Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 30.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2008 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen einer Gewalttat am 31.03.2007 Versorgung nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes dem Grunde nach zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger wegen der Folgen einer Gewalttat Versorgung nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) i.V.m. den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zu gewähren ist.
Der im Jahre xxx geborene Kläger, der nach eigenen Angaben aus xxx stammt, reiste im xxx erstmalig als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seit xxx ist der Kläger rechtskräftig zur Ausreise verpflichtet und hält sich aufgrund mehrfach verlängerter Duldung gem. § 60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im Bundesgebiet auf. Eine Abschiebung war und ist aus tatsächlichen Gründen unmöglich, weil die Identität des Klägers nicht geklärt ist. So liegt kein Pass- oder Passersatz vor, auch verlief eine Botschaftsvorführung negativ.
Am xxx wurde der Kläger in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in xxx durch einen anderen Bewohner mit Messerstichen verletzt. Wegen der Folgen der Tat beantragte der Kläger am xxx Leistungen nach dem OEG i.V.m. dem BVG. Das Versorgungsamt xxx und nachfolgend der Beklagte zogen die Unterlagen des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens sowie Befundberichte der Dres. med. xxx aus xxx, des Dr. med. xxx aus xxx und des Arztes xxx aus xxx bei. Abschließend holte der Beklagte ein psychiatrisches Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie-Psychotherapie xxx aus xxx vom xxx ein. Diese diagnostizierte eine posttraumatische Belastungsstörung und bewerte den Grad der Schädigungsfolgen (GdS) mit 30.
Mit Bescheid vom 30.04.2008 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Versorgung ab. Eine Gewalttat i.S.d. § 1 OEG läge zwar vor, eine Versorgung nach dem OEG sei aber gem. § 2 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. OEG zu versagen, da sie unbillig wäre. Eine Unbilligkeit liege vor, da der Kläger vollziehbar ausreisepflichtig sei, aber der Verpflichtung zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland selbstverschuldet nicht nachkomme. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger falsche Angaben zu seiner Person gemacht habe.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und trug vor, dass er wegen seines ausländerrechtlichen Duldungsstatus nicht von Leistungen nach dem OEG ausgeschlossen sei. Hierfür fehle es schon an einer gesetzlichen Ausschlussklausel. Im Übrigen würde ein anderes Ergebnis auch dazu führen, dass ausländische Flüchtlinge als Opfer von Straftaten schutzlos gestellt wären.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2008 zurück. Zur Begründung verwies er auf seine Ausführungen im Bescheid vom 30.04.2008.
Der Kläger hat am 30.09.2008 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, dass der Gesetzgeber in anderen Sozialgesetzen durchaus Anspruchsvoraussetzungen nach der Art des Aufenthaltstitels differenziert habe. Dass dies im Rahmen des OEG nicht geschehen sei, spreche für die Unerheblichkeit des Aufenthalttitels. Zudem weist der Kläger darauf hin, dass es in afrikanischen Staaten oftmals keine geordneten Personenstands- und Staatsangehörigkeitsregister gebe und auch die Bereitschaft zu konsularischen Dienstleistungen generell dort nur eingeschränkt vorhanden sei. Er habe seine Personalien zutreffend angegeben.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 30.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.09.2008 zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen einer Gewalttat am 31.03.2007 Versorgung nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes dem Grunde nach zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Vorverfahren. Darüber hinaus trägt er nunmehr vor, dass ein rechtlich geschützter Aufenthalt im Zeitpunkt der Tat i.S.d. § 1 Abs. 5 S. 2 OEG nicht angenommen werden könne, da der Kläger nur deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil er seiner Verpflichtung nicht nachgekommen sei, zur Feststellung seiner Identität zutreffende identitätsbezogene Angaben zu machen. Auf Vorhalt des Gerichts ergänzt der Beklagte, dass die Änderung des § 1 Abs. 5 S. 2 OEG aufgrund des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 nicht zu einer Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises geführt habe, wie auch die zu den Akten gereichte Verfügung der Bezirksregierung xxx vom 04.08.2005 zeige. Es sei weiterhin allein darauf abzustellen, ob der Kläger aus humanitären Gründen geduldet sei, auch wenn das OEG seit dem 01.01.2005 die Aussetzung der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen für einen rechtmäßigen Aufenthalt ausreichen lässt. Vorliegend seien keine humanitären Gründe erkennbar. Auf nochmaligen Vorhalt des Gerichts trägt der Beklagte vor, dass ein rechtmäßiger Aufenthalt i.S.d. § 1 Abs. 5 OEG nicht vorliegen könne, wenn ein Betroffener seiner Verpflichtung gegenüber der Ausländerbehörde, seine richtige Identität nachzuweisen, nicht nachkomme und deshalb eine Abschiebung nicht möglich sei. Richtig sei zwar, dass die Regelung des § 1 Abs. 5 OEG mit der Duldungsregelung des § 60a AufenthG teilweise wortgleich sei, allerdings könnten verschiedene tatsächliche Gründe einer Abschiebung entgegenstehen, wonach auch das Ausländerrecht differenziere. So gebe es tatsächliche Gründe, die der Abzuschiebende zu vertreten habe und tatsächliche Gründe, die der Abzuschiebende nicht zu vertreten habe. Wenn die Abschiebung aufgrund der fehlenden Identität nicht möglich sei, habe dies der Abschiebende zu vertreten. Wenn nun im OEG allein das tatsächliche Abschiebehindernis ausreichend sein würde, ohne dass das Vertretenmüssen Berücksichtigung fände, erhielte auch derjenige Leistungen, der sich gesetzwidrig verhalte. Dies könne mit der Formulierung des § 1 Abs. 5 OEG nicht beabsichtigt sein. Eine Entschädigung aus Steuermitteln könne nicht derjenige geltend machen, der sich selbst nicht rechtstreu verhalte.
Die den Kläger betreffenden B-Akten des Versorgungsamtes xxx bzw. des Beklagten haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt sowie auf den Inhalt der Prozessakte wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage, über die das Gericht zweckmäßig im Wege des Grundurteils entscheiden konnte, ist begründet.
Der Kläger wird durch den Bescheid des Beklagten vom 30.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.09.2008 i.S.d. § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da der Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger in eigenen Rechten verletzt. Der Bescheid ist nicht formell, allerdings materiell rechtswidrig.
Der Bescheid ist nicht formell rechtswidrig. Die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, namentlich die fehlende Anhörung des Klägers gem. § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vor Erlass des Bescheides vom 30.04.2008 und die fehlende (vollständige) Begründung in dem genannten Bescheid gem. § 35 SGB X, sind vorliegend jedenfalls gem. § 41 Abs. 2, 1 Nr. 2, 3 SGB X unbeachtlich.
Der Bescheid ist jedoch materiell rechtswidrig. Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Versorgung wegen der Folgen einer Gewalttat, deren Opfer er am 31.03.2007 geworden ist. Neben den allgemeinen Voraussetzungen für eine Entschädigung nach dem OEG gem. § 1 Abs. 1 S. 1 OEG und der wirksamen Antragsstellung des Klägers liegen auch die weiteren besonderen Leistungsvoraussetzungen für einen Ausländer gem. § 1 Abs. 5 S. 1, 2 OEG vor (zur Differenzierung nach allgemeinen und besonderen Leistungsvoraussetzungen siehe BSG, Urteil vom 08.11.2007, Az: B 9/9a VG 3/05 R). Ein Versagungsgrund nach § 2 OEG und hierbei insbesondere die Unbilligkeit der Leistungsgewährung gem. § 2 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. OEG können nicht angenommen werden. Es kann wegen des Vorliegens eines Versorgungsanspruchs dahinstehen, ob das OEG schon allein deshalb Anwendung finden müsste, weil ansonsten – wie der Kläger vorträgt – ausländische Flüchtlinge als Opfer von Straftaten schutzlos gestellt wären. Auch ist darauf hinzuweisen, dass das gefundene Ergebnis nicht dem Sinn und Zweck des OEG widerspricht. Die öffentliche Hand soll für gesundheitliche Schäden des durch eine Gewalttat verletzten Opfers dann einen Ausgleich gewähren, wenn es dem Staat nicht gelungen ist, die Gewalttat zu verhindern, d.h. die Einhaltung seiner dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit – auch – des Opfers dienenden Rechtsnormen durchzusetzen (so BSG, Urteil vom 04.02.1998, Az: B 9 VG 5/96 R). Nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) ist Träger des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit jede natürliche Person ("Jeder hat das Recht auf … körperliche Unversehrtheit."), also auch jeder Ausländer (siehe hierzu umfassend BSG, Urteil vom 08.11.2007, Az: B 9/9a VG 3/05 R; siehe auch BT-Drucks. 7/2506, S. 1 ff.; zudem LSG Hamburg, Urteil vom 08.04.2008, Az: L 4 VG 5/07).
Die besonderen Leistungsvoraussetzungen für einen Ausländer gem. § 1 Abs. 5 S. 1, 2 OEG liegen vor. Der Kläger, der insbesondere nicht als Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaften gem. § 1 Abs. 4 Nr. 1 OEG anzusehen ist, ist ein "sonstiger Ausländer" i.S.d. § 1 Abs. 5 S. 1 OEG, der sich nicht nur für einen vorübergehenden Aufenthalt von längstens sechs Monaten und mittlerweile seit über drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält (zur Möglichkeit des "Hineinwachsens" in die Leistungsberechtigung siehe BSG, Urteil vom 08.11.2007, Az: B 9/9a VG 3/05 R m.w.N.; siehe auch die vorinstanzliche Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.09.2005, Az: L 6 VG 49/00 m.w.N.). Auch ist ein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet gem. § 1 Abs. 5 S. 1, 2 OEG gegeben.
Der Kläger hält sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Zwar wäre die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Klägers allein nach § 1 Abs. 5 S. 1 OEG i.V.m. dem AufenthG zu verneinen, da der Kläger lediglich gem. § 60a Abs. 2 AufenthG im Bundesgebiet geduldet ist und sich damit grds. rechtswidrig im Bundesgebiet aufhält (zur Maßgeblichkeit des Ausländergesetzes bzw. des nachfolgenden AufenthG siehe Kunz/Zellner, OEG-Kommentar, 4. Auflage 1999, § 1 Rn. 106; siehe auch BSG, Urteil vom 18.04.2001, Az: B 9 VG 5/00 R). Allerdings ist ein rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des OEG gem. § 1 Abs. 5 S. 2 OEG auch dann gegeben, wenn die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen ausgesetzt ist. So liegt es im vorliegenden Fall. Die Abschiebung des Klägers ist gem. § 60a Abs. 2 AufenthG ausgesetzt, da die Abschiebung des Klägers aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist und ihm keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
Soweit der Beklagte Einwände gegen die Einordnung des klägerischen Aufenthalts als rechtmäßig erhebt, können diese nicht überzeugen. So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Änderung des § 1 Abs. 5 S. 2 OEG durch das "Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz)" vom 30.07.2004 (BGBl. Teil I, S. 1950) nicht unter Hinweis auf eine Verfügung der Bezirksregierung Münster ignoriert werden kann. Eine (innerdienstliche) Verfügung kann keine allgemein verbindliche Gesetzesinterpretation oder gar Gesetzesänderung vornehmen. Es muss vielmehr eine Auseinandersetzung mit der seit dem 01.01.2005 geänderten Fassung des § 1 Abs. 5 S. 2 OEG stattfinden, eine Norm, welche sich von anderen Sozialgesetzen wie dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) oder auch dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) dadurch unterscheidet, dass sie nicht explizit allein solchen Ausländern einen Anspruch zubilligt, welche eine Aufenthaltserlaubnis besitzen (vgl. § 1 Abs. 7 BEEG, § 1 Abs. 3 BKGG; zum Unterschied von alter und neuer Fassung des § 1 Abs. 5 S. 2 OEG siehe LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.07.2006, Az: L 5 VG 9/04; allein zur alten Rechtslage siehe BSG, Urteil vom 18.04.2001, Az: B 9 VG 5/00 R; LSG Niedersachsen, Urteil vom 24.03.2000, Az: L 9 VG 9/97). Der Einwand des Beklagten, es müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger selbst die Aussetzung der Abschiebung durch falsche Identitätsangaben und fehlende Mitwirkung zu vertreten habe und daher keine steuerfinanzierten Versorgungsleistungen zu gewähren seien, greift nicht. Dabei kann es dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich selbst die Aussetzung der Abschiebung durch falsche Identitätsangaben oder fehlende Mitwirkung zu vertreten hat, oder ob dem afrikanischen Staat xxx etwa die mangelnde Bereitschaft zur konsularischen Dienstleistung vorzuwerfen ist. Weiter kann dahinstehen, ob das Finanzierungsargument greift, da geduldeten Ausländer generell – auch von dem Beklagten unbestritten – im Grundsatz ein Anspruch auf steuerfinanzierte Leistungen nach Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) zusteht. Der Einwand des Beklagten greift vielmehr schon deshalb nicht, weil eine Beschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises gem. § 1 Abs. 5 S. 1, 2 OEG auf Ausländer, die die Aussetzung der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen nicht selbst zu vertreten haben, nicht mit der gesetzlichen Regelung in Einklang gebracht werden kann. Dies ergibt die grammatische, systematische, historische und teleologische Auslegung der Norm.
Nach der grammatischen Auslegung ist der Wortlaut der Norm, hier also des § 1 Abs. 5 S. 2 OEG, zu betrachten. Demnach ist ein rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des OEG gegeben, wenn die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen ausgesetzt ist. Eine Differenzierung nach vertretener und unvertretener Aussetzung der Abschiebung kann dem Wortlaut nicht entnommen werden. Auch nach der systematischen Auslegung kann keine Differenzierung dergestalt vorgenommen werden. Hier liegt ein Vergleich mit § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG nahe, wonach die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen ist, solange die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Eine Differenzierung nach vertretener und unvertretener Unmöglichkeit der Abschiebung findet sich weder im Wortlaut, noch wird diese aus der Norm herausgelesen und etwa von den entsprechenden Behörden – soweit ersichtlich und jedenfalls hinsichtlich des eigentlichen Duldungsstatus – angewandt. Dagegen spricht schon der Fall des Klägers selbst, dessen Duldung im Bundesgebiet mehrfach gem. § 60a Abs. 2 AufenthG verlängert wurde, obwohl er offensichtlich aus Sicht der zuständigen Ausländerbehörde – und diese Sichtweise wird tendenziell gestützt durch die Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung – die Unmöglichkeit der Abschiebung selbst durch fehlende Mitwirkung zu vertreten hat. Ein Vergleich scheint sich auch mit dem Schwerbehindertenrecht aufzudrängen. Hier wird ein "rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt" i.S.d. § 2 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auch in Deutschland geduldeten Ausländern zugestanden, allerdings nur, wenn der Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat (grundlegend zu der Feststellung nach dem SGB IX bei Duldung: BSG, Urteil vom 01.09.1999, Az: B 9 SB 1/99 R; siehe auch SG Duisburg, Urteil vom 15.06.2007, Az: S 30 SB 140/04; SG Bremen, Gerichtsbescheid vom 13.08.2009, Az: S 19 SB 3/09; LSG Hessen, Urteil vom 32.09.2009, Az: L 4 SB 57/08; SG Köln, Urteil vom 03.12.2009, Az: S 31 SB 163/08). Dies scheint vordergründig die Rechtsansicht des Beklagten zu stärken. Allerdings ist anzumerken, dass im Schwerbehindertenrecht eine dem § 1 Abs. 5 S. 2 OEG vergleichbare, den Rechtsmäßigkeitsbegriff erweiternde Definition fehlt. Geduldete Ausländer werden im Schwerbehindertenrecht allein unter den strengen, dem § 1 Abs. 5 S. 1 OEG vergleichbaren Rechtmäßigkeitsbegriff subsumiert, so dass dort anders als im Opferentschädigungsrecht eine Beschränkung auf geduldete und sich damit grds. rechtswidrig in Deutschland aufhaltende Ausländer, die ihr jeweiliges Abschiebehindernis nicht zu vertreten haben, gerechtfertigt erscheint. Entscheidende Bedeutung kommt der historischen Auslegung zu, die vorliegend auch die teleologische Auslegung maßgeblich beeinflusst. Nach dem Willen des Gesetzgebers, niedergelegt in BT-Drucks. 15/420 auf S. 123, soll der durch Art. 10 des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 neugefasste § 1 Abs. 5 S. 2 OEG Folgendes sicherstellen: "Die Regelung stellt sicher, dass Ausländer nach dem Opferentschädigungsgesetz anspruchsberechtigt sind, wenn sie sich aus humanitären oder tatsächlichen Gründen oder aufgrund öffentlicher Interessen im Bundesgebiet aufhalten. Es wäre nicht begründbar, dass eine Anspruchsberechtigung am fehlenden Aufenthaltstitel scheitert, obwohl die Ausländerbehörde dem Ausländer eine Bescheinigung nach § 60 Abs. 11 AufenthG erteilt hat." Hieraus lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber ganz bewusst geduldete Ausländer in den Schutzbereich des Opferentschädigungsgesetzes einbeziehen wollte, unabhängig davon, ob diese das Abschiebehindernis zu vertreten haben oder nicht. Soweit der Gesetzgeber explizit auf § 60 Abs. 11 AufenthG eingeht, ist dies als Hinweis auf humanitäre Gründe anzusehen, die neben den tatsächlichen Gründen in der Gesetzesbegründung genannt sind.
Schließlich kommt auch eine Versagung der Leistung nach § 2 OEG nicht in Betracht. Der geschädigte Kläger hat die Schädigung nicht verursacht (siehe hierzu etwa LSG Hamburg, Urteil vom 20.06.2006, Az: L 4 VG 5/05). Die Leistungsgewährung ist auch nicht wegen Unbilligkeit gem. § 2 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. OEG ausgeschlossen. Soweit der Beklagte die Unbilligkeit der Leistungsgewährung gegenüber dem Kläger unter Hinweis darauf annimmt, dass der Kläger das Abschiebehindernis selbst zu vertreten habe, ist diese Prämisse – wie bereits ausgeführt – schon fraglich. Jedenfalls aber würde ein (pauschaler) Ausschluss der in der Bundesrepublik Deutschland geduldeten Ausländer, die das Abschiebhindernis selbst zu vertreten haben, über den Umweg der Unbilligkeit gem. § 2 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. OEG eindeutig gegen die Gesetzessystematik und gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen. Die Bestimmung des anspruchsberechtigten Personenkreises letztlich (auch) durch die Norm des § 2 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. OEG wäre mit der Regelung des § 1 OEG und vorliegend insbesondere mit der Regelung des § 1 Abs. 5 OEG unvereinbar. Gesetzessystematik und gesetzgeberischer Wille würden unterlaufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 21.05.2010
Zuletzt verändert am: 21.05.2010