen Beweisantrag gestellt ("Ist die beantragte Nachmittagsbetreuung durch die [Beigeladene] für die Klägerin geeignet und erforderlich, um diese in ihrer Schulbildung zu fördern. Wir beantragen für diese Frage ein Sachverständigengutachten einzuholen."). Ferner haben die Eltern der Klägerin Nachweise über ihre Einkünfte in den Jahren 2010 und 2011 vorgelegt. Ausweislich der Steuerbescheide 2010 und 2011 betrugen die Gesamteinkünfte 37.529 EUR und 39.051 EUR.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 07.01.2016, 12.01.2016 und 19.01.2016 jeweils ihr Einverständnis dahingehend erklärt, dass der Senat ohne (weitere) mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden kann.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne (weitere) mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist zulässig, insbesondere nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegt und auch gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaft, da die Beklagte durch das Sozialgericht zu einer Kostenerstattung in Höhe von 774 EUR und damit mehr als 750 EUR verurteilt worden ist. Die Berufung ist auch begründet. Die Klage ist zulässig (dazu unter "I."), aber unbegründet (dazu unter "II.").
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Ausweislich Bl. 52 der Verwaltungsakte ist der Klägerin der Widerspruchsbescheid vom 10.05.2011 erst am 19.05.2011 zugestellt worden. Die Klagefrist nach § 87 SGG ist mit Blick auf den Klageeingang am 14.06.2011 gewahrt.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 09.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2011, inhaltlich begrenzt auf die vom Vermögenseinsatz und Einkommenseinsatz freigestellte (Eingliederungs-)Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (dazu sogleich). Zwar könnte die Nachmittagsbetreuung ggf. auch als Hilfe zum Erwerb praktischer Fähigkeiten, die geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX) förderfähig sein bzw. eine Hilfe zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX) oder eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation (§ 54 Abs 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 26 SGB IX) darstellen. Derartige Leistungen sind jedoch nicht nach § 92 Abs. 2 SGB XII vom Einkommens- und Vermögenseinsatz der Klägerin und ihrer Eltern freigestellt, so dass dem Klageziel entsprechend derartige Leistungen nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 SGG.
1.
Ursprünglich ging es im vorliegenden Fall um die Gewährung von Leistungen im sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis und damit um die Gewährung einer Sachleistung in Gestalt der Sachleistungsverschaffung. Die Beklagte hätte die begehrte Leistung nicht durch Zahlung von Geld, sondern dadurch zu erbringen gehabt, dass sie durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung der Schuld beitritt, die die Klägerin durch Beauftragung eines Leistungserbringers (hier: der Beigeladenen), der seinerseits Helfer gegen Entgelt bereitstellt und grundsätzlich (vgl. § 75 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 SGB XII) mit der Beklagten als Sozialhilfeträger Verträge nach § 76 SGB XII geschlossen haben muss, begründet hat (vgl. insoweit bspw. BSG, Urt. v. 23.08.2013 – B 8 SO 10/12 R – juris Rn. 10). In diesen Fällen scheidet eine Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 SGG aus, da keine Geldleistung im Streit steht (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 12; umfassend Senat, Beschl. v. 01.06.2015 – L 9 SO 89/15 B ER – juris Rn. 3; Senat, Beschl. v. 20.12.2013 – L 9 SO 429/13 B ER – juris Rn. 46 ff.).
2.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 09.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2011 erging im laufenden Schuljahr 2010/2011 und damit im streitgegenständlichen Zeitraum. Auch hat die Klägerin die Klage im Juni 2011 und damit noch vor Ende des Schuljahres 2010/2011 erhoben. Zu diesen Zeitpunkten hätte die Beklagte noch eine Sachleistung verschaffen können bzw. einen Schuldbeitritt vornehmen können. Nach Ablauf des Schuljahres 2010/2011 und nach vollständiger Bezahlung der Kosten durch die Klägerin selbst wandelt sich dieser Anspruch auf Leistungsgewährung im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis vollumfänglich um in einen Kostenerstattungsanspruch (vgl. Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, Einl. 148 f.). Es handelt sich gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG dabei nicht um eine Klageänderung (Wehrhahn, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 99 Rn. 12 m.w.N.).
3.
Es liegt ein ordnungsgemäßes Vorverfahren gemäß §§ 78 ff. SGG vor. Dem streitgegenständlichen Bescheid vom 09.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2011 lässt sich entnehmen, dass die Beklagte bzw. der Rhein-Kreis O sowohl die Kostenübernahme (für noch geschuldete Leistungen der Beigeladenen) als auch die Kostenerstattung (für bereits von der Klägerin vorfinanzierte Leistungen der Beigeladenen) ablehnt.
II.
Die Klage ist allerdings unbegründet, das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 09.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2011 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da der formell rechtmäßige Bescheid auch materiell rechtmäßig ist. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung der von ihr vorfinanzierten Aufwendungen bzw. Kosten der Nachmittagsbetreuung durch die Beigeladene zu.
1.
Für die ausschließlich körperlich und geistig, nicht aber seelisch behinderte Klägerin kommen (einkommens- und vermögensunabhängige) Leistungen nach § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) i.V.m. § 14 SGB IX i.V.m. §§ 6 Abs. 1 Nr. 6, 7 SGB IX nicht in Betracht (vgl. auch § 10 Abs. 4 SGB VIII zum Verhältnis von SGB VIII und SGB XII). Ein Anspruch ergibt sich ferner nicht unter dem Gesichtspunkt unbenannter Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben gemäß § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX bzw. § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX (zum möglichen Charakter von § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX als Auffangvorschrift und zum fehlenden abschließenden Charakter von § 55 Abs. 2 SGB IX vgl. BSG, Urt. v. 29.09.2009 – B 8 SO 19/08 R – juris Rn. 18). Unabhängig von der Frage, ob die Teilnahme der Klägerin an der Nachmittagsbetreuung zur Ermöglichung der der Klägerin möglichen Teilhabe am Gemeinschaftsleben, z.B. zur Kontaktaufnahme mit Gleichaltrigen in der Freizeit, im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IX notwendig, d.h. unentbehrlich ist (zur generellen Voraussetzung der Notwendigkeit von Eingliederungshilfeleistungen und zum Prüfungsmaßstab siehe BSG, Urt. v. 22.03.2012 – B 8 SO 30/10 R – juris Rn. 23; BSG, Urt. v. 20.09.2012 – B 8 SO 15/11 R – juris Rn. 14), scheitert ein entsprechender Anspruch an den Voraussetzungen von § 19 Abs. 3 SGB XII. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII wird u.a. Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII nur geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Eltern der Klägerin verfügten ausweislich der eingereichten Steuerunterlagen über einen Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. 37.529 EUR (2010) bzw. 39.051 EUR (2011), die sie einzusetzen hatten (vgl. §§ 82 ff. SGB XII) und welche die monatlichen Kosten für die Nachmittagsbetreuung in Höhe von 62,71 EUR (564,38 EUR durch 9 Monate) so deutlich überstiegen, dass sich eine nähere Berechnung hier erübrigt.
2.
Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Hilfen zur angemessenen Schulbildung im Sinne von §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Eingliederungshilfeverordnung (EinglHV), die gemäß § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2 SGB XII – was die maßnahmebezogenen Kosten betrifft – unabhängig von Einkommen und Vermögen zu erbringen sind.
Zwar ist kein grundsätzlicher Ausschluss erkennbar (dazu unter "a."). Allen Privilegierungsfällen des § 92 Abs. 2 S. 1 SGB XII, gerade auch den Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung gemäß § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII, ist aber gemein, dass sie einen spezifischen Förderbedarf und eine entsprechende Förderung voraussetzen, zu dem die vermögens- und einkommensprivilegierte Hilfe einen (objektiv) finalen Bezug dergestalt aufweisen muss, dass der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistung nicht allein oder vorrangig bei der allgemeinen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, sondern zumindest gleichwertig bei den von ihnen verfolgten beruflichen, schulischen, ausbildungsbezogenen und medizinischen Zielen liegt (BSG, Urt. v. 20.09.2012 – B 8 SO 15/11 R – juris Rn. 18). Die bloß mittelbare Förderung der Schulausbildung genügt nicht (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 19). Vielmehr muss die Leistung bei § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII unmittelbar mit dem Schulbesuch verknüpft sein und allein dieser spezifischen Fördermaßnahme dienen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 21 m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerwG). Insoweit kommen zwar gerade auch Maßnahmen außerhalb des Schulbetriebs und der der allgemeinen Schulpflicht unterliegenden Unterrichtszeiten in Betracht (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 23.08.2013 – B 8 SO 10/12 R – juris Rn. 18). Die Maßnahme muss aber die Verbesserung schulischer Fähigkeiten des behinderten Menschen zum Ziel haben (dazu unter "b."), deswegen von dem behinderten Menschen – hier: der Kägerin – besucht werden (dazu unter "c.") und zudem gemäß § 12 Nr. 1 und 2 EinglHV geeignet und erforderlich sein, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern (dazu unter "d."). Insoweit hat eine individuelle Betrachtung im konkreten Einzelfall zu erfolgen; allgemein gehaltene Bewertungen der Maßnahme und ihrer Ziele sowie eine allgemein gehaltene Umschreibung der angewandten Methoden anhand von Internetrecherchen oder anderen Publikationen genügen nicht (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 17, 19; umfassend zu Vorgenanntem Senat, Beschl. v. 01.06.2015 – L 9 SO 89/15 B ER – juris Rn. 22 f.).
a.
Der Anspruch ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Nachmittagsbetreuung außerhalb der Unterrichtszeit stattfand, dies an einer integrativen Schule und privat organisiert.
aa.
Von den Leistungen nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 1 EinglHVO sind lediglich Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, nicht umfasst (hierzu und zum Nachfolgenden Senat, Beschl. v. 05.02.2014 – L 9 SO 413/13 B ER – juris Rn. 12 f.; siehe auch Senat, Beschl. v. 20.12.2013 – L 9 SO 429/13 B ER – juris Rn. 27 ff.; Senat, Beschl. v. 28.04.2014 – L 9 SO 450/13 B ER – juris Rn. 8). Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII, wonach die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben. Zum anderen normiert § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII lediglich Hilfen, mithin unterstützende und begleitende Leistungen, überlässt damit die Schulbildung selbst aber den Schulträgern (BSG, Urt. v. 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R – juris Rn. 15 f.). Soweit der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer der Schule betroffen ist, werden die Leistungen der Eingliederungshilfe wegen der Spezialität der einschlägigen schulischen Förderleistungen verdrängt (BVerwG, Urt. v. 18.10.2012 – 5 C 21.11 – Rn. 37). Der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer ist nicht nach den schulrechtlichen Vorschriften des jeweils betroffenen Landes, sondern bundeseinheitlich durch Auslegung der sozialhilferechtlichen Vorschriften der § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 1 EinglHVO zu bestimmen (BSG, Urt. v. 22.03.2012 – B 8 SO 30/10 R – juris Rn. 21; BSG, Urt. v. 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R – juris Rn. 15). Zum Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll (BSG, Urt. v. 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R – juris Rn. 17). Der Kernbereich der pädagogischen Arbeit ist dementsprechend nicht betroffen, wenn die als Leistung der Eingliederungshilfe begehrte Maßnahme lediglich dazu dienen soll, die eigentliche Arbeit der Lehrer abzusichern und mit die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, den erfolgreichen Schulbesuch zu ermöglichen (BVerwG, Urt. v. 18.10.2012 – 5 C 21.11 – juris Rn. 37). So steht es hier. Die Nachmittagsbetreuung betrifft nicht den Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule. Sie findet außerhalb der Schulzeiten, privat organisiert und für nur einige angedachte Schüler statt. Gerade weil die Nachmittagsbetreuung außerhalb der Schulzeit stattfand, ist ein Anspruch nicht ausgeschlossen (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 23.08.2013 – B 8 SO 10/12 R – juris Rn. 18).
bb.
Der Anspruch ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Nachmittagsbetreuung ggf. eine Leistung der besuchten integrativen Realschule darstellen könnte bzw. müsste. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen grundsätzlich neben den sich aus den Vorschriften über die Eingliederungshilfe ergebenden Verpflichtungen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen. § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 EinglHVO liegt ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde. Eine Unterscheidung der Maßnahmen nach ihrer Art, etwa nach pädagogischen oder nichtpädagogischen bzw. begleitenden, ist rechtlich nicht geboten, weil grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern. Deshalb können von der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers auch Maßnahmen umfasst werden, die zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehören (BSG, Urt. v. 22.03.2012 – B 8 SO 30/10 R – juris Rn. 21). Im Übrigen hat die Schule nicht geleistet. Der Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII greift schon deswegen nicht, da die Leistung tatsächlich nicht erbracht wurde und auch nicht ohne Weiteres durchsetzbar gewesen ist (hierzu Senat, Beschl. v. 05.02.2014 – L 9 SO 413/13 B ER – juris Rn. 11, 16 ff. unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 22.03.2012 – B 8 SO 30/10 R – juris Rn. 25; siehe auch Senat, Beschl. v. 20.12.2013 – L 9 SO 429/13 B ER – juris Rn. 26).
cc.
Schließlich ist der Anspruch auf Hilfe zur angemessenen Schulbildung auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil Eltern von Schülern (unter anderem die Eltern der Klägerin) die Nachmittagsbetreuung privat und eigenverantwortlich organisiert haben. Sofern ein Anspruch auf diese Eingliederungshilfe besteht und der zuständige Träger diese Hilfe nicht leistet, muss eine solche Hilfe auch privat und eigenverantwortlich organisiert werden können.
b.
Liegt kein genereller Anspruchsausschluss vor, weist die Nachmittagsbetreuung aber schon keine durchgehend objektiv finale Zielrichtung in Bezug auf die Schulbildung auf.
Maßgeblich ist, ob die Nachmittagsbetreuung eine objektiv finale Zielrichtung in Bezug auf die Schulbildung aufweist, wobei insoweit nur die Schulbildung in der integrativen Realschule erfasst sein kann, weil es sich insoweit um die nach der bindenden schulrechtlichen Zuweisung der Klägerin angemessene Schulbildung handelt (vgl. BSG, Urt. v. 23.08.2013 – B 8 SO 10/12 R – juris Rn. 21 m.w.N.; Senat, Beschl. v. 01.06.2015 – L 9 SO 89/15 B ER – juris Rn. 25; Senat, Beschl. v. 20.12.2013 – L 9 SO 429/13 B ER – juris Rn. 34). Anders als von der Klägerin vorgetragen ist kein Vergleich zur Sonderschule/Förderschule zu ziehen (vgl. auch § 3 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke [Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung – AO-SF/NRW] vom 29.04.2005 in der Fassung vom 15.11.2008 bis 25.07.2011).
aa.
Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die sonderpädagogische Förderung innerhalb der von der Klägerin besuchten integrierten Lerngruppe an der Realschule/9. Klasse eine individuelle Förderung in den Bereichen der Emotionalität, der Kommunikation, des Sozialverhaltens, der Motorik, der Selbstständigkeit und des Arbeitsverhaltens mit umfasste, weist die Nachmittagsbetreuung keine durchgehend objektiv finale Zielrichtung in Bezug auf die Schulbildung auf.
Dafür sprechen zwar anhand der Darlegungen der Beigeladenen (Schreiben vom 12.06.2014 – Pädagogische Begutachtung der Nachmittagsbetreuung) – vordergründig – folgende Aspekte: Die angebotene Hausaufgabenbetreuung (wobei diese Leistungen nicht durch Lehrkräfte der Schule erbracht werden) und schulische Vor- und Nachbereitung und Reflexion des Unterrichts (regelmäßiger Austausch mit den Lehrern und Teilnahme der Erzieher am Schulunterricht). Dagegen sprechen aber tendenziell schon folgende Elemente der Nachmittagsbetreuung: Einkaufen und Zubereitung von Essen (auch unter Berücksichtigung des Schulfachs Hauswirtschaft im Schuljahr 2010/2011), Basteln zur Erlernung motorischer und feinmotorischer Fähigkeiten, Konzentration und Ausdauer, Einüben von selbständigem Vortrag, Förderung von sozialen Gruppenaspekten und Sport/Bewegungsförderung. Eindeutig gegen eine unmittelbare finale Ausrichtung sprechen folgende Umstände: Die Teilnahme an der Nachmittagsbetreuung ist freiwillig, die Betreuung weist insoweit gerade nicht zwingend einen direkten Bezug zum schulischen Unterricht und damit zur eigentlichen Schulbildung auf (vgl. insoweit auch Senat, Beschl. v. 01.06.2015 – L 9 SO 89/15 B ER – juris Rn. 26; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.01.2014 – L 20 SO 477/13 B ER – juris Rn. 44). Eine direkte Ausrichtung auf die Schulbildung könnte auch zu einer Ungleichbehandlung gegenüber solchen (behinderten) Schülern führen, die nicht an der Nachmittagsbetreuung teilnahmen. Zudem geht es in der Nachmittagsbetreuung um Begleitung der Identitätsfindung, Einübung lösungsorientierter Verhaltensweisen, Entwicklung eigener Handlungsmöglichkeiten, Einübung von lebenspraktischen Fähigkeiten, Teilnahme an Freizeitangeboten, Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, Vorbereitung auf das Leben in der Gemeinschaft, Orientierung in der Gesellschaft, Kontaktaufnahme mit der Umwelt und Erprobung lebenspraktischer Tätigkeiten, Erlernen von Regeln in den öffentlichen Verkehrsmitteln, Klavierspielen, die Förderung von Selbständigkeit, Stärke und Unabhängigkeit, Anbahnung eines engen Gruppenzusammenhalts, Spiele, den Besuch anderer Schulen und das Erlernen von Selbstsicherheit in unbekannten Situationen, alles Gesichtspunkte, denen eine objektiv finale Zielrichtung in Bezug auf die Schulbildung fehlt.
bb.
Da der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistung damit vorrangig bei der allgemeinen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und nicht zumindest gleichwertig bei den von der Leistung verfolgten schulischen Zielen liegt (vgl. BSG, Urt. v. 20.09.2012 – B 8 SO 15/11 R – juris Rn. 18), es sich im Ergebnis bloß um eine mittelbare Förderung der Schulausbildung handelt, scheidet ein Anspruch aus. Dabei kann es dahinstehen, dass einzelne Leistungen eine finale Zielrichtung in Bezug auf die Schulbildung aufweisen. Es findet insoweit keine isolierte Hilfe bzw. Trennung statt (vgl. hierzu auch Senat, Beschl. v. 05.02.2014 – L 9 SO 413/13 B ER – juris Rn. 15).
c.
Von der Privilegierung des § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII könnte die Klägerin ferner nur dann profitieren, wenn sie allein oder überwiegend deshalb an der Nachmittagsbetreuung teilnehmen sollte, um ihre schulischen Fähigkeiten zu verbessern (Senat, Beschl. v. 01.06.2015 – L 9 SO 89/15 B ER – juris Rn. 31), was vorliegend fraglich ist, aber offen bleiben kann (siehe obige Ausführungen unter "b." und Ausführungen sogleich unter "d.").
d.
Die Teilnahme der Klägerin an der Nachmittagsbetreuung, soweit diese überhaupt einen spezifischen Bezug zur Realschulausbildung in ihrer Klasse aufweist, ist im Übrigen zur Verbesserung der schulischen Fähigkeiten der Klägerin wohl noch – zumindest teilweise – geeignet, aber jedenfalls nicht erforderlich (zum Maßstab siehe auch Senat, Beschl. v. 20.12.2013 – L 9 SO 429/13 B ER – juris Rn. 37 m.w.N.; vgl. auch Senat, Beschl. v. 28.04.2014 – L 9 SO 450/13 B ER – juris Rn. 6). Dass die Klägerin nicht zwingend auf die Nachmittagsbetreuung angewiesen war, um die Bildungsziele ihrer Klasse zu erreichen, sieht man schon daran, dass die Nachmittagsbetreuung nur einmal in der Woche stattfand, freiwillig erfolgte, nur wenige Schüler dieses Angebot nutzten und die Nachmittagsbetreuung Anfang des Schuljahres sogar über einen längeren Zeitraum, nämlich bis November 2010, komplett ausfiel. Die Klägerin besuchte im Übrigen eine integrative Schule, die gerade während des Schulunterrichts integrativ und fördernd auf behinderte Schüler wie die Klägerin einwirkte und ganz offenbar selbst auch keine Notwendigkeit einer zusätzlichen Förderung im Rahmen einer Nachmittagsbetreuung sah (vgl. auch § 3 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke [Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung – AO-SF/NRW] vom 29.04.2005 in der Fassung vom 15.11.2008 bis 25.07.2011, der lautet: "Bei Anhaltspunkten dafür, dass eine Schülerin oder ein Schüler wegen einer körperlichen, seelischen oder geistigen Behinderung oder wegen des erheblich beeinträchtigten Lernvermögens nicht am Unterricht einer allgemeinen Schule (allgemein bildende oder berufsbildende Schule) teilnehmen kann, entscheidet die Schulaufsichtsbehörde über sonderpädagogischen Förderbedarf, Förderschwerpunkte und den Förderort"; vgl. aber auch Senat, Beschl. v. 28.04.2014 – L 9 SO 450/13 B ER – juris Rn. 7). Die Klägerin selbst spricht von einer "Erleichterung" des Schulbesuchs (vgl. Schriftsatz vom 12.10.2011) bzw. davon, dass "die Förderungen allesamt der angemessenen Schulbildung dienlich sind" (vgl. Schriftsatz vom 08.08.2013), was im Ergebnis nicht ausreichend ist. In dem Konzept vom 30.11.2001 (Stand: November 2011) bezüglich integrativen Lerngruppen der Realschule T wird die Beigeladene im Rahmen der Berufsvorbereitung erwähnt und in diesem Zusammenhang von einer "sinnvollen Ergänzung und Vertiefung zu den schulischen Förderangeboten am Vormittag" gesprochen, was ebenfalls nicht ausreichend ist.
Was die Teilnahme an der Hausaufgabenbetreuung – auch etwa die schulische Vor- und Nachbereitung, zudem die Reflexion des Unterrichts – betrifft, erscheint unabhängig davon die Erforderlichkeit zweifelhaft (hierzu Senat, Beschl. v. 01.06.2015 – L 9 SO 89/15 B ER – juris Rn. 34). Hausaufgaben sind darauf angelegt, zu Hause erledigt zu werden. Die Hausaufgabenbetreuung dient in erster Linie dazu, Kindern einen Raum zur zeitnahen Erledigung der Hausaufgaben zu verschaffen, damit sie diese nicht erst am späten Nachmittag machen müssen, wenn ihre Eltern von der Arbeit kommen und ihre Kinder betreuen können. Hausaufgaben sollten zudem so angelegt sein, dass die Kinder sie ohne Hilfe erledigen und so selbstständig den Unterrichtsstoff nacharbeiten können. Grundsätzlich dürfte deshalb bei Hausaufgaben kein besonderer pädagogischer Betreuungsbedarf bestehen. In jedem Fall können eventuell notwendige Unterstützungsleistungen jedenfalls in der Regel ohne weiteres durch die Eltern geleistet werden. Warum dies bei den Eltern der Klägerin anders sein soll, erschließt sich nicht.
Der Beweisantrag der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 25.11.2015) ist abzulehnen. Die Geeignetheit der Nachmittagsbetreuung durch die Beigeladene für die Schulbildung der Klägerin kann als wahr unterstellt werden (dazu schon BVerwG, Urt. v. 06.02.1985 – 8 C 15/84 – juris Rn. 15 m.w.N.; umfassend Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 103 Rn. 8). Selbst wenn die Erforderlichkeit der Nachmittagsbetreuung für die Schulbildung – welche nach oben Gesagtem offenkundig nicht vorliegt, so dass die Beweiserhebung gegebenenfalls schon offenkundig überflüssig wäre (vgl. dazu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 103 Rn. 8 unter Verweis auf § 244 Abs. 3 Strafprozessordnung [StPO]) – ebenfalls als wahr unterstellt würde, bleibt es dabei, dass die Nachmittagsbetreuung schon keine durchgehend objektiv finale Zielrichtung in Bezug auf die Schulbildung aufweist. Hieran kann auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nichts ändern, zumal es sich dabei um eine Rechtsfrage handelt, zu deren Entscheidung der Senat und nicht ein Sachverständiger berufen ist.
3.
Eine Korrektur des gefundenen Ergebnisses, sei es über eine systematische (verfassungskonforme bzw. völkerrechtskonforme) Auslegung des einfachen Gesetzesrechts oder über eine Herleitung eines Anspruchs unmittelbar aus Verfassungsrecht oder Völkerrecht, ist nicht vorzunehmen.
a.
Soweit die Klägerin Art. 3 Abs. 1, 3 S. 2 Grundgesetz (GG) erwähnt, ist schon unklar, welche Vergleichsgruppen sich gegenüberstehen sollen und worin die behinderungsbedingte Benachteiligung der Klägerin liegen soll. Nach den vorliegenden Unterlagen wurde im Schuljahr 2010/2011 in der Schulstufe der Klägerin durchgehend keine verpflichtende Nachmittagsbetreuung seitens der Schule vorgehalten. Die Klägerin, die freiwillig eine Nachmittagsbetreuung aufsuchte, wurde genauso behandelt wie ihre nichtbehinderten Mitschüler. Die Klägerin kann sich nicht mit behinderten Kindern auf der Förderschule vergleichen, insoweit würde Ungleiches miteinander verglichen. Soweit die Klägerin auf Art. 12 GG verweist, ist schon unklar, welches Element des Schutzbereichs betroffen sein soll und worin der Eingriff liegen soll. Vorliegend wird ja nicht die Betreuung der Klägerin am Nachmittag verhindert, sondern allein der Einsatz von Einkommen und Vermögen der Eltern der Klägerin diesbezüglich gefordert (da die Eltern auch auf Einkommen und Vermögen zurückgreifen konnten).
Es greifen auch nicht die Grundsätze der Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 Abs. 1 GG), obwohl die Beklagte in den Schuljahren vor 2010/2011 Eingliederungshilfe ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen der Eltern der Klägerin geleistet hat. Es kann hierbei dahinstehen, ob die Grundsätze der Selbstbindung der Verwaltung überhaupt Anwendung finden können, da diese auf Rechtsfolgenseite grundsätzlich einen Ermessensspielraum bzw. einen Handlungsspielraum vorsehen müssen. Jedenfalls dürfte die Verwaltung von ihrer ständigen Verwaltungspraxis schon dann abweichen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen der Norm nicht (mehr) gegeben sind. Dieses stellte in jedem Fall einen rechtfertigenden Grund dar.
b.
Mit Blick auf den von der Klägerin angeführten Art. 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) kann keine Diskriminierung und keine (Chancen-) Gleichheitsverletzung darin gesehen werden, dass die Beklagte eine (nicht erforderliche) Nachmittagsbetreuung der Klägerin vom Einsatz des eigenen Einkommens und Vermögens bzw. desjenigen der Eltern abhängig macht. Das Recht der Klägerin auf Bildung bleibt durch die streitgegenständliche Entscheidung der Beklagten unangetastet, der Klägerin wurde innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S. 1, 193 Abs. 4, 1 S. 1 SGG.
IV.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) bestehen nicht.
Erstellt am: 26.04.2016
Zuletzt verändert am: 26.04.2016