Die Rev. der Bekl. wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 11.1.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids von 25 8. 2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 EUR zu erstatten. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger bezieht so genannte Analogleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und beansprucht die Ausstellung einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr.
Der am 00.00.1970 geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger. Er hält sich nach seinen Angaben seit Mitte 2003 in Deutschland auf. Nach erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens scheiterte seine Abschiebung zunächst an fehlenden Passersatzpapieren und seiner zeitweise ungeklärten Staatsangehörigkeit. Im Januar 2006 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt und war danach wegen einer atypisch verlaufenden schweren Form seiner koronaren Herzerkrankung dauerhaft reiseunfähig. Am 4.2.2009 erteilte der Kreis B dem bis dahin geduldeten Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und verlängerte sie zuletzt bis zum 31.1.2011.
Der Kläger bezieht zumindest seit dem 1.7.2009 Leistungen nach § 2 AsylbLG entsprechend den Vorschriften des Sozialgesetzbuch Zwölf – Sozialhilfe (SGB XII).
Seit Bescheiderteilung des Versorgungsamtes B vom 23.06.2009 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 50 wegen einer Funktionsstörung des Herzens und das Merkzeichen G anerkannt.
Am 02.07.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übersendung des Beiblattes zum Schwerbehindertenausweis mit einer kostenlosen Wertmarke zur Inanspruchnahme der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr, weil er zurzeit Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII beziehe und ab Juli 2009 die unentgeltliche Beförderung in Anspruch nehmen wolle.
Mit Bescheid vom 20.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25 8. 2009 lehnte die Beklagte die beantragte Ausstellung des kostenfreien Beiblattes ab, weil der Kläger keine Leistungen nach dem SGB XII erhalte.
Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, es sei aus Gründen der Gleichbehandlung, insbesondere unter Beachtung von Art. 3 Grundgesetz (GG) nicht zu rechtfertigen, ihm nur deshalb keine kostenfreie Wertmarke zu gewähren, weil er Leistungen gemäß § 2 AsylbLG und damit nur entsprechend dem SGB XII erhalte. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung der Bezieher von Leistungen nach dem 8GB XII und der Bezieher von Analogleistungen über § 2 AsylbLG sei nicht zu erkennen.
Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, da der Kläger nur Leistungen über die Verweisung des § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII beziehe, falle er nicht in den Anwendungsbereich des § 145 Abs.1 Satz 5 Nr.2 SGB IX.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger ein Beiblatt mit kostenloser Wertmarke auszustellen.
Der Kläger falle nicht unter den Wortlaut des § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX. Unter Zugrundelegung einer an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierten Auslegung seien aber auch solche Fälle unter diese Vorschrift zu subsumieren, in denen ein Antragsteller Leistungen nach § 2 AsylbLG analog den Vorschriften des Dritten und Vierten Buchs des SGB XII beziehe.
Der Rechtsansicht des SG Duisburg (Beschluss vom25.01.2005- S 24 SB 304/04), der Gesetzgeber habe bei der gleichzeitigen Änderung des § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX und des AslybLG es zum 01.01.2005 Leistungen nach dem AsylbLG bewusst nicht in den Katalog des § 145 Abs.1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX aufgenommen, folge die Kammer nicht. Die Gesetzesänderungen seien zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten beschlossen und nur am selben Tag in Kraft getreten. Von einem einheitlichen gestalterischen Willen des Gesetzgebers könne nicht gesprochen werden. Vielmehr sei denkbar, dass der Gesetzgeber die Problematik übersehen habe.
§ 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX solle nach Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte typische Gruppen einkommensschwacher Berechtigter von der Eigenbeteiligung freistellen. Der Kreis der von der Zuzahlungspflicht befreiten Berechtigten solle nur aus solchen Personen bestehen, die im Bezug von existenzsichernden Leistungen durch eine staatliche Stelle stünden und die einen entsprechenden Bescheid vorlegten, der die Prüfung ihrer Bedürftigkeit durch die Behörde belege. In diesen Personenkreis fielen aber auch Bezieher von Leistungen nach § 2 AsylbLG. Durch die Anordnung der entsprechenden Anwendung des SGB XII seien die Bezieher von Analogleistungen den Beziehern von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, also von Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Hilfe zum Lebensunterhalt, gleichgestellt. Beide Personenkreise erhielten existenzsichernde Leistungen einer staatlichen Stelle, womit deren Bedürftigkeit von einer Behörde geprüft und festgestellt worden ist. Allein dadurch, dass mit dem Verweis in § 2 AsylbLG eine "entsprechende" Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII angeordnet werde, könne angesichts der oben dargelegten, sich an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierten ergänzenden Auslegung keine Differenzierung in Bezug auf die Zuzahlungsfreiheit erfolgen.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten Berufung wiederholt die Beklagte ihre Rechtsansicht, für die Erteilung einer kostenfreien Wertmarke an den Kläger fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 11.01.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte zur Erstattung von 60 EUR verurteilt wird.
Er bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils und wiederholt seinen Vortrag zum Erfordernis einer analogen Anwendung des § 145 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 SGB IX aus verfassungsrechtlichen Gründen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte und die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist überwiegend unbegründet.
Der Kläger hat seine Klage zutreffend gegen die StädteRegion B und nicht gegen deren Landrat gerichtet. Zwar können nach § 70 Nr. 3 SGG in Verbindung mit § 3 AG-SGG in Nordrhein-Westfalen Behörden noch (bis zum 31.12.2010) am sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt sein. § 70 Nr. 3 SGG regelt aber nicht, wer im Einzelfall zu verklagen ist, sondern stellt nur generell klar, wer überhaupt verklagt werden kann. Im Übrigen gilt auch im Sozialgerichtsgesetz das Rechtsträgerprinzip (allgemein Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 70 Rn 4; vgl. im Einzelnen LSG NRW, Urt. v. 25.02.2008 – L 20 SO 31/07, Juris Rn. 25 ff. sowie Vorlagebeschluss vom 26.07.2010 – L 20 AY 13/09, Juris Rn. 49, ebenso Bundessozialgericht, Urt. v. 29.04.2010 – B 9 SB 1/10 R Juris Rn. 14 m.w.Nw.; a.A. Bundessozialgericht, Urt. v. 29.9.2009 – B 8 SO 19/08 R). Aus ihm ergibt sich, dass in der hier vorliegenden Verpflichtungssituation die Klage gegen den Rechtsträger der Behörde zu richten ist, die für die Erteilung der begehrten Leistung zuständig ist.
Der Widerspruchsbescheid ist jedenfalls inzwischen auch formell rechtmäßig (geworden), weil die Bezirksregierung Münster nach § 4a AG SGG NRW nunmehr ausdrücklich zum Erlass von Widerspruchsbescheiden im Schwerbehindertenrecht zuständig ist (vgl. im Einzelnen LSG NRW. Urt. v. 20.04.2010 – L 6 SB 160/09, Juris Rn. 18).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage zulässig, denn neben der Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsaktes begehrt der Kläger die Gewährung einer Leistung. Ob die Entscheidung über eine unentgeltliche Wertmarkenausgabe durch Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X zu erfolgen hat (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.8.2005 – L 6 SB 5511/04 – juris Rdnr 26 ff) kann offen bleiben, weil die Beklagte hier die Form des Verwaltungsaktes gewählt hat (vgl. Bundessozialgericht 9. Senat, Urt. v. 17.07.2008 – B 9/9a SB 11/06 R, Juris Rz. 14), so dass der Kläger dessen Aufhebung anstreben musste. Allerdings war sein weiterer (Leistungs)Antrag auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke infolge seiner Selbstbeschaffung gegenstandslos. Da der Kläger bereits über die für ein Jahr gültige Wertmarke (§ 145 Abs. 1 Satz 3 SGB IX) verfügte, ging die vom SG ausgesprochene Verurteilung der Beklagten insoweit ins Leere. Jedoch kann die rechtswidrige Nichterfüllung des Anspruchs auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke zu einem Erstattungsanspruch hinsichtlich des für die Beschaffung aufgewandten Betrages führen. Der Kläger hat dementsprechend in der mündlichen Verhandlung seinen Antrag klargestellt und Erstattung des Betrages von 60.- Euro beantragt.
Das SGB IX enthält keine geschriebene Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Erstattung. Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Erstattung bildet daher der allgemeine öffentlich – rechtlichen Erstattungsanspruch. Nach diesem allgemein anerkannten Rechtsinstitut gilt im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung der Grundsatz, dass Leistungen, die eines rechtlichen Grundes entbehren, zu erstatten sind (für rechtsgrundlos geleistete Zuzahlungen zu Arzneimitteln Bundessozialgericht, Urt. v. 11.10.1994 – 1 RK 34/93, Juris Rn. 12 m.w.Nw.).
Danach kann der Kläger die zuletzt noch begehrte Rückzahlung der von ihm an den Beklagten geleisteten 60 Euro beanspruchen. Er hat die Wertmarke für die Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs beim Beklagten gegen Zahlung von 60 Euro erworben, nachdem dieser die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke abgelehnt hatte. Die Leistung erfolgte zur Erfüllung einer tatsächlich nicht bestehenden gesetzlichen Zahlungsverpflichtung aus § 145 Abs. 1 S. 3 SGB IX und damit ohne rechtlichen Grund (condicitio indebiti, vgl. Palandt/Sprau, 63. Aufl, § 812 Rn. 71 m.w.Nw.). Denn der Kläger hatte nach § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX in analoger Anwendung von vornherein Anspruch auf eine kostenlose Wertmarke.
Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Wortlaut des § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX den Kläger von der Erteilung einer kostenlosen Wertmarke ausschließt. Die Vorschrift sieht deren Erteilung u.A. an schwerbehinderte Menschen vor, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII erhalten. Die vom Kläger bezogenen Leistungen auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 AslybLG stellen aber keine Leistungen "nach" dem SGB XII dar. Die asylrechtliche Literatur vertritt zwar zum Teil die Ansicht, bei dem Verweis von § 2 Abs. 1 AsylbLG auf die Vorschriften des SGB XII handele sich nicht um eine Rechtsfolgen-, sondern um eine Rechtsgrundverweisung (so Decker in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 2 AsylbLG Rdnr 21 mwN, Stand Juni 2005). Jedenfalls die Höhe der an den Kläger gezahlten Leistungen zum Lebensunterhalt richtet sich ausschließlich nach den Vorschriften des SGB XII. Beides könnte dafür sprechen, die vom Kläger bezogenen so genannten Analogleistungen nach dem AslybLG unter dem Begriff der Leistungen nach dem Dritten und Vierten Buch SGB XII in § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX zu subsumieren, den Begriff "nach" also als "auch nach" zu verstehen. Gegen diese vom Wortlaut her mögliche Auslegung spricht aber aus systematischer Sicht entscheidend § 9 Abs. 1 AslybLG (vgl. Bundessozialgericht, Urt. v. 17.06.2008 – B 8/9b AY 1/07 R, Juris). Danach erhalten Leistungsberechtigte nach dem AslybLG gerade keine Leistungen nach dem SGB XII. Die Gesetzesbegründung führt dazu aus, es handele sich nicht um Leistungen der Sozialhilfe, sondern um Leistungen "nach dem AsylbLG ", deren Inhalt sich jedoch "nach" (sic) dem BSHG bestimme (BT-Drs. 12/5008, S. 15).
Der Anspruch des Klägers auf die begehrte kostenfreie Wertmarke ergibt sich aber aus der analogen Anwendung des § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX. Mit dem Sozialgericht bejaht der Senat das Vorliegen der dafür erforderlichen planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke, also die fehlende Regelung einer Frage, die nach der zu Grunde liegenden Regelungsabsicht einer Regelung eigentlich bedürfte (vgl. Larenz, Methodenlehre, Studienausgabe, 2. Auflage, S. 260).
§ 145 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 SGB IX regelt die kostenlose Erteilung einer Wertmarke an einkommensschwache Personen, die auf den Bezug staatlicher Sozialleistungen angewiesen sind. Der Wortlaut umfasst, wie gezeigt, nicht den Fall einkommensschwacher Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG in Verbindung mit dem Sozialgesetzbuch XII, selbst wenn sie Sozialleistungen in exakt derselben Höhe erhalten wie diejenigen Schwerbehinderten, denen § 145 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 SGB IX einen Anspruch auf eine kostenlose Wertmarke einräumt.
Die Regelung des § 145 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 SGB IX geht zurück auf § 57 SchwbG in der Fassung vom 18.7.1985 (aF), der erstmals eine Kostenbeteiligung von Schwerbehinderten bei der an sich unentgeltlichen Beförderung eingeführt hat. Ausgenommen von der Kostenpflicht waren nach § 57 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 SchwbG (aF) Bezieher von Arbeitslosenhilfe oder von laufenden Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem BSHG. Das Bundessozialgericht hat die Einführung der Kostenbefreiung nach dieser Vorschrift durch den Gesetzgeber für geboten gehalten, weil die in Betracht kommenden Personen mangels finanzieller Mittel ohnehin auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen seien (Urt. v. 8.10.1987 – 9a RVs 6/87, Juris Rn. 18). § 120 der damals geltenden Fassung des BSHG räumte Ausländern, selbst wenn sie zur Ausreise verpflichtet waren, zumindest Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ein. Die Urfassung der Regelung kostenfreier Beförderung für Schwerbehinderte im öffentlichen Personenverkehr schloss damit Asylbewerber keineswegs aus. Vielmehr begünstigte sie solche Ausländer nach ihrem Wortlaut sogar ausdrücklich, weil diese zum damaligen Zeitpunkt noch unmittelbar nach den Vorschriften des BSHG Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen. Personen, die sich wie zuletzt der Kläger rechtmäßig in Deutschland aufhielten, hätten nach § 1 SchwbG auch unproblematisch Anspruch auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gehabt.
Der Wortlaut der Kostenbefreiung ist durch die Überführung des SchwbG in das SGB IX im wesentlichen unverändert geblieben. An die Stelle des Bezugs von laufenden Leistungen nach dem BSHG sind hier – soweit einschlägig- der Erhalt von laufenden Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII getreten. Ein eindeutiger gesetzgeberischer Wille, Bezieher von Analogleistungen nach dem AsylbLG von der Kostenbefreiung auszunehmen, lässt sich dabei weder dem Gesetzestext noch dessen Begründung entnehmen.
Belege für eine solche auf Einschränkung der bestehenden Vergünstigung gerichtete gesetzgeberische Absicht müssten sich daher aus dem AslybLG ergeben. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf diese Problematik findet sich indes weder im Gesetz noch in den Regelungsmaterialien (ebenso SG Gelsenkirchen, Urt. v. 24-09.2002 – S 12 SB 104/01, S. 5 d. amtlichen Entscheidungsumdrucks). Dies obwohl der Gesetzgeber ansonsten Anspruchsausschlüsse oder -einschränkungen im Asylbewerberleistungesetz die er gegenüber den allgemeinen sozialhilferechtlichen Vorschriften für notwendig hielt, jeweils gesondert und ausdrücklich innerhalb des AsylbLG geregelt hat (so OVG NRW, B. v. 15.06.2001 – 12 B 795/00, Juris Rn. 7 m.w.Nw.).
Ebenso wenig ergibt sich ein eindeutiges Bild aus den übergreifenden Zielsetzungen des AsylbLG. Generell zielte der Gesetzgeber mit der Einführung des AsylbLG zwar darauf ab, durch eine eigenständige gesetzliche Regelung des Unterhalts von Asylbewerbern während des Verfahrens die bisherigen Leistungen nach dem BSHG deutlich abzusenken (BT-Drs. 12/5008, S. 1). Die während der Ausschussberatungen eingefügte Gewährung von Analogleistungen an bestimmte Ausländer, bei denen, wie im Fall des Klägers, ein längerer Aufenthalt absehbar war, sollte andererseits das Leistungsrecht dem Sozialhilferecht weiter angleichen. Es erkannte nunmehr die Bedürfnisse an, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und bessere soziale Integration gerichtet sind (BT-Drs. 12/5008).
Damit lässt sich eine bewusste Beseitigung der Kostenfreiheit gegenüber dem vorher bestehenden Rechtszustand jedenfalls für die Bezieher von Analogleistungen nicht eindeutig ableiten. Dem Schweigen des Gesetzgebers speziell zur Frage der Erteilung einer kostenfreien Wertmarke für die Beförderung im Personennahverkehr vermag der Senat, anders als das SG Duisburg in dem von der angefochtenen Entscheidung zitierten Beschluss, insgesamt keine Erklärungsbedeutung zu entnehmen. Es wäre eine bloße Fiktion anzunehmen, der moderne, oft unter Zeitdruck arbeitende Gesetzgeber habe stets alle zu regelnden Probleme im Blick und wolle daher einen regelungsbedürftigen Anspruch bewusst nicht gewähren, wenn er dazu schweigt ("beredtes Schweigen").
Insgesamt sprechen die besseren Argumente dafür, dass der Gesetzgeber die vorliegende Problematik im Zuge der zahlreichen Gesetzesänderungen nicht gesehen hat (a.A. SG Gelsenkirchen, Urt. v. 18.04.2002 – S 15 SB 325/00). Damit liegt die erste Voraussetzung für eine Analogie, eine planmäßige Regelungslücke, vor.
Dasselbe gilt für die weitere Voraussetzung des Analogieschlusses, die Vergleichbarkeit des geregelten mit dem ungeregelten Sachverhalt. Das Bundessozialgericht hat , wie ausgeführt, die erstmalige Einführung der Kostenbefreiung nach Ziffer 2 (damals noch des § 57 Abs. 1 S. 5 SchwbG) durch den Gesetzgeber für geboten gehalten, weil die in Betracht kommenden Personen mangels finanzieller Mittel ohnehin auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen seien (Urt. v. 8.10.1987 – 9a RVs 6/87, Juris Rn. 18). Dieser Gesetzeszweck sowie das Ziel des § 145 SGB IX, die Mobilität schwerbehinderter Menschen im Verkehr zu fördern, trifft auf die schwerbehinderten Empfänger von Analogleistungen nach dem AslybLG in genau derselben Weise zu wie auf schwerbehinderte Sozialhilfeempfänger. In solchen vergleichbaren Fällen muss eine Analogie möglich bleiben (vgl. für eine andere Konstellation ebenso Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urt. v. 22.04.2010 – L 10 SB 35/09, Juris Rn. 17). Auch der mit der Gewährung von Analogleistungen nach dem AslybLG verfolgte Zweck einer besseren sozialen Integration sowie der Angleichung an die Lebensverhältnisse in Deutschland spricht für eine Gleichbehandlung.
Der Senat sieht sich mit seiner Entscheidung auch nicht in Widerspruch zum Urteil des Bundessozialgerichts vom 7.7.2008 -B 9/9a SB 11/06 R. Zwar heißt es dort, die Ausgabe kostenloser Wertmarken stehe zur Kostenbeteiligung in einem Regel – Ausnahme – Verhältnis; die Regelung über die Kostenbefreiung sei abschließend und es sei von Verfassung wegen nicht geboten, weitere Personengruppen in den Regelungsbereich der Norm einzubeziehen (a.a.O. juris Rn. 29). Damit hat das Bundessozialgericht aber lediglich die Erweiterung der Norm auf Personen abgelehnt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt sind. Im vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall konnte der Kläger seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln decken. Das unterscheidet die der zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts zu Grunde liegende Konstellation maßgeblich vom Fall des Klägers. Denn er muss seinen Unterhalt aus öffentlichen Mitteln bestreiten und bezieht dafür laufende Leistungen zum Lebensunterhalt.
Den Ausschlag für die analoge Anwendung der Norm, die eine gut begründbare Auslegungsmöglichkeit darstellt, gibt für den Senat schließlich Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz und das daraus abgeleitete Gebot verfassungskonformer Auslegung (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 14.10.2008 – 1 BvR 3210/06 – BVerfGE 122, 39, 60 f, und vom 14.4.2010 – 1 BvL 8/08 – Juris Rdnr 50). Es verlangt, bei mehreren möglichen Auslegungen einer Norm derjenigen den Vorzug zu geben, die sich in Übereinstimmung mit der Verfassung befindet. Wollte man hier die mögliche analoge Anwendung der Anspruchsnorm des § 145 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 SGB IX ablehnen, dann stellte sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der darin liegenden Ungleichbehandlung. Der Senat würde diese Frage verneinen. Die Umwandlung einer unentgeltlichen Freifahrt in eine Freifahrt mit Kostenbeteiligung berechtigt den Gesetzgeber nicht, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen (Bundessozialgericht, Urt. v. 8.10.1987 – 9a RVs 6/87, Juris Rn. 17). Zwar folgt aus der Ungleichbehandlung des Klägers nur eine relativ geringe finanzielle Belastung von 60 Euro für ein Jahr. Andererseits vermag der Senat zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung keinerlei tragfähigen Gesichtspunkte zu erkennen. Es erschließt sich nicht, was eine Ungleichbehandlung von mittellosen schwerbehinderte Beziehern von Analogleistungen nach dem AslybLG mit mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Buch des Sozialgesetzbuch XII bei der gesetzlichen Leistungsgewährung rechtfertigen könnte (zu den Maßstäben der erforderlichen Gleichheitsprüfung vergleiche allgemein Bundessozialgericht Urt. v. 25.06.2009 – B 10 EG 8/08 R, Juris Rn. 52 m.w.Nw.). Insbesondere lässt sich nicht mit der Vorläufigkeit des Aufenthalts der Bezieher von Analogleistungen argumentieren, weil dieser Bezug einerseits nach § 2 Abs. 1 AsylbLG einerseits einen Voraufenthalt von 48 Monaten voraussetzt, andererseits die Wertmarke jeweils nur für ein Jahr gilt. Ohnehin befindet sich der Kläger schon mindestens seit dem Jahr 2003 in Deutschland und wird hier wohl auch auf unabsehbare Zeit verbleiben, weil seine schwere Herzerkrankung nach den ärztlichen Feststellungen einer Reise in sein Heimatland dauerhaft entgegensteht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision hat der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Erstellt am: 13.12.2011
Zuletzt verändert am: 13.12.2011