I. Die Klage gegen den Bescheid vom 05.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2022 wird abgewiesen.
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II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
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T a t b e s t a n d :
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\nDie 1975 geborene Klägerin macht eine Berufskrankheit infolge einer Infektion mit dem Covid19-Virus geltend. Sie war als Beschäftigungsassistentin im Alten- und Pflegeheim A-Stadt beschäftigt. Am 03.11.2020 wurde bei ihr eine Covid19-Infektion festgestellt. Die Klägerin gab an, seit 15.03.2021 an Beschwerden infolge von „Long-Covid“ zu leiden. Seit 01.08.2021 laufe eine Wiedereingliederung. Es seien mehrere Mitarbeiter in den zwei Wochen vor der Covid19-Infektion erkrankt gewesen. Mit diesen sei sie nicht in Kontakt gewesen. Andere Ansteckungsquellen seien ihr nicht bekannt. Durch das Gesundheitsamt sei keine Index-Person ermittelt worden. In einer weiteren Auskunft gab die Klägerin an, dass sie sich vermutlich im Alten- und Pflegeheim bei der Arbeit angesteckt habe. Während der Ausübung ihrer Tätigkeit sei es nicht möglich gewesen Abstand zu den Betreuten einzuhalten.
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Der Arbeitgeber der Klägerin teilte mit, dass eine Infektion im Heim unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen sei. Die erste Bewohnerin sei am 03.11.2020 positiv getestet worden, die zweite am 05.11.2020. Die Quarantäne sei für Kontaktpersonen der Bewohner angeordnet worden. Mit Bescheid vom 05.01.2022 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Covid19-Infektion vom 03.11.2020 als Versicherungsfall ab. Laut Angaben des Arbeitgebers habe die Klägerin keinen nachweislichen Kontakt zu den infizierten Bewohnern gehabt. Des Weiteren seien keine Kollegen positiv auf Covid-19 getestet worden. Außerdem habe die Klägerin lediglich 4 Stunden am Tag gearbeitet. Die übrige Zeit verbringe sie privat. Die Inzidenz sei zum Infektionszeitpunkt bei über 200 am Wohnort der Klägerin gelegen. Somit sei eine private Infektion wahrscheinlich. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie habe sich mit größter Wahrscheinlichkeit bei den beiden Bewohnerinnen infiziert. In ihrer Familie sei niemand positiv getestet worden. Die Angaben ihres Arbeitgebers, keinen nachweislichen Kontakt zu den beiden positiv getesteten Bewohnerinnen gehabt zu haben, müsse an dieser Stelle unbedingt konkretisiert und berichtigt werden. Der Kontakt zu beiden Bewohnerinnen sei vorhanden gewesen. Das positive Testergebnis hätten die beiden Bewohnerinnen und sie fast zur selben Zeit erhalten.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2022 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin Kontakt zu den Bewohnern hatte, erscheine eine berufliche Ansteckung unter Beachtung der Inkubationszeit, welche bei etwa fünf Tagen liege unwahrscheinlich, da die Bewohnerin und die Klägerin beide am 03.11.2020 positiv getestet worden seien. Im Übrigen wurde auf die Begründung im Bescheid verwiesen.
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Hiergegen legte die Klägerin am 08.04.2022 Klage beim Sozialgericht Augsburg ein. Zur Begründung führte sie aus, dass sie die Einzige in der Familie gewesen sei, die eine Covid19-Infektion zu dieser Zeit hatte. In ihrer Arbeit habe sie Kontakt mit infizierten Personen gehabt. Es wurde ein Befundbericht des behandelnden Hausarztes Dr. E. beigezogen. Des Weiteren ein Leistungsauszug der AOK-Bayern sowie ein Befundbericht der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. und der psychologischen Psychotherapeutin Diplompsychologin D..
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
\nunter Aufhebung des Bescheides vom 05.11.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2022 die Covid19-Infektion als Versicherungsfall anzuerkennen.
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Die Beklagte beantragt,
\ndie Klage abzuweisen.
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Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
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\nE n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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\nDie form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) zu Recht abgelehnt.
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Als Folge eines Arbeitsunfalls ist eine Gesundheitsstörung nur zu berücksichtigen, wenn die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sind (vgl. hierzu u.a. BSGE 45, 1, 9; 58, 80, 83). Zudem ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall (Unfallkausalität), zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und ggf. länger anhaltenden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich.
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Dabei reicht für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit aus (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 23.04.2015 – B 2 U 10/14 R). „Hinreichend wahrscheinlich“ bedeutet, dass bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht, d.h. dass den für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gründen ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286).
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Lässt sich der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht wahrscheinlich machen, geht dies nach dem in sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. u.a. BSGE 6, 70, 72; 96, 238, 245).
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Ausgangspunkt für die Bestimmung des Kausalzusammenhangs zwischen schädigender Einwirkung und Gesundheitsstörung ist die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist eine Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet werden kann und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).
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Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung Grundsätze herausgearbeitet, die das BSG in zwei Entscheidungen vom 09.05.2006 (B 2 U 1/05 R und B 2 U 26/04 R) zusammenfassend wie folgt dargestellt hat:
\nFür eine Gesundheitsstörung kann es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob es eine konkurrierende Ursache war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist dabei nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Die Wertung zweier Mitursachen setzt deshalb nicht notwendig ein Verhältnis 50:50 voraus. Auch wenn der Arbeitsunfall eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache der körperlichen oder psychischen Erkrankung des Versicherten darstellt, kann er dennoch für diesen „Erfolg“ rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben).
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Bei einer Covid19-Infektion kommt eine Anerkennung einer Berufskrankheit Nummer 3101 der Anlage 1 der BKV nur dann in Betracht, wenn eine erhöhte Infektionsgefahr vom Arbeitsplatz ausging. Dies ist insbesondere bei Tätigkeiten im Gesundheitsdienst und der Wohlfahrtspflege der Fall. Da die Klägerin im Alten- und Pflegeheim als Betreuungskraft einer erheblich höheren Infektionsgefahr ausgesetzt war, ist die Anerkennung einer Berufskrankheit grundsätzlich möglich, soweit die anderen Voraussetzungen erfüllt sind. Grundsätzlich gilt für den privilegierten Personenkreis, der im Gesundheitsdienst und der Wohlfahrtspflege arbeitenden Menschen die Beweiserleichterung. Allerdings muss auch bei einer Berufskrankheit der Kontakt mit an Covid19 erkrankten Patienten oder Kollegen im beruflichen Zusammenhang nachgewiesen werden, damit eine Anerkennung erfolgen kann. Laut der Auskunft des Arbeitgebers waren lediglich zwei Bewohner parallel zur Klägerin positiv auf das Covid19-Virus getestet worden. Kollegen waren nicht betroffen. Die Klägerin hatte während ihrer Tätigkeit keinen nachweislichen Kontakt zu Covid19 infizierten Personen. Damit ist eine beruflich bedingte Ansteckung unwahrscheinlich. Die reine Möglichkeit, dass sich die Klägerin bei der beruflichen Tätigkeit mit dem Virus angesteckt hat, ist nicht ausreichend für die haftungsbegründende Kausalität in der Beweiskette eines Covid19-Versicherungsfalles. Somit ist eine Anerkennung nicht möglich.
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Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abzuweisen.
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Erstellt am: 10.01.2023
Zuletzt verändert am: 10.01.2023