Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rücknahme von Rentenbescheiden und die Rückforderung von Leistungen wegen arglistiger Täuschung.
Der damals als Schweißer beschäftigte Kläger suchte am 12.11.1984 (Montag) gegen 8:30 Uhr den D-Arzt Dr. R. in D. auf. In dessen Bericht wird ausgeführt, der Kläger sei morgens um 5:00 Uhr auf dem Weg zur Arbeit auf der Haustreppe auf der zweiten Stufe mit dem rechten Fuß über einen Gegenstand gestolpert, mit dem rechten Knie eingeknickt und dann gestürzt. Er sei zur Arbeit gefahren und habe den Unfall gemeldet, dann habe er sich hierher begeben. Bei der Untersuchung war das rechte Knie deutlich verdickt, es bestanden Zeichen eines massiven Kniegelenksergusses. Äußere Verletzungszeichen oder ein Hämatom lagen nicht vor. Bei der Punktion des Kniegelenkes wurden 45 ml reines Blut entnommen. In dem bei Knieverletzungen zu erstellenden Fragebogen wird ergänzend zum Unfallhergang angegeben, der Kläger sei mit dem Pkw eines Kollegen zur Arbeit gefahren und habe den Unfall sofort dem Pförtner gemeldet; die Arbeit habe er nicht aufgenommen. In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 14.11.1984 heißt es, der Kläger sei, ohne auf den Boden zu stürzen, mit dem rechten Knie umgeknickt, als er von der zweistufigen Außentreppe auf den Gehsteig getreten sei. Als Unfallort wird sowohl in dem D.-Arztbericht wie in der Unfallanzeige des Arbeitgebers die Adresse Z (damalige Meldeanschrift des Klägers) angegeben.
Die Beklagte trug die Kosten der stationären und ambulanten Behandlung wegen der Knieverletzung und zahlte Verletztengeld bis zum 21.01.1985. Nach Einholung von Rentengutachten erkannte sie mit Bescheid vom 19.06.1985 das Ereignis als Arbeitsunfall an und bewilligte eine vorläufige Rente nach einer MdE von 20% ab 22.01.1985. Mit Bescheid vom 28.10.1986 bewilligte sie eine Dauerrente nach einer MdE von 20%.
Am 06.05.1993 rief die Zeugin I. S., die frühere Lebensgefährtin des Klägers, bei der Beklagten an und teilte mit, der Kläger habe am 12.11.1994 keinen Unfall auf dem Weg zur Arbeit erlitten. Vielmehr habe er sich am Vortag bei einer privaten Rauferei auf dem Fußballplatz verletzt, habe die Verletzung dann als Arbeitsunfall ausgegeben, um sich Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erschleichen. Die Beklagte forderte von der Zeugin eine schriftliche Bestätigung der Beschuldigung. Am 04.10.1993 ging bei der Beklagten ein vom 12.05.1993 datiertes Schreiben der Zeugin I. S. ein. Darin heißt es: Der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Fußballplatz befunden. Bei einem Streit, den er angezettelt habe, sei er ausgerutscht und mit einem Knie auf eine Stufe gefallen. Er sei zu diesem Zeitpunkt leicht angetrunken gewesen. Nach dem Unfall sei er von dem Zeugen F. S. (Sohn der Zeugin S.) zu ihrer Wohnung P. gebracht worden und am nächsten Morgen von dort aus unter erheblichen Schmerzen zur Arbeit gefahren. Er habe an diesem Tag Frühschicht gehabt und den Unfall als Arbeitsunfall ausgegeben. Nach Hinweis auf mögliche Konsequenzen einer falschen Anschuldigung bekräftigte die Zeugin I. S. nochmals gegenüber der Beklagten ihre Darstellung. Die Beklagte ließ die von der Zeugin I. S. angegebenen Zeugen F. S. und W. Sch. (geschiedener Ehemann einer Schwester des Klägers) durch das Ordnungsamt der Stadt D. vernehmen. Beide gaben bei ihrer Vernehmung am 18.01.1994 an, während eines Fußballspieles auf dem Platz des "FC" sei es zwischen dem Kläger und einem anderen Besucher zum Streit gekommen. Im Zuge der Auseinandersetzung sei der Kläger gestolpert bzw. ausgerutscht und mit einem Knie auf die Kante der Stufe gefallen, auf der er gestanden habe. Das Knie sei angeschwollen gewesen, der Kläger habe kaum noch laufen können. Er habe erwähnt, daß er nicht in ein Krankenhaus gehen werde, da er den Zwischenfall als Arbeitsunfall darstellen wolle.
Nach Anhörung des Klägers nahm die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.1994 die Bescheide vom 19.06.1985 und vom 28.10.1986 zurück und setzte wegen entstandener Kosten in Höhe von 126.912,17 DM einen entsprechenden Erstattungsbetrag fest. Zugleich erstattete die Beklagte Strafanzeige wegen Betruges; das Strafverfahren ist nach § 154 d StPO eingestellt worden. Der Kläger legte Widerspruch ein und trug vor, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entbehrten jeglicher Grundlage. Es handele sich um einen offensichtlichen Racheakt der Zeugin I. S., gegen die er Anfang 1993 wegen einer Forderung gerichtlich vorgegangen sei. Die Aussagen der Zeugen seien nicht glaubhaft, es handele sich um fast identische Aussagen, obwohl es sich um einen Vorfall handele, der über neun Jahre zurückliege. Einen Vorfall, wie er von den Zeugen geschildert worden sei, habe es nicht gegeben. Richtig sei allerdings, daß der Unfall nicht vor dem Haus Z. geschehen sei, sondern vor dem Haus P. Er selbst habe die Adresse Z. auch nicht angegeben, offenbar sei in den D-Arztbericht bzw. die Unfallanzeige des Arbeitgebers seine damalige Meldeanschrift aufgenommen worden. Er sei noch in der Wohnung seiner Mutter gemeldet gewesen, habe aber zusammen mit der Zeugin I. S. gelebt. Beide Häuser seien gleichartig gebaut und wiesen eine kleine Treppe vor der Eingangstür auf. Bei der Untersuchung durch Dr. R. hätte dieser auch feststellen können, ob es sich tatsächlich um eine frische oder um eine alte Verletzung handele, da 45 ml Blut punktiert worden seien. Die Beklagte holte dazu eine Stellungnahme des Chirurgen Dr. St. ein. Dieser führte aus, aus dem Bluterguß ergebe sich nur, daß eine Kniebinnenverletzung stattgefunden habe. Da es sich bei dem Kniegelenk um eine geschlossene Höhle handele und ein sich hier ansammelnder Bluterguß nicht gerinne, könne der Zeitpunkt der Verletzung daraus nicht abgeleitet werden. An Form und Farbe des Ergusses könne optisch nicht festgestellt werden, ob es sich um einen drei Stunden oder 48 Stunden alten Bluterguß handele. Außerdem trete ein Bluterguß ohne sonst gröbere Verletzung nicht innerhalb von Minuten auf, sondern er verlaufe sukzessive, bis der Innendruck des Gelenkes das blutende Gefäß komprimiere. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.1994 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt, daß es sich um einen persönlichen Racheakt der Zeugin I. S. wegen der Trennung handele.
Das Sozialgericht hat zur Ursache der 1984 erlittenen Verletzung die Zeugen I. S., F. S., W. Sch., K., M., D. und B. vernommen. Mit Urteil vom 17.06.1996 hat es den angefochtenen Bescheid aufgehoben, da nicht bewiesen sei, daß der Kläger falsche Angaben gemacht habe. Soweit die Zeugen I. S. und F. S. und W. Sch. den Kläger belastet hätten, seien ihre Aussagen nicht glaubhaft. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 26.08.1996 zugestellte Urteil am 09.09.1996 Berufung eingelegt. Sie hält es für erwiesen, daß der Kläger im November 1984 einen Freizeitunfall erlitten habe. Auch wenn die den Kläger belastenden Zeugenaussagen erst durch das Ende der Lebensgemeinschaft zwischen der Zeugin I. S. und dem Kläger veranlaßt worden sein, sei dies kein Indiz dafür, daß der Beweiswert dieser Aussagen geringer einzuschätzen sei. Den vom Kläger behaupteten Wegeunfall, den Sturz auf der Außentreppe der Wohnung, habe kein Zeuge bestätigen können.
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.07.1996 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat zu der Frage, wann sich der Kläger die am 12.11.1984 festgestellte Knieverletzung zugezogen hat, nochmals die Zeugen I. S., F. S., W. Sch. und K. vernommen. Wegen des Inhalts ihrer Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.04.1997 Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist im wesentlichen begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Bescheid vom 08.02.1994 insoweit rechtmäßig, als die Beklagte die Bewilligungsbescheide vom 19.06.1985 und 28.10.1986 zurückgenommen hat (I.). Lediglich hinsichtlich der Festsetzung des Erstattungsbetrages ist der Bescheid teilweise rechtswidrig (II.).
I.
1.
Die Beklagte hat zu Recht die Bescheide vom 19.06.1985 und 28.10.1986, mit denen sie das vom Kläger geschilderte Ereignis vom 12.01.1984 als Arbeitsunfall anerkannt und vorläufige Rente bzw. Dauerrente bewilligt hat, nach § 45 Abs. 1 SGB X zurückgenommen, denn diese Bescheide waren rechtswidrig. Der Kläger hat am 12.11.1984 keinen Unfall auf dem Weg zur Arbeit erlitten, der von der Beklagten als Arbeitsunfall zu entschädigen gewesen wäre (§§ 550 Abs. 1, 548 Abs. 1, 539 Abs. 1 Ziffer 1 RVO in der bis 31.12.1996 geltenden Fassung), er hatte sich vielmehr die in Frage stehende Knieverletzung am Vortag bei einem privaten Unfall zugezogen. Er hatte am 11.11.1984 auf dem Fußballplatz des FC eine Rangelei mit einem anderen Besucher, bei der er hingefallen ist und sich das Knie verletzt hat. Er hat an diesem Tag einen Arztbesuch abgelehnt und ist am nächsten Tag zunächst zur Arbeitsstelle gefahren, hat dort angegeben, er sei soeben auf dem Weg zur Arbeit gestürzt und habe sich das Knie verletzt und hat dann den D-Arzt Dr. R. aufgesucht.
Diesen Geschehensablauf hält der Senat aufgrund der Beweisaufnahme für erwiesen.
Die Zeugen F. S. und W. Sch., die beide bei dem Vorfall auf dem Sportplatz dabei waren, haben übereinstimmend bekundet, der Kläger sei erst während des schon laufenden Spiels auf den Platz gekommen (Zeuge W. Sch.: "angetrunken"; Zeuge F. S.: "pflegte meist vorher Frühschoppen zu machen"). Nach einer verbalen Auseinandersetzung mit einem anderen Zuschauer habe der Kläger diesen am Nacken gepackt. Im Zuge der Auseinandersetzung sei er von der Stufe, auf der er gestanden habe, gefallen ("gerutscht") und mit dem Knie auf den Boden gekommen, "langgelegen" habe er nicht. Danach habe er über Schmerzen im Knie geklagt (Zeuge F. S.: "hatte offensichtlich Schmerzen im Knie, jedenfalls hielt er es sich fest"; Zeuge W. Sch.: "sagte zu mir, er könne nicht mehr stehen"). Während sich der Zeuge F. S. zunächst nicht weiter um den Kläger gekümmert habe, habe der Zeuge W. Sch. den Kläger alleine zum Ausgang begleitet. Dann sei auch der Zeuge F. S. um Mithilfe gebeten worden. Der Kläger habe es abgelehnt, ihn zu einem Arzt zu bringen, er habe (sinngemäß) geäußert, "das als Arbeitsunfall zu machen". Die Zeugen hätten den Kläger gemeinsam bis zur Wohnung des Zeugen W. Sch. begleitet, die Reststrecke bis zur Wohnung P. habe der Kläger allein mit dem Zeugen F. S. zurückgelegt. Die Zeugin I. S. hat unter Bekräftigung ihrer früheren Aussage bekundet, der Kläger habe ihr von der Rangelei auf dem Sportplatz erzählt. Sie habe ihm, nachdem ihr Sohn F. S. ihn nach Hause gebracht habe, in die Schlafräume in den ersten Stock der Wohnung geholfen. Dort habe sie das Bein hochgelegt und das Knie gekühlt. Der Kläger habe absolut keinen Arzt aufsuchen, sondern zur Arbeit gehen wollen. Er sei am nächsten Morgen wie üblich aufgestanden, sie habe ihm dann auch wieder die Treppe nach unten geholfen. Er habe bis zur Firma "auf die Zähne beißen" wollen, um am Pförtner vorbeizukommen. Nach dem Weggehen sei er dann während der normalen Arbeitszeit zurückgekommen und zum Arzt gefahren.
Der Senat hält die Aussagen der Zeugen für glaubhaft und die Zeugen für glaubwürdig. Ihre Aussagen stimmen im Kern überein. Soweit sich Differenzen in unwesentlichen Randbereichen ergeben, sprechen diese sogar dafür, daß die Zeugen die Wahrheit gesagt haben, da bei einer – vom Kläger behaupteten – Absprache man sich eher auch in Details abgestimmt hätte. Daß die Zeugin I. S. sich erst bei der Beklagten gemeldet hat, als ihre Beziehung zum Kläger gescheitert und es zu finanziellen Auseinandersetzungen zwischen den ehemaligen Partnern gekommen war, spricht entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit. Im Gegenteil ist es verständlich, daß sie erst dann, als sie sich vom Kläger ungerecht behandelt fühlte, den Vorfall aufgriff und den Kläger "anschwärzte". Dazu ist sie offenbar auch erst vom Zeugen W. Sch. ermuntert worden. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin begründet auch nicht der Umstand, daß sie bis Oktober 1993 wartete, bis sie das Schreiben vom 12.05.1993 an die Beklagte sandte; ihre Begründung hierfür, "sie habe das eigentlich nicht machen wollen", ist nachvollziehbar. Immerhin ist die Zeugin dann gegenüber der Beklagten auch nach Hinweis auf die möglichen Folgen einer falschen Beschuldigung bei ihrer schriftlichen Darstellung geblieben (Verhandlungsniederschrift vom 18.11.1993), obwohl sie zum damaligen Zeitpunkt die Beschuldigung noch hätte zurücknehmen können, ohne wesentliche Nachteile befürchten zu müssen. Es hat sich auch kein begründbarer Verdacht ergeben, die Zeugen F. S. und W. Sch. könnten den Kläger zu Unrecht belasten. Der Zeuge F. S. hatte zwar nach eigenem Eingeständnis während des Zusammenlebens seiner Mutter mit dem Kläger ein schlechtes Verhältnis zu dem Kläger und ist möglicherweise von ihm auch früher geschlagen worden, gleichwohl liegt es eher fern, daß er sich deswegen am Kläger rächen will, zumal der Senat den Eindruck gewonnen hat, als sei ihm der Kläger eher gleichgültig. Ebensowenig bestehen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen W. Sch … Ein vom Kläger behauptetes "Verhältnis" des Zeugen zur Zeugin I. S. hat die Zeugin I. S. glaubhaft verneint. Der Kläger hat diesen Vorwurf auch erst sehr spät während des Verfahrens erhoben, als ihn die Zeugen erneut belastet hatten. Der Zeuge W. Sch. hat zu Recht auch darauf hingewiesen, "er habe nichts davon, wenn er lüge".
Vor allem wird die Richtigkeit der Aussagen der vorgenannten Zeugen durch die – vom Sozialgericht nicht berücksichtigten – Aussagen der Zeugen D. und B., die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, bestätigt. Beide haben bestätigt, daß es tatsächlich zu einem von ihnen nicht mehr anzugebenden Zeitpunkt auf dem Sportplatz zu einem Vorfall der von den Zeugen F. S. und W. Sch. geschilderten Art gekommen ist. Der Zeuge Dauer hat ausgesagt, der Kläger sei sich einmal mit einem Zuschauer "in die Wolle" geraten und von dem Zeugen W. Sch. und einer Frau nach Hause begleitet worden. Der Zeuge B. hat weiter angegeben, der Kläger sei bei dem Vorfall eine Steinstufe hinuntergefallen und habe Schmerzen am Knie gehabt. Er sei dann von dem Zeugen W. Sch. nach Hause gefahren worden. Offensichtlich ist es also auf dem Fußballplatz einmal zu einem Ereignis gekommen, bei dem sich der Kläger am Knie verletzt hat und (auch) von dem Zeugen W. Sch. weggebracht worden ist. Soweit der Zeuge B. bekundet hat, der Zeuge W. Sch. habe den Kläger nach Hause gefahren, stimmt das insoweit mit der Bekundung des Zeugen W. Sch. überein, daß er dem Kläger angeboten habe, ihn zum Krankenhaus zu fahren, denn am Fußballplatz sei ein Taxistand. Offenbar hat der Zeuge B. nur dieses Angebot mitbekommen und aufgrund der Tatsache, daß der Zeuge W. Sch. den Kläger ja auch zunächst allein bis zum Ausgang des Platzes begleitet hat, den Schluß gezogen, der Zeuge W. Sch. habe den Kläger tatsächlich wie angeboten nach Hause gefahren. Es spricht somit alles dafür, daß es sich bei dem von den Zeugen D. und B. bekundeten Vorfall, wenngleich sie ihn zeitlich nicht einordnen konnten, um das von den obengenannten Zeugen angegebene Ereignis vom November 1984 gehandelt hat. Die Behauptung des Klägers, es sei auf dem Fußballplatz nie zu einer Auseinandersetzung gekommen, trifft ersichtlich nicht zu. Es liegt auch nicht fern, daß der Kläger auch einmal eine tätliche Auseinandersetzung mit einem anderen Zuschauer gehabt hat. Er hat selbst eingeräumt, daß es schon zu "Wortgefechten" mit anderen Zuschauern gekommen sei. Auch nach der Aussage des Zeugen M., des ersten Vorsitzenden des FC, ist der Kläger wegen verbaler Auseinandersetzungen auf dem Sportplatz aufgefallen und einmal sogar vom Platz verwiesen worden. Wenn der Kläger also die Auseinandersetzung mit anderen Zuschauern gesucht hat, liegt es ohne weiteres nahe, daß es auch zu dem Vorfall gekommen ist, bei dem er sich die Knieverletzung zugezogen hat.
Die Aussage des Zeugen K., der mit dem Kläger am behaupteten Unfalltag zur gemeinsamen Arbeitsstelle gefahren ist, steht dieser Beweiswürdigung nicht entgegen. Fraglich ist schon, was dieser Zeuge aus eigener Erinnerung bekunden kann, denn der Kläger hatte ihn erst kurz vor dessen erster Vernehmung durch das Sozialgericht angerufen und auf den Vorfall angesprochen. Welchen Inhalt das Gespräch im einzelnen gehabt hat, steht nicht fest. Immerhin hat der Zeuge K. jetzt angegeben, er habe dem Kläger den Vorfall schon einmal geschildert. Angesichts der erkennbar gewordenen Beschränkung der intellektuellen Fähigkeiten des Zeugen ist zu befürchten, daß sich bei ihm die Erinnerung an Erlebtes und Vermutungen sowie Rückschlüsse aus suggestiven Fragen anderer Personen vermischen. Der Zeuge hat im übrigen auch nur angeben können, er habe am 12.11.1984 an der Wohnung des Klägers geläutet. Dieser habe geöffnet, er – der Zeuge – sei dann schon zu dem vor dem Haus stehenden Auto gegangen. Er habe dann ein Geräusch gehört und sich umgedreht. Der Kläger sei auf die Hände gestützt auf dem Boden gelegen. Er habe nicht gemerkt, daß der Kläger gehumpelt habe. Erst im Auto habe er über Schmerzen im Knie geklagt. Einen Sturz des Klägers hat der Zeuge also nicht beobachtet. Auch vor dem Sozialgericht hat der Zeuge lediglich ausgesagt, er habe den Kläger am Boden liegen sehen. Er habe dann den Kläger aufgehoben; dieser habe gesagt, "es sei nicht so schlimm". Die Schilderung des Zeugen K. läßt sich mit dem Geschehensablauf vereinbaren, daß sich der Kläger bereits am Vortag am Knie verletzt hatte, am 12.11.1984 dann aber "die Zähne zusammenbiß", vor der Tür einen Sturz vortäuschte und dann erst im Auto über die Beschwerden geklagt hat. Im übrigen stehen die Angaben des Zeugen K. nicht im Widerspruch zu dem weiteren Beweisergebnis.
2.
Die bei der Untersuchung am 12.11.1984 festgestellten Gesundheitsstörungen hat sich der Kläger somit nicht am gleichen Tag auf dem Weg zur Arbeit zugezogen, sondern am Vortag bei einem Freizeitunfall. Einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall hat er nicht erlitten. Die Beklagte ist bei der Gewährung von Leistungen und dem Erlaß der Bescheide vom 19.06.1985 und 28.10.1986 von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Der Kläger hat die genannten Verwaltungsakte durch arglistige Täuschung (vorsätzliche Vorspiegelung eines auf dem Weg zur Arbeit erlittenen Unfalles) erwirkt, so daß die Beklagte die Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen durfte (§ 45 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Ziffer 1 SGB X). Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt. Die Beklagte hat die Bescheide vom 19.06.1985 und 28.10.1986 sogar innerhalb eines Jahres seit dem erstmaligen Anruf der Zeugin I. S. zurückgenommen. Soweit überhaupt bei der Rücknahme durch betrügerische Handlungen erwirkter Verwaltungsakte Ermessenserwägungen erforderlich sind (vgl. insoweit BSG SozR 3-4100 § 155 Nr. 2; SozR 3-1300 § 50 Nr. 16), ist es nicht zu beanstanden, daß die Beklagte im Widerspruchsbescheid – mit heilender Wirkung (§ 41 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Ziffer 2 SGB X) – insoweit ausgeführt hat, dem Interesse der Versichertengemeinschaft auf Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes sei der Vorrang vor dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers einzuräumen.
II.
Der Bescheid vom 08.02.1994 ist jedoch insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die Erstattung von mehr als 77.027,44 DM vom Kläger verlangt. Dabei kann dahinstehen, welche der von ihr bei der Berechnung des Erstattungsanspruchs berücksichtigten Leistungen aufgrund der zurückgenommenen Verwaltungsakte erbracht worden und welche ohne förmliche Bewilligung geleistet worden sind. Bei der Rückforderung von Leistungen, denen kein Verwaltungsakt zugrunde liegt, genießt der Erstattungsschuldner Schutz entsprechend §§ 45, 48 SGB X. Wenn also – wie hier – bei einem einheitlichen Sachverhalt die durch Verwaltungsakt bewilligten Leistungen zurückgefordert werden dürfen (im Wege der Rücknahme der bewilligten Bescheide, die zwingend mit der Pflicht zur Erstattung der empfangenen Leistung verbunden ist, § 50 Abs. 1 SGB X), können auch eventuell weitere ohne Verwaltungsakt erbrachte Leistungen nach § 50 Abs. 2 SGB X zurückverlangt werden.
1.
a) Soweit die Beklagte bei ihrem Erstattungsanspruch Trägeranteile an den Beiträgen von Verletztengeld (3.688,40 DM), Gutachtenkosten (1.328,75 DM), Verwaltungskosten (887,12 DM) und Kosten für die Berichte der Ärzte (764,10 DM) berücksichtigt hat, handelt es sich nicht um Leistungen, die dem Kläger erbracht worden sind und von diesem im Rahmen des § 50 SGB X zu erstatten sind. Selbst wenn man den Leistungsbegriff in § 50 SGB X weiter faßt als den des § 11 SGB I (dafür Schneider-Danwitz, in: Ges.Komm. – SGB X § 50 Anm. 23; anders die wohl herrschende Lehre, vgl. Freischmidt, in: Hauck/Haines SGB X § 50 Rdnr. 8; Wiesner, in: Schroeder / Printzen- / Engelmann- / Schmalz- / Wiesner / von Wulffen, SGB X, 3. Auflage, § 50 Rndr. 2; Schnapp, in: GK-SGB X, § 50 Rdnr.21), muß der Charakter des Erstattungsanspruchs berücksichtigt werden. § 50 SGB X begründet einen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch, der die Rückgängigmachung rechtswidriger Vermögensverschiebungen bezweckt (vgl. Freischmidt, a.a.O. Rdnr. 6). Der Anspruch kann folglich nur auf das gerichtet sein, was dem Erstattungsschuldner als Leistung (in Form von Geld-, Sach- und Dienstleistungen) zugeflossen ist. Kosten für die Erstattung der Gutachten, die Berichte der Ärzte und der an die Krankenkasse des Klägers gezahlte Verwaltungskostenersatz sind keine dem Kläger erbrachten Leistungen, sondern Verwaltungskosten der Beklagten, die im Zuge der Durchführung des Verwaltungsverfahrens angefallen sind. Der Trägeranteil an den Beiträgen von Verletztengeld ist ein eigenständiger Finanzierungsanteil der Leistungsträger, der gegebenenfalls über § 26 Abs. 2 SGB IV erstattet werden kann (vgl. BSG SozR 2100 § 26 Nr. 9; SozR 3-2400 § 26 Nr. 4), aber ebenfalls keine Leistung an den Leistungsempfänger (so auch Schneider-Danwitz, a.a.O. Anm. 23 c).
b) Erhalten hat dagegen der Kläger im Zusammenhang mit dem "Arbeitsunfall" die bei dem Erstattungsanspruch berücksichtigten Leistungen Verletztengeld (16.755,20 DM), ambulante (1.511,56 DM) und stationäre Behandlung (24.387,00 DM und die orthopädischen Hilfsmittel (4.449,80 DM), so daß wegen dieser Leistungen eine Erstattungsforderung in Betracht kommt (wobei die Sach- und Dienstleistungen nach § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB X in Geld zu erstatten sind). In einer früheren Entscheidung hat das BSG bei Vortäuschung eines Arbeitsunfalles einen Rückforderungsanspruch gegen den Leistungsempfänger nach § 628 RVO a.F. wegen der Kosten der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung in voller Höhe der aufgewendeten Kosten bejaht und dem Empfänger den Einwand, er habe keine Aufwendungen erspart, verwehrt (BSG SozR Nr.4 zu § 628 RVO). Nach den Vorschriften des SGB scheiden Rückforderungsansprüche gegenüber dem Kläger nunmehr jedoch deshalb aus, weil wegen dieser Leistungen ein gegenüber § 50 SGB X vorrangiger Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die seinerzeit zuständige Krankenkasse des Klägers (damals AOK Mülheim) nach § 105 SGB X besteht. Wegen der am 11.11.1984 erlittenen Knieverletzung hätte der Kläger Anspruch gegen die Krankenkasse auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs.1 SGB V) und Krankengeld (§ 44 SGB V) gehabt. Leistet ein Unfallversicherungsträger, obwohl die Krankheit nicht Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist, besteht ein Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse nach § 105 SGB X (vgl. BSG SozR 1300 § 110 Nr. 1). Soweit ein solcher Erstattungsanspruch besteht, gilt nach § 107 Abs. 1 SGB X der Anspruch des Berechtigten gegen den tatsächlich zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt. Das Gesetz fingiert also, daß die vom erstattungsberechtigten Leistungsträger erbrachte Leistung die endgültig geschuldete Leistung des erstattungsverpflichteten Leistungsträger darstellt. Das Gesetz sieht in diesen Fällen statt der Rückabwicklung über den Versicherten nur den unmittelbaren Ausgleich zwischen den beteiligten Leistungsträgern vor. Durch die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X entsteht im Verhältnis zwischen erstattungsberechtigtem Leistungsträger (hier der Beklagten) und dem Leistungsempfänger der Rechtsgrund für die erbrachte Leistung (vgl. Kater, in: Kasseler Komm., § 107 SGB X Rdnr. 14; LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1989, 684, 689), ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Empfänger der Leistung ist damit ausgeschlossen. Unerheblich ist dabei, ob der erstattungsberechtigte Träger tatsächlich seinen Erstattungsanspruch realisieren kann. Die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X ist nicht von der Befriedigung des Erstattungsanspruchs abhängig, es genügt, wenn der Erstattungsanspruch dem Grunde nach entstanden ist (BSG SozR 3-2400 § 26 Nr. 5; von Wulffen, in: Schroeder / Printzen / Engelmann / Schmalz / Wiesner / von Wulffen, SGB X, 3. Auflage, § 107 Rndr. 6). Somit führt auch das Erlöschen des Erstattungsanspruchs wegen Nichteinhaltung der Ausschlußfrist des § 111 SGB X nicht dazu, daß der erstattungsberechtigte Träger sich nunmehr an den Leistungsempfänger wenden könnte (vgl. Kater, a.a.O. § 111 Rdnr. 27; Verbandskomm., § 111 SGB X, Anm. 3.4; unklar Schellhorn, in: GK-SGB X, § 111 Rdnr. 26, der dann, wenn der Leistungsempfänger durch sein Verhalten dem Leistungsträger die Einhaltung der Anmeldefrist unmöglich gemacht hat, eine "Prüfung", ob eine Erstattung nach S§ 45, 50 SGB X in Betracht kommt, befürwortet, ohne indes angeben zu können, unter welchen Voraussetzungen diese Abweichung von der Sonderregelung der §§ 102 ff SGB X in Betracht kommen soll). Die Anwendung des § 105 Abs. 1 SGB X ist auch unabhängig davon, ob der Unfallversicherungsträger aufgrund unzutreffender Bewertung des Sachverhalts vom Vorliegen eines Arbeitsunfalles bzw. einer auf einen Arbeitsunfall zurückzuführenden Erkrankung ausgegangen ist oder ob der Versicherte einen entsprechenden Sachverhalt vorgetäuscht hat. In beiden Fällen hat der Unfallversicherungsträger als unzuständiger Träger geleistet, das Gesetz differenziert nicht danach, aufgrund welcher Umstände der Unfallversicherungsträger irrtümlich von seiner Zuständigkeit ausgegangen ist.
c) Zu erstatten hat der Kläger die empfangene Verletztenrente (76.085,00 DM) sowie die Entschädigung für Fahrtkosten (687,28 DM) und Verdienstausfall (255,16 DM), die er von der Beklagten erhalten hat. Da eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nicht möglich ist, kann die Beklagte diesen Gesamtbetrag von 77.027,44 DM ohne Rücksicht darauf vom Kläger verlangen, ob insoweit sein Vermögen noch objektiv gemehrt ist.
2.
Eine über den obengenannten Erstattungsanspruch hinausgehende Forderung der Beklagten besteht nicht. Ein Schadensersatzanspruch läßt sich weder aus der direkten oder entsprechenden Anwendung des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder § 826 BGB herleiten noch als öffentlichrechtlicher Schadensersatzanspruch aus dem Sozialrechtsverhältnis in entsprechender Anwendung der Grundsätze der positiven Vertragsverletzung.
Zu § 628 RVO a.F., der Vorläufervorschrift des § 50 SGB X, ist allerdings die Auffassung vertreten worden, bei vorsätzlich falschen Angaben des Leistungsempfängers bestehe neben dem normierten Rückforderungsanspruch ein sozialversicherungsrechtlicher Schadensersatzanspruch (so LSG Bremen, Breithaupt 1975, 394) bzw. ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 263 StGB (so Lauterbach, Unfallversicherung, § 628 Anm. 5 c). Diese Auffassung läßt sich unter der Geltung der §§ 44 ff SGB X nicht aufrechterhalten (a.A. Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Kz 805, S. 7). Der Gesetzgeber hat mit den genannten Normen ein sozialrechtlich ausgewogenes System geschaffen, durch das sowohl die Voraussetzungen über die Aufhebung von Bewilligungen von Sozialleistungen als auch die Rückabwicklung empfangener Leistungen umfassend geregelt wird. Dieses Regelungssystem trägt auch einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsempfängers, insbesondere der Abgabe falscher oder unvollständiger Angaben Rechnung und sanktioniert sowohl vorsätzlich (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X) wie grobfahrlässig (Nr. 2 a.a.O.) unzutreffende Angaben bzw. die Verletzung von Mitwirkungspflichten (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 SGB X). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat in den bisher ergangenen Entscheidungen dementsprechend Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) verneint und jedenfalls insoweit das Regelwerk als abschließend angesehen (BSG SozR 3-4100 § 155 Nr. 2; SozR 3-4100 § 157 Nr. 1; BVerwG DÖV 1993, 344, 345); ebenso schon BGHZ 103, 255, 260). Während das BSG seine Entscheidung auf die Verletzung von Mitwirkungspflichten beschränkt hat (SozR 3-4100 § 157 Nr. 1 S. 7), hat das BVerwG ohne weitere Differenzierung die §§ 44 ff SGB X als geschlossenes System bezeichnet und ausgeführt, zusätzliche und damit von anderen Voraussetzungen abhängige Schadensersatzansprüche würden der differenzierten Wertung des Gesetzgebers in diesen Vorschriften für oder gegen das Belassen einer Leistung nicht gerecht (a.a.O.). Auch in der Literatur wird die Meinung vertreten, soweit eine Leistung aufgrund eines öffentlichrechtlichen Leistungsverhältnisses erbracht worden sei, stelle § 50 SGB X eine abschließende Regelung dar, die Schadensersatzansprüche ausschließe (Freischmidt, a.a.O., § 50 Rdnr. 18 a.E.; Steinwedel, in: Kasseler Komm., § 50 SGB X Rdnr. 3; Gagel, NJW 1985 1872, 1874). Der Senat teilt die Auffassung, daß §§ 44 ff SGB X abschließend die Rückabwicklung von Leistungsverhältnissen regeln. Gagel (a.a.O.) weist zurecht darauf hin, daß für Pflichtverstöße gegenüber dem Versicherungsträger in §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 1, 2, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 50 SGB X ein eigenständiger Anspruch auf Rückzahlung gewährter Leistungen geregelt ist und die im Sozialgesetzbuch getroffene Differenzierung nicht durch den Rückgriff auf (zivilrechtliche) Schadensersatzansprüche unterlaufen werden dürfe. Der nach dem Sozialgesetzbuch bestehende Ausschluß auf Verzinsung des Erstattungsanspruchs oder Ersatz von Verwaltungskosten werde bei Bejahung (zivilrechtlicher) Schadensersatzansprüche hinfällig. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, §§ 44 ff SGB X, insbesondere § 50 SGB X könnten nur insoweit als abschließend angesehen werden, als es um die Rückgewährung von Leistungen gehe, so daß für darüberhinaus entstandene Kosten ein Schadensersatzanspruch in Betracht komme. Dies würde bedeuten, daß bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen über § 50 SGB X hinaus ein Anspruch des Leistungsträgers bestünde. Der Gesetzgeber hat aber auf der Rechtsfolgenseite alle Pflichtverletzungen gleich behandelt, gleichgültig, ob dem Leistungsempfänger strafbares Handeln oder nur grobe Nachlässigkeit vorzuwerfen ist. Wenn ein Verwaltungsakt im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, wird regelmäßig ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den entsprechenden strafrechtlichen Vorschriften konstruiert werden können. Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber damit begnügt, in diesem Fall ebenso nur einen Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X anzuordnen, wie in dem Fall, indem der Versicherte aus grober Nachlässigkeit falsche bzw. unzutreffende Angaben gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Ziffer 2 SGB X).
Noch weniger läßt sich ein öffentlichrechtlicher Schadensersatzanspruch aus dem sozialrechtlichen Sozialleistungsverhältnis nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung begründen. Das BSG hat zwar einen aus dem Sozialrechtsverhältnis abgeleiteten Schadensersatzanspruch einer Krankenkasse gegen einen Versicherten bejaht, der die Durchsetzung eines Schadensersatzes des Sozialleistungsträgers gegen einen Dritten vereitelt hatte, weil er Auskünfte verweigert hatte (BSGE 45, 119) oder durch unrichtige Angaben Kosten verursacht hatte (BSGE 62, 251). Es mag dahinstehen, ob ein solcher Schadensersatzanspruch in den vom BSG entschiedenen Fällen, in denen es um Kosten ging, die nicht im Zusammenhang mit der Rückabwicklung eines Leistungsverhältnisses angefallen waren, in Betracht kommt (ablehnend Jülicher, SGb 1979,445; Spellbrink, in: Schulin, HS-UV, § 24 Rdnrn. 158 ff). Soweit es um die Rückabwicklung eines Leistungsverhältnisses geht, hat der Gesetzgeber in den §§ 44 ff SGB X vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen die geflossenen Leistungen zurückgefordert werden dürfen. Ein Maßstab dafür, inwieweit über § 50 SGB X hinausgehend der Versicherungsträger einen Vermögensschaden sollte geltend machen dürfen, läßt sich auch den gesetzlichen Vorschriften nicht entnehmen. Im Zivilrecht hat im Falle der positiven Vertragsverletzung der Schuldner jede Fahrlässigkeit vertreten (§ 276 Abs.1 BGB,vgl.a. Palandt- Heinrichs, BGB, 56. Auflage, § 276 Rndr. 123). Es liegt auf der Hand, daß eine so weit gehende schadensersatzrechtliche Haftung der Wertung des § 45 Abs. 2 Satz 3 Ziffer 1 bis 3 SGB X widerspricht und der Interessenlage im Sozialrechtsverhältnis nicht gerecht wird. Auf der anderen Seite läßt sich aber auch nicht plausibel begründen, warum nur oder jedenfalls bei vorsätzlich falschen Angaben ein Schadensersatzanspruch aus dem Sozialrechtsverhältnis bestehen soll (so aber das LSG Bremen, a.a.O.), wenn gleichzeitig – wie oben dargelegt – der Gesetzgeber in §§ 45 Abs. 2 Satz 3, 50 SGB X hinsichtlich der Rechtsfolgen keine Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Pflichtverstöße getroffen hat und grobfahrlässiges Fehlverhalten gleich behandelt wie strafbares Handeln. Auf der Grundlage der bestehenden gesetzlichen Regelungen läßt sich ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung aus dem Sozialrechtsverhältnis im Zusammenhang mit der Rückforderung von Leistungen nicht überzeugend begründen. Vor allem ist zu berücksichtigen, daß die Annahme eines Schadensersatzanspruches einen erheblichen Eingriff in die Rechtsposition des Versicherten darstellt. Auch unter Berücksichtigung des § 31 SGB I ist von daher eine gesetzliche Regelung zu fordern. Zu Recht weist Platz (BG 1986, 608, 612) darauf hin, daß das Sozialrechtsverhältnis sich vom zivilrechtlichen Schuldverhältnis insoweit unterscheidet, als sich nicht Rechtssubjekte auf der Ebene der Gleichordnung begegnen, sondern dem Sozialleistungsträger eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber dem Bürger obliegt (ähnlich schon früher BSG, Breith 1968,63,67 zur Ablehnung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Schadensersatzanspruch im Versorgungsrecht). Insoweit stelle sich die Frage, ob dieses Verhältnis durch eine analoge Rechtsanwendung mit dem Risiko eines Schadensersatzanspruchs gegen den Leistungsempfänger belastet werden dürfe. Angesichts der Tragweite der Entscheidung muß diese grundsätzliche Frage vom Gesetzgeber entschieden werden (zu den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung vgl. auch BVerfGE 69, 315, 371 f; 71, 354, 362).
III.
Der Senat ist bei der Kostenentscheidung nach § 193 SGG davon ausgegangen, daß für den Kläger die Frage, ob überhaupt eine Rückforderung von Leistungen in Betracht kommt, so im Vordergrund gestanden hat, daß es gerechtfertigt ist, wenn er seine gesamten Kosten selbst zu tragen hat, obwohl er hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung – die er im übrigen nicht angegriffen hatte – teilweise obsiegt hat.
Der Senat hat die Revision wegen der Höhe der Erstattungsforderung zugelassen, weil er der Frage, welche Kosten in Fällen dieser Art geltend gemacht werden können, grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG).
Erstellt am: 11.08.2003
Zuletzt verändert am: 11.08.2003