NZB durch Rücknahme erledigt
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.02.2000 geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Jahresausgleich für 1997 im Risikostrukturausgleich (RSA).
Die Klägerin ist eine nichtgeöffnete Innungskrankenkasse, die rund 460.000 Mitglieder und 240.000 Familienversicherte hatte. Mit Bescheid vom 11.02.1999 hat die Beklagte im Rahmen der RSA den Jahresausgleich für das Jahr 1997 festgestellt und in dem Bescheid auch die Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) abgerechnet. Der Bescheid weist eine Finanzkraft der Klägerin von 2.076.859.915,27 DM aus (Pos. 11 des Bescheides). Dem stand eine Gesamtsumme des Beitragsbedarfs von 1.790.338.900,92 DM (Pos. 4) gegenüber; in deren Berechnung war eine Korrektur des Beitragsbedarfs aus den Vorjahren von 34.087.230,45 DM zu Lasten der Klägerin enthalten (Pos. 2). Die Ausgleichsverpflichtung (Pos. 12) belief sich auf 286.521.014,35 DM; abzüglich der geleisteten Abschlagszahlungen verblieb ein Ausgleichsbetrag (Pos. 14) von 99.982.023,88 DM. Im Rahmen der Abrechnung der KVdR-Beiträge ergab sich ein Ausgleichsbetrag zu Gunsten der Klägerin (Pos. 19) von 477.115,22 DM, so dass insgesamt ein Ausgleichsbetrag von 99.204.908,66 DM verblieb. Die Position 2 (Korrektur des Beitragsbedarfs aus den Vorjahren) wurde in der Anlage "Allgemeine Erläuterung" begründet; insoweit sind im Jahresausgleich 1997 aufgrund berichtigter Versicherungszeitenstatistiken der Jahre 1994 bis 1996 Berichtigungen der Beitragsbedarfe für diese Jahre vorgenommen worden. Für das Jahr 1994 sind dabei die im endgültigen Jahresausgleich 1994 verwendeten Verhältniswerte berücksichtigt worden, für die Jahre 1995 und 1996 sind neue Verhältniswerte ermittelt und der Berechnung zu Grunde gelegt worden. Die sich danach ergebenden Ausgleichszahlungen sind zu je 1/3 auf die Kalenderjahre 1997 bis 1999 verteilt worden, in dem angefochtenen Bescheid wird dementsprechend das auf das Jahr 1997 entfallende Drittel berücksichtigt.
Die Klägerin hat am 23.02.1999 Klage erhoben. Zu deren Begründung hat sie vor allem die unzureichende Datengrundlage bezüglich des Versichertenbestandes gerügt. Insbesondere seien die Familienversichertenverzeichnisse bei den Krankenkassen nur unzulänglich geführt worden. Während sie selbst eine vorbildliche Bereinigung ihrer Mitgliederdateien vorgenommen habe, sei die von den Kassen insoweit vorgenommene Bereinigung der Familienversichertenstatistiken in weitem Umfang nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Prüfungen der Aufsichtsbehörden bei den Kassen bezüglich der Bereinigung der Versichertenstatistiken seien unzureichend gewesen. Zahlreich geprüfte Kassen hätten hohe Fehlerquoten aufgewiesen. Ferner seien die Leistungsausgaben durch ein unzulängliches Verfahren ermittelt worden. Das angewandte Stichprobenverfahren habe keine repräsentativen Daten gewährleisten können. Insoweit rügt sie unter Hinweis auf ein statistisches Gutachten von Kricke/Männer (Repräsentativität der Stichprobenerhebung im Risikostrukturausgleich, Februar 1998) den Stichprobenumfang und die fehlende Repräsentativität der erhobenen Daten. Auch die Neuberechnung des Beitragsbedarfs für die Jahre 1994 bis 1996 sei rechtswidrig. Es liege ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor, ferner werde die haushaltsrechtliche Planbarkeit gefährdet und damit das Selbstverwaltungsrecht verletzt. Soweit die Verhältniswerte für 1995 und 1996 auf der Grundlage der Verhältniswerte von 1997 korrigiert worden seien, sei nicht beachtet worden, dass die Verhältniswerte für 1997 nicht repräsentativ für die Verhältnisse in den Jahren 1995 und 1996 seien, da im Jahr 1997 Gesetzesänderungen im Leistungsrecht wirksam geworden seien.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28.02.2000 den Bescheid insoweit aufgehoben, als er die Beitragsbedarfskorrekturen aus den Vorjahren betrifft (Position 2). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Beide Beteiligte haben gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen ihre Klagebegründung und rügt zusätzlich formelle Mängel des Bescheides (unterbliebene Anhörung, fehlende Begründung). An ihrer Kritik an der Datengrundlage bezüglich der Versichertenzeiten sieht sie sich durch die von ihr vorgenommene Einsicht in die Prüfungsunterlagen bestätigt. Die Prüfungen hätten erhebliche Fehlerquoten ergeben, was die Klägerin im Einzelnen ausführlich darlegt. Mit dieser hohen Fehlerquote könne der RSA nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.02.2000 unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten zu ändern und den Bescheid vom 11.02.1999 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, an sie 50.722.664,37 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 31.03.1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.02.2000 unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Sie wendet sich gegen die Ansicht des Sozialgerichts, die Korrektur des Beitragsbedarfs aus den Vorjahren sei deshalb rechtswidrig, weil die Korrektur des Beitragsbedarfs in ihrem Ermessen gestanden habe und sie individuell auf die jeweiligen Kassen bezogene Ermessenserwägungen hinsichtlich der Verteilung der Ausgleichszahlungen hätte anstellen müssen. Im Übrigen hält sie die Entscheidung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist in vollem Umfang begründet, während die Berufung der Klägerin ohne Erfolg bleibt. Der angefochtene Bescheid vom 11.02.1999 ist rechtmäßig, die Beklagte hat darin den Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1997 zutreffend festgesetzt.
Sowohl die formellen Einwände der Klägerin gegen den Bescheid (fehlende Anhörung, fehlende Begründung) als auch ihre Angriffe gegen das Verfahren zur Ermittlung der Ausgleichszahlungen (Versicherungszeiten, Ermittlungen der Leistungsausgaben) sind unbegründet. Zur Begründung verweist der Senat auf seine den Beteiligten bekannten Urteile vom 28.08.2001 (u. a. L 5 KR 167/00) sowie die Urteile des BSG vom 24.01.2003, u. a. B 12 KR 19/01 R). Der Vortrag der Klägerin in diesem Verfahren ist nicht geeignet, diese Auffassung in Frage zu stellen. Dies gilt auch für ihre Darlegungen zur Höhe der bei den Prüfungen festgestellten Fehlerquoten bei der Führung der Versichertenzeitenstatistiken.
Grundsätzlich geht das Vorbringen der Klägerin schon deshalb fehl, weil ungeachtet der festgestellten Fehlerquote der RSA-Ausgleich für das Jahr 1997 durchgeführt werden musste. Das BSG (a. a. O.) hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber selbst in Kenntnis der immer noch bestehenden Defizite bei den Datengrundlagen die Durchführung des Ausgleichsverfahrens bis Ende Februar 1999 vorgeschrieben hatte. Dass bei einzelnen Kassen (bzw Geschäftsstellen) Fehlerquoten von mehr als 5 % festgestellt worden sind, ändert im Übrigen nichts daran, dass insgesamt bei den Kassenarten – mit Ausnahme der Betriebskrankenkassen (was auf "Ausreißern" bei einzelnen Kassen beruhte) – die Fehlerquote im Bereich von 2,36 % (Ersatzkassen) bis 3,86 % (Innungskrankenkassen) lag. Unabhängig davon dass der Senat nach wie vor bezweifelt, dass tatsächlich Kassen entgegen anders lautender Erklärungen bewusst fehlerhafte Versicherungszeiten gemeldet haben, könnte auch ein solches Verhalten nicht die Durchführung eines RSA in Frage stellen.
Eine Korrekturmöglichkeit für materielle Fehler enthält § 266 Abs. 6 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), so dass bei den Prüfungen festgestellte Fehler auf diesem Wege korrigiert werden könnten. Was die grundsätzliche Durchführung des RSA auch bei zweifelhafter Datengrundlage anbelangt, hat auch das BSG (a. a. O.) betont, dass mit dem RSA Neuland betreten wurde und angesichts der Komplexität der Materie erst Erfahrungen gesammelt werden mussten. Von daher sind in der Anfangsphase des RSA auch Mängel in der Datenbasis hinzunehmen. Inzwischen hat der Gesetzgeber darauf reagiert. Die Verordnungsermächtigung in § 266 Abs. 7 Satz 1 Nr. 11 SGB V erstreckt sich jetzt auch auf die Regelung der Folgen fehlerhafter Datenlieferungen und nicht prüfbarer Daten. Durch die Fünfte Änderungsverordnung vom 04.12.2002 (BGBl. I, 4506) ist in § 15 a Abs. 2 Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) die Hochrechnung für unplausible und fehlerhafte Fälle geregelt und damit eine Korrekturmöglichkeit schon vor Durchführung des Ausgleichsverfahrens geschaffen worden. Für die Zeit davor müssen die – in der Tat bedauerlichen – Defizite hingenommen werden, zumal – wie erwähnt – für tatsächliche materielle Fehler § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V eine Korrektur ermöglicht.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass ohnehin die festgestellte Fehlerquote sich nur auf die Nichtbeachtung der Bestimmungen für die Führung der Versichertenstatistiken bezieht, also nichts darüber aussagt, ob tatsächlich die Versichertenzeiten unzutreffend sind. Ob materiell tatsächlich keine Versicherung bestand (was für die Berücksichtigung im RSA maßgeblich ist), ist nicht Gegenstand der Prüfungen. Von daher geht die Berechnung der Klägerin, wonach ihr Beitragsbedarf bei Zugrundelegung der Fehlerquote des Durchschnitts der GKV rund 24 Mio. DM höher gewesen wäre, von unzutreffenden Annahmen aus. Sie unterstellt nämlich, dass die gemeldeten Versicherungszeiten materiell tatsächlich nicht bestanden, was sich aus der Fehlerquote bei den Prüfungen nicht ergibt.
Auch die rückwirkende Korrektur der Beitragsbedarfe für die Jahre 1994 bis 1996 ist rechtmäßig, insbesondere liegt kein Verstoß gegen das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz) wurzelnde Rückwirkungsverbot vor. Auch insoweit kann zur näheren Begründung auf die genannten Entscheidungen verwiesen werden, auf die die Klägerin nicht eingegangen ist. Bei der Korrektur waren für 1994 die Verhältniswerte nicht zu ändern; der Senat schließt sich auch in diesem Punkt der Auffassung des BSG (a. a. O.) an und verweist auf dessen Ausführungen. Der Bescheid ist somit in vollem Umfang rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen im Hinblick auf die ergangenen Urteile des BSG und der Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.06.2004 (2 BvR 1249/03) nicht vor.
Erstellt am: 24.10.2005
Zuletzt verändert am: 24.10.2005