Mit Urteil vom BSG wurde Urteil des LSG abgeändert.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19. September 2000 wird zurückgewiesen. Kosten werden im Berufungsverfahren nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Versorgungsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren – (SGB X).
Der 1925 geborene Kläger leistete ab August 1943 Dienst in der Deutschen Wehrmacht. In der Zeit von April 1945 bis Mai 1947 war er in Kriegsgefangenschaft.
Im September 1951 beantragte der Kläger erstmals beim Versorgungsamt P die Anerkennung einer posttraumatischen Kyphoskoliose der Wirbelsäule als Schädigungsfolge nach dem BVG. Er trug vor, er sei im April 1945 verschüttet worden. Dabei habe er sich eine Verletzung der Wirbelsäule zugezogen. Das Versorgungsamt P lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 05.06.1952 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.11.1954 ab, da eine Verletzung der Wirbelsäule als Folge einer Verschüttung nicht feststellbar sei. Die habituelle Verbiegung der Brustwirbelsäule sei ein anlagebedingtes Leiden, das durch den militärischen Dienst nicht verschlimmert worden sei. Dieses Leiden könne nicht als Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG anerkannt werden.
Im Mai 1997 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut Gewährung von Leistungen nach dem BVG. Er begehrte die Anerkennung eines Wirbelsäulenschadens im Sinne der Verschlimmerung sowie eines niedrigen Blutdrucks, Hämorrhoiden, einer Verdauungsinsuffizienz, einer mangelnden Hirndurchblutung sowie einer zunehmenden Schwerhörigkeit und eines Tinnitus als Schädigungsfolgen. Der Beklagte zog die Schwerbehinderten-Akte sowie die Unterlagen des Krankenbuchlagers Berlin über eine Untersuchung des Klägers im April 1947 bei und holte eine Auskunft der Deutschen Dienststelle ein. Mit Bescheid vom 25.02.1998 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Eine Kriegsbeschädigung sei weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung erwiesen. Es sei wahrscheinlich, dass der Kläger vor Eintritt in den Kriegsdienst eine Wirbelsäulenschädigung gehabt habe. Ein adäquates Kriegstrauma sei nicht erwiesen. Dass sich die Verbiegung der Wirbelsäule im Laufe der Jahre verstärkt habe, entspreche dem typischen eigengesetzlichen Verlauf einer solchen Wirbelsäulenveränderung. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch und machte geltend, dass er vor der Einberufung keine Wirbelsäulenbeschwerden gehabt habe und eine Deformität nicht sichtbar gewesen sei. Nach dem Einrücken in eine Gebirgspioniereinheit habe er nahezu täglich schwerste körperliche Tätigkeiten verrichten müssen. Nach der Verschüttung seien unerträgliche Schmerzen im Rücken aufgetreten. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 01.07.1998 den Antrag auf Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden als Schädigungsfolge erneut unter Berufung auf § 44 SGB X ab. Mit dem Schreiben von Mai 1998 habe der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.02.1998 eingelegt. Wegen Fristversäumnis müsste der Widerspruch zurückgewiesen werden. Das Schreiben sei jedoch als Antrag auf Rücknahme des Verwaltungsaktes wegen Unrichtigkeit nach § 44 SGB X angesehen und entsprechend geprüft worden. An der Bindung des Bescheides vom 25.02.1998 werde festgehalten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.1998 als unbegründet zurück.
Am 21.09.1998 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Er hat vorgetragen, bei ihm habe vor der Einberufung in die Wehrmacht keine Wirbelsäulenverkrümmung vorgelegen. Bei der Musterung seien keine Wirbelsäulenschäden festgestellt worden. Falls er anlagebedingt, eine äußerlich nicht erkennbare, instabile Wirbelsäule zum Zeitpunkt der Einberufung gehabt habe, sei dieser Prozess der Wirbelsäulenverkrümmung durch die schweren Belastungen während seines Einsatzes in einer Gebirgspioniereinheit in Gang gesetzt oder zumindest verstärkt worden. Das Heben und Tragen schwerer Lasten sei bei Jugendlichen im Alter von 17 bis 19 Jahren bei leichtem Knochenbau geeignet, einen Wirbelsäulenschaden zu verursachen oder eine noch nicht bemerkte leichte Wirbelsäulenverkrümmung zu verschlimmern. Hinzu träten die Folgen der Verschüttung.
Das SG hat Gutachten von dem HNO-Arzt Dr. T2, dem Orthopäden Prof. Dr. N und dem Internisten Dr. C eingeholt. Prof. Dr. N hat ausgeführt, dass bei dem Kläger eine idiopathische Skoliose bestehe. Der zeitliche Entstehungszeitraum müsse in das Wachstumsalter verlegt werden. Mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit habe die S-förmige Skoliose bereits zum Zeitpunkt des Wehrdiensteintrittes vorgelegen. Es sei auch nicht anzunehmen, dass ihre Entwicklung wesentlich durch schwerste Tätigkeiten im Wehrdienst verstärkt worden sei. Bei der Musterung seien offenbar Grad und Art der Skoliose übersehen worden.
Mit Urteil vom 19.09.2000 hat das SG Köln die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das Urteil am 19.10.2000 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und ist der Auffassung, dass den Feststellungen von Prof. Dr. N nicht gefolgt werden könne. Das Wirbelsäulenleiden sei zumindest durch die Belastungen während des Wehrdienstes verschlimmert worden. Er habe schwere körperliche Arbeit, z. B. beim Brücken-, Eisenbahnstrecken- und Flussfährenbau verrichten müssen. Durch den Militärdienst, die Kriegsgefangenschaft und die Heimatvertreibung sei eine sachgerechte Behandlung der Wirbelsäulenverkrümmung – Korsettbehandlung, Versteifung durch Operation – verhindert worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19. September 2000 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01. Juli 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02. September 1998 und Änderung des Bescheides vom 25. Februar 1998 zu verurteilen, sein Wirbelsäulenleiden als Schädigungsfolge anzuerkennen und ihm ab Mai 1997 eine Versorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 v. H. nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte von Dr. Q und Prof. Dr. T sowie Auskünfte von der Deutschen Dienststelle und der AOK Rheinland eingeholt. Ferner hat der Senat die Akte des Versorgungsamtes P betreffend das Altverfahren des Klägers beigezogen. Sodann hat der Senat Prof. Dr. X mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers und Auswertung von Röntgenaufnahmen aus dem Jahre 1947, 1990 und 1997 festgestellt, dass beim Kläger eine idiopathische, rechtskonvexe Thorakalskoliose mit linkskonvexer lumbaler Gegenkrümmung, ein durch die Skoliose bedingter Schultertiefstand links von 2 cm und Beckentiefstand links von 1 cm, eine Krallenzehenbildung D II links, eine Ober- und Unterschenkelvarikosis beidseits, eine operativ versorgte Leistenhernie rechts und ein operierter Katarakt links bestehen. Er hat sich im Ergebnis den Ausführungen des Prof. Dr. N angeschlossen, dass die Wirbelsäulenveränderungen weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung auf Belastungen während des Wehrdienstes oder einer unzureichenden truppenärztlichen Versorgung zurückzuführen seien.
Den Antrag des Klägers auf Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. X wegen Befangenheit hat der Senat mit Beschluss vom 16.01.2001 zurückgewiesen.
Der Kläger ist der Kausalitätsbeurteilung des Sachverständigen nicht gefolgt und hat Stellungnahmen von Prof. Dr. O und Prof. Dr. A vorgelegt. In einer ergänzenden Stellungnahme hierzu hat Prof. Dr. X seine Auffassung aufrecht erhalten.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten von dem Orthopäden Prof. Dr. Q1 eingeholt, wonach sich die Skoliose bei dem Kläger unabhängig von den äußeren Belastungen entwickelt hat. Es sei aber unbestreitbar, dass sich schwere körperliche Belastungen ungünstig auf eine Skoliose auswirkten. Die schweren körperlichen Belastungen, wie sie beim Pionierdienst der Wehrmacht unumgänglich seien, hätten mit Sicherheit die Ausprägung der heute bestehenden Skoliose beschleunigt und verstärkt.
Der Senat hat Prof. Dr. X hierzu ergänzend gehört. Dieser hat seine Kausalitätsbeurteilung aufrecht erhalten.
Sodann hat der Senat Prof. Dr. T1, Orthopädische Universitätsklinik H, und Prof. Dr. N1, Orthopädische Klinik I-Stiftung B, zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen hinsichtlich der Auswirkungen von schwerer körperlicher Belastung auf eine anlagebedingte Skoliose befragt. Prof. Dr. N1 hat hierzu ausgeführt, dass ihm keine Literarur bekannt sei, die sich mit dieser Fragestellung befasse. Ferner müsse davon ausgegangen werden, dass der normale Verlauf der anlagebedingten Skoliose und nicht die äußere Einwirkung der körperlichen Belastung bei einem jungen Erwachsenen im Sinne einer Progredienz auf die Ausprägung der Skoliose eingewirkt habe. Auch nach Ansicht von Prof. Dr. T1 ist es in hohem Maße unwahrscheinlich, dass bei dem Kläger nennenswerte Wirbelsäulenschäden über die anlagebedingte Erkrankung hinaus als Schädigungsfolgen aufgetreten seien. Eine richtungweisende Verschlimmerung durch die Kriegseinwirkungen sei nicht wahrscheinlich.
Der Kläger hat abschließend beantragt, Auskünfte von allen 20 Bearbeitern der Fachveröffentlichung "Spezielle Orthopädie" im Georg Thieme Verlag Stuttgart aus dem Jahre 1990 zu der Frage einzuholen, ob körperliche Belastungen, wie das häufig einseitige Tragen schwerer Gegenstände, über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren geeignet sind, die Rückgratverkrümmung eines Betroffenen zu verschlimmern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-, B-Akten und Schwerbehinderten-Akten des Beklagten sowie der beigezogenen Akte des SG Köln S 17 SB 342/98 und der Akte des Versorgungsamtes P Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der ablehnende Bescheid vom 01.07.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.09.1998 ist rechtmäßig, da der Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, den Bescheid vom 25.02.1998 abzuändern. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X sind nicht erfüllt.
Nach dieser Vorschrift ist ein eine Sozialleistung ablehnender Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Diese Bestimmung ermöglicht ein Abweichen von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte.
Der Bescheid vom 25.02.1998 ist jedoch nicht zu beanstanden, denn dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Anerkennung von Wirbelsäulenschäden als Schädigungsfolge im Sinne von § 1 BVG zu.
Nach § 1 BVG erhält derjenige, der durch eine militärische oder militärähnliche Verrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. Dabei müssen der versorgungsrechtlich geschützte Tatbestand, die schädigende Einwirkung, die gesundheitliche Schädigung sowie die Schädigungsfolgen voll nachgewiesen werden, d. h. sie müssen mit vernünftigen Zweifeln ausschließender Wahrscheinlichkeit feststehen. Für die Anerkennung des Kausalzusammenhanges zwischen einer Gesundheitsstörung und einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs, d. h. es muss mehr dafür als dagegen sprechen, dass schädigende Einwirkungen während des Wehrdienstes im Sinne einer zumindest annähernd gleichwertigen Bedingung ursächlich gewesen sind.
Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. X und Prof. Dr. N sieht es der Senat nicht als wahrscheinlich an, dass die Einwirkungen während des Wehrdienstes oder der Kriegsgefangenschaft die Wirbelsäulenschäden im Sinne der Entstehung (vgl. "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" Stand 1996 – AP 1996 – Nr. 42, S. 187) verursacht haben.
Bei dem Kläger bestehen degenerative Wirbelsäulenveränderungen als Folge einer rechtskonvexen Brustskoliose mit einer linkskonvexen lumbalen Gegenkrümmung. Eine traumatische Ursache – eine Verletzung der Wirbelsäule infolge der Verschüttung im Frühjahr 1945 – ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Die Röntgenaufnahmen aus 1947 enthalten keinen Hinweis auf eine traumatische Verletzung. Sie zeigen eine massive rechtskonvexe Seitverbiegung der Brustwirbelsäule mit keilförmigen Höhenminderungen und skoliotischer Torsion mit einem Winkel nach Cobb von 60° ohne degenerative Veränderungen. Die charakteristische Krümmung der Wirbelsäule nicht nur an einem Wirbelkörper, sondern an einer Serie von Wirbelkörpern, schließt eine traumatische Ursache aus. Die radiologisch nachweisbaren Wirbelsäulenveränderungen sind vielmehr typisch für eine idiopathische Skoliose. Bei der idiopathischen Skoliose handelt es sich um ein angeborenes Leiden, das den höchsten Grad der Verschlimmerung bei Eintritt des pubertären Wachstums aufweist. Der Zeitraum des pubertären Wachstums beträgt bei Jungen im Mittel zwischen 16 und 17 Lebensjahren. Der Kläger ist erst einen Monat vor Erreichen des 18. Lebensjahres in die Wehrmacht eingezogen worden und nach eigenen Angaben erst im Frühjahr 1944, also mit 18 1/2 Jahren, schweren Belastungen ausgesetzt gewesen. Die Skoliose kann daher nicht im Sinne der Entstehung auf die Belastungen während des Wehrdienstes zurückgeführt werden.
Darüber hinaus ist auch die Wahrscheinlichkeit einer richtungweisenden Verschlimmerung der idiopathischen Skoliose durch Einwirkungen während des Wehrdienstes und der Kriegsgefangenschaft – Verrichten von schweren, die Wirbelsäule belastenden Tätigkeiten – nicht erwiesen (vgl. AP 1996 Nr. 43, S. 188).
Ein Kausalzusammenhang ist möglich, aber nicht wahrscheinlich. Es spricht mehr gegen als für die Annahme eines Kausalzusammenhanges zwischen den wehrdienstbedingten äußeren Belastungen und dem Verlauf der Skolioseerkrankung.
Nach den überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. X und Prof. Dr. N spricht gegen die Annahme einer richtungweisenden Verschlimmerung der Skoliose durch zusätzliche Reize und Belastungen während des Wehrdienstes, dass die beim Kläger radiologisch nachweisbaren progredienten degenerativen Veränderungen dem natürlichen Verlauf von Wirbelsäulenveränderungen bei einer schwergradigen Skoliose entsprechen. Anhand der vorliegenden Röntgenaufnahmen war eine richtungweisende Verschlimmerung nicht nachweisbar. Die Wirbelsäule des Klägers war zum Zeitpunkt der Einberufung im Alter von fast 18 Jahren weitgehend ausgewachsen. Dem Verlauf und therapeutischen Konzept der Skoliose sowie dem Stand der wissenschaftlichen Literatur ist kein Hinweis zu entnehmen, dass die bei einem jungen Erwachsenen im Alter von 18 Jahren vorliegende präexistente Skoliose richtungweisend durch schwere Tätigkeiten verschlimmert werden könnte. Ferner haben Prof. Dr. X und Prof. Dr. N gleichermaßen die Annahme eines Kausalzusammenhanges mit der Begründung verneint, dass bei einer idiopathischen Skoliose der zeitliche Entstehungszeitraum in das Wachstumsalter verlegt werden müsse. Mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit habe die S-förmige Skoliose bereits zum Zeitpunkt des Wehrdiensteintritts vorgelegen. Es sei nicht auszuschließen, dass von einem orthopädisch nicht geschulten Musterungsarzt eine skoliotische Fehlbildung des Skelettes, die durchaus als Fehlhaltung oder Haltungsschwäche gedeutet werden könne, nicht entsprechend gewürdigt werde. Dem Verlauf und therapeutischen Konzept der Skoliose sowie dem Stand der wissenschaftlichen Literatur sei jedoch kein Hinweis zu entnehmen, dass die bei einem jungen Erwachsenen im Alter von 18 Jahren vorliegende präexistente Skoliose richtungweisend durch schwere Tätigkeiten verschlimmert werden könne.
Selbst wenn angenommen wird, dass schwere körperliche Belastungen eines jugendlichen Erwachsenen im Alter von 18 1/2 Jahren generell geeignet sind, eine Skoliose richtungweisend zu verschlimmern, kann der Nachweis einer solchen Verschlimmerung im konkreten Fall des Klägers nicht geführt werden. Insbesondere Prof. Dr. T1 hat in seiner wissenschaftlichen Stellungnahme nachvollziehbar dargelegt, warum bei dem Kläger ein kausaler Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten während und nach dem Krieg und dem Krankheitsverlauf der bei ihm bestehenden Skoliose nicht hergestellt werden kann. Die Wirbelsäulenverkrümmung, die sich in den Jahren 1947 bis 2002 bei dem Kläger entwickelt hat, liegt im jährlichen Durchschnitt im Bereich dessen, was als normal angesehen wird. Aus epidemiologischen Untersuchungen der Krümmungsprogredienz von Skoliosen im Erwachsenenalter ist bekannt, dass ein Krümmungszuwachs zwischen 0,5 und 1° jährlich normal ist. Bei dem Kläger liegt dieser Krümmungszuwachs mit durchschnittlich 0,55° im unteren Grenzbereich. Prof. Dr. T1 hat ergänzend darauf hingewiesen, dass kein Standardwissen der Orthopädie existiere, wonach einwirkende äußere Kräfte bei einer bestehenden und ansonsten nicht therapierten Skoliose natürlich im Sinne der Progredienz wirkten. Derartige Erkenntnisse liegen nicht vor und sind unter Berücksichtigung der großen Vielfalt von Skolioseformen und Wirbelsäulenschäden in absehbarer Zeit auch nicht zu erwarten.
Demgegenüber vermag sich der Senat der Auffassung des Prof. Dr. Q1 nicht anzuschließen. Prof. Dr. Q1 hat unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach herrschende Auffassung in der medizinischen Wissenschaft behauptet, dass äußere Einwirkungen in Form von schweren körperlichen Belastungen auf einen jugendlichen Erwachsenen nach Abschluss des Wachstums generell geeignet sind, auf den Krankheitsverlauf einer anlagebedingten, nicht therapierbaren Skoliose einzuwirken. Er war jedoch nicht in der Lage, seine Auffassung wissenschaftlich zu belegen. Hingegen haben die sowohl von Prof. Dr. X als auch von Prof. Dr. N1 und Prof. Dr. T1 durchgeführten Literaturrecherchen zu dieser Thematik belegen können, dass ein wissenschaftlicher Nachweis für eine Progredienz einer anlagebedingten Skoliose durch schwere Arbeit nicht existiert. Dementsprechend geben die AP 1996 diesbezüglich den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Lehrmeinung wieder und sind sowohl für die Gutachter als auch für das Gericht bindend. Nach Nr. 128 Abs. 2, S. 298 AP 1996 ist die Skoliose eine nicht ausgleichbare seitliche Verbiegung der Wirbelsäule verschiedener Genese, meist aus dem Wachstumsalter stammend (und dann durch entsprechende Wachstumsstörungen der Wirbel erkennbar), seltener durch Entzündungsprozess, Trauma o. ä. entstanden. Weitergehende Erkenntnisse z.B. hinsichtlich einer richtunggebenden Verschlimmerung durch schwere körperliche Belastungen sind nicht vorhanden.
Vor diesem Hintergrund sah sich der Senat auch nicht gedrängt, dem Antrag des Klägers zu entsprechen, sämtliche Verfasser des Buches "Spezielle Orthopädie" zu dieser Thematik zu hören. Prof. Dr. X, Prof. Dr. N, Prof. Dr. N1 und Prof. Dr. T1 haben übereinstimmend festgestellt, dass es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Thematik gibt und diese in Zukunft auch nicht zu erwarten sind.
Schließlich ist die truppenärztlich unzureichende Versorgung ebensowenig wahrscheinlich ursächlich im Sinne einer Verschlimmerung der Skoliose. Die von dem Kläger angeführten möglichen Therapien – Korsettbehandlung und operative Versteifung – entsprechen zwar dem heutigen Stand der Wissenschaft, aber nicht demjenigen aus den Jahren 1944 bis 1947.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Erstellt am: 16.08.2006
Zuletzt verändert am: 16.08.2006