Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2016 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 30.12.1975 ab dem 01.06.2014 bis zum 30.06.2014 eine Rente nach einer MdE i. H. von 100 v.H, ab dem 01.07.2014 bis zum 31.07.2014 eine Rente nach einer MdE i.H. v. 60 v.H und ab dem 01.08.2014 bis zum 31.08.2014 eine Rente nach einer MdE i.H.v. 40 v.H. zu leisten. Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für die Zeit ab Juni 2014 bis August 2014 die Gewährung einer höheren Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls am 30.12.1975 nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII).
Der am 20.03.1938 geborene Kläger erlitt am 30.12.1975 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall als er nach der beruflichen Tätigkeit auf einer Treppe umgeknickte. Der Versicherungsfall wurde bei der Beklagten zwar gemeldet, die Unterlagen wurden allerdings, da das Ereignis als einfacher Fall eingestuft wurde, vernichtet. Gespeichert wurde nur, dass der Kläger einen Kniegelenkserguss rechts erlitt.
Im Jahr 1992 wurde ein neues Verwaltungsverfahren in Bezug auf diesen Arbeitsunfall eröffnet. Zur Abklärung ihrer Leistungspflicht ließ die Beklagte den Kläger durch Professor Dr. F, untersuchen und begutachten. Mit Bescheid vom 24.02.1994 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden ein verheilter Riss des rechten vorderen Kreuzbandes, ein Teil der bestehenden Knorpeldegeneration am inneren Oberschenkelrollenkondylus, des Schienbeinkopfplateaus und die Degeneration des Innenmeniskus mit der entstandenen Rissbildung anerkannt.
Am 09.12.1998 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall, diesmal zulasten der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (BGFE). Nach den Feststellungen der BGFE im Bescheid vom 17.11.2000 entstanden aus dem Arbeitsunfall unter Auswertung des Gutachtens vom 10.10.2000 von Herrn Professor Dr. M., eine reizlose Narbe am rechten Kniegelenk sowie die in den Röntgenbildern erkennbaren unfallbedingten Veränderungen nach Patellalängsbruch rechts und Bruch des Querfortsatzes des 2. und 3. Lendenwirbelkörpers an Unfallfolgen. Die Gewährung einer Rente wurde abgelehnt.
Parallel zu dem Verfahren der BGFE zum Arbeitsunfall vom 09.12.1998 ermittelte auch die Beklagte noch einmal zu den Folgen des Arbeitsunfalls vom 30.12.1975. Sie ließ den Kläger dazu ebenfalls von Prof. Dr. M untersuchen. In einem weiteren Gutachten vom 10.10.2000 beurteilte der Mediziner, dass auf Dauer eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) i.H.v. 10 v.H. vorliege. Unter Verweis auf das Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.11.2000 die Gewährung einer Rente weiterhin ab, da die Unfallfolgen lediglich eine MdE von unter 10 v.H. auslösten.
Auf den dagegen eingelegten Widerspruch berichtete die Beklagte der BGFE von dem eröffneten Widerspruchsverfahren und erhielt von der BGFE Kenntnis in Bezug auf den Bescheid vom 22.08.2001. Mit diesem gewährte die BGFE dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 09.12.1998 ab dem 20.04.2000 eine Rente nach einer MdE i.H.v. 20 v.H. Als Unfallfolgen wurden eine Narbenbildung im Bereich des rechten Kniegelenks, eine Bewegungseinschränkung im Bereich des Übergangs von der Brustwirbelsäule zur Lendenwirbelsäule sowie die in den Röntgenbildern erkennbaren unfallbedingten Veränderungen nach Patellalängsbruch rechts und Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers sowie Bruch des Querfortsatzes des 2. und 3. Lendenwirbelkörpers anerkannt. Mit dieser Entscheidung setzte die BGFE die Stellungnahme vom 24.06.2001 von dem Beratungsarzt Dr. T, Unfallchirurg, um.
Die Beklagte holte daraufhin von Prof. Dr. M noch die Stellungnahme vom 08.05.2002 ein, in welcher der Mediziner aufgrund sicherlich eingetretener arthrotischer Veränderungen des rechten Kniegelenks ab dem 04.01.1999 eine MdE i.H.v. 10 v.H. empfahl. Mit Bescheid vom 28.05.2002 stellte die Beklagte neben den bereits anerkannten Leiden nun auch noch subjektive Beschwerden als Unfallfolgen fest und gewährte zudem ab dem 04.01.1999 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE i.H.v. 10 v.H. Sie berücksichtigte dabei einen Stütztatbestand wegen des Unfalls vom 09.12.1998.
Am 20.05.2014 erfolgte die Implantation einer Knieendoprothese rechts. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bereits im Ruhestand. Verletztengeld wurde nicht geleistet.
Nachdem der Kläger am 05.02.2017 eine Verschlimmerung der Unfallfolgen bei der Beklagten geltend machte, zog diese einen Durchgangsarztbericht vom 26.02.2014 bei; in welchem der Diplommediziner K eine posttraumatische Gonarthrose deformans rechts beschrieb. Die Beklagte forderte daraufhin Berichte über kernspintomographische Untersuchungen des rechten Kniegelenks vom 24.03.2009 sowie vom 24.06.2013 sowie Berichte über klinische Befunde an. Zur Auswertung der medizinischen Unterlagen beteiligte die Beklagte den Beratungsarzt Dr. K, ehemaliger Chefarzt der speziellen Unfallchirurgie. Dieser führte in der Stellungnahme vom 22.07.2014 aus, dass eine nicht versorgte vordere Kreuzbandruptur im Verlauf vieler Jahre zu einer posttraumatischen Arthrose führe, in Zusammenhang mit einer Innenmeniskusdegeneration zur Varusgonarthrose. Nach seiner Auffassung habe der Arbeitsunfall von 1989 mit verschobener Patellalängsfraktur keinen wesentlichen Einfluss auf die schon damals vorliegende posttraumatische Arthrose gehabt.
Zudem beteiligte die Beklagte Dr. T, Leitender Oberarzt der Orthopädischen Abteilung. Dieser sah in seinem Gutachten vom 05.12.2014 als Unfallfolge ein posttraumatisches Knieverschleißleiden mit Zustand nach Knieendoprothesenimplantation bei Beinlängendifferenz nach erfolgter Achskorrektur an. Er empfahl eine MdE i.H.v. 20 v.H.
Nachdem weitere medizinische Befunde zur Akte gelangten, bat die Beklagte Dr. T abermals um Ausführungen. In seiner Stellungnahme vom 02.04.2015 empfahl er für die Zeit der stationären Behandlung vom 15.05.2014 bis zum 03.06.2014 eine MdE i.H.v. 100 v.H., für die Zeit vom 04.06.2014 bis zum 31.08.2014 eine MdE i.H.v. 30 v.H. und anschließend ab dem 22.08.2014 eine MdE i.H.v. 20 v.H.
Das Gutachten und die Stellungnahme von Dr. T legte die Beklagte ihrem Beratungsarzt Herrn C, Arzt für Orthopädie, vor. Dieser beschrieb in seiner Stellungnahme vom 05.05.2015, dass sich die Verschleißveränderungen des Kniegelenks typischerweise schleichend fortschreitend entwickelten. Mangels anderweitiger Informationen werde als Zeitpunkt der Verschlimmerung der Beginn des Jahres 2014 angenommen. In einer weiteren Stellungnahme vom 06.07.2015 schlug er vor, vom 01.07.2014 bis zum 31.07.2014 von eine MdE i.H.v. 60 v.H., vom 01.08.2014 bis zum 31.08.2014 von eine MdE i.H.v. 40 v.H., vom 01.09.2014 bis zum 31.10.2014 von einer MdE i.H.v. 30 v.H. ab dem 01.11.2014 von einer MdE i.H.v. 20 v.H. auszugehen.
Mit Bescheid vom 26.10.2015 wurde die Implantation der Knieendoprothese als Unfallfolge anerkannt und für die Zeit vom 19.05.2014 bis zum 31.08.2014 eine Rente nach einer MdE i.H.v. 40 v.H., vom 01.09.2014 bis zum 31.10.2014 Uhr MdE i.H.v. 30 v.H. und vom 01.11.2014 bis auf weiteres eine Rente nach einer MdE i.H.v. 20 v.H. gewährt. Die Beklagte führte dabei aus, dass sie zwar für die Dauer des stationären Aufenthaltes im Klinikum Westfalen, Dortmund, und in der Reha-Klinikquellendorf, Bad Sassendorf, von einer MdE i.H.v. 100 v.H. ausgehe, diese MdE allerdings nicht bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sei, weil die Änderung nicht länger als drei Monate andauernde.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, dass Wirbelsäulenveränderungen bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen seien. Während des Widerspruchsverfahrens gelangten weitere medizinische Unterlagen zur Akte. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2016 wies die Beklagte den Widerspruch unter Vertiefung der bisherigen Begründung zurück.
Am 26.10.2016 hat der Kläger Klage erhoben.
Anfänglich begehrte er dauerhaft eine höhere Rente wegen weiterer anzuerkennender Unfallfolgen. Letztlich ist er der Auffassung, dass ihm für einige Zeiträume eine höhere Rente zustehe, da die zwischenzeitlich unstreitigen höheren MdEen bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen seien.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2016 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 30.06.2014 eine Rente nach einer MdE i. H. v. 100 v. H., für die Zeit vom 01.07.2014 bis zum 31.07.2014 nach einer MdE i. H. v. von 60 v. H. und für die Zeit vom 01.08.2014 bis zum 31.08.2014 nach einer MdE i. H. v. 40 v. H. zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf die Begründungen in den angefochtenen Entscheidungen.
Das Gericht hat von Amts wegen Beweis erhoben durch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens sowie einer ergänzenden Stellungnahme von dem Orthopäden Dr. W (Ratingen) und eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom dem Neurologen Prof. Dr. L, Leitender Arzt der Klinik für Neurologie am Katholischen Krankenhaus.
Dr. W hat ausgeführt, dass neben den von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen keine weiteren vorlägen. Für den Juli 2014 sei eine MdE i.H.v. 60 v.H. und für die Monate August bis Oktober 2014 sei eine MdE 30 v.H. anzunehmen. Auf Dauer seien die anerkannten Unfallfolgen zutreffend mit einer MdE i.H.v. 20 v.H. eingeschätzt.
Prof. Dr. L hat auf seinem Fachgebiet keine Unfallfolgen feststellen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist im Sinne des § 54 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn der angefochtene Bescheid vom 26.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2016 ist im tenorierten Umfang rechtswidrig und verletzt ihn insoweit in seinen Rechten. Der Kläger hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 30.12.1975 einen Anspruch gegen die Beklagte für den Zeitraum vom 01.06.2014 bis zum 30.06.2014 auf eine Rente nach einer MdE i. H. v. 100 v. H., ab dem 01.07.2014 bis 31.07.2014 auf eine Rente nach einer MdE i. H. v. 60 v. H. und ab dem 01.08.2014 bis zum 31.08.2014 auf eine Rente nach einer MdE i. H. v. 40 v. H.
Gemäß § 56 SGB VII wird eine Verletztenrente gewährt, wenn der Verletzte in Folge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus wenigstens 20 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Dabei ist nach § 73 Abs. 1 SGB VII zu berücksichtigen, dass eine Änderung der MdE aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erst nach dem Ablauf des Monats, in dem die Änderung wirksam geworden ist, zu einer Rentenänderung führt.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus den Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Gemäß § 56 Abs. 3 SGB VII wird bei Verlust der Erwerbsfähigkeit eine Vollrente, ansonsten eine Rente nach dem Vomhundertsatz gewährt, der dem Grad der MdE entspricht. Unfallfolgen sind all die Beeinträchtigungen, die als körperliche oder geistig/seelische Abweichungen selbst voll zu beweisen sind und mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nach dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatz der rechtlich wesentlichen Verursachung auf den Unfall zurück zu führen sind.
Das Ausmaß der wegen der Folgen des Versicherungsfalls bestehenden verminderten Zugangsmöglichkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (MdE) bestimmt sich nach abstrakten Gesichtspunkten (Bereiter-Hahn/Mehrtens "Gesetzliche Unfallversicherung", Stand August 2011, § 56 Rdnr. 10.1). Die Beurteilung der Funktionseinschränkung und die Bemessung der MdE erfolgen dabei unter Berücksichtigung der medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte (Bereiter-Hahn/Mehrtens a.a.O. Rdnr. 10.2). Um die MdE einzuschätzen sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Diese Erfahrungssätze binden das Gericht nicht. Sie bilden aber eine Basis für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteile vom 26. Juni 1985, AZ: 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23, vom 26. November 1987, AZ: 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27 und vom 30. Juni 1998, AZ: B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII Rdnr 10.3). Sie sind in MdE-Tabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Grundlage für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, AZ: B 2 U 49/99 R, HVBG-INFO 2001, 499, 500ff.).
Die (mittlerweile) unstreitigen Unfallfolgen führten für die Zeit vom 19.05.2014 bis zum 30.06.2014 zu einer MdE i. H. v. 100 v. H., für die Zeit vom 01.07.2014 bis zum 31.07.2014 zu einer MdE i. H. v. von 60 v. H. und für die Zeit vom 01.08.2014 bis zum 31.08.2014 zu einer MdE i. H. v. 40 v. H.
Die Kammer schließt sich insoweit nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen der erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen nach § 106 SGG, Dr. W und Prof. Dr. L, an. Die Darstellungen der gerichtlichen Gutachter lassen Unrichtigkeiten oder Fehlschlüsse nicht erkennen. Sie sind erkennbar auf der Grundlage der heutigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft erstattet worden und haben sich mit den erhobenen Befunden, den aktenkundigen Befunden und dem Vorbringen der Beteiligten differenziert auseinander gesetzt. Die Kammer berücksichtigt bei ihrer Entscheidung auch das Gutachten von Dr. T sowie dessen Stellungnahme und auch die Stellungnahme des Beratungsarztes der Beklagten, Dr. C. Deren Einschätzungen können im gerichtlichen Verfahren im Wege des Urkundsbeweises nach §§ 128, 118 SGG i. V. m. §§ 415 bis 444 Zivilprozessordnung (ZPO) berücksichtigt werden.
Die Höhe der MdE-Werte ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, da der gerichtliche Sachverständige Dr. W bei einer grundsätzlichen Übereinstimmung mit den von der Beklagten beteiligten Medizinern in Bezug auf die MdE lediglich für den Monat August zu der geringeren MdE i.H.v. 30 v.H. statt 40 v.H. kommt.
Die Rentenberechnung der Beklagten begegnet aber durchgreifenden rechtlichen Bedenken, auch wenn sie im Einklang mit der Empfehlung des Spitzenverbandes (z.B. Rundschreiben des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften 37/2002) der gesetzlichen Unfallversicherer steht. Diese Empfehlungen binden weder die Beklagte noch das Gericht.
Bei Renten auf unbestimmte Zeit ohne einen Anspruch auf Verletztengeld ist eine Veränderung der MdE für länger als drei Monate erforderlich, um die MdE bei der Berechnung berücksichtigen zu können. Dabei ist bei einer nach Zeiträumen gestuften MdE ein Vorliegen jedes einzelnen MdE-Schritts für mindestens drei Monate nicht erforderlich.
Das Erfordernis eines mindestens für drei Monate vorliegenden MdE-Schritts ist gesetzlich nicht geregelt. Die Vorschrift in § 73 Abs. 3 SGB VII regelt dies jedenfalls nicht (so auch Bereiter-Hahn/Mehrtens "Gesetzliche Unfallversicherung", Stand Januar 2019, § 73 Rdnr. 5.2; Ziegler in Becker/Franke/Molkentin "Sozialgesetzbuch VII", 5. Auflage, § 73 Rdnr. 13). Nur insgesamt kurzfristige Schwankungen sollen unberücksichtigt bleiben (Ricke in "Kasseler Kommentar", Stand Juni 2018, § 73 Rdnr. 16).
Gegen die Begründung für die Anwendungspraxis der Beklagten in Form von Vermeidung von Verwaltungsaufwand spricht, dass einerseits die Vermeidung gesetzlich erforderlichen Verwaltungsaufwandes keine Begründung für rechtswidriges Handelns sein kann. Und zum anderen ist nicht zu erkennen, dass diese – sofern man sie für rechtmäßig hält – Begründung in sich trägt: Die Beklagte hat die Staffelung der MdE auch bei dieser Vorgehensweise konkret zu ermitteln, um die nach ihrer Auffassung rentenerhöhenden Zeiträume feststellen zu können. Wenn diese Zeiträume aber bekannt sind, kann die MdE, die rückwirkend festgestellt wird, auch diesen Zeiträumen entsprechend im Bescheid aufgenommen werden. Eine Verwaltungsvereinfachung durch die Zusammenfassung von Zeiträumen zu 3-Monats-Abschnitten ist hier nicht zu erkennen. Es besteht sogar nach Auffassung der Kammer ein erhöhtes Fehlerrisiko, welches auch zu einer Ungleichbehandlung Versicherter führen kann. Auch ein erhöhter Aufwand aufgrund von möglicherweise wirtschaftlich nicht bedeutsamen Streitigkeiten um die Zeitpunkte der MdE-Änderungen drängt zu keiner anderen Sichtweise. Eine wirtschaftliche Betrachtung ist nur in den gesetzlich geregelten Fällen vorzunehmen. Ein Mindeststreitwert ist dem Sozialrecht – außerhalb z.B. von Berufungen – fremd. In den Konstellationen, die wirtschaftlich nicht bedeutsam sind und deshalb zu keiner Prozessgefahr werden sollen, hat der Gesetzgeber das außer Acht lassen dieser Umstände bei der rechtlichen Bewertung ausdrücklich geregelt: So werden z.B. Renten grundsätzlich erst ab einer MdE i.H.v. 20 v.H. geleistet (§ 56 Abs. 1 SGB VII) und Änderungen der MdE müssen größer als 5 v.H. sein, damit die Rente neu festgesetzt werden kann (§ 73 Abs. 3 SGB VII).
Eine Rechtsverkürzung, die sich nicht aus dem Gesetz ergibt, kann auch nicht mit einer Gleichbehandlung aller Versicherten begründet werden (Selbstbindung der Verwaltung zu Lasten des Betroffenen).
Die höheren MdE-Werte führen zu einem Anspruch auf die tenorierte Rentenleistung.
Wegen der Regelung in § 73 Abs. 1 SGB VII kann die höhere MdE i.H.v. 100 v.H. erst nach Ablauf des Monats Mai 2014 bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden. Sie ist daher ab dem 01.06.2014 rentenwirksam.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 21.05.2019
Zuletzt verändert am: 21.05.2019