Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18.05.2011 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeerfahren wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die 1971 geborene Klägerin zu 1) und ihre 1995 geborene Tochter, die Klägerin zu 2), stehen seit 2005 im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Auf die am 30.11.2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht Detmold den Klägerinnen für den hier streitigen Bewilligungsabschnitt Mai bis Oktober 2009 durch Urteil vom 18.05.2009 zusätzliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 12 Euro (7,68 und 4,32) für den Monat August 2009 zugesprochen. Es hat den Streitgegenstand auf die Höhe der für diesen Monat zustehenden Leistungen beschränkt gesehen. Die Klägerinnen hätten nur gegen den Bescheid vom 01.07.2009, durch den die Leistungen für August 2009 neu festgesetzt wurden, Widerspruch erhoben, nicht jedoch gegen den Bescheid vom 31.07.2009 über die Ablehnung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Der Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009 enthalte keine weitergehende Regelung. Bei dem geltend gemachten Mehrbedarf handele es sich nicht um eine abtrennbare Regelung, die einen abgrenzbaren Mehrbedarf darstelle. Über die für August streitige Leistungshöhe sei der Mehrbedarf aber Gegenstand der Überprüfung für diesen Monat. Die Voraussetzungen des Mehrbedarf, den die Kläger mit 71 Euro pro Monat angegeben haben, hat das Sozialgericht nach Beweiserhebung verneint. Es hat sich zur Begründung insbesondere auf ein von Amts wegen eingeholtes Sachverständigengutachten des Internisten Dr. I in I vom 16.11.2010 gestützt, wonach im Ergebnis keine zusätzlichen Kosten durch Krankenkost bei der Klägerin zu 1) aufgrund der geltend gemachten Lactose- und Fructoseunverträglichkeit entstünden. Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen und in der Rechtsmittelbelehrung über die Nichtzulassungsbeschwerde belehrt.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem am 04.07.2011 zugestellten Urteil haben die Klägerinnen am 03.08.2011 Beschwerde nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt. Sie meinen, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Es müsse geklärt werden, ob aufgrund der Laktose – bzw. Fruktosemalabsorption ein krankheitsbedingter Ernährungsmehrbedarf gern. § 21 Abs. 5 SGB II bestehe. Die Berufung sei auch zuzulassen, da das angefochtene Urteil von einem Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.01.2009 – B 14 AS 166/07 B – abweiche und auf dieser Abweichung beruhe. Das BSG habe dort entschieden, dass bei Laktoseintoleranz ein Mehrbedarf in Höhe von monatlich 71,58 EUR wegen kostenaufwendiger Ernährung bestehe. Auf diesen Beschluss sei das Sozialgericht nicht eingegangen. Das trage der Rechtsprechung des BSG nicht ausreichend Rechnung. Die anwaltlich vertretenen Klägerinnen haben nach dem Hinweis des Berichterstatters, dass die Nichtzulassungsbeschwerde voraussichtlich keinen Erfolg haben werde, mit Schriftsatz vom 22.12.2011 vorgetragen, angesichts der Urteile des BSG vom 24.02.2011 – B 14 AS 49/10 R – und vom 09.06.2011 – B 8 SO 11/10 R – "sei die Beschwerde als Berufung zu werten" und haben gleichzeitig Berufung eingelegt, die unter dem Aktenzeichen L 6 AS 105/12 geführt wird. Auf die Anfrage des Gerichts, ob damit die Rücknahme der Beschwerde erklärt werde, haben sie ausgeführt, die Beschwerde werde nicht zurück genommen, es werde beantragt, sie als Berufung umzudeuten. In einem weiteren, später eingegangenen Schriftsatz haben sie die Auffassung vertreten, die Berufung sei auf die Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen, und haben auf einen ihrer Ansicht nach ähnlich gelagerten Fall im Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11.01.2012 – L 6 AS 382/11 NZB – und das Urteil des BSG vom 24.02.2011 – B 14 AS 49/10 R – verwiesen. Nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen beantragen die Klägerinnen, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgericht Detmold vom 18.05.2011 zuzulassen und ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt E zu bewilligen. Der Beklagte beantragt, die Beschwerde zurück zu weisen.
Er sieht keinen Grund, die Berufung zuzulassen. Ein Anspruch der Klägerin zu 1) auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II bestehe nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Über den form- und fristgerecht am 03.08.2011 erhobenen Rechtsbehelf ist als Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden. Über die Berufung ist noch gesondert im Verfahren L 6 AS 105/12 zu befinden. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteigt. Streitgegenstand ist das Begehren der Klägerinnen, für den Monat August 2009 höhere Leistungen zu erhalten, da sie meinen, der Klägerin zu 1) stehe ein ernährungsbedingter Mehrbedarf von 71 EUR zu. Dies ergibt sich bei zutreffender Auslegung aus dem klägerischen Vortrag seit Klageerhebung. Der erstinstanzlich gestellte Klageantrag enthält zwar keine zeitliche Begrenzung für die Zuerkennung des Mehrbedarfs. Nach dem Inhalt des Bescheides und Widerspruchsbescheides hat der Beklagte aber ausdrücklich nur über die Leistungshöhe für August 2009 entschieden, so dass der schriftsätzlich formulierte und vom Sozialgericht zugrundegelegte Antrag diese aus Sicht der Klägerinnen unzutreffende Entscheidung zur gerichtlichen Überprüfung stellt und ein – in zeitlicher Hinsicht – weitergehendes Begehren (auch im Beschwerdeverfahren) an keiner Stelle des klägerseitigen Vortrags zu erkennen ist. Die Klägerinnen haben ausdrücklich gegen die Nichtzulassung der Berufung das in der Rechtsmittelbelehrung ausgewiesene Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Eine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung kommt nicht in Betracht. Die anwaltlich vertretenen Klägerinnen haben – auf Anfrage – ausdrücklich erklärt, die Nichtzulassungsbeschwerde sei nicht zurückgenommen worden und werde nicht zurückgenommen; daneben haben sie ausdrücklich das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. Das Vorgehen macht zwar mit Blick auf die unterschiedliche Zielrichtung der Rechtsmittel und die in § 145 Abs. 4 und 5 SGG getroffenen Regelungen keinen Sinn. Nach dem eindeutigen Vorbringen der Klägerinnen im Anschluss an die gerichtliche Bitte um Klarstellung bleibt aber für eine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde kein Raum, zumal die Klägerinnen gerade das in der Rechtsmittelbelehrung angegebene Rechtsmittel eingelegt haben (vgl auch BSG Urt v 20.05.2003 – B 1 KR 25/01 R juris Rn. 11 ff. u v 1.05.1999 – B 11/10 AL 1/98 R, juris Rn. 20 ff. , m.w.N); auch vor dem Hintergrund der notwendigen Rechtsmittelklarheit (vgl BSG Urt v 3.6.2004 – B 11 AL 75/03 R – ) ist im Ergebnis deshalb (in getrennten Verfahren) über beide Rechtsmittel zu entscheiden.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Berufung ist nicht gem. § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Die Voraussetzungen dafür liegen hier erkennbar nicht vor.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Abs. 2 Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Abs. 2 Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Abs. 2 Nr. 3).
Die Klägerinnen haben keine Rechtsfrage formuliert, die grundsätzliche Bedeutung haben könnte. Eine solche ist gegeben, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den konkreten Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich ist (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung auch durch das Berufungsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit) (Beschluss des erkennenden Senats vom 26.03.2010 – L 6 B 110/09 AS NZB juris Rn 15; LSG NRW Beschluss vom 29.12.2010 – L 12 AS 1213/10 NZB; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 144 Rn 28 i.V.m. § 160 Rn 6). Es genügt nicht die Möglichkeit, Tatsachenfragen mit verallgemeinerungsfähigen Auswirkungen im Verfahren zu klären (so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008 § 144 Rn. 29). Die Klägerinnen hingegen tragen nur vor, es solle unter Berücksichtigung der ärztlichen Bescheinigungen bei der Klägerin zu 1) ein Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf anerkannt werden. Damit machen sie lediglich deutlich, warum sie das angefochtene Urteil für falsch halten. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache lässt sich nicht erkennen, zumal auch die Problematik eines neben der Bewilligungsentscheidung isoliert abgelehnten Antrags auf Gewährung eines Mehrbedarfs höchstrichterlich geklärt (vgl. BSG Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 49/10 R – juris Rn. 14).
Anhaltspunkte für eine sogenannte Divergenzentscheidung gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG sind nicht ersichtlich. Der von den Klägerinnen in der Beschwerdebegründung zitierte Beschluss des BSG existiert nicht. Über die Beschwerde gegen die Nichtzulasssung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 13.09.2007 – L 11 AS 258/06 – , die unter dem angegebenen Aktenzeichen B 14 AS 166/07 B geführt wurde, hat das BSG nie entschieden, denn die Beschwerde wurde laut Auskunft der Geschäftsstelle des 14. Senats des BSG vom 09.11.2011 am 03.01.2008 zurück genommen. Den Vortrag haben die Klägerinnen auf Anfrage des Gerichts vom 22.11.2011 nicht richtig gestellt, so dass eine weitere Klärung/Überprüfung durch den Senat nicht möglich war.
Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG lässt sich dem Vorbringen der Klägerinnen nicht entnehmen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) liegen nicht vor, da die hier zu entscheidende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung aus den o.g. Gründen ohne Erfolg bleiben musste.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Gegen den Beschluss ist keine Beschwerde an das Bundessozialgericht gegeben (§ 177 SGG). Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 S. 4 SGG).
Erstellt am: 22.03.2012
Zuletzt verändert am: 22.03.2012