NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 04.06.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) Nr 1101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen – (BK 1101) sowie die Zahlung von Verletztenrente.
Der 1971 im Irak geborene Kläger reiste 1997 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er vom 02.04.2000 (Auskunft der H vom 12.10.2015) bzw 01.07.2000 (Arbeitsvertrag vom 29.06.2000) bis zum 30.06.2001 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als gärtnerischer Aushilfsarbeiter in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Stadt H stand sowie nachfolgend arbeitslos und vom 08.12.2006 bis 24.04.2009 in einer Spanferkelbraterei bzw einem Partyservice geringfügig nicht versicherungspflichtig beschäftigt war. Laut Arbeitsvertrag war er bei H1 vom 01.07.2000 bis zum 30.06.2001 vorübergehend als gewerblicher Mitarbeiter mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von durchschnittlich 30,5 Stunden wöchentlich eingestellt. Die Beschäftigung erfolgte nach § 19 Abs 2 BSHG, die Entlohnung nach Lohngruppe 2 BZT-G/NRW. In H wohnte der Kläger zunächst in der C-straße 00, nachfolgend seit dem 24.05.2002 in der N-straße 00.
Im Oktober 2014 wandte er sich an die Beklagte und vertrat, gestützt auf diverse Unterlagen, ua Befunde der ihn behandelnden Ärzte, die Auffassung, bei ihm liege aufgrund beruflicher Einwirkungen während seiner von 2000 bis 2001 ausgeübten Berufstätigkeit eine BK vor. Er habe auf einem Gelände gearbeitet, welches durch Industrieabfälle kontaminiert gewesen sei. Aufgrunddessen sei er an verschiedenen Gesundheitsstörungen erkrankt, wie zB an Magen- und Darmerkrankungen, einer Hauterkrankung, einer Erkrankung des Nervensystems und der Muskeln, darüber hinaus an Erkrankungen des Stütz-und Bewegungsapparats sowie des Immunsystems und an Rheuma.
Die Beklagte verneinte das Vorliegen von BKen nach den Nrn 4301, 4302 und 4201 sowie Ansprüche auf entsprechende Leistungen (Bescheid vom 19.01.2016/ Widerspruchsbescheid vom 26.10.2016). Das hiergegen geführte Gerichtsverfahren blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts – SG – Köln vom 25.08.2017, S 16 U 392/16; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15.12.2017, L 4 U 641/17).
2016 nahm die Beklagte Ermittlungen im Hinblick auf eine BK 1101 auf. Sie zog Berichte über ärztliche Behandlungen des Klägers sowie Unterlagen der Krankenkasse bei. Auch gelangte ein Bericht der Stadt H aus September 2002 bezüglich eines Schimmelpilzbefalls der Wohnung des Klägers zu den Akten. Ferner zog die Beklagte ein Gutachten bei, welches der Arbeitsmediziner Dr. Q am 04.05.2005 erstattet hatte. Dieser führte seinerzeit aus, aufgrund der von ihm durchgeführten Untersuchung sowie der vorgelegten Befundberichte könne beim Kläger eine chronische Intoxikation durch Schwermetalle, Lösungsmittel etc nicht angenommen werden. Der Beratungsarzt der Beklagten, der Arbeitsmediziner Dr. S, kam in einer Stellungnahme vom 30.06.2017 zu dem Ergebnis, nach Aktenlage ergebe sich kein Hinweis auf das Vorliegen einer Schwermetallvergiftung. Die Beschwerden des Klägers ließen sich ohne Ausnahme auf schicksalhafte Erkrankungen und Einflüsse aus dem nicht-beruflichen Umfeld zurückführen.
Mit Bescheid vom 26.07.2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 1101 sowie die Gewährung von Leistungen ab. Auf den hiergegen am 28.07.2017 eingelegten Widerspruch zog sie ein Gutachten bei, welches das Büro für Geotechnik und Hydrogeologie H+Partner am 14.11.1990 für die Stadt H über das Gelände erstattet hatte, auf dem der Kläger in den Jahren 2000/2001 gearbeitet hatte. Hiernach ging von dem Grundstück keine Gefährdung für Mensch und Umwelt aus. Es war derartig saniert, dass für eine Bebauung keine Beeinträchtigung durch Altlasten zu erwarten war. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 06.12.2017 mit der Begründung zurück, eine Exposition mit Blei ließe sich für die Arbeitstätigkeit des Klägers nicht nachweisen.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die am 11.12.2017 zum SG Köln erhobene Klage. Der Kläger hat weiterhin die Ansicht vertreten, er leide an einer Bleivergiftung.
Mit Gerichtsbescheid vom 04.06.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger leide zwar an einer Vielzahl von Erkrankungen. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass diese durch seine kurze versicherte Tätigkeit bei der Stadt H von April 2000 bis Juni 2001 verursacht worden seien. Sowohl der bereits 2005 mit der Sache befasste Gutachter Dr. Q als auch der von der Beklagten später gehörte Beratungsarzt Dr. S hätten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Erkrankung durch Schwermetalle gerade nicht vorliege, sondern es sich vielmehr um schicksalhafte Erkrankungen handele. In diesem Zusammenhang sei auch auf das technische Gutachten vom 14.11.1990 zu verweisen. Die vom Kläger zu entsprechenden Belastungen während seiner Tätigkeit gemachten Angaben seien hierdurch widerlegt. Aus den von ihm im Laufe des Verfahrens in reicher Zahl noch vorgelegten Unterlagen lasse sich ebenfalls nicht entnehmen, dass eine Erkrankung durch Blei anzunehmen wäre. Dies gelte vor allem für das Attest der behandelnden Internistin Dr. W vom 07.03.2018, die eine gutachterliche Klärung empfohlen habe. Dem komme schon deshalb keine Bedeutung zu, weil sie lediglich die eigenen unbewiesenen Angaben des Klägers bezüglich einer behaupteten beruflichen Exposition gegenüber Schwermetallen zugrundelege.
Der Kläger hat gegen den ihm am 07.06.2018 zugestellten Gerichtsbescheid am gleichen Tag Berufung eingelegt, zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft und insbesondere auf einen Arztbrief des Krankenhauses Q vom 28.12.2017 Bezug nimmt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 04.06.2018 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr 1101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihm Verletztenrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 04.10.2018 hat der Senat eine vom Kläger im Berufungsverfahren erhobene Amtshaftungsklage abgetrennt und an das zuständige Landgericht Kassel verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 26.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 nicht beschwert, denn dieser Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder Anspruch auf Anerkennung einer BK 1101 noch auf Gewährung von Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und BK, § 7 Abs 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). BK sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BK bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs 1 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31.10.1997 (BGBl I, Seite 2623) erlassen, in der die derzeit als BK anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Bei einer Listen-BK lassen sich im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die gegebenenfalls bei einzelnen Listen-BK einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Wie bei einem Arbeitsunfall müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, juris). Die BK 1101 setzt nach der Anlage 1 zur BKV Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen voraus.
Zwar hat der Kläger von April oder Juli 2000 bis Ende Juni 2001 als gewerblicher Mitarbeiter der Stadt H eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung der BK 1101 scheitert aber bereits am fehlenden Nachweis von Einwirkungen durch Blei oder seine Verbindungen während dieses Zeitraums. So berichtete bereits Prof. Dr. C unter dem 16.09.2005, ein Anhalt für eine Schwermetallbelastung, insbesondere Blei, sei ausgeschlossen worden, obwohl der Kläger weiter überzeugt sei, dass eine bakterielle oder biologische Ursache oder eine Schwermetallbelastung seinen Beschwerden zugrundeliege.
Der eigene Sachvortrag des Klägers zu entsprechenden Belastungen erschöpft sich demgegenüber lediglich in allgemeinen Behauptungen, die darüber hinaus durch das von der Beklagten beigezogene technische Gutachten vom 14.11.1990 widerlegt sind. Soweit der Kläger Angaben zu Einwirkungen in Form von (früheren) Bodenbelastungen, aber auch Schimmel und dessen Folgen, für die von ihm mehrfach genannten Anschriften C-straße 00 und N-straße 00 in H macht, ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um frühere Privatanschriften des Klägers handelt. Ein Bezug zu einer versicherten Tätigkeit lässt sich insoweit nicht begründen.
Im Übrigen besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen (unterstellten) Einwirkungen und (unterstellten) Erkrankungen des Klägers im Sinne der hier streitigen BK. Er selbst hat vielmehr zeitnah in diversen Verfahren vehement die Auffassung vertreten, seine Erkrankungen seien auf eine Schimmelpilzexposition in den von ihm – auch im Zeitraum der versicherten Tätigkeit in den Jahren 2000/2001 – privat bewohnten Räumlichkeiten, also nicht auf eine versicherte Tätigkeit, zurückzuführen.
Soweit der Kläger zur Begründung seines Vorbringens auf diverse medizinische Unterlagen Bezug nimmt, so belegen diese sämtlich eben keine Intoxikation durch Blei oder seine Verbindungen; offenbar hat er die Unterlagen missverstanden. Beispielhaft sei auf den von ihm im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat erneut vorgelegten Arztbrief des Krankenhauses Q vom 28.12.2017 hingewiesen, in dem ausdrücklich ausgeführt wird, dass es für die dort behandelte entzündliche rheumatische Erkrankung des Klägers nach dem Stand des Wissens gerade keine toxikologische Ursache gebe.
Ergänzend nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf den angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG -).
Mangels Vorliegens des Versicherungsfalls der BK 1101 besteht insoweit auch kein Anspruch auf Verletztenrente nach § 56 SGB VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG besteht nicht.
Erstellt am: 16.07.2019
Zuletzt verändert am: 16.07.2019