Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 25.01.2012 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt T, X, beigeordnet. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für Dezember 2008. Die Beteiligten streiten darüber, ob diese Leistungen rechtzeitig beantragt wurden.
Der Kläger bezieht seit 2005 gemeinsam mit seiner Ehefrau L Arbeitslosengeld II. Mit Bescheid vom 22.04.2008 bewilligte der Beklagten dem Kläger und seiner Ehefrau Leistungen vom 01.06.2008 bis zum 30.11.2008. Am 10.07.2008 schlossen der Kläger und der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung "gültig bis 10.01.2009". Hierin verpflichtete sich der Beklagte, eine geplante Existenzgründung des Klägers durch Förderung der Teilnahme an einem Existenzgründerseminar und die Gewährung von Einstiegsgeld zu unterstützen. Der Kläger verpflichtete sich "einen Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches vorher mit dem persönlichen Ansprechpartner abzustimmen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken." Der Kläger wurde in einer "Rechtsfolgenbelehrung" auf seine "Grundpflichten", sowie "Meldepflichten" hingewiesen und über Sanktionsmöglichkeiten informiert. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Eingliederungsvereinbarung vom 10.07.2008 (580 – 583 der Verwaltungsakte) verwiesen.
Mit Schreiben vom 02.10.2008, dessen Zugang zwischen den Beteiligten umstritten ist, wurde die Ehefrau des Klägers als vermutete Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft darauf hingewiesen, dass der Bewilligungszeitraum am 30.11.2008 ende und für eine Weiterzahlung ein Weiterbewilligungsantrag gestellt werden müsse.
Am 02.01.2009 beantragten der Kläger und seine Ehefrau die Weiterzahlung von Leistungen. Mit Bescheid vom 07.01.2009 und Widerspruchsbescheid vom 05.04.2011 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld II ab 01.01.2009 bewilligt die Zahlung für Dezember 2008 abgelehnt.
Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt der Kläger Arbeitslosengeld II bereits ab 01.12.2008. Für die Durchführung des Klageverfahrens hat er PKH beantragt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von PKH und Beiordnung von Rechtsanwalt T zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger hat einen Anspruch auf PKH.
PKH ist gem. §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 114 S. 1 ZPO zu bewilligen, wenn – wie hier – die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der Beurteilung, ob hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, muss der verfassungsrechtliche Rahmen berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist gem. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Personen bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Für die Bejahung der hinreichenden Erfolgsaussichten genügt damit, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags eine nicht ganz entfernt liegende Möglichkeit des Obsiegens besteht. Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst darf nicht in das PKH-Verfahren verlagert werden, die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen deswegen nicht überzogen werden (BVerfG, Beschluss vom 26.06.2003 – 1 BVR 1152/02, NJW 2003, 3190; Beschluss vom 19.02.2008 – 1 BVR 1802/07, NJW 2008, 1060 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.08.2012 – L 1 KR 358/12 B).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Zwar werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gem. § 37 Abs. 1 SGB II in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung (Dezember 2008) nur auf Antrag und gem. § 37 Abs. 3 S. 1 SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Auch ein Fortzahlungsbegehren bedarf eines Antrags nach § 37 SGB II und bei verspäteter Antragstellung kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 27 SGB X nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 18.01.2010 – B 4 AS 29/10 R; Beschluss des Senats vom 25.10.2012 – L 6 AS 1054/12 B).
Fraglich und im Hauptsacheverfahren klärungsbedürftig ist aber, ob der Beklagte seiner Pflicht zur Beratung nachgekommen ist oder dem Kläger für die Begründung seines Begehrens ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite steht (hierzu BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 290/10 R). Der Beklagte könnte es pflichtwidrig unterlassen haben, den Kläger über die Erforderlichkeit eines Antrags auf Fortzahlung von Arbeitslosengeld II im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ende des letzten Bewilligungszeitraums hinzuweisen. Selbst wenn zugunsten des Beklagten unterstellt werden könnte, dass das Hinweisschreiben vom 02.10.2008 die Ehefrau des Klägers erreicht hat, so ist doch fraglich, ob der Beklagte hierdurch seine Pflicht zur Beratung und Auskunft gegenüber dem Kläger erfüllt hat. Nicht im PKH-Verfahren zu klären ist die schwierige Rechtsfrage, ob eine Beratung gegenüber einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft auch gegenüber den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft wirkt. Der Wortlaut von § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB II, der nur eine Vermutung dahingehend konstituiert, dass ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bevollmächtigt ist, Leistungen auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen, spricht gegen eine entsprechende Annahme (zur beschränkten Wirkung der Vermutung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB II vergl. nur Schoch in LPK-SGB II, § 38 Rdnr. 18).
Außerhalb des PKH-Verfahrens klärungsbedürftig ist zudem, welche Auswirkungen die mit dem Kläger am 10.07.2008 geschlossene Eingliederungsvereinbarung auf den Leistungsanspruch im Dezember 2008 hat.
Der Beklagte hat den Kläger in dieser bis zum 10.01.2009 wirksamen Vereinbarung ausführlich auf Pflichten hingewiesen, die nur innerhalb eines Leistungsverhältnisses bestehen. Auch der Hinweis auf die bei einer Verletzung der Pflichten eintretenden Sanktionen setzt das Bestehen eines Anspruchs voraus. In der Eingliederungsvereinbarung, deren Wirkungsdauer über den Bewilligungszeitraum hinausgeht, könnte ein ausdrücklicher Hinweis darauf geboten sein, dass die Weiterzahlung der Leistungen auch bei Erfüllung der in der Eingliederungsvereinbarung geregelten Pflichten beantragt werden muss. Auch dies ist im Rahmen des Hauptsacheverfahrens bei der Frage, ob hier ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch vorliegt, zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 15.05.2013
Zuletzt verändert am: 15.05.2013