NZB als unzulässig verworfen
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18.01.2016 geändert und die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt drei Achtel der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
Der am 00.00.1979 geborene Kläger betrieb bis 2012 ein Gewerbe. Von 2012 bis 2014 war er einer von drei Gesellschaftern der C mit Sitz in M. Der Kläger war zugleich deren Geschäftsführer, bezog hierfür allerdings kein Gehalt. Die C war wiederum alleinige Gesellschafterin der M GmbH mit Sitz in U, für die der Kläger bis September 2013 als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen war. Bis Mai 2013 bezog er hierfür ein Gehalt von 2.094,66 EUR brutto monatlich (Steuerklasse 3). Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht abgeführt. Nach Mai 2013 übte er für die M GmbH keine Tätigkeit mehr aus. Von Juni bis September 2013 bezog er Arbeitslosengeld, wobei es sich nach eigenen Angaben um einen Restanspruch aus früheren freiwilligen Beiträgen handelte. Ab Oktober 2013 war er bei der E AG angestellt und bezog ein Gehalt von 5.066,67 EUR brutto monatlich (Steuerklasse 4, ab Mai 2014 Steuerklasse 5). Das Finanzamt C-Innenstadt setzte für 2013 mit Bescheid vom 18.09.2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 0 EUR und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 25.673 EUR an. Das Finanzamt T setzte für 2013 mit Bescheid vom 12.11.2015 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 25.673 EUR an. Am 19.02.2014 wurde die C aufgelöst. Da der Wert der Anteile des Klägers gesunken war, setzte das Finanzamt T im Einkommensteuerbescheid vom 16.06.2015 für 2014 einen Veräußerungsverlust nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) i.H.v. 8.022 EUR an.
Der Kläger ist der Vater des am 00.00.2014 geborenen Kindes M H. Der Beklagte gewährte der Ehefrau des Klägers mit Bescheiden vom 17.02.2015 und 27.02.2015 Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes.
Am 14.07.2015 beantragte der Kläger beim Beklagten Elterngeld für den sechsten und siebten Lebensmonat des Kindes. Im Bezugszeitraum erziele er voraussichtlich kein Einkommen. Der Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 03.08.2015 vorläufig Elterngeld für den sechsten und siebten Lebensmonat des Kindes in Höhe von jeweils 1.016,51 EUR. Dabei legte er das Einkommen aus Erwerbstätigkeit aus 2013 und die Steuerklasse 4 zugrunde.
Der Kläger legte am 10.08.2015 Widerspruch ein. Maßgeblicher Bemessungszeitraum seien die zwölf Kalendermonate vor der Geburt des Kindes, nicht das Kalenderjahr 2013. Er sei nicht selbständig tätig.
Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2015 zurück. Im Jahr 2013 habe der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb gehabt. Gemäß § 2b Abs. 3 BEEG sei dann das Einkommen aus 2013 maßgeblich.
Der Kläger hat am 01.09.2015 Klage beim Sozialgericht Köln erhoben und für den sechsten und siebten Lebensmonat des Kindes Elterngeld in Höhe von 1.800 EUR begehrt. Negatives Einkommen könne nicht als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit angesehen werden. Der 2014 anerkannte Veräußerungsverlust sei der Art nach kein Einkommen aus gewerblicher Tätigkeit. Der Beklagte habe zudem fälschlich die Steuerklasse 4 anstelle der Steuerklasse 3 zugrunde gelegt.
Der Beklagte hat unter Zugrundelegung der Steuerklasse 3 mit Bescheid vom 13.01.2016 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) für den sechsten und siebten Lebensmonat des Kindes Elterngeld in Höhe von jeweils 1.149,85 EUR gewährt. Im Übrigen sei 2014 mit dem Veräußerungsverlust gemäß § 17 EStG Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von § 2 BEEG erzielt worden. Auch negatives Einkommen sei erfasst.
Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 18.01.2016 verurteilt, dem Kläger für den sechsten und siebten Lebensmonat des Kindes Elterngeld in Höhe von jeweils 1.800 EUR zu zahlen. Zugrunde zu legen sei das Einkommen der letzten zwölf Monate vor der Geburt des Kindes. § 2b Abs. 3 BEEG finde keine Anwendung. Dort werde die Erzielung positiver Einkünfte vorausgesetzt.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 28.01.2016 zugestellte Urteil am 02.02.2016 Berufung eingelegt und auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.10.2016 – B 10 EG 5/15 R Bezug genommen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.05.2017 hat der Beklagte sich im Rahmen eines Teilanerkenntnisses bereit erklärt, höheres Elterngeld entsprechend dem Vortrag des Klägers vom 12.05.2017 zu unzulässigen Abzügen von seinem Geschäftsführergehalt bei der M GmbH zu gewähren. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis im Termin angenommen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.01.2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.10.2016 – B 10 EG 5/15 R überzeuge nicht. §§ 2, 2d BEEG enthielten eine Legaldefinition des Einkommensbegriffes dahingehend, dass nur positives Einkommen gemeint sei. Die vom Bundessozialgericht vorgenommene Auslegung stehe im Widerspruch zum Zweck des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzuges und führe zu nachteiligen Folgen für einen großen Personenkreis.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.05.2017 hat der Kläger ergänzend vorgetragen, der Beklagte habe bei der Berechnung des Bemessungsentgelts unzutreffend Beiträge zur Sozialversicherung vom Geschäftsführergehalt bei der M GmbH abgezogen.
Der Senat hat einen Ablehnungsantrag des Klägers gegen den Richter am Landessozialgericht B und die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht G mit Beschluss vom 14.03.2017 zurückgewiesen und Anhörungsrügen des Klägers gegen diesen Beschluss mit Beschluss vom 06.04.2017 verworfen. Einen in diesen Anhörungsrügen enthaltenen Ablehnungsantrag gegen den Richter am Landessozialgericht Dr. S hat der Senat als missbräuchlich angesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung in der geschäftsplanmäßigen Besetzung. Soweit der Kläger in seinen Anhörungsrügen gegen den Beschluss des Senats vom 14.03.2017 Richter am Landessozialgericht Dr. S umfassend, also nicht nur im Hinblick auf das Anhörungsrügeverfahren, sondern auch für das hier zu entscheidende Hauptsachverfahren abgelehnt hat, ist dieser Ablehnungsantrag offensichtlich unzulässig, weshalb darüber keine eigene Entscheidung ergehen muss (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 60 Rn 10d, 10e). Der Senat nimmt wegen der Einzelheiten Bezug auf seinen Beschluss vom 06.04.2017.
Die zulässige, insbesondere statthafte Berufung ist begründet.
Das Sozialgericht hat der als Anfechtungs- und Leistungsklage statthaften (vgl. BSG, Urteil vom 27.10.2016 – B 10 EG 4/15 R, Rn 12; speziell zum Fall des Begehrens höherer vorläufiger Leistungen BSG, Urteil vom 05.04.2012 – B 10 EG 6/11 R, Rn 12-14) und auch im Übrigen zulässigen Klage zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben, da diese nur teilweise begründet ist.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 03.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2015 und des Bescheides vom 13.01.2016, der den Bescheid vom 03.08.2015 abändert und damit nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Im Umfang des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 12.05.2017 hat sich der Rechtsstreit erledigt, §§ 153 Abs. 1, 101 Abs. 2 SGG.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nach dem Teilanerkenntnis vom 12.05.2017 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese danach rechtmäßig sind. Er hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld.
Der Kläger erfüllt dem Grunde nach die Leistungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Wegen der Leistungshöhe wird auf die angefochtenen Bescheide (§ 136 Abs. 3 SGG) und das Teilanerkenntnis vom 12.05.2017 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung abgesehen.
Der Beklagte hat der Berechnung des Bemessungsentgelts zutreffend den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes (2013) zugrunde gelegt. Dies ergibt sich aus dem mit Wirkung ab dem 18.09.2012 eingeführten § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG. Danach ist abweichend von Absatz 1 für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt der steuerliche Veranlagungszeitraum maßgeblich, der den Gewinnermittlungszeiträumen nach Absatz 2 zugrunde liegt, wenn die berechtigte Person in den Zeiträumen nach Absatz 1 oder Absatz 2 Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit hatte.
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Geschäftsführertätigkeit des Klägers für die M GmbH in 2013 angesichts der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion tatsächlich eine abhängige Beschäftigung oder nicht vielmehr eine selbständige Tätigkeit war. Denn der Kläger hatte jedenfalls 2014 und damit im Zeitraum nach § 2b Abs. 1 BEEG im Sinne von § 2b Abs. 3 BEEG Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Zum Einkommen aus Gewerbebetrieb als einer Form des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit gehört gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BEEG, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 EStG und § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wobei gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG als Veräußerung im Sinne des Absatzes 1 auch die Auflösung einer Kapitalgesellschaft gilt (vgl. zur Maßgeblichkeit des steuerrechtlichen Einkommensbegriffs BSG, Urteil vom 27.10.2016 – B 10 EG 5/15 R, Rn 24; Urteil vom 27.06.2013 – B 10 EG 10/12 R, Rn 36; jeweils m.w.N.). Hier setzte das Finanzamt T für 2014 im Zusammenhang mit der Auflösung der C im Februar 2014 "Veräußerungsverluste nach § 17 EStG" in Höhe von gut 8.000 EUR an. Dass es sich um eine ausländische Kapitalgesellschaft handelt, ist unschädlich (vgl. Reiß, in: Kirchhof, EStG, 16. Aufl. 2017, § 15 Rn 134; Gosch, in: Kirchhof, EStG, 16. Aufl. 2017, § 17 Rn 126). Unerheblich ist, ob der Kläger im Zusammenhang mit dieser Beteiligung ins Gewicht fallende Arbeitsleistungen erbringen musste (vgl. BSG, Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 4/13 R, Rn 25 ff.; Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 3/15 R, Rn 21 ff.). Anders als im Rahmen der Ermittlung der Einkommenshöhe ist es im Rahmen der Bestimmung des Bemessungszeitraumes nach § 2b Abs. 3 BEEG nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch unerheblich, ob lediglich negatives Einkommen, also ein Verlust erwirtschaftet wurde (vgl. BSG, Urteil vom 27.10.2016 – B 10 EG 5/15 R, Rn 23 ff.). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung nach eigener Prüfung auch in Ansehung des Vortrags des Klägers hierzu an. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht (vgl. BSG, a.a.O., Rn 34 ff.; allgemein zur Verfassungsmäßigkeit der Differenzierung nach Einkommensarten im Elterngeldrecht BSG, Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 8/15 R, juris Rn 29 f.; Urteil vom 29.08.2012 – B 10 EG 18/11 R, juris Rn 28 ff.; Beschluss vom 28.10.2014 – B 10 EG 12/14 B, juris Rn 6).
Ein Fall von § 2b Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BEEG liegt nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Erstellt am: 29.11.2017
Zuletzt verändert am: 29.11.2017