Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2006 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 27.01.2006 bis zum 30.06.2006 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch in Höhe von 95 EUR monatlich zu erbringen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zu ¼. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. D, E, bewilligt.
Gründe:
I. Streitig ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1987 geborene Antragsteller besucht derzeit die Zwölfte Klasse eines Gymnasiums und wird dort voraussichtlich im kommenden Jahr die allgemeine Hochschulreife erlangen. Er lebt mit seinem Vater, seiner Stiefmutter und einem 1992 geborenen Stiefbruder, deren Leistungsberechtigung nach dem SGB II ebenfalls streitig ist (Verfahren des Sozialgerichts Düsseldorf S 44 (29) AS 10/06 ER), in einer 105 qm großen Wohnung, deren Eigentümerin eine Tante des Antragstellers ist. Der Großmutter des Antragstellers ist ein notariell beurkundetes Nießbrauchsrecht eingeräumt, seinem Vater eine entgeltliche Wohnberechtigung (Notarvertrag vom 21.09.1993). Ein Mietzins für ein zur Wohnung gehöriges Mansardenzimmer ist gemäß vorgelegter Mietvereinbarung vom 26.10.2005 nicht zu entrichten, seit Juli 2005 im Übrigen aber eine Kaltmiete von 350 EUR bzw. ab November 2005 von 450 EUR. Zuvor zahlte die Familie keine Miete. Angabegemäß wurde darüber hinaus ein monatlicher Betrag von 350 EUR für Nebenkosten gezahlt, ausweislich des Rechtsstreits des Vaters des Antragstellers, seiner Stiefmutter und seines Stiefbruders sollen aber letztlich lediglich 278 EUR monatlich angefallen sein. Bei der vorgelegten Nebenkostenabrechung werden eine Wohnfläche von 121 m² sowie vier Bewohner zu Grunde gelegt.
Die Mutter des Antragstellers kommt ihrer Unterhaltsverpflichtung durch Zahlung eines Betrages von 250 EUR monatlich an den Vater des Antragstellers nach. Kindergeldzahlungen von 154 EUR monatlich erhält ausweislich einer von diesem vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 10.01.2006 sowie nachgewiesener Kontoauszüge ebenfalls der Vater des Antragstellers. Der Vater des Antragstellers überweist diesem monatlich Taschengeld in Höhe von 50 EUR.
Der Antragsteller beantragte am 14.12.2006 Leistungen nach dem SGB II. Unter dem 11.01.2006 zeigte sein jetziger Prozessbevollmächtigter seine Bevollmächtigung an. Zu einer für den 16.01.2006 erbetenen Vorsprache erschien der Antragsteller nicht. Am 18.01.2006 kündigte der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz für den 23.01.2006 an, soweit der Antrag nicht beschieden werde. Es sei unverständlich, warum der Antragsteller zu einer Vorsprache während der Schulzeit aufgefordert worden sei. Ein Schreiben vom 07.02.2006 mit der Bitte um Angaben dazu, wie der Lebensunterhalt bestritten werde, an wen das Kindergeld ausgezahlt werde und wie hoch die Miete für das von ihm bewohnte Zimmer sei, blieb unbeantwortet.
Am 27.01.2006 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf nachgesucht. Die Antragsgegnerin sei nicht gewillt, den Antrag ordnungsgemäß zu bearbeiten. Er müsse die Unterkunftskosten zu einem Viertel tragen.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, der Bedarf des Antragstellers sei durch die Unterhaltszahlungen der Mutter, das Taschengeld und Verpflegungsleistungen seines Vaters gedeckt. Unterkunftskosten seien nicht ersichtlich, da der Antragsteller bei Antragstellung angegeben habe, er wohne mietfrei in der ausgebauten Mansarde.
Mit Beschluss vom 22.02.2006 hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Unterkunftskosten habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht; der übrige Bedarf von 345 EUR sei durch Unterhaltsleistungen, Taschengeld und Verpflegungsleistungen seines Vaters gedeckt.
Mit Schreiben vom 23.02.2006 hat der Antragsteller vorgetragen, es bestehe ein Bedarf von 445 EUR (Regelsatz zzgl. ¼ der Unterkunftskosten). Ausgehend von Unterhaltszahlungen der Mutter bestehe eine Unterdeckung von 195 EUR. Taschengeld werde aus den vom Vater verwalteten Unterhaltszahlungen gezahlt. Auch die übrige Versorgung erfolge aus dem Unterhalt. Für das Zimmer zahle er keine Miete, er müsse sich aber gleichwohl zu ¼ an den Unterkunftskosten beteiligen.
Zur Begründung seiner Beschwerde vom 07.03.2006 hat der Antragsteller auf sein Schreiben vom 23.02.2006 Bezug genommen. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 08.03.2006).
Die Antragsgegnerin hat an ihrer Auffassung festgehalten, der Bedarf des Antragstellers sei durch Versorgungsleistungen und Unterhaltszahlungen gedeckt. Im Verfahren S 44 (29) AS 10/06 ER sei ein Vergleichsvorschlag unterbreitet worden, der davon ausgehe, dass sämtliche Unterkunftskosten von seinem Vater bzw. dessen Bedarfsgemeinschaft getragen würden.
Mitte Mai 2006 haben die Beteiligten erklärt, Vergleichsverhandlungen seien gescheitert.
Der Senat hat die Verwaltungsakte betreffend den Antrag der Bedarfsgemeinschaft des Vaters des Antragstellers beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet und im Übrigen unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind – soweit, wie hier, weder ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG noch ein Fall des § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG vorliegt – einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für eine solche Regelungsanordnung ist, dass ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch vorliegen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. den dort genannten Vorschriften der Zivilprozessordnung).
Zur Überzeugung des Senats ist hinsichtlich der geltend gemachten Unterkunftskosten gemäß § 22 Abs. 1 SGB II bereits ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller, der, was von ihm nicht bestritten wird, ein Mansardenzimmer bewohnt, für das ein Mietzins ausweislich der vorgelegten Unterlagen nicht zu entrichten ist, der Verlust der Unterkunft oder sonstige nicht hinnehmbare Nachteile durch das Abwarten der Hauptsacheentscheidung drohten. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass auch hinsichtlich etwaiger Unterkunftskosten diverse Ungereimtheiten bestehen. So hat der Antragsteller bisher nicht zu der Behauptung der Antragsgegnerin Stellung bezogen, er habe bei Antragstellung angegeben, mietfrei zu wohnen. Auch ist vollkommen unklar, in welcher Höhe anteilig Kosten der Unterkunft entstehen. Zwar ist mit Schreiben vom 23.02.2006 mitgeteilt worden, der Antragsteller müsse 100 EUR zahlen. Dies entspräche allerdings lediglich einem Viertel der Kaltmiete.
Ansonsten besteht ein Regelbedarf in Höhe von 95,00 Euro. Der zur Sicherung des Lebensunterhalts anfallende Bedarf des Antragstellers ergibt sich aus § 20 Abs. 2 Satz 1 i.Vm. § 7 Abs. 3 SGB II 345 EUR, da er als Volljähriger nicht zur Bedarfsgemeinschaft seines Vaters zählt. Dieser Bedarf ist lediglich in Höhe von 250 EUR durch Unterhaltsleistungen seiner Mutter abgedeckt. Eine Hinzurechnung des vom Vater des Antragstellers gezahlten Taschengeldes von 50 EUR (ggf. als Leistungen aus dem an seinen Vater gezahlten Kindergeld als Einkommen des Antragstellers) hält der Senat nach der hier gebotenen summarischen Prüfung nicht für gerechtfertigt. Der Vater des Antragestellers verwaltet die Unterhaltszahlung für den Antragsteller. Es erscheint daher durchaus nahe liegend, dass auch aus dem von seiner Mutter gezahlten Unterhalt das Taschengeld gezahlt wird. Selbst wenn aber das Taschengeld aus dem Kindergeld gezahlt würde, spräche nach der gebotenen summarischen Prüfung mehr dafür, das Kindergeld insgesamt als Einkommen des Vaters anzusehen. Es fehlt in diesem Fall eine gesetzliche Vorschrift, nach der ein teilweise "verschenktes" Kindergeld bei dem Kindergeldberechtigten einen Abzugsposten darstellt. Das Gesetz selbst trifft lediglich eine ausdrückliche Regelung für minderjährige Kinder (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Diese Regelung spricht aber dafür, für Volljährige gezahltes Kindergeld als Einkommen des Kindergeldberechtigten anzusehen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2003, Az: 5 C 25/05 = NJW 2004, 2541 zur sozialhilferechtlichen Einordnung unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes). Für im Haushalt des Kindergeldberechtigten lebende Volljährige wird dieses Ergebnis gestützt durch die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 8 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V) vom 20. Oktober 2004 in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 22. August 2005 (BGBl. I S. 2499), wonach nicht als Einkommen des Kindergeldberechtigten zu berücksichtigen ist Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird. Vorliegend ist nach allen verfügbaren Erkenntnissen unabhängig davon, ob er mietfrei ein Mansardenzimmer nutzen kann, davon auszugehen, dass der Antragsteller noch im Haushalt seines Vaters lebt.
Der Senat teilt die Auffassung des SG sowie der Antragsgegnerin nicht, dass der Bedarf des Antragstellers im Übrigen durch Verpflegungsleistungen seines Vaters gesichert ist. Eine derartige Annahme ist schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Vater des Antragstellers selbst um die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II streitet.
Der Senat geht davon aus, dass die Antragsgegnerin bei ungeänderten Verhältnissen Leistungen im tenorierten Umfang auch über den 30.06.2006 hinaus erbringen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe folgt aus §§ 73 a SGG, 114 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 03.07.2006
Zuletzt verändert am: 03.07.2006