Der Bescheid des Beklagten vom 02.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2007 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, den Klägern Bestattungsgeld zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Kläger sind die Eltern des am xxx infolge von Messerstichen verstorbenen xxx. Sie begehren als Hinterbliebene die Zahlung von Bestattungsgeld nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
xxx – das spätere Opfer – nahm am xxx an einer Geburtstagsfeier teil, die an einer Tischtennisplatte in der Parkanlage xxx in xxx stattfand. Hier kam es zu diversen Streitereien, die er angestoßen hatte. So hatte er einem Hundebesitzer ohne erkennbaren Anlass in aggressivem Tonfall vorgehalten, dieser würde seine Hunde misshandeln, man solle sie ihm wegnehmen. Auch anderen Gästen gegenüber machte xxx aggressive, inhaltlich nicht näher bekannte Vorhaltungen. Nach dem Eintreffen des späteren Schädigers, xxx, und dessen Freundin, xxx, gegen 19.30 Uhr begann das erkennbar alkoholisierte und möglicherweise unter dem zusätzlichen Einfluss von Betäubungsmitteln stehende spätere Opfer, auch mit ihnen Streit zu suchen. So stritt er mit ihnen, ob sie aus den gemeinsamen Getränkevorräten trinken durften. Mit xxx kam es darüber hinaus zu einer heftigen Auseinandersetzung über die Frage, ob sie eine "richtige" Punkerin sei. In diesem Zusammenhang machte er abfällige Bemerkungen über ihren Irokesenhaarschnitt. xxx drängte seine Verlobte aufgrund der von xxx initiierten Streitigkeiten, die Feier zu verlassen und nach Hause zu gehen. Nach einiger Zeit ging sie auf diesen Vorschlag ein. Daraufhin verließen beide den Ort des Geschehens zunächst kurz mit ihren Fahrrädern unter fortdauernden Beschimpfungen des xxx; u.a. bezeichnete er xxx als "Scheiß-Punker".
Nachdem sie sich bereits einige Meter entfernt hatten, drängte xxx den späteren Schädiger, nochmals mit ihr zu der Feier zurückzukehren. Sie wollte die beleidigenden Äußerungen des xxx nicht auf sich sitzen lassen und die Angelegenheit "klären". xxx ließ sich zu einer Umkehr bewegen, zumal er sich noch von einem Bekannten verabschieden wollte. Als beide wieder an der Tischtennisplatte erschienen, setzte sich die Auseinandersetzung mit xxx fort, wobei es zunächst erneut um die Frage ging, ob der spätere Schädiger eine Flasche Bier aus den bereits zu Neige gehenden Vorräten entnehmen durfte. xxx und seine Verlobte entschieden sich dann, die Feier nunmehr endgültig zu verlassen. Sie entfernten sich erneut, was xxx nicht davon abhielt, weiter in beleidigender Art und Weise hinter xxx herzurufen, wobei sich seine Äußerungen weiterhin auf ihr "Punk-Sein" und ihren Irokesenhaarschnitt bezogen. Möglicherweise bezeichnete er sie zu diesem Zeitpunkt oder früher auch als "Fotze" und "alte Drecksau". xxx reagierte nun ihrerseits zusehend aggressiver und beschimpfte das spätere Tatopfer xxx, obwohl ihr Verlobter sie mehrmals aufforderte, endlich mit der Streiterei aufzuhören und mit ihm nach Hause zu gehen.
xxx löste sich nun aus der Personengruppe und folgte dem späteren Schädiger und seiner Verlobten bis zu einem ca. 15 Meter von der Tischtennisplatte entfernten, unbefestigten Gehweg. Dort bezeichnete er den xxx u.a. als "tätowierten Wichser". Dieser – möglicherweise auch seine Verlobte – wiederum nannte xxx zu diesem Zeitpunkt, eventuell aber auch schon früher, einen "Scheiß-Polen". Aus dieser verbalen Auseinandersetzung entwickelte sich eine leichte Rangelei zwischen xxx und dem wesentlich kleineren und äußerlich körperlich unterlegenem xxx. Sie stießen sich wechselseitig vor die Schulter. Zu gravierenden Handgreiflichkeiten kam es aber nicht. Nun griff xxx ein. Sie näherte sich dem xxx und zog ihn heftig an seinem Bart, was auch ihr Verlobter wahrnahm. xxx wandte sich ihr daraufhin zu und versetzte ihr als Reaktion auf das Ziehen an seinem Bart einen heftigen Faustschlag gegen das Kinn. xxx stürzte auf den Gehweg und blieb zunächst benommen liegen. Ein anderes Mitglied der Geburtstagsgesellschaft, das den Schlag beobachtet hatte, eilte herbei und äußerte gegenüber xxx, dass man Frauen bzw. "Mädchen" nicht schlage, woraufhin xxx einlenkte und zusagte, sich nunmehr zurückzuhalten. Er machte keine Anstalten, weitere Gewalttätigkeiten auszuüben.
Der nur wenige Meter von xxx entfernt stehende xxx hatte den gegen seine Verlobte gerichteten Schlag ebenfalls beobachtet und sah sie nun am Boden liegen. Aus Wut und Empörung über den Faustschlag entschloss er sich nun, gewaltsam gegen xxx vorzugehen. Hierbei war ihm bewusst, dass weitere Gewalttätigkeiten des xxx nicht zu befürchten waren. xxx trug ein Messer in einem schwarzen Lederholster an seinem Gürtel bei sich. Er zog das Messer und hielt es für xxx nicht sichtbar einige Augenblicke hinter seinem Rücken versteckt. Dann trat er frontal an xxx heran und versetzte ihm ohne weite Ausholbewegungen sechs unmittelbar aufeinander folgende, gezielte und mit großer Wucht ausgeführte Messerstiche in den Oberkörper. xxx verstarb noch am Tatort um 20.55 Uhr an den Folgen der Stiche.
Die von der Polizei infolge der Tat auch im Hinblick auf das Opfer geführten Ermittlungen ergaben, dass xxx kriminalpolizeilich wegen dreimaligen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), Körperverletzung, Beförderungserschleichung, Sachbeschädigung und wegen dreimaligen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte aufgefallen war. Auf Befragung zu den Lebensverhältnissen des Opfers gaben die Kläger gegenüber der Polizei an, dass ihr Sohn einen nicht so guten Freundeskreis gehabt, öfters zu viel getrunken habe und auch aggressiv gewesen sei. xxx, in dessen Wohnung in xxxx xxx seit etwa Januar xxx wohnte, beschrieb das Opfer in einer Vernehmung durch die Polizei hingegen als nicht übermäßig aggressiv: "Wenn er betrunken war, dann war er wie jeder Betrunkene. Er war nicht streitsüchtig ( …). Wenn er betrunken war, konnte man schon mal mit ihm Streit bekommen. Er war aber nicht der Schläger, der immer andere provoziert und den Streit gesucht hat." Zwei im Rahmen der Obduktion des Opfers am xxx entnommene Blutproben ergaben eine Blutalkoholkonzentration von 2,16 Promille bzw. 2,93 Promille. Der Täter – xxx – wurde am xxx durch das Landgericht xxx wegen Totschlags in einem minder schweren Fall (§§ 212, 213 StGB) verurteilt. Das Landgericht xxx nahm einen unbenannten minder schweren Fall an, weil das Opfer sich aggressiv und provozierend gegenüber dem Täter und dessen Verlobter verhalten habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Bezug genommen.
Am 20.05.2005 beantragten die Kläger die Gewährung von Bestattungsgeld bei dem Beklagten und gaben an, dass ihr Sohn durch einen Mord zu Tode gekommen sei. Die Bestattung des Opfers fand dann im xxx statt. Sie wurde von den Klägern durchgeführt, wobei der Weiße Ring für die Kosten der Bestattung teilweise in Vorlage trat. Im Gegenzug erklärte der Kläger sein Einverständnis damit, dass im Falle der Anerkennung von Ansprüchen durch das Versorgungsamt eine Auszahlung von Leistungen direkt an den Weißen Ring erfolge.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Kläger mit Bescheid vom 02.02.2006 ab. Zwar liege eine Gewalttat im Sinne des § 1 OEG vor. Eine Versorgung müsse aber gem. § 2 OEG versagt werden. xxx habe aus nichtigen Anlässen Streit gesucht, den späteren Tatverursacher und dessen Verlobte fortdauernd beschimpft und provoziert und offensichtlich eine körperliche Auseinandersetzung mit dem Schädiger beginnen wollen. Über den unstreigigen Sachverhalt hinaus hätten die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen außerdem ergeben, dass xxx mit einem großen Stein bewaffnet Drohgebärden gegenüber dem Schädiger und dessen Verlobter gemacht habe und von der Verwirklichung seiner Drohung nur vom Tatzeugen xxx abgehalten worden sei. Auch habe er den Schädiger und seine Verlobte verfolgt, als diese die Feier verlassen wollten, weiter verbal provoziert und im Rahmen einer Rangelei schließlich sogar die Verlobte des Schädigers mit einem Faustschlag niedergeschlagen. Das Opfer habe sich demzufolge leichtfertig in die Situation hineinbegeben, die schließlich zu seinem Tod geführt habe, so dass die Gewährung einer Entschädigung unbillig im Sinne von § 2 Abs. 1 OEG und daher zu versagen sei.
Am 03.03.2006 legten die Kläger gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung trugen sie vor, dass sich das aggressive Verhalten des xxx nicht auf den Schädiger, sondern auf dessen Verlobte bezogen habe, und schon deshalb nicht als Provokation gerade des Schädigers zur nachfolgenden Tötungshandlung bewertet werden könne. Außerdem weise der Handlungsablauf mehrere Zäsuren auf. Das Verhalten des Opfers, dass durch eine solche Zäsur von dem unmittelbar tödlichen Geschehensablauf getrennt werde, könne für die Beurteilung einer Mitverursachung oder Unbilligkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 OEG nicht mehr herangezogen werden. Deshalb könne das Geschehen nicht berücksichtigt werden, das sich abgespielt habe, bevor der Schädiger und seine Verlobte sich aufgrund der Beleidigungen und des aggressiven Verhaltens des Opfers zum ersten mal von der Feier entfernten, um nach Hause zu fahren. Eine weitere Zäsur ergäbe sich dadurch, dass das Opfer nach dem gegen die Verlobte des Schädigers geführten Faustschlag eingelenkt und zugesagt habe, sich nunmehr zurückzuhalten. Das Verhalten des Opfers könne bis zu diesem Zeitpunkt also weder eine Mitverursachung noch eine Unbilligkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG begründen. Außerdem sei der Tatbeitrag des Opfers jedenfalls nicht annähernd gleichwertig mit dem des Schädigers. Das zeige schon der Vergleich des dem Opfer wiederfahrenen Totschlags mit den vom Opfer begangenen Straftaten, nämlich einer Beleidigung und einfachen Körperverletzung. Schließlich habe der Beklagte nicht die Alkoholisierung des Opfers berücksichtigt, das aufgrund der Alkoholintoxikation zur Tatzeit allenfalls eingeschränkt schuldfähig gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2007 wies die Bezirksregierung xxx den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Antrag sei zu Recht abgelehnt worden, weil das Opfer durch sein provozierendes Verhalten eine annähernd gleichwertige Bedingung neben dem Tatbeitrag des Schädigers gesetzt und damit die Schädigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. OEG mitverursacht habe. Das zeige sich auch daran, dass das Landgericht xxx das Verhalten des Opfers bei der Frage der Strafzumessung in erheblichem Umfang zugunsten des Schädigers berücksichtigt habe. Bei der Frage der Mitverursachung habe der Beklagte auch auf das gesamte Vortatgeschehen zurückgreifen können, denn bei natürlicher Betrachtungsweise gehöre das gesamte Vorverhalten zum unmittelbaren Tatgeschehen.
Die Kläger haben am xxx bei dem Sozialgericht Klage erhoben.
Zur Begründung wiederholen sie weitgehend ihren Vortrag aus dem Widerspruch. Ergänzend tragen sie vor, dass die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts xxx nicht geeignet seien, die Frage der Mitverursachung im Sinne von § 2 Abs. 1 OEG zu beantworten. Außerdem habe die Tatsache, dass die Provokationen des Opfers nur der Verlobten gegolten hätten, zur Folge, dass das Opfer mit Gewalttätigkeiten gerade des Schädigers nicht habe rechnen müssen. Auch könne die allein auf Angaben des Schädigers und seiner Verlobten beruhende Annahme einer Drohgebärde mit einem großen Stein anders als im Strafprozess vom Beklagten nicht "in dubio pro reo" zugunsten des Schädigers unterstellt werden. Selbst wenn sie stattgefunden haben sollte, läge darin aber keine Straftat und könne eine solche Drohgebärde nicht zur Annahme der Gleichwertigkeit der Handlungen des Opfers mit denen des Schädigers führen. Weil das Messer des Schädigers für das Opfer zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen sei und der Schädiger mit dem Einsatz des Messer auch nicht gedroht habe, sei der Angriff mit dem Messer für das Opfer völlig überraschend gekommen und nicht vorherzusehen gewesen. Eine grob fahrlässige Selbstgefährdung, die allein anhand eines subjektiven Maßstabes zu ermitteln sei, komme jedenfalls aufgrund der Blutalkoholkonzentration beim Opfer nicht in Betracht. Dabei sei von einer höheren Blutalkoholkonzentration als 2,16 Promille auszugehen. Denn dem Opfer seien bei der Obduktion zwei Blutproben entnommen worden, bei denen eine einen Blutalkoholspiegel von 2,93 Promille ergeben habe. Zudem sei eine Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration zum Entnahmezeitpunkt auf den Blutalkoholspiegel zum Tatzeitpunkt unterblieben. Sofern der Beklagte schließlich auf den Versagungsgrund aus § 2 Abs. 1 Satz 1, 2.Alt. OEG abstelle, hätten sämtliche Umstände unberücksichtigt zu bleiben, die bereits im Rahmen der Prüfung des § 2 Abs. 1 Satz 1, 2.Alt. OEG zur Frage der Mitverursachung herangezogen worden seien. Daher müsse insbesondere das der Gewalttat unmittelbar vorangegangene Verhalten des Opfers außer Betracht bleiben.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Versorgungsamtes xxx in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern Bestattungsgeld zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt zur Begründung seines Antrags auf den bisherigen Vortrag im Ausgangs- und Widerspruchsverfahren Bezug. Ergänzend trägt er vor, dass in der Bedrohung mit einem großen Stein das Androhen einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) liege und deshalb das Verhalten des Opfers mit dem des Täters gleichwertig und ein Anspruch auf Bestattungsgeld deshalb gem. § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. OEG ausgeschlossen sei. Hilfsweise beruft der Beklagte sich auf den Versagungsgrund des § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. OEG. Unabhängig von der Frage, ob das Opfer den Schädiger und dessen Verlobte mit einem Stein bedroht hätte, ließen es die Provokationen unbillig erscheinen, den Klägern Entschädigung nach dem OEG zu gewähren. Schließlich liege die festgestellte Blutalkoholkonzentration von 2,16 Promille nur knapp oberhalb des Wertes, nach dem eine eingeschränkte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB vorliegen könne. Sie sei also nicht so gravierend, dass das Opfer die Gefährlichkeit seines Tuns nicht mehr habe erkennen können, zumal das Opfer sich augenscheinlich in Kreisen bewegt habe, in denen eine gewisse Trinkgewohnheit angenommen werden dürfe.
Das Gericht hat im vorliegenden Verfahren die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten der Staatsanwaltschaft xxx beigezogen. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 26.06.2008 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme und wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Beiakten.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere sind die Kläger auch prozessführungs- und klagebefugt. Denn durch Erklärung vom 30.06.2005 haben sie nur ihr Einverständnis in die Auszahlung etwaiger Versorgungsleistungen an den Weissen Ring erklärt, nicht jedoch den Anspruch auf Bestattungsgeld als solchen an den Weissen Ring abgetreten.
Richtiger Klagegegner ist jetzt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Das Land Nordrhein-Westfalen ist im Bereich der Opferentschädigung nach dem OEG nicht mehr verfahrensbeteiligt. Es ist nach Art. 1, Abschnitt I, §§ 1 und 4 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 (GV.NRW S. 482, im Folgenden: Straffungsgesetz) zum 01.01.2008 durch einen Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschieden und durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe ersetzt worden. Die Landschaftsverbände sind ab dem 01.01.2008 die zuständigen Behörden zur Wahrnehmung der Aufgaben der Opferentschädigung geworden. Ihnen steht nach materiellem Recht die Gewährung oder Verweigerung der von den Klägern begehrten Leistung zu (sog. Passivlegitimation). Sie sind daher anstatt der ehemals zuständigen Versorgungsämter zu verklagen und ggf. entsprechend zu verurteilen. Die Feststellung über die Gewährung einer Opferentschädigung nach dem OEG obliegt seit dem 01.01.2008 dem für die in xxx wohnhaften Klägerin zuständigen Landschaftsverband Westfalen-Lippe (§ 2 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts (ZustVO SER) vom 18.12.2007 (GV.NRW S. 740)). Entsprechend hat ein Rechtsträgerwechsel vom Land NRW auf den Landschaftsverband Westfalen-Lippe stattgefunden. Ein Wechsel in der Behördenzuständigkeit und damit ein Rechtsträgerwechsel führt in anhängigen Streitverfahren zu einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 2/07 R; Zeihe, SGG, 45. Ergänzungslieferung Stand 01.11.2007, Bem. 2 A VIII 2 vor § 54).
Die durch Art. 1, Abschnitt I, §§ 1 und 4 des Straffungsgesetzes durchgeführte Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung im Aufgabenbereich der Opferentschädigung und hiermit die Übertragung der Aufgaben auf den Landschaftsverband Westfalen-Lippe ist rechtlich nicht zu beanstanden. Für die Einzelheiten wird auf die zutreffenden Ausführungen des LSG NW verwiesen, die sich die Kammer zu eigen macht (LSG NW, Urteil vom 11.03.2008, AZ.: L 6 VG 13/06; im Ergebnis auch: BSG, Terminsbericht Nr. 54/08 vom 11.12.2008 zu den AZ.: B 9 V 3/07 R und B 9 VS 1/08 R).
Die Klage ist auch begründet.
Die Kläger sind durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn sie sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in eigenen Rechten. Die Kläger haben nämlich einen Anspruch auf Bestattungsgeld gem. § 1 Abs. 1 OEG i.V.m. § 36 BVG.
Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält u.a. derjenige wegen der gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG, der im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Zum Versorgungsanspruch zählt auch der Anspruch auf Bestattungsgeld, wenn das Gewaltopfer an den Folgen der Schädigung stirbt (§§ 9 Nr.4, 36 Abs. 3 BVG). Anspruchsberechtigt ist derjenige, dem die Kosten der Bestattung entstanden sind (§ 36 Abs. 2 BVG). Leistungen nach dem OEG sind jedoch zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchsstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren (§ 2 Abs. 1 Satz 1 OEG).
xxx wurde – was zwischen den Beteiligten unstreitig und wovon auch die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt ist – am 15.04.2005 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person, an dessen Folgen er verstarb. Die Kläger sind auch anspruchsberechtigt, denn sie haben die Bestattung im Sinne von § 36 Abs. 2 BVG besorgt. Materieller (Gebühren- und Auslagen-)Schuldner im Hinblick auf die Friedhofsgebühren und Bestattungsleistungen waren nämlich ausweislich der (Gebühren-)Rechnungen die Kläger. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Weiße Ring insoweit wenigstens teilweise in Vorlage getreten ist und die Kläger sich mit einer Auszahlung etwaig Zahlungen des Versorgungsamtes direkt an den Weißen Ring einverstanden erklärt haben. Denn wie die Kläger ihre Schuld begleichen – ob durch einen Bankdarlehen mit uneingeschränkter Rückzahlungsverpflichtung oder mit Hilfe des Weißen Ringes unter Einverständnis in die Auszahlung eines etwaigen Bestattungsgeldes direkt an den Weißen Ring – spielt für die Frage, wer (Gebühren- und Auslagen-)Schuldner ist, keine Rolle.
Dem Anspruch auf Bestattungsgeld steht auch kein Versagungsgrund gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG entgegen, denn xxx hat die erlittene Schädigung weder (mit-)verursacht (§ 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. OEG), noch wäre es aus anderen Gründen unbillig, Entschädigung zu gewähren (§ 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. OEG).
Ein Gewaltopfer hat die eigene Schädigung nur dann im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. OEG mitverursacht, wenn es einen eigenen Beitrag zur Tat geleistet hat, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Angriff entfiele, und wenn der Beitrag von seinem Gewicht her mit dem rechtswidrigen Verhalten des Angreifers vergleichbar ist (stRspr. des BSG, vgl. BSGE 83, 62, 65 sowie BSGE 84, 54, 60). Für die Vergleichbarkeit der Verursachungsbeiträge von Opfer und Angreifer ist deren strafrechtliche Einordnung maßgeblich. Die Tatbeiträge sind deshalb vergleichbar, wenn sie jeweils strafbare Handlungen darstellen und die Strafandrohungen etwa gleich sind (BSG, Urt. v. 18.4.2001, Az. B 9 VG 5/00 R m.w.N.). Dabei muss man hier – entgegen dem Vorbringen der Kläger – zur Ermittlung des Tatbeitrages des Opfers das gesamte Vortatgeschehen vom Eintreffen des späteren Schädigers bis zur Tat berücksichtigen. Denn zum Bereich der Mitursächlichkeit gehören alle nach natürlicher Betrachtungsweise mit dem eigentlichen schädigenden Tatgeschehen verbundenen Umstände (BSG, Urteil vom 01.09.1999, Az. B 9 VG 3/97 R, LSG Hessen, Urteil vom 15.02.2006, Az. L 4 VG 14/04). Bei natürlicher Betrachtungsweise verbietet es sich aber, einen einheitlichen Lebensvorgang – hier die Zeit vom Eintreffen des späteren Schädigers bis zur Tat – künstlich in "Zäsuren" zu zerteilen. Dennoch bleiben die Strafandrohungen des StGB für die vom Tatopfer xxx im Gesamtzusammenhang begangenen Taten hinter denen für die vom Angreifer begangenen Straftaten zurück. Das selbst dann, wenn man – dem Beklagten folgend – auf Seiten des Opfers auch das Verhalten gegenüber der Verlobten des Schädigers und neben den sicher vorliegenden Beleidigungen (§ 185 StGB – Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe) und einfachen Körperverletzung (§ 223 StGB – Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) für das Drohen mit dem Stein noch eine Bedrohung (§ 241 StGB – Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe) als weitere Tat berücksichtigt. Denn diesen Vergehen steht auf Seiten des Schädigers ein Totschlag in einem minder schweren Fall (§§ 212, 213 StGB – Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) und damit ein Verbrechen mit einer wesentlich höheren Strafandrohung gegenüber.
Der Anspruch auf Bestattungsgeld wird auch nicht durch eine leichtfertige Selbstgefährdung des Opfers ausgeschlossen. Eine solche liegt vor, wenn das Opfer sich leichtfertig durch eine unmittelbare, mit dem eigentlichen Tatgeschehen insbesondere zeitlich eng zusammenhängende Förderung der Tat, z.B. eine Provokation des Klägers, der Gefahr einer Gewalttat ausgesetzt und dadurch selbst gefährdet hat oder sich einer konkret erkannten Gefahr leichtfertig nicht entzogen hat, obwohl ihm dies zumutbar und möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 18.04.2001, Az. B 9 VG 3/00 R m.w.N.). Dabei kann dahinstehen, ob eine solche leichtfertige Selbstgefährdung einen Unterfall der Mitverursachung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. OEG (in diese Richtung BSG, Urteil vom 18.04.2001, Az. B 9 VG 3/00 R; LSG Hessen, Urteil vom 15.02.2006, Az. L 4 VG 14/04; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.03.2005, Az. L 22 VG 1/03) oder eine der vier Fallgruppen, in denen Unbilligkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. OEG angenommen werden kann (so wohl BSG, Urteil vom 21.10.1998, Az. B 9 VG 6/97), darstellt. Denn die Anforderungen und Rechtsfolgen sind in beiden Fällen gleich und ohnehin ist die Mitverursachung ein Unterfall der Unbilligkeit (BSG, Urteil vom 18.04.2001, Az. B 9 VG 3/00 R).
Das Opfer hat sich nach diesen Maßstäben jedoch nicht leichtfertig selbst gefährdet. Denn im Allgemeinen muss, wer einen anderen schwer beleidigt oder schlägt, nicht damit rechnen, dass er damit sein Leben aufs Spiel setzt (vgl. BSG, Urteil vom 15.08.1996, Az. 9 RVg 6/94; SG Itzehoe, Urteil vom 07.11.2002, Az. S 8 VG 145/00). Besondere Umstände, nach denen das Opfer im hier zu entscheidenden Fall hätte vorhersehen können, dass er durch Beleidigung und Körperverletzung sowie – möglicherweise – Bedrohung des Schädigers bzw. dessen Verlobter sein Leben aufs Spiel setzt, sind nicht ersichtlich. Dabei kommt es nämlich – im Gegensatz zum Bürgerlichen Recht – nicht auf einen objektiven Sorgfaltsmaßstab, sondern vielmehr auf die persönlichen Fähigkeiten des Opfers an (stRspr. vgl. nur BSG, Urteil vom 21.10.1998, Az. B 9 VG 6/97; LSG Hessen, Urteil vom 15.02.2006, Az. L 4 VG 14/04; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.03.2005, Az. L 22 VG 1/03). Dafür, dass die Selbstgefährdung für das Opfer erkennbar war, ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich. Denn zum einen haben sich Opfer und Täter erst am Tatabend kennen gelernt. Es ist daher davon auszugehen, dass das Opfer weder um die einschlägigen Vorstrafen des Schädigers wusste, noch die Tatsache kannte, dass der Schädiger ständig ein Messer bei sich führte. Auch dafür, dass das Opfer wusste, dass der Schädiger am Tattag ein Messer bei sich führte, gibt es keine Anhaltspunkte. Zum anderen ist nach Überzeugung der Kammer auch nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass dem Kläger aufgrund seines berauschten Zustandes zur Tatzeit die notwendige Einsichtsfähigkeit fehlte, um die Gefährlichkeit der Situation richtig einschätzen zu können. Denn die Untersuchung der bei der Obduktion am Tag nach der Tat entnommenen Blutproben ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,16 bzw. 2,93 Promille, was eine die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausschließende Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit auch dann möglich erscheinen lässt, wenn man wie der Beklagte eine Alkoholgewöhnung des Opfers unterstellt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen lässt, dass das Opfer neben Alkohol auch Betäubungsmittel konsumiert hat, deren berauschende Wirkung sich in der Blutalkoholkonzentration nicht niederschlägt und zusätzlich zu berücksichtigen wäre. Dass Feststellungen zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Opfers mit der notwendigen Sicherheit nicht möglich sind, geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beklagten (BSG, Urteil vom 01.09.1999, Az. B 9 VG 3/97 R).
Schließlich ist es hier auch nicht aus anderen Gründen unbillig, Entschädigung zu gewähren (§ 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. OEG). "Unbilligkeit" ist als unbestimmter Rechtsbegriff so auszulegen, dass die auf dem Unbilligkeitsbegriff beruhende Versagungsnorm des § 2 OEG den Leistungsausschluss gegenüber dem Rechtsanspruch aus § 1 OEG rechtfertigt. Also können nur solche Gründe zur Unbilligkeit führen, die dem in § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. OEG genannten Fall der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen (stRspr. BSG, Urteil vom 07.11.2001, Az. B 9 VG 2/01 R, LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.03.2005, Az. L 2 VG 1/03). Der Maßstab hierfür ergibt sich aus dem gesetzlichen Zweck der Gewaltopferentschädigung, aus verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, aus Prinzipien der Gesamtrechtsordnung und aus viktimologischen Erkenntnissen: Rechtsgrund für die Gewährung von Gewaltopferentschädigung ist das Einstehen der staatlichen Gemeinschaft für die Folgen bestimmter Gesundheitsstörungen nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen. Aufgabe des Staates ist es unter anderem, den Bürger vor Gewalttaten zu schützen. Kann er dieser Aufgabe nicht gerecht werden, so besteht ein Bedürfnis für eine allgemeine Entschädigung (vgl BT-Drucks 7/2506 S 7). Stellt sich jemand jedoch bewusst außerhalb der staatlichen Gemeinschaft und realisiert sich die damit verbundene Gefahr in Schädigungen durch eine Gewalttat, so widerspräche es dem Verbot unzulässiger Rechtsausübung, zum Ausgleich der Schädigungsfolgen staatliche Leistungen zu verlangen (BSG, Urteil vom 21.10.1998, Az. B 9 VG 6/97 R). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn jemand bloß einen unsittlichen, unmoralischen oder unsoliden Lebenswandel verfolgt (BSG, Urteil vom 21.10.1998, Az. B 9 VG 6/97 R; BSG, Urteil vom 07.11.1979, Az. 9 Rvg 2/78).
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in der Vergangenheit diese Anforderungen in vier Fallgruppen als erfüllt angesehen: (1.) Eine im Vorfeld der Tat liegende rechtsfeindliche Betätigung, mit der sich das spätere Opfer außerhalb der staatlichen Gesellschaft stellt; (2.) Die sozialwidrige mit speziellen Gefahren verbundene Zugehörigkeit zum Kreis der Alkohol- oder Drogenkomsumenten, wenn die Tat aus diesem Milieu entstanden ist; (3.) Das bewusste oder leichtfertige Eingehen einer Gefahr, der sich das Opfer ohne Weiteres hätte entziehen können, es sei denn, für dieses Verhalten läge ein rechtfertigender Grund vor; (4.) Eine durch die Versorgung entstehende Begünstigung des Täters (vgl. BSG, Urteil vom 21.10.1998, Az. B 9 VG 6/97; BSG, Urteil vom 07.11.2001).
Von diesen Fallgruppen kommt hier allenfalls die zweite – sozialwidrige, mit speziellen Gefahren verbundene Zugehörigkeit zum Kreis der Alkohol- und Drogenkonsumenten, wenn die Tat aus diesem Milieu entstanden ist – in Betracht. Welche Anforderungen genau an diese Fallgruppe zu stellen sind, hat das BSG bisher offen gelassen (BSG, Urteil vom 06.07.2006, Az. B 9a VG 1/05 R). Da die Gründe, die zur Unbilligkeit führen, aber ähnlich schwer wiegen müssen wie die, die für eine Mitverursachung genügen, genügt das bloße konsumieren von Alkohol oder Drogen noch nicht, um Unbilligkeit anzunehmen. Erforderlich ist darüber hinaus, dass "die Tat aus diesem Milieu entstanden ist", d.h. der Täter zu einem Milieu aus Alkohol- und Drogenkonsumenten gehört und sich eine milieutypische Gefahr in der Tat realisiert. Gerade das Element der Milieuzugehörigkeit und -typik zeigt, dass das Opfer sich bewusst außerhalb der staatlichen Gemeinschaft aufhält und sich gerade die damit verbundene Gefahr realisiert. Milieuzugehörigkeit und -typik unterscheidet den außerhalb der Rechtsgemeinschaft stehenden Alkohol- oder Drogenkonsumenten von dem, der bloß übermäßig trinkt und damit einen bloß unsoliden Lebenswandel im Rahmen der Rechtsgemeinschaft verfolgt. Im vorliegenden Fall steht schon nicht mit der hinreichenden Sicherheit fest, dass es sich bei der Gruppe um Opfer und Schädiger um ein verfestigtes Milieu gehandelt hat. Vielmehr erscheint es u.a. wegen des Anlasses des Treffens und des erst vor kurzem erfolgten Zuzugs des Opfers in die Gemeinde ebenso gut möglich, dass es sich um eine lockere, ganz oder zum Teil zufällig zusammengekommene Gruppe von Alkoholkonsumenten handelte. Überdies fehlt es für die Annahme von Unbilligkeit jedenfalls an der Milieutypik der Schädigung. Denn zum einen handelt es sich nicht um eine Tat, die ohne weiteres – abstrakt – als typisch für ein Alkoholikermilieu betrachtet werden kann. Eine solche Tat wäre wohl im Fall von Beschaffungskriminalität und ähnlichem anzunehmen. Zum anderen liegen keine Umstände vor, die die Tat als (konkret) typisch gerade für diese Gruppe kennzeichnen. Denn dass eine Rangelei zwischen Betrunkenen eskaliert und ein böses Ende nimmt, ist nach Auffassung der Kammer nicht ohne weiteres milieutpyisch, sondern milieuübergreifend überall zu beobachten und zu befürchten, wo Alkohol in hinreichenden Mengen konsumiert wird. Das Tatgeschehen könnte daher für die Gruppe um Opfer und Schädiger nur dann als typisch bezeichnet werden, wenn sich solche oder ähnliche Gewalttaten in dieser Gruppe bereits mehrfach angedeutet oder abgespielt hätten. Dafür ist hier aber nichts ersichtlich.
In einer neueren Entscheidung hat das BSG außerdem festgestellt, dass sich Unbilligkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. OEG auch aus Umständen außerhalb der von ihm skizzierten vier Fallgruppen ergeben kann (BSG, Urteil vom 06.07.2006, Az. B 9a VG 1/05 R). Dabei können auch Umstände, die bereits bei der Frage der "Mitverursachung" geprüft wurden, aber eine Versagung der Versorgung nach § 2 Abs. 1 Satz 1, 1.Alt. OEG nicht rechtfertigen konnten, berücksichtigt werden. Das schon deshalb, weil die Mitverursachung einen Unterfall der Unbilligkeit darstellt (stRspr. aaO.). Wegen der notwendigen Gleichgewichtigkeit zwischen Mitverursachung und Unbilligkeit können sie aber nicht allein, sondern nur zusammen mit anderen Umständen zu einem Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. OEG führen (stRspr. BSGE 66, 115, 117 f.; BSG, Urteil vom 06.07.2006, Az. B 9a VG 12/05 R m.w.N.; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.03.2005, Az. L 2 VG 1/03). Die Kammer war deshalb – entgegen dem Vortrag der Kläger – nicht gehindert, bei der Frage der Unbilligkeit die gesamten bereits im Rahmen der Prüfung der Mitverursachung angesprochene Aspekte des Geschehens – Vorgeschichte und Ablauf der Tat, Persönlichkeit von Täter und Opfer, Vorhersehbarkeit des Geschehens für das Opfer – im Rahmen der Prüfung der Unbilligkeit erneut zu berücksichtigen. Diese Umstände können die Annahme von Unbilligkeit nach dem oben gesagten aber nicht alleine, sondern nur zusammen mit sonstigen, zusätzlichen Umständen rechtfertigen. Sonstige Umstände, die nicht bereits im Rahmen der Mitverursachung Berücksichtigung gefunden haben, wurden von dem Beklagten aber weder vorgetragen, noch liegen sie nach Auffassung der Kammer vor. Deshalb überschreitet das Verhalten des Opfers auch unter diesem Gesichtspunkt die Schwelle der Unbilligkeit nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG
Erstellt am: 24.08.2009
Zuletzt verändert am: 24.08.2009