Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.07.1995 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte zu Recht die Leistung von Versorgungsrente nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) ab gewiesen hat.
Der am 25.01.1931 in Kattowitz/Polen geborene Kläger war von September 1949 bis September 1955 in der Volksrepublik Polen aus politischen Gründen inhaftiert. Im Jahre 1952 erkrankte er im Gefängnis an Lungentuberkulose.
Seit Juni 1990 lebt er in der Bundesrepublik Deutschland.
Am 22. Oktober 1990 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Als Folge der Inhaftierung machte er Lungenveränderungen, ein Asthma und Herzbeschwerden geltend. Zum Nachweis seiner Behauptung übersandte er eine ärztliche Bescheinigung der Gesundheitspflegegemeinschaft der Stadt Kattowitz, Fachambulatorium, Antituberkulose-Beratungsstelle, vom 04.04.1990 und Berichte der Tuberkulose-Klinik des Instituts für Innere Krankheiten der Schlesischen Ärztlichen Akademie Kattowitz vom 03.12.1980 und 14.06.1983. Darin hieß es, die 1952 während der Inhaftierung aufgetretene Lungentuberkulose sei erst nach der Entlassung mit Antituberkulostatika therapiert worden. 1963/64 sei es zu einer Reaktivierung der Lungentuberkulose gekommen, die einen Sanatoriumsaufenthalt erforderlich gemacht hätte. In dem Bericht über einen stationären Aufenthalt wegen einer chronisch asthmoiden Bronchitis im Jahre 1980 sind seit zwei Jahren bestehende Erstickungsanfälle, insbesondere bei Kontakt mit Hausstaub, bei Wetterwechsel und verstärkt während bakterieller Infektionskrankheiten, beschrieben worden. Es seien bronchienerweiternde Medikamente verabreicht und eine Desensibilisierung durchgeführt worden.
Die vom Beklagten verwerteten Schwerbehindertenakten enthielten zahlreiche ärztliche Berichte über die nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland durchgeführten ärztlichen Behandlungen des Klägers. U.a. berichtete der Facharzt für Hals-Nasen- Ohrenkrankheiten Dr. S. 1991 über eine beginnende hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits. Der behandelnde Lungenfacharzt Dr. K. verneinte eine Reaktivierung der Lungentuberkulose und beschrieb ein funktionell irreversibles Lungenemphysem.
Unter Berücksichtigung des von der Versorgungsärztin Dr. G. 1993 erstatteten internistischen Gutachtens erkannte der Beklagte durch Bescheid vom 20.07.1993 "Narbige Veränderungen in Lunge und Pleura nach Tuberkulose" als Schädigungsfolgen nach dem HHG an. Die Leistung einer Versorgungsrente lehnte er jedoch ab, weil eine schädigungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von wenigstens 25 vom Hundert (v.H.) nicht erreicht werde. Die Gesundheitsstörung "allergisches Bronchialasthma mit corpulmonale" sei weder durch schädigende Einwirkungen entstanden noch verschlimmert worden.
Zur Begründung seines dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die bei ihm bestehenden Erkrankungen seien auf die Bedingungen der Inhaftierung zurückzuführen.
Nach Einholung einer Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr. G. wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 19.05.1994 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 17.06.1994 beim Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, die Lungen- und Asthmaerkrankung sei auf die während der Haftzeit erlittene Lungentuberkulose, die fehlende ärztliche Behandlung in dieser Zeit und die wegen der Atemwegserkrankung erforderliche jahrelange Einnahme zahlreicher Medikamente zurückzuführen.
Zum Nachweis seiner Behauptung hat er weitere ärztliche Berichte über die in Polen erfolgten ärztlichen Behandlungen überreicht.
Der Kläger hat beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 20.07.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.05.1994 den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit seit Oktober 1990 Versorgungsrente nach einer MdE von 30 v.H. zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf den angefochtenen Bescheid bezogen.
Das SG hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung des internistisch-pneumologischen Gutachtens von Dr. G., Köln, vom 19.12.1994. Der Sachverständige hat ausgeführt, als Schädigungsfolgen bestünden posttuberkulöse Narben in beiden Lungenober- und Lungenspitzenfeldern, Pleurakuppenschwielen beidseits und geringe narbige pleurale Residuen, die mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten seien. Das bestehende Lungenemphysem und die damit verbundene Rechtsherzschädigung (cor pulmonale) seien nicht wesentlich ursächlich auf die durchgemachte Lungentuberkulose oder deren Folgen zurückzuführen. Vielmehr bestehe bei dem Kläger eine polyvalente Sensibilisierung auf Inhalationsallergene, die nicht nur zu einem Asthma sondern auch zu einer Schädigung der oberen Atemwege geführt habe.
Das SG ist den Ausführungen des genannten Sachverständigen gefolgt und hat mit Urteil vom 19.07.1995 die Klage abgewiesen.
Gegen das ihm am 03.08.1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 04.09.1995, Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt er vor, er sei im Januar und September 1991 an einem Abszeß am Gesäß operiert worden, der vermutlich auf die vielen wegen der Atemswegserkrankung erforderlichen Injektionen zurückzuführen sei. Die Atemwegserkrankung habe sich verschlimmert. Die zahlreichen Medikamente, die er zur Behandlung der Lungentuberkulose eingenommen habe und auch noch vorbeugend ein nehmen müsse, hätten erhebliche Nebenwirkungen wie Magenschmerzen, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Seh- und Hörstörungen. Die chronische obstruktive Bronchitis, die im Zusammenhang mit der Tuberkulose zu sehen sei, sei dauerhaft cortisonpflichtig. Dadurch sei es zu einem Diabetes (Zuckerkrankheit) gekommen. Folge des Diabetes sei eine Polyneuropathie. Möglicherweise bestehe auch ein Zusammenhang zwischen der Allergie und den unhygienischen Verhältnissen während der Inhaftierung (Feuchtigkeit, Schimmelpilze in den Zellenwänden, Kälte, unzureichende Ernährung). Die langwierige und schwere Erkrankung des Atemwegssystems habe zu einer Rechtsherzüberlastung geführt. Im übrigen leide er unter den psychischen Auswirkungen der Gefangenschaft.
Der Kläger hat sich zum Nachweis seiner Behauptung auf zahlreiche Stellungnahmen seines behandelnden Arztes Dr. G. gestützt. Ferner hat er weitere Berichte über stationäre Behandlungen im Kreiskrankenhaus G. – im wesentlichen wegen obstruktiver Bronchitis – sowie Berichte der behandelnden Ärzte Dr. W. (Polyneuropathie) und Dr. K. (Atemwegserkrankung) übersandt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des SG Köln vom 19.07.1995 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20.07.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.1994 zu verurteilen, unter Anerkennung der Gesundheitsstörungen "Atemwegs- und Herzerkrankung, Diabetes, Polyneuropathie, chronische Gastritis, Seh- und Hörstörungen, Kopfschmerzen, Depressionen, Zustand nach Abszeßbildung" als weitere Schädigungsfolgen ab 01.10.1990 Versorgungsrente nach einer MdE um wenigstens 30 v.H. zu leisten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat vom Kreiskrankenhaus G. über die stationären Behandlungen des Klägers wegen eines Glutealabszesses rechts und der chronischen obstruktiven Lungenerkrankung, der Zuckerkrankheit und der coronaren Herzerkrankung Berichte eingeholt.
Ferner hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden Aktengutachtens des bereits im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. G., eines weiteren pneumologischen Gutachtens von Prof. Dr. Z., Köln, und dessen ergänzender Stellungnahme, sowie eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. V., Velbert.
Der Sachverständige Dr. G. hat nach Auswertung der weiteren beigezogenen medizinischen Unterlagen in seinem Aktengutachten vom 28.05.1996 keinen Anlaß zu einer von seinem im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachten abweichenden Auffassung gesehen. Eine Behandlung mit dem vom Kläger wegen der Lungentuberkulose eingenommenen Medikament Streptomycin könne zwar zu einer Innenohrschädigung führen, die jedoch sofort während der Therapie ein trete. Weder aus den Aktenunterlagen noch aus den früheren Beschwerdeangaben des Klägers sei zu ersehen, daß ein Hörschaden bereits während der Einnahme des genannten Medikamentes aufgetreten sei. Bei einer Behandlung mit dem Medikament PAS (p-Aminosalicyl- Säure) könne es während der Therapie zu Magen- und Kopfschmerzen kommen. Eine dauerhafte Schädigung von Gefäßen oder des Magen- Darm-Traktes sei jedoch nicht bekannt. Sehstörungen könnten der damaligen Therapie nicht zugeordnet werden. Was die Ursache des 1991 behandelten Abszesses angehe, so sei dieser am ehesten auf die im Rahmen von Infektbehandlungen vorgenommenen Injektionen in den siebziger und achtziger Jahren zurückzuführen.
Der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat in seinem Gutachten vom 09.12.1997 und der ergänzenden Stellungnahme vom 17.04.1998 zusammenfassend ausgeführt, bei dem Kläger bestehe eine Asthma bronchiale, dessen Beginn von dem Kläger auf die siebziger Jahre datiert worden sei. Als Folge der sich fortschreitenden verschlimmernden langjährigen obstruktiven Ventilationsstörung hätten sich ein Lungenemphysem und eine Rechtsherzschädigung entwickelt. Die eben falls wiederholt erwähnte chronische Herzinsuffizienz sei mit gewisser Wahrscheinlichkeit als eine Dekompensation der Rechtsherzschädigung mindestens mitzubetrachten. Ursache des Asthma bronchiale sei die wiederholt beschriebene polyvalente exogenaller gische Sensibilisierung. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Tuberkulose und der Inhaftierung sei zu verneinen.
Das Magenleiden sei mit Wahrscheinlichkeit nicht Folge der wegen der Tuberkulose eingenommenen Medikamente. Kopfschmerzen seien keine typischen Nebenwirkungen dieser Medikamente, könnten jedoch als Symptom bei jeglicher Medikamenteneinnahme unspezifisch auf treten. Eine Dauerhaftigkeit sei nicht bekannt.
Das gleiche gelte für die Symptomatik der Schlaflosigkeit. Sehstörungen seien als Nebenwirkungen bei den dem Kläger verordneten Medikamenten nicht bekannt. Hörstörungen träten nur während der Therapie auf. Das wegen der Tuberkulose verabreichte Medikament Tebesium (INH) habe zwar die bekannte Nebenwirkung einer Polyneuropathie. Die Entwicklung und Verschlechterung dieser Erkrankung gehe beim Kläger aber mit der Entwicklung bzw. zunehmenden Therapiebedürftigkeit des Diabetes mellitus einher und werde als diabetische Polyneuropathie diagnostiziert. Die durchgeführten Abszeßoperationen stünden in einem beträchtlichen zeitlichen Intervall zu der Tuberkuloseanamnese. Ein Zusammenhang damit sei nicht wahrscheinlich, anamnestisch habe der Kläger später wiederholte Injektionen zur Behandlung von akuten Atemwegserkrankungen erhalten. Die durch die anerkannten Schädigungsfolgen bedingte MdE sei zu Recht mit 10 v.H. eingeschätzt worden.
Der Sachverständige Dr. V. hat in seinem Gutachten vom 29.09.1998 ausgeführt, die beim Kläger diagnostizierte leichtgradige Hirnleistungsschwäche mit Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen stünde nicht mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit der Inhaftierung. Sie sei vielmehr Folge eines das Gehirn betreffenden schicksalhaften arteriosklerotischen Gefäßprozesses. Seelische/geistige Gesundheitsstörungen als Folge der Inhaftierung seien von den polnischen Ärzten niemals beschrieben worden. Bei Erörterung der Inhaftierung und der Haftbedingungen während der zweitägigen stationären Untersuchung durch ihn, den gerichtlichen Sachverständigen, seien affektive, emotionale und vegetative Begleitreaktionen des Klägers nicht festzustellen gewesen. Es ergäben sich auch aus der Schilderung der weiteren psychosozialen Entwicklung keine Hinweise dafür, daß der Kläger aufgrund psychischer Fehlreaktionen oder sonstiger seelischer Störungen in seiner beruflichen Entwicklung bzw. seiner allgemeinen Lebensgestaltung beeinträchtigt gewesen sei.
Für die außerdem beim Kläger vorliegende Polyneuropathie sei nicht die wegen der Tuberkulose erforderliche medikamentöse Behandlung mit Tebesium/INH sondern der seit etwa 10 Jahren bestehende, in zwischen insulinpflichtige, schädigungsunabhängige Diabetes mellitus wahrscheinlich ursächlich. Es könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, daß die wegen der Lungentuberkulose seit 1993 durchgeführte prophylaktische medikamentöse Behandlung mit Tebe sium/INH einen gewissen zusätzlichen Schädigungsfaktor für das periphere Nervensystem darstelle. Im Hinblick darauf, daß die Polyneuropathie nach der herrschenden Lehrmeinung sehr vielfältige Ursachen haben könne (z.B. auch toxische Einwirkungen durch eine Reihe von Medikamenten), ein etwas länger bestehender Diabetes mellitus aber praktisch immer mit einer Polyneuropathie einhergehe, beim Kläger die Polyneuropathie mit einer Latenzzeit von mehreren Jahren nach Auftreten der Zuckererkrankung eingetreten und der weitere Verlauf mit stetiger Verschlechterung für eine diabetische Polyneuropathie typisch sei, könne das Medikament Tebesium/INH als relevanter ursächlicher Faktor nicht wahrscheinlich gemacht werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Ausbleibens des Klägers und seiner Prozeßbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden können, weil diese zum Termin mit dem Hinweis geladen worden sind, daß auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 20.07.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.1994 beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistung von Versorgungsrente nach dem HHG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Gemäß § 4 Abs. 1 HHG erhält ein nach § 1 HHG Berechtigter, der in folge politischen Gewahrsams eine Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer derartigen Schädigung genügt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 HHG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges.
Unter Beachtung dieses Grundsatzes hat der Beklagte beim Kläger, bei dem eine Berechtigung nach § 1 Abs. 1 Ziffer 1 HHG nachgewiesen ist, zu Recht lediglich "narbige Veränderungen in Lunge und Pleura nach Tuberkulose" als Schädigungsfolgen im Sinne des § 4 Abs. 1 HHG anerkannt und die Leistung von Versorgungsrente abgelehnt. Denn die anerkannten Schädigungsfolgen bedingen keine rentenberechtigende MdE um wenigstens 25 v.H., § 31 Abs. 1, 2 BVG. Sie schränken den Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit nur um 10 v.H. ein. Die Lungentuberkulose, die er sich 1952 zugezogen hatte und die in den Jahren 1963/1964 wieder aufgebrochen war, ist inaktiv.
Weitere Gesundheitsstörungen, die wesentlich ursächlich – unmittelbar oder mittelbar – auf die Verhältnisse der Inhaftierung zu rückzuführen sind, lassen sich mit der nach dem Gesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht feststellen.
Insbesondere stehen das beim Kläger nach den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen erstmalig 1980 diagnostizierte Bronchialasthma und als dessen Folgen eine Rechtsherzschädigung, damit zusammenhängend eine chronische Herzinsuffizienz sowie das Lungenemphysem nicht mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit der durch gemachten Lungentuberkulose oder mit den – erstmalig im Berufungsverfahren vorgetragenen – unhygienischen Verhältnissen in der Inhaftierung. Wie die Sachverständigen Dr. G. und Prof. Dr. Z. überzeugend dargelegt haben, hat die Lungentuberkulose weder zu ein Bronchialasthma verursachenden Veränderungen der Lunge oder des Bronchialsystems – z. B. zu Schrumpfungsvorgängen – geführt noch ist es aufgrund der narbigen Veränderungen nach Lungentuberkulose zu einer Restriktion starken Ausmaßes gekommen.
Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht schließlich auch das lange zeitliche Intervall zwischen der Lungentuberkulose und dem Auftreten der ersten Symptome eines Bronchialasthmas. Die ersten massiven Luftnoterscheinungen sind nämlich nach den Angaben des Klägers gegenüber der Versorgungsärztin Dr. G. und den gerichtlichen Sachverständigen Dr. G. und Prof. Dr. Z. erst 1978 aufgetreten. Diese Angaben stehen auch in Einklang mit den Berichten der Tuberkulose-Klinik Hindenburg aus den Jahren 1980 und 1983, in denen anfallsartige Atembeschwerden seit zwei bzw. fünf Jahren beschrieben worden sind. In den Berichten des Städtischen Krankenhauses Kattowitz über die stationären Behandlungen in den Jahren 1976 und 1978 sind noch keine Luftnoterscheinungen erwähnt worden.
Ursache des Bronchialasthmas ist vielmehr eine allergische Sensibilisierung des Klägers auf Inhalationsallergene wie Gräser, Baum pollen, Hausstaubmilbe und Schimmelpilze. Deshalb wurde auch schon 1980 in der Lungenklinik in Hindenburg eine Desensibilisierung durchgeführt. Zu dem Bild eines allergischen Bronchialasthmas passen auch die dokumentierten langjährigen chronischen Entzündungen der Nasennebenhöhlen und die chronische Rhinitis.
Daß die Sensibilisierung in ursächlichem Zusammenhang mit den vom Kläger geschilderten Haftbedingungen zusammenhängt, ist schon wegen des bereits angesprochenen langen zeitlichen Intervalles zwischen Inhaftierung und dem Auftreten der ersten, nachgewiesenen Asthmasymptomatik unwahrscheinlich. Im übrigen ist der Kläger nicht nur gegen Schimmelpilze allergisch, sondern auch gegen eine Reihe weiterer Allergene, die in keinem Zusammenhang mit der Inhaftierung gesehen werden können.
Ebensowenig ist ein mittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen der beim Kläger 1995 diagnostizierten Polyneuropathie und den an erkannten Schädigungsfolgen wahrscheinlich gemacht. Zwar kann das in Polen zur Bekämpfung der Lungentuberkulose eingesetzte Medikament INH/Tebesium, das dem Kläger auch nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik wieder seit 1993 zur Prophylaxe – wenn auch in relativ niedriger Dosierung – verordnet worden ist, einen schädigenden Einfluß auf die Entstehung bzw. Verschlimmerung einer Polyneuropathie haben. Jedoch läßt sich unter Berücksichtigung der medizinischen Erkenntnis, daß es zahlreiche Ursachen für eine Polyneuropathie gibt und bei dem Kläger ein Diabetes mellitus vor liegt, der immer mit einer Polyneuropathie einhergeht, nicht fest stellen, inwieweit die medikamentöse Behandlung mit INH/Tebesium zur Entstehung oder Verschlimmerung der Polyneuropathie beigetragen hat. Mit dem Bild einer diabetischen Polyneuropathie ist vereinbar, daß die deutliche Verschlechterung der 1995 diagnostizier ten und sich in der Folgezeit verschlimmernden Polyneuropathie mit der Zunahme der Verschlimmerung und Therapiebedürftigkeit des Diabetes mellitus korreliert. Dieser ist als schädigungsunabhängiges Leiden zu werten. Denn die die diabetische Stoffwechsellage beeinflussende Cortisonbehandlung des Klägers ist wegen des schädigungsunabhängigen Bronchialasthmas durchgeführt worden.
Die 1991 aufgetretenen und operativ behandelten Abszesse sind wegen des langen zeitlichen Intervalles nicht mit Wahrscheinlichkeit
auf die wegen der Lungentuberkulose verabreichten, sondern allen falls auf die späteren, im Zusammenhang mit akut auftretenden – schädigungsunabhängigen – Infektbehandlungen erfolgten Injektionen zurückzuführen.
Ebensowenig ist ein mittelbarer ursächlicher Zusammenhang der geklagten Hör- und Sehstörungen, der Kopfschmerzen und des Magenleidens mit der durchgemachten Lungentuberkulose wahrscheinlich gemacht. Denn die wegen der schädigungsbedingten Erkrankung eingenommenen Medikamente, die in den Berichten über die in Polen und in Deutschland durchgeführten medizinischen Behandlungen im einzelnen aufgeführt worden sind, verursachen keine bleibenden Gesundheitsstörungen. Sehstörungen sind bei den eingenommenen Me dikamenten unbekannt. Kopf- und Magenschmerzen können zwar bei einer Behandlung mit dem Medikament PAS (p-Aminosalicyl-Säure) auftreten. Diese sind jedoch auf die Dauer der Therapie beschränkt. Eine darüber hinausgehende Schädigung von Gefäßen oder des Magen-Darm-Traktes sind nicht bekannt. Das in Polen zur Behandlung der Lungentuberkulose verordnete Medikament Streptomycin kann zwar zu einer Innenohrschwerhörigkeit führen. Diese Schädigung tritt jedoch sofort während der Therapie auf, was beim Kläger weder durch die zahlreichen medizinischen Berichte noch durch seine früheren Beschwerdeangaben belegt ist.
Schließlich bestehen auch keine psychisch-seelischen Gesundheitsstörungen – insbesondere keine Depression – , die mit Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf schädigende Ereignisse im Sinne des § 4 Abs. 1 HHG zurückzuführen sind. Derartige Leiden sind vom Kläger selbst weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren vor getragen und in Zusammenhang mit den Umständen der Inhaftierung gebracht worden. Auch die behandelnden polnischen Ärzte haben in ihren Berichten keine psychischen Beeinträchtigungen, sondern lediglich internistische Erkrankungen beschrieben. Psychische Beeinträchtigungen sind vielmehr erstmalig im März 1998 von dem behandelnden Internisten Dr. Götze angegeben worden. Auch die stationäre Untersuchung durch den neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. V. ergab keinen Anhalt für Gesundheitsstörungen von Krankheitswert auf psychiatrischem Fachgebiet, die im Zusammenhang mit der Inhaftierung gesehen werden könnten.
Für die leichtgradige Hirnleistungsschwäche mit Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen ist ein schicksalhafter hirnarteriosklerotischer Gefäßprozeß verantwortlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
Anlaß, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 160 Abs. 2 SGG. Für die Entscheidung sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles maßgebend.
Erstellt am: 19.08.2003
Zuletzt verändert am: 19.08.2003