Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 29.04.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 12.04.2001 bis 06.09.2001 abgelehnt hat.
Der am 00.00.1954 geborene Kläger hatte sich am 14.12.2000 erstmals arbeitslos gemeldet und einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld gestellt. Zuvor hatte er in der Zeit vom 07.06.1999 bis 31.12.2000 als Büroangestellter in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma U Naturstein und Pflasterbau in L gestanden. Er gab im Rahmen der Antragstellung an, dass er beabsichtige, ab 16.12.2000 nach Lissabon in Portugal auszureisen, um sich dort einen Arbeitsplatz zu suchen. Er beantragte die Ausstellung einer Bescheinigung zur Aufrechterhaltung seines Anspruchs auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (E 303).
Die Beklagte stimmte der Ausreise zu und stellte dem Kläger die Bescheinigung E 303 mit der Maßgabe aus, dass die Leistungen nach dem E 303 nicht länger als bis 15.03.2001 gewährt würden und zwar in Höhe von 49,59 DM täglich bzw 346,92 DM wöchentlich. Ferner hatte die Beklagte dem Kläger ein Informationsblatt zum E 303 ausgehändigt, in dem unter anderem folgender Hinweis enthalten war:
"Stellen Sie fest, dass Sie im anderen Mitgliedstaat keine Arbeit finden und wollen Sie deshalb wieder in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer erwerbstätig sein, so erhalten Sie Leistungen nach deutschen Rechtsvorschriften nur dann, wenn Sie innerhalb des Zeitraumes, für den Sie im anderen Mitgliedstaat deutsche Leistungen beanspruchen können, zurückgekehrt sind. Deshalb der Rat: Kehren Sie so schnell wie möglich zurück, wenn Sie feststellen, dass Sie im anderen Mitgliedstaat keine Arbeit finden." und "wenn Sie diesen Rat nicht befolgen, müssen Sie damit rechnen, dass das deutsche Arbeitsamt die Weiterbewilligung der Leistungen auch dann verweigert, wenn Sie wegen später eintretender Hindernisse (z. B. Erkrankung) während Ihres weiteren Aufenthaltes im anderen Mitgliedstaat nicht rechtzeitig zurückkehren können." Der Kläger reiste am 16.12.2000 nach Portugal und bezog dort Leistungen bis 15.03.2001.
Am 11.04.2001 kehrte er von Portugal nach Deutschland zurück, meldete sich am 12.04.2001 bei der Beklagten arbeitslos und stellte einen Antrag auf Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld. Zu seiner verspäteten Rückkehr nach Deutschland trug er vor, dass seine neunjährige Tochter in der Zeit vom 13.03.2001 bis 10.04.2001 erkrankt war und er aufgrund der Berufstätigkeit der Mutter des Kindes die Betreuung und Versorgung habe übernehmen müssen.
Hierzu legte er eine Bescheinigung der Regionalen Gesundheitsverwaltung von Lissabon vom 21.05.2001 vor sowie eine Erklärung der Kindesmutter, N X, vom 21.05.2001.
Die Beklagte bat die Zentralstelle für Internationales Arbeitslosenversicherungsrecht (ZlntAIV) um Stellungnahme und Zustimmung für die Verlängerung der Rückkehrfrist. Von dort aus wurde eine Stellungnahme des zuständigen portugiesischen Versicherungsträgers eingeholt. Dieser teilte am 15.10.2001 mit, dass in Bezug auf den von dem Kläger bei seiner Arbeitslosigkeitsmeldung beim Arbeitsamt angegebenen Beruf die Aussichten, in Portugal und speziell im Einzugsbereich von Lissabon Arbeit zu finden, praktisch gleich null seien, um so mehr, da der angegebene Beruf in Portugal in der Regel als "Dienstleistung für Betriebe" ausgeübt werde.
Mit Stellungnahme vom 19.11.2001 erklärte sich die ZlntAIV mit einer Verlängerung der Rückkehrfrist nicht einverstanden.
Auf der Grundlage dieser Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.01.2002 die Bewilligung von Leistungen mit der Begründung ab, dass der Anspruch auf deutsche Leistungen erloschen sei, da der Kläger nicht innerhalb der Rückkehrfrist nach Deutschland eingereist sei. Es bestünde zwar die Möglichkeit, die Rückkehrfrist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, der eine rechtzeitige Rückkehr verhindert habe, im Rahmen eines Ermessens zu verlängern. Der vorgebrachte Grund der Kinderbetreuung sei auch als wichtiger Grund anzuerkennen, objektiv habe jedoch der Kläger keine Aussicht auf eine Arbeitsstelle in Portugal gehabt. Deshalb hätte er die Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen um Arbeit spätestens bei der zweiten oder dritten Vorsprache in Portugal bei der Arbeitsverwaltung erkennen müssen, zumal ihm konkrete Hinweise über eine verbesserte Arbeitsmarktlage nicht vorgelegen hätten. Objektiv habe keine Vermittlungsmöglichkeit bestanden. Der Umstand, dass er sich trotz der für ihn erkennbaren erfolgslosen Arbeitssuche zu einem weiteren Verbleib in Portugal entschlossen habe, sei bei der Ermessensentscheidung schwerwiegend zu berücksichtigen. Dabei sei das Risiko, vor Ablauf der 3-Monatsfrist durch einen Ausnahmefall an der rechtzeitigen Rückkehr gehindert zu werden, desto größer, je länger der Arbeitnehmer warte und die Frist voll ausschöpfen wolle. Insofern habe die Interessenabwägung ergeben, dass das Zuwarten trotz frühzeitiger erkennbarer Erfolglosigkeit der Arbeitssuche und trotz ausdrücklicher Belehrung sowie die erhebliche Fristüberschreitung schwerer wiegen als die Interessen des Arbeitnehmers. Eine Verlängerung sei nicht geboten.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, es treffe nicht zu, dass seine Arbeitssuche erkennbar erfolglos gewesen sei. Er habe sich auch unabhängig von der Meldung beim dortigen Arbeitsamt ständig um die Aufnahme einer Arbeit bemüht. So habe er sich unter anderem bei der Firma A beworben, die ihm berechtigte Aussichten auf eine Beschäftigung ab Anfang April 2001 gemacht habe. Eine Absage der Stelle durch die Firma A sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen. Nachdem er diese dann am 10.04.2001 erhalten habe, sei er umgehend nach Deutschland zurückgekehrt. Seinem Vorbringen fügte der Kläger eine Bescheinigung der Firma A vom 12.03.2002 bei.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2002 als unbegründet zurück und verblieb bei ihrer Auffassung, dass eine Verlängerung der Rückkehrfrist nicht möglich sei. Selbst wenn er Anfang April 2001 eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Portugal hätte aufnehmen können, sei der Leistungsanspruch wegen Ablaufs der Rückkehrfrist in Deutschland erloschen. Diese Tatsache sei für ihn durch den geplanten Arbeitsbeginn nach Ablauf der Rückkehrfrist vorhersehbar gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 04.10.2002 vor dem Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben.
Zur Begründung hat er vorgetragen, es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass die Arbeitssuche in Portugal erfolglos sei. So habe er eine ernsthafte Beschäftigungsaussicht bei der Firma A gehabt. Ohne die Krankheit seines Kindes hätte er keineswegs bis Anfang April 2001 gewartet, um dann erst nach Deutschland zurückzukehren. Vielmehr wäre er Anfang März 2001 nach Deutschland zurückgeflogen und wäre im April 2001, wenn sich eine Beschäftigungsmöglichkeit bei der Firma A ergeben hätte, wieder nach Portugal eingeflogen. Der portugiesische Versicherungsträger hätte sich in keiner Weise um eine Vermittlungsmöglichkeit gekümmert. Ferner müsse ein Leistungsempfänger auch die Möglichkeit haben, die dreimonatige Rückkehrfrist auszuschöpfen und nicht nach einer negativen Auskunft der dortigen Arbeitsverwaltung gleich wieder in die Heimat zurückzukehren.
Ursprünglich begehrte der Kläger mit seiner Klage die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 12.04.2001 und darüber hinaus für die Zeit ab 07.09.2001. Nach seinem Umzug nach Bielefeld beantragte der Kläger ab 07.09.2001 erneute Leistungen, was von der Beklagten (Arbeitsamt Bielefeld) ebenfalls abgelehnt wurde (Bescheid vom 05.02.2002; Widerspruchsbescheides vom 18.09.2002).
Mit Beschluss vom 25.05.2004 hat das SG den Rechtsstreit getrennt und das Klageverfahren hinsichtlich der Ablehnung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 07.09.2001 unter dem Rechtsstreit S 18 AL 142/04 geführt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über seinen Leistungsantrag vom 12.04.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, der Kläger habe bereits am 08.03.2001 bei seiner Vorstellung bei der Firma A in Kauf genommen, dass er eine versicherungspflichtige Beschäftigung erst nach Ablauf der Rückkehrfrist aufnehmen könne und zwar erst Anfang April 2001. Für diesen Zeitpunkt, das heißt am 08.03.2001, sei er nicht gehindert gewesen, bis zum tatsächlichen Beschäftigungsbeginn nach Deutschland zurückzukehren und dort den verbliebenen Restanspruch auf Arbeitslosengeld geltend zu machen. Da die Firma A lediglich die Möglichkeit einer freien Stelle zur Ausübung der Tätigkeit als Baustellendolmetscher in Aussicht gestellt habe, habe er mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass das in Aussicht gestellte Arbeitsverhältnis nicht zustande komme. Im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Verlängerung der Rückkehrfrist sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. In jedem Fall seien die Dauer der Fristüberschreitung, der Grund für die verspätete Rückkehr sowie die Schwere der an die verspätete Rückkehr geknüpften Rechtsfolgen ebenso zu berücksichtigen wie die Gesichtspunkte, die sich auf die persönliche Lage des Arbeitnehmers und auf die Durchführung einer wirksamen Kontrolle bezögen. Der Kläger hätte klar erkennen müssen, dass er keine Beschäftigungsaussicht in Portugal habe. Anderenfalls würde der Aufenthalt in Portugal zu einem Urlaub auf Kosten der Versichertengemeinschaft führen. Die Fristüberschreitung von nahezu einem Monat sei weiterhin erheblich und nicht als kurzfristig zu bezeichnen. Der Kläger habe seinen Aufenthalt auf fast vier Monate ausgedehnt. Er habe die Erfolglosigkeit seiner Arbeitssuche in Portugal erkennen müssen, so dass das Warten bis zum Ablauf der 3-Monatsfrist trotz frühzeitig erkennbarer Erfolglosigkeit der Arbeitssuche und trotz vorheriger ausdrücklicher Belehrung sowie die erhebliche Fristüberschreitung schwerer wiegen würden als die Individualinteressen des Klägers.
Mit Urteil vom 28.04.2005 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß zur Neubescheidung verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten im Hinblick auf die Bescheidung seines Leistungsantrags vom 12.04.2001. Die Beklagte habe zu Unrecht den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass der von dem Kläger ab 01.01.2001 begründete Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund einer nicht rechtzeitigen Rückkehr aus Portugal erloschen und ein Ausnahmefall für die Verlängerung der Rückkehrfrist nicht gegeben sei. Nach Artikel 69 Abs. 1 Buchstabe c der Verordnung 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EWGV 1408/71), behalte ein Arbeitsloser den Anspruch auf Leistungen während der Dauer seines Aufenthaltes in einem Mitgliedstaat – in Portugal -, um dort eine Beschäftigung zu suchen, höchstens für die Dauer von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, von dem ab er der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaates, den er verlassen habe, nicht mehr zur Verfügung stehe. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift habe der Arbeitslose weiterhin Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates, wenn er vor Ablauf des Zeitraums, in dem er nach Absatz 1 Buchstabe c Anspruch auf Leistungen habe, in den zuständigen Staat zurückkehre. Er verliere jedoch jeden Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates, wenn er nicht vor Ablauf dieses Zeitraums dorthin zurückkehre. Hier sei der Kläger nicht rechtzeitig nach Deutschland zurückgekehrt. Ihm sei durch Ausstellung der Bescheinigung nach dem Vordruck E 303 ein Leistungsanspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld und dessen Mitnahme in den Mitgliedstaat Portugal bis längstens 15.03.2001 zuerkannt worden. Die 3-Monatsfrist endete, wie von der Beklagten zutreffend festgestellt, spätestens am 15.03.2001. Der Kläger sei erst am 11.04.2001 und damit nach Fristablauf nach Deutschland zurückgekehrt. Nach Artikel 69 Abs. 2 S. 2 EWGV 1408/71 könne jedoch die 3-Monatsfrist in Ausnahmefällen verlängert werden. Ob eine derartige Verlängerung erfolge, stehe im Ermessen der zuständigen Arbeitsverwaltung. Eine solche Ermessensausübung und Entscheidung durch die Arbeitsverwaltung sei jedoch nur dann eröffnet, wenn ein Ausnahmefall im Sinne des Artikel 69 Abs. 2 S. 2 EWGV 1408/71 vorliege. Ein solcher Ausnahmefall sei gegeben, wenn die rechtzeitige Rückkehr durch einen unvorhersehbaren Umstand, wie z. B. Krankheit, Unfall, Streik oder ähnliches, verhindert worden sei, den der Arbeitslose nicht zu vertreten habe, oder aus wichtigem Grunde unterblieben sei. Es sei unstreitig, dass ein solcher Ausnahmefall bei dem Kläger vorliege. Denn ausweislich einer Bescheinigung des Gesundheitsministeriums/ Regionale Gesundheitsverwaltung von Lissabon vom 21.05.2001 habe die neunjährige Tochter des Klägers in der Zeit vom 13.03.2001 bis 10.04.2001 wegen einer Erkrankung betreut werden müssen. Die Mutter des Kindes sei aufgrund ihrer Berufstätigkeit daran gehindert gewesen, die Betreuung und Versorgung der gemeinsamen Tochter in dieser Zeit wahrzunehmen. Dies gehe aus der Erklärung der Kindesmutter vom 21.05.2001 hervor. Die Beklagte selbst erkenne aufgrund dieser Umstände einen Ausnahmefall im Sinne von Artikel 69 Abs. 2 S. 2 EWGV Nr. 1408/71 an. Die Beklagte habe deshalb in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens darüber entscheiden müssen, ob die Rückkehrfrist im Hinblick auf das Vorliegen dieses Ausnahmefalles verlängert werden konnte. Dabei unterliege der gerichtlichen Kontrolle bezüglich der Ermessensbetätigung und ihres Ergebnisses, ob die Beklagte überhaupt ihrer Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), mit ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, das heißt eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt hat (Ermessensüberschreitung) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit und Ermessensmissbrauch). Im Falle des Klägers habe die Beklagte hinsichtlich der von ihr dargelegten Ermessenserwägungen ermessensmissbräuchliche Gesichtspunkte einbezogen und damit den Kläger in seinem subjektiven Recht auf ermessensfehlerfreie Betätigung verletzt. Soweit die Beklagte sich im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen darauf berufe, dass nach den Feststellungen des portugiesischen Versicherungsträgers objektiv keine Vermittlungsmöglichkeit für den Kläger bestanden habe und der Kläger insofern dazu verpflichtet gewesen sei, bereits vor Ablauf der Rückkehrfrist nach Deutschland zurückzukehren, vor allen vor dem Hintergrund, dass bei Ausschöpfung der 3-Monatsfrist das Risiko um so größer sei, an der Rückkehr gehindert zu werden, als bei einer vorzeitigen Abreise, entspreche dies nicht dem Wortlaut und dem Gesetzeszweck des Artikel 69 Abs. 1 Buchstabe c der EWGV Nr. 1408/71 zur Regelung der Rückkehrfrist. Der Verordnungsgeber habe die Höchstdauer des "Leistungsexports" eindeutig auf die Höchstdauer von drei Monaten begrenzt, um dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer nicht übermäßigen Belastung durch die Mitnahme des Arbeitslosengeldanspruchs in einen anderen Mitgliedstaat einerseits Rechnung zu tragen und andererseits aber dem Arbeitssuchenden eine zeitliche reale Möglichkeit zu geben, einen für ihn geeigneten Arbeitsplatz im Mitgliedstaat zu finden. Somit sei dem Interesse der Versichertengemeinschaft bereits aufgrund der Festlegung des Höchstzeitraumes von drei Monaten hinreichend Rechnung getragen worden. Eine Verpflichtung, zu einem früheren Zeitpunkt zurückzukehren, sofern die Arbeitssuche objektiv chancenlos ist, ergebe sich nicht unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung und auch nicht aus deren Sinn. Grundsätzlich sei daher davon auszugehen, dass der Arbeitssuchende den Höchstzeitraum von drei Monaten unabhängig von der Arbeitsmarktlage des Aufenthaltsstaates ausschöpfen dürfe. Aus dem Informationsblatt, welches der Kläger bei der Ausstellung der Bescheinigung E 303 erhalten habe, gehe außerdem nicht hervor, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld auch dann erlösche, wenn er nicht der Rückkehrpflicht vor Ablauf der Frist bei einer aussichtslosen Arbeitsmarktlage nachkomme. Vielmehr werde die "vorzeitige" Rückkehrpflicht als "Rat" formuliert und nicht als eine Auflage mit leistungsrechtlichen Konsequenzen. Selbst wenn man aber der Auffassung der Beklagten folgen und von einer von der Arbeitsmarktlage abhängigen Beurteilung der Rückkehrpflicht des Betroffenen ausgehen würde, so liege im Falle des Klägers lediglich eine äußerst pauschal gehaltene Auskunft des portugiesischen Versicherungsträgers über die dortigen Arbeitsmarktchancen des Klägers vor. Die Auskunft enthalte weder einen Hinweis auf zugrunde liegende konkrete Arbeitsmarktdaten, noch eine Auskunft darüber, wie sich der Kontakt zwischen der dortigen Arbeitsvermittlung und dem Kläger dargestellt habe. Ferner stehe der Auskunft des portugiesischen Versicherungsträgers der von dem Kläger schlüssig dargelegte Vortrag gegenüber, dass er zum Beispiel ein konkretes Angebot einer Arbeitsstelle bei der Firma A in Aussicht gehabt habe. Auch wenn es sich um eine Beschäftigungsaussicht für den Monat April 2001 und damit außerhalb der Rückkehrfrist handelte, so stütze dieser Umstand jedenfalls nicht die Auskunft des portugiesischen Versicherungsträgers, dass die Arbeitsmarktchancen des Klägers gleich null gewesen seien.
Das Urteil ist der Beklagten am 08.06.2005 zugestellt worden. Am 04.07.2005 hat sie dagegen Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, ihr erscheine es nach wie vor zweifelhaft, in wie weit sich der Kläger während seines Aufenthalts in Portugal überhaupt intensiv um die Aufnahme einer Arbeit bemüht habe. Dieses Bemühen sei aus ihrer Sicht in die Ermessensprüfung mit einzubeziehen. Dass eine Ausnahmefall i.S des Art 69 Abs. 2 S. 2 EWGVO vorliege, der eine Ermessensentscheidung erfordere, sei unstreitig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 29.04.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil für zutreffend. Den Vorwurf, er habe sich in Portugal nicht intensiv um Arbeit bemüht, weist er zurück.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat – entsprechend dem Klageantrag – zu Recht den Ablehnungsbescheid vom 08.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, erneut über den Leistungsantrag zu entscheiden.
Mit dem SG geht der Senat davon aus, dass der Kläger seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht gem. Art. 69 Abs. 2 S. 1 EWGV 1408/71 verloren hat, weil er nicht rechtzeitig aus Portugal zurückgekehrt ist. Über den Antrag des Klägers, die Rückkehrfrist zu verlängern (Art 69 Abs. 2 S. 2 EWGV 1408/71) hat die Beklagte nicht ermessensfehlerfrei entschieden. Der Senat folgt nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage zunächst den Ausführungen des angegriffenen Urteils und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Ergänzend zu den Erwägungen des SG ist hervorzuheben, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach der EuGH-Rechtsprechung (Urteil v 19.06.1980 – Az 41/79 – Rz 21, SozR 6050 Art 69 Nr 6; vgl auch LSG Berlin 07.05.2004 – L 10 AL 15/02 -) als wesentlicher Aspekt im Rahmen der Ermessenentscheidung berücksichtigt werden muss. Deshalb ist hier von besonderer Bedeutung, dass der Kläger durch seine knapp einen Monat verspätete Rückreise, die durch einen Ausnahmefall begründet wurde, insgesamt einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für 165 Tage (240 Tage abzüglich erfüllter 75 Tage) verliert, also mehr als zwei Drittel seines verfassungsrechtlich (Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz) geschützten Gesamtanspruchs. Darüber hinaus konnte auch der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht entstehen, so dass der Kläger auf Sozialhilfe angewiesen war. Diese schweren Rechtsfolgen können unter keinem denkbaren Gesichtspunkt – auch nicht unter dem der wirksamen Kontrollmöglichkeit – als verhältnismäßig angesehen werden. Eine solche Rechtsfolge würde den Kläger im Übrigen schlechter stellen, als den Arbeitslosen, der sich von vornherein ohne Zustimmung der Beklagten im Ausland aufgehalten hätte. Dieser würde zwar für die Zeit des Auslandaufenthalts seinen Anspruch verlieren und der Gesamtanspruch hätte sich nach Maßgabe des § 128 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 SGB III um vier Wochen mindern können. Ein erheblicher Restanspruch bliebe aber in diesem Falle immer noch erhalten.
Desweiteren kann im Rahmen der Ermessenserwägungen dem Vorwurf der Beklagten, für den Kläger habe in Portugal keine Vermittlungsmöglichkeit bestanden und er habe sich nicht hinreichend um Arbeit bemüht – beides ist letztlich nicht ausreichend verifiziert – , selbst wenn dies zutreffen würde, nur dann Bedeutung zukommen, wenn die Vermittlungsmöglichkeiten des Klägers in Deutschland besser gewesen wären. Hierfür gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte. Dem Kläger ist die Ausreise nach Portugal erlaubt worden, bevor er – wie es Art. 69 Abs. 1 Buchst. a EWGV 1408/71 für den Regelfall vorsieht – vier Wochen in Deutschland arbeitsuchend gemeldet war. Dies belegt, dass selbst die Beklage der Auffassung war, eine Vermittlung des Klägers in eine neue Arbeitstelle in Deutschland werde auf absehbarer Zeit nicht möglich sein (vgl dazu die Hinweise in der Information E 303 zu Fall 1 unter 1.2). Daher bleibt offen, welchen Zweck eine möglichst schnelle Rückkehr des Klägers nach Deutschland hätte haben sollen.
Der Senat ist vor diesem Hintergrund zusammenfassend sogar der Auffassung, dass als einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten eine Fristverlängerung in Betracht kommt (vgl auch LSG Berlin 07.05.2004 – L 10 AL 15/02 -) und damit der Kläger seinen Anspruch keinesfalls gem. Art. 69 Abs. 2 S. 1 EWGV 1408/71 verloren hat. Eine Verurteilung der Beklagten zur Leistungsgewährung kommt allerdings nicht in Betracht, weil der Kläger sein Klagebegehren auf die Geltendmachung eines Anspruchs auf Neubescheidung beschränkt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 16.10.2006
Zuletzt verändert am: 16.10.2006