Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 29.08.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob eine einmalige Kapitalleistung aus einer von einem früheren Arbeitgeber des Klägers als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtig ist.
Der am 00.00.1944 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.10.2005 als Rentner pflichtversichert; zuvor war er vom 01.05.2003 bis 30.09.2005 als Bezieher von Arbeitslosengeld pflichtversichert. Bis zum 31.12.1991 war er als Geschäftsführer bei der Fa. F C GmbH beschäftigt. Diese schloss im Jahre 1987 für den Kläger eine Kapitallebensversicherung als Direktversicherung bei der Schweizerischen Lebensversicherungsanstalt mit einer Versicherungssumme von 45.977,- DM ab. Hierbei wurde das Rentenwahlrecht ausdrücklich ausgeschlossen. Vom 01.04.1992 bis 30.09.1994 arbeitete der Kläger bei der Fa. U GmbH, die während dieses Zeitraumes die Beitragszahlung für die Lebensversicherung übernahm. Nach dem Ende dieses Beschäftigungsverhältnisses ging der Lebensversicherungsvertrag mit allen Rechten und Pflichten auf den Kläger über; der Kläger entrichtete die jeweiligen Versicherungsbeiträge selbst.
Nachdem die Schweizerische Lebensversicherungsanstalt der Beklagten unter dem 16.07.2004 im Rahmen einer "Meldung über Versorgungsbezüge" mitgeteilt hatte, an den Kläger sei eine einmalige Leistung in Höhe von 39.388,10 EUR zum 01.06.2004 ausgezahlt worden, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 10.08.2004 die Höhe der Beiträge unter Berücksichtigung der Kapitalleistung der Schweizerischen Lebensversicherungsanstalt als Versorgungsbezug ab 01.06.2004 neu fest. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Unter dem 20.08.2004 wies die Beklagte auf die Neufassung des § 229 Abs. 1 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hin, nach der auch die von der Schweizerischen Rentenanstalt ausgekehrte Einmalzahlung ab 01.06.2004 der Beitragspflicht unterliege. Durch Bescheid vom 21.12.2004 änderte die Beklagte den Bescheid vom 20.08.2004 insoweit ab, als die Beitragspflicht ab 01.07.2004 beginne. Den Widerspruch wies sie durch den Widerspruchsbescheid vom 10.03.2005 zurück.
Der Kläger hat am 12.04.2005 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen: Die an ihn ausgezahlte einmalige Kapitalleistung aus dem Lebensversicherungsvertrag stelle keinen Versorgungsbezug im Sinne der gesetzlichen Vorschriften dar. Es handele sich um keine rentenähnliche Leistung. Der Begriff der Versorgungsbezüge erfordere zwingend einen Zusammenhang mit der früheren Berufstätigkeit. Ein solcher sei nur gegeben, wenn der Versicherte der betreffenden Einrichtung nur im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit habe beitreten können. Außerdem dürfe die Neuregelung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V nur auf Verträge angewandt werden, die nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift abgeschlossen worden seien.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2005 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass die einmalige Zahlung einer Kapitalleistung aus einem Lebensversicherungsvertrag gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V der Beitragspflicht unterliege.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 29.08.2005 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen den ihm am 20.09.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.10.2005 Berufung eingelegt: Die einmalige Kapitalleistung aus dem Lebensversicherungsvertrag dürfe nicht der Beitragspflicht unterliegen. Den überwiegenden Teil der Kapitalleistung habe er mit eigenen Beiträgen finanziert. Seiner Ansicht nach sei es verfassungswidrig, die Neuregelung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V auf vor Inkrafttreten dieser gesetzlichen Vorschrift abgeschlossene Lebensversicherungsverträge anzuwenden.
Durch Beschluss vom 16.02.2006 hat der Senat den Teil des Verfahrens, der die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Beiträgen zur Pflegeversicherung betrifft, abgetrennt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 29.08.2005 zu ändern und die Bescheide vom 10.08.2004, 20.08.2004 und 21.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Kapitalleistung der schweizerischen Lebensversicherungsanstalt in Höhe von 39.388,10 EUR unterliegt in der Zeit vom 01.07.2004 bis zum 30.06.2014 mit einem monatlichen Betrag in Höhe von 328,23 EUR der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die im Juni 2004 ausgezahlte Kapitalleistung ist gemäß § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V in Höhe von 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Beitragsberechnung zugrunde zu legen. Sie ist eine der Rente vergleichbare Einnahme und damit ein Versorgungsbezug; der Zahlbetrag des Versorgungsbezugs wird u. a. bei Beziehern von Arbeitslosengeld gemäß § 232 a Abs. 4 SGB V i. V. m. § 226 Abs. 1 Nr. 3 SGB V und bei versicherungspflichtigen Rentnern gemäß § 237 Satz 1 Nr. 2 SGB V der Beitragsbemessung zugrunde gelegt.
Die Kapitalleistung ist entgegen der Ansicht des Klägers ein Versorgungsbezug im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Nach dieser Vorschrift gelten Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hütten-knappschaftlichen Zusatzversorgung als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger eine einmalige und keine regelmäßige monatliche Zahlung – wie bei Renten in der Regel üblich – erhalten hat. § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V, der durch das Gesetz vom 14.11.2003 (Bundesgesetzblatt I Seite 2190) eingefügt worden und am 01.01.2004 in Kraft getreten ist, bestimmt nämlich ausdrücklich, dass (im Falle einer Kapitalleistung) 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate, gilt, wenn an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung tritt oder eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden ist. Diese Regelung erfasst auch Kapitalabfindungen, die vor Eintritt des Versorgungsfalles vereinbart oder zugesagt worden sind (vgl. Krauskopf in SGB V, Kommentar, § 229 Rdnr. 16).
Die Leistung der Schweizerischen Lebensversicherungsanstalt stellt sich ferner entgegen der Ansicht des Klägers auch als eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung dar. Der Betriebsbezug einer Leistung kann sich u.a. aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung ergeben (vgl. Bundessozialgericht (BSG), SozR § 180 Nr. 47). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn die (ursprüngliche) Lebensversicherung war als Direktversicherung von dem früheren Arbeitgeber des Klägers, der Firma F C GmbH begründet und von dem weiteren Arbeitgeber des Klägers, der Firma U, fortgeführt worden. Damit liegt auf der Hand, dass das jeweilige Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger die entscheidende Rolle für die Begründung bzw. Fortführung der Lebensversicherung spielte. Der Charakter des Betriebsbezugs ist auch nicht dadurch verlorengegangen, dass die Versicherung zu einem späteren Zeitpunkt auf den Kläger übertragen worden ist. Nach Auffassung des Senats ist entscheidend, dass die während der bestehenden Arbeitsverhältnisse begründete Direktversicherung vom Kläger fortgeführt worden ist und damit die daraus herrührenden Rechte perpetuiert worden sind. Es sollen nämlich nach dem Willen des Gesetzgebers für die Beitragserhebung nur solche Einnahmen unberücksichtigt bleiben, die nicht unmittelbar auf ein früheres Beschäftigungsverhältnis oder eine frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind (vergl. BSG, Urteil vom 30.03.1995, Az 12 RK 29/94, SozR 3-2500 § 229 Nr. 7). Dieser ursächliche Zusammenhang ist aber auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine während seiner Erwerbstätigkeit begründete Direktversicherung fortführt ( so auch Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 03.03.2006, Az L 5 KR 89/04).
Die Betrieblichkeit der Leistung aus der Lebensversicherung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger die Beiträge zur Lebensversicherung seit dem 01.10.1994 selbst aufgebracht hat. In der Rechtsprechung des BSG ist seit langem anerkannt, dass es sich auch dann um Versorgungsbezüge handelt, wenn der Arbeitnehmer die Aufwendungen für eine Direktversicherung selbst getragen hat (vgl. BSG, Urteil vom 26.03.1996, Az.: 12 RK 21/95, SozR 3?2500 § 229 Nr. 13; Urteil vom 21.08.1997, Az.: 12 RK 35/96, Urteil vom 11.10.2001, Az.: B 12 KR 4/02; siehe ferner auch zuletzt LSG NRW, Urteil vom 02.03.2006, Az.: L 16 (2) KR 139/05). Es kommt nämlich allein auf den Zusammenhang der Versorgungsbezüge mit der beruflichen Tätigkeit des Versicherten an, nicht darauf, wer die Leistung finanziert hat (BSG Urteil vom 11.10.2001, Az B 12 KR 4/00 R; vergl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2006, Az L 11 KR 2032/05).
Es ist schließlich auch eine Vergleichbarkeit mit den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung gegeben, denn auch der Kapitalleistung kommt eine Einkommensersatzfunktion zu. Dies ist schon aus der Tatsache zu schließen, dass sie dem Kläger mit Vollendung des 60. Lebensjahres zufließen sollte, einem Zeitpunkt, der als Beginn des Ruhestandes bzw. des Beginns des Bezugs einer Rente (jedenfalls für den Jahrgang des Klägers) grundsätzlich in Betracht kommt; tatsächlich bezieht der Kläger auch eine Rente seit dem 01.10.2005. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Kapitalleistung aus der Direktversicherung das mit Rentenbeginn zu erwartende geringere Einkommen ausgleichen bzw. ersetzen sollte.
Die Regelung des § 229 Absatz 1 Satz 3 SGB V verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht.
Ein das Grundrecht des Klägers aus Artikel 14 GG unzulässig verletzender Eingriff des Gesetzgebers liegt nicht vor. Zwar unterfällt die aus der Lebensversicherung gezahlte Kapitalleistung dem grundgesetzlichen Begriff des Eigentums. Ein unzulässiger Eingriff besteht aber grundsätzlich nicht in der Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten wie etwa der Heranziehung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Dies wäre allenfalls dann anders, wenn die Beitragsbelastung einer "Erdrosselungswirkung" gleichkommen würde (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.04.1989, 1 BvR 1591/87; BVerfG 82, 159, 190 m.w.N.). Davon kann im Falle des Klägers jedoch keine Rede sein. Auch wenn die Kapitalleistung nunmehr beitragspflichtig geworden ist, so verbleibt der ganz weit überwiegende Teil dieser Leistung dem Kläger.
Auch Artikel 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) ergebenden Grundsatz des Vertrauensschutzes ist nicht verletzt. Der Kläger hatte die Lebensversicherung bereits 1992 abgeschlossen. Die Leistung gelangte aber erst zum 30.06.2004, d.h. nach dem Inkrafttreten der Änderung des § 229 Absatz 1 Satz 3 SGB V durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz zur Auszahlung. Es liegt damit ein Fall unechter Rückwirkung vor, denn die hier in Rede stehende gesetzliche Regelung greift in einen noch nicht vollständig abgeschlossenen Lebenssachverhalt ein und regelt ihn (hinsichtlich der Beitragspflicht) neu. Ein solcher Eingriff mit unechter Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und genügt dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfGE 103, 392, 403; ständige Rechtsprechung). In diesem Zusammenhang ist zunächst zu beachten, dass das Vertrauen der Versicherten in den Fortbestand einer günstigen beitragsrechtlichen Lage – die bis 31.12.2003 unterbliebene Heranziehung von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen – angesichts der zahlreichen Änderungen im Beitragsrecht in der Vergangenheit nur eingeschränkt schutzwürdig ist (vgl. auch Beschluss des BVerfG vom 13.12.2002 – 1 BvR 1660/96, NZS 2003, 254). Weiter hat das Bestandsinteresse des Klägers bei der gebotenen Abwägung kein größeres Gewicht als die öffentlichen Belange, die der Gesetzgeber mit der Neuregelung verfolgte. Ziel des Gesetzgebers war es, ein höheres Maß an Beitragsgerechtigkeit bei der beitragsrechtlichen Behandlung von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen zu erreichen. Dies stellt sich als angemessen dar, da ein einleuchtender Grund, Kapitalleistungen aus Direktversuchungen von der Beitragspflicht auszunehmen, nicht ersichtlich ist. Der Gesetzgeber hat aufgrund der weiten Gestaltungsfreiheit im Sozialrecht die Möglichkeit, eine Rechtsposition zum Nachteil der Versicherten für die Zukunft zu ändern.
Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG vor. Angesichts der Tatsache, dass die Neuregelung gerade Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge beseitigen (Bundestagsdrucksache 15/1525 S. 139) und demnach zu einer gleichmäßigen Behandlung aller Betroffenen führen sollte (vergl. Peters, in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 229 Rdnr. 16), entspricht die Vorschrift dem Gleichbehandlungsgrundsatz; ein sachlicher Grund, der zur differenzierenden beitragsrechtlichen Behandlung von Kapitalleistung und Rente nötigen würde, ist nicht ersichtlich. Die Einbeziehung der Versorgungsbezüge in die Beitragspflicht ist vom Bundesverfassungsgericht nicht nur gebilligt, sondern wegen des genannten Solidaritätsprinzips sogar für geboten erachtet worden (vgl. BVerfGE Bd. 79, 223, 237 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 03.08.2006
Zuletzt verändert am: 03.08.2006