Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 27.01.2004 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 38.700,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen (Anordnungsanspruch), wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Hierzu muss der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Ein Anordnungsanspruch gegenüber den Antragsgegnern besteht nicht. Denn der Antragsteller begehrt von den Antragsgegnern, ihn von der Pflicht zu entbinden, quartalsmäßige Zuzahlungen von Patienten (sogenannte Praxisgebühr) anzufordern, entgegenzunehmen und anzumahnen. Damit begehrt der Antragsteller von den Antragsgegnern rechtlich Unmögliches. Die Antragsgegner können ihn nicht von diesen Pflichten entbinden, da die entsprechende Verpflichtung des Antragstellers auf Bestimmungen im Gesetz sowie im Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) beruht. Dabei bedarf es keiner weiteren Begründung dafür, dass die Antragsgegner als Bundesverbände der gesetzlichen Krankenkassen nicht in der Lage sind, den Antragsteller von seiner grundsätzlichen Verpflichtung als Leistungserbringer von der gesetzlich in §§ 28 Abs. 4, 43 b Abs. 2 Satz 1 SGB V angeordneten Einbehaltung von Zuzahlungen zu entbinden. Soweit die streitigen weiteren Verpflichtungen des Antragstellers (z.B. Mahnung) auf Regelungen im BMV-Ä beruhen, ist es den Antragsgegnern ebenfalls nicht möglich, den Antragsteller einseitig davon zu entbinden. Zwar wirken die Antragsgegner an der Vereinbarung dieser untergesetzlichen Normen im BMV-Ä mit, jedoch ist es ihnen (alleine) nicht möglich, die daraus resultierende Verpflichtung des Antragstellers aufzuheben. Denn die Vereinbarung der streitigen Bestimmungen im BMV-Ä erfolgt nicht durch die Antragsgegner alleine, sondern gemäß § 82 Abs. 1 SGB V durch die Spitzenverbände aller Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Daraus folgt zwangsläufig, dass auch eine Änderung nur gemeinsam mit diesen weiteren Partnern des BMV-Ä möglich ist, gegen die der Antrag sich aber nicht wendet.
Ein Anordnungsanspruch besteht weiterhin auch deshalb nicht, weil der Antragsteller in keinerlei Rechtsbeziehung zu den Antragsgegnern steht. Hinsichtlich der Einbehaltung von Zuzahlungen, die in Einzelheiten in Bestimmungen des BMV-Ä geregelt ist, besteht ein Rechtsverhältnis des Antragstellers allenfalls zu der örtlich zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung bzw. den örtlichen Krankenkassen. Insoweit ist das Verfahren dem Senat jedoch nicht mehr zur Entscheidung angefallen. Der Antragsteller begeht vielmehr die abstrakte Kontrolle einer untergesetzlichen Norm, die das SGG nicht vorsieht. Die Überprüfung der entsprechenden Bestimmungen des BMV-Ä stellt sich im Verhältnis zu den Antragsgegnern auch nicht aus einem konkreten Anlass (BSG, SozR 3-5540 § 25 Nr. 2).
Ein Anordnungsgrund besteht ebenfalls nicht. Soweit der Antragsteller vorträgt, die Einhaltung der ihm obliegenden Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Einführung der sogenannten Praxisgebühr sei ihm nicht zuzumuten, weil dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinen Patienten zerstört würde, ist eine Glaubhaftmachung nicht erfolgt. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, dass die Entgegennahme von Geld als Honorar für ärztliche Dienstleistungen (zu dieser Beurteilung des Bundesfinanzministeriums siehe Ärzte Zeitung Nr. 106 vom 09.06.2004) das grundlegende Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient bedrohen oder zerstören könnte. Diese subjektive Besorgnis des Antragstellers erscheint angesichts der jahrzehnte langen bundesdeutschen Praxis der Privatliquidation durch Ärzte in allen Bereichen der privatärztlichen Behandlung auch durch Krankenhausärzte, Vertragsärzte im Rahmen der Kostenerstattung oder IGeL-Leistungen usw. eher fernliegend und ist auch von ihm nicht näher belegt oder glaubhaft gemacht worden.
Soweit der Antragsteller die hohe Kostenbelastung für das Inkasso und die damit verbundenen Sicherheitsvorkehrungen als Grund für die Unzumutbarkeit der Beitreibung der Praxisgebühr vorträgt, ist dies ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden. Zum einen geht der Senat davon aus, dass der Antragsteller auch schon bisher Zahlungen von Patienten (z. B. für IGeL-Leistungen) entgegengenommen hat und insoweit über eine entsprechende Praxisstruktur verfügt. Im Übrigen ist für den Senat nicht erkennbar, inwieweit dem Antragsteller die Einhaltung der streitigen Verpflichtungen aus diesen Gründen auch nur vorübergehend finanziell nicht zuzumuten sein sollte. Der Antragsteller hat auf die ausdrückliche Anfrage und Erinnerung des Senates zur Vorlage von Aufstellungen über die Umsätze, die Fallzahlen, die Anzahl der Privatpatienten, die Mitwirkung von Vertretern, Assistenten etc. sowie die durch die Praxisausstattung bedingten Praxiskosten lediglich mitgeteilt, dass die Praxiseinnahmen im Jahr 2003 ca. 219.000,00 Euro betrugen, und denen Praxiskosten in Höhe von 153.000,00 Euro gegenübergestanden haben. Daraus ist für den Senat nicht zu entnehmen, dass es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, bis zur Entscheidung in der Hauptsache bestimmte nicht näher spezifizierte finanzielle Aufwendungen für die Einbehaltung der streitigen Zuzahlungen zu treffen. Auf Grund der mangelnden Mitwirkung des Antragstellers (fehlende Mitteilung seiner Fallzahlen) ist es dem Senat insbesondere verwehrt, Feststellungen dahingehend zu treffen, in wie vielen Fällen der Antragsteller pro Quartal bzw. im Kalenderjahr die Praxisgebühr einzuziehen hat. Im Übrigen ist mit dem Einbehalt der Zuzahlung auch ein wirtschaftlicher Vorteil für den Antragsteller verbunden. Er erhält bereits zu Beginn des Behandlungsfalles größtenteils zu Beginn des Quartals einen Honoraranteil, über den er – anders als über das ihm von der Kassenärztlichen Vereinigung gezahlte Honorar – sofort und endgültig verfügen kann.
Hinsichtlich der Befreiung von der Pflicht zur Mahnung teilt der Senat nicht die Besorgnis einer Unzumutbarkeit nicht, weil bundesweit lediglich in 0,2 % (BT-Drucksache 15/2953 – Auskunft der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung Caspers-Merk) oder möglicherweise 0,4 % der Behandlungsfälle (Mitteilung der KBV, siehe Ärzte Zeitung Nr. 119 vom 29.06.2004 – Seite 1) eine Zahlungsaufforderung oder Mahnung erforderlich gewesen ist. Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, dass die Situation in seiner Praxis grundlegend anders sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwertes erfolgte gem. § 13 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Hinsichtlich der Höhe hat sich der Senat den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts angeschlossen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 12.07.2004
Zuletzt verändert am: 12.07.2004