Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.03.2006 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte der Klägerin für Sozialhilfeleistungen Kostenerstattung leisten muss.
Frau O N (geb. am 00.00.1973 in C, Kirgisien; Änderung der Namensführung von C auf C nach § 94 Bundesvertriebenengesetz am 22.02.1996) reiste Ende Juni 1995 als Spätaussiedlerin aus der Sowjetunion nach Deutschland ein. Sie wurde zunächst dem Land Sachsen-Anhalt zugewiesen und in das Aussiedlerwohnheim I auf dem Gebiet der Beklagten aufgenommen und erhielt von dort Sozialhilfeleistungen; diese wurden aufgrund der Bewilligung von Eingliederungshilfe für Frau N durch das Arbeitsamt T für 156 Tage (Bescheid vom 18.08.1995) von der Bundesanstalt für Arbeit erstattet. Frau N gab am 06.07.1995 gegenüber dem Beklagten an, sie beabsichtigte, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen (NRW) zu nehmen. Am 26.08.1995 verzog sie in das Gebiet der Klägerin und beantragte hier am 04.09.1995 Sozialhilfeleistungen. Das Arbeitsamt C1 bewilligte ihr mit Bescheid vom 29.12.1995 Eingliederungshilfe ab dem 28.08.1995 für 99 Tage. Es erstattete laut Schreiben vom 27.12.1997 aufgrund eines von der Klägerin angemeldeten Erstattungsanspruchs dieser für Frau N erbrachte Sozialhilfeleistungen für den Zeitraum vom 04.09. bis 20.12.1995 teilweise, nämlich i.H.v. 3.267,00 DM.
Der Ehemann der Frau N, Herr T1 N, reiste am 26.12.1995 aus Russland direkt nach C1. Am 00.00.1996 wurde die gemeinsame Tochter B N geboren.
Unter dem 13.12.1995 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch für Sozialhilfeleistungen an Frau N ab dem 04.09.1995 nach § 107 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) an. Der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, Frau N habe bei ihr in einem Ausländerübergangsaufnahmeheim gelebt; nach § 109 i.V.m. § 97 Abs. 2 BSHG sei die Erlangung des gewöhnlichen Aufenthalts ausgeschlossen gewesen. § 30 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) spreche eindeutig gegen die Erlangung eines gewöhnlichen Aufenthalts auf dem Gebiet des Beklagten, da Frau N keine Wohnung innegehabt habe, die darauf schließen lasse, dass sie diese Wohnung beibehalten und benutzen werde. Ein Hilfeempfänger in dieser Einrichtung lasse in keiner Weise erkennen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Frau N habe zudem am 06.07.1995 erklärt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in NRW zu begründen. Das Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler sei erst am 01.03.1996 in Kraft getreten und auf Frau N nicht anzuwenden.
Die Klägerin teilte dem Beklagten mit, sie könne die Begründung für die Ablehnung des Kostenerstattungsanspruchs nicht akzeptieren. Die Zentrale Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten habe am 16.11.1995 entschieden, dass Aussiedler auch in einem Übergangswohnheim einen gewöhnlichen Aufenthalt erwerben könnten. § 109 BSHG könne nach dieser Entscheidung auf Aussiedlerwohnheime grundsätzlich nicht angewandt werden. Entscheidend für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem Übergangswohnheim sei nach Auffassung der Spruchstelle, ob die Bewohner des Heimes den Zuweisungsort tatsächlich zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen gemacht hätten. Dies könne – abgesehen von der Aufenthaltsdauer – aus Aspekten wie Arbeitslosmeldung, Anmeldung, Kontoeröffnung und Schulbesuch der Kinder geschlossen werden. Damit begründeten Aussiedler regelmäßig auch in Übergangswohnheimen einen gewöhnlichen Aufenthalt. Der Beklagte möge den Kostenerstattungsanspruch anerkennen; sofern eine gesicherte Rechtsprechung zu den streitigen Fragen abgewartet werden solle, möge er auf die Einrede der Verjährung verzichten.
Mit Schreiben vom 27.09.1996 verzichtete der Beklagte hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs auf die Einrede der Verjährung gem. § 113 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Unter dem 16.04.2000 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, zwischenzeitlich sei die streitige Frage zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem Übergangsheim vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 18.03.1999 – 5 C 11/98) in ihrem Sinne entschieden worden. Der Beklagte möge seine Kostenerstattungspflicht für den Zeitraum vom 04.09.1995 bis zum 27.08.1997 anerkennen; die Aufwendungen würden nach Eingang des Anerkenntnisses beziffert.
Der Beklagte übersandte der Klägerin ein Schreiben vom 27.04.2000, das mit "Abgabe eines Kostenanerkenntnisses gem. § 107 BSHG" überschrieben ist. Der Eingang des Antrages auf ein Kostenanerkenntnis betreffend Frau N werde bestätigt. Der "angemeldete Anspruch" werde "dem Grunde nach anerkannt." Bei der Ermittlung des Umfanges der Kostenerstattung möge § 111 Abs. 2 BSHG beachtet werden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen.
Die Klägerin bezifferte daraufhin (Schreiben vom 29.05.2000) ihre Sozialhilfeaufwendungen mit 20.185,96 DM; dabei Bezog sich die letzte aufgeführte Leistung auf eine Beihilfe für Schwangerschaftsbekleidung i.H.v. 330,00 DM, die bereits am 14.08.1997 veranlasst worden war. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlagen zum Schreiben der Klägerin vom 29.05.2000 Bezug genommen.
Nach Einsichtnahme in die Akte der Klägerin teilte ihr der Beklagte mit (Schreiben vom 06.07.2000), die Kostenerstattung müsse ensprechend § 107 Abs. 2 BSHG dennoch abgelehnt werden. Für September bis Dezember 1995 habe Frau N weiterhin Anspruch auf Eingliederungsleistungen des Arbeitsamts gehabt. Die Klägerin habe ihre Vorleistungen für die Monate Oktober bis November 1995 in voller Höhe erstattet erhalten, so dass Frau N in dieser Zeit praktisch keine Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten habe.
Die Klägerin bestand auf der Erstattung; die nachträgliche Erstattung von Aufwendungen durch das Arbeitsamt aufgrund der Bewilligung von Eingliederungshilfe für die Zeit vom 04.09. bis 31.12.1995 führe nicht zu einer Unterbrechung der Sozialhilfegewährung i.S.d. § 107 Abs. 2 BSHG. Diese Rechtsauffassung sei durch die Entscheidung der Zentralen Spruchstelle vom 21.03.1996 bestätigt worden. Der Beklagte teilte der Klägerin mit, das Land Sachsen-Anhalt sei der Zentralen Spruchstelle nicht beigetreten; deren Entscheidungen hätten daher für ihn keine Verbindlichkeit. Nach Zahlungserinnerung durch die Klägerin teilte ihr der Beklagte mit, er sehe in der Erstattung der Aufwendungen für den Zeitraum 04.09. bis 21.12.1995 aus der Eingliederungshilfe eine Unterbrechung nach § 107 Abs. 2 BSHG. Ein dagegen sprechendes, allgemein gültiges Urteil sie ihm nicht bekannt.
Die Klägerin verwies daraufhin auf das Urteil des BVerwG vom 17.08.1995 (NVwZ 1997, 183 = 5 C 26/93); das Gericht habe in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass eine nachträgliche Erstattung von anderen Sozialleistungsträgern nicht zu einer Unterbrechung i.S.d. § 107 Abs. 2 BSHG führe.
Nach nochmaliger Fristsetzung und Klageandrohung der Klägerin teilte ihr der Beklagte mit, eine Zahlung erfolge wegen § 107 Abs. 2 BSHG nicht. Abzustellen sei insoweit auf die Frage, ob materiell-rechtlich ein Anspruch auf Sozialhilfe bestanden habe. Das sei trotz der vorlageweise gewährten Sozialhilfe zu verneinen, wenn Ansprüche auf eine andere Sozialleistung bestanden hätten. Das von der Klägerin benannte Urteil des BVerwG stehe dem nicht entgegen. Dort sei es um eine Rückforderung von einem Sozialhilfeempfänger gegangen, der zeitgleich einen erst später bewilligten Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gehabt habe. Das Gericht habe insoweit festgestellt, die rückwirkende Aufhebung der Sozialhilfebewilligung scheide aus, wenn zum Zeitpunkt der Gewährung ein tatsächlicher Hilfebedarf bestanden habe; Doppelbezug von Leistungen sei dabei in Kauf zu nehmen. Das Gericht habe zudem darauf verwiesen, dass der Sozialhilfeträger verpflichtet sei, sich vorrangige Sozialleistungen von dessen Träger erstatten zu lassen. Im vorliegenden Fall lasse sich der Entscheidung daher nur entnehmen, dass die Klägerin verpflichtet gewesen sei, eine Kostenerstattung beim Arbeitsamt zu suchen, was auch geschehen sei. Das Anerkenntnis des Beklagten sei in Bezug auf die Wohnsitzproblematik in Übergangswohnheimen abgegeben und wirksam angefochten worden. Denn sobald der Beklagte Kenntnis von der Kostenerstattung des Arbeitsamtes erhalten habe, sei aus dem nachfolgenden Schriftverkehr klar erkennbar gewesen, dass er unter den geänderten Voraussetzungen nicht mehr an dem Anerkenntnis festgehalten habe. Falls die Klägerin nach nochmaliger Prüfung durch ihr Rechtsamt an der Klageabsicht festhalte, möge sie sich mit dem Beklagten wegen einer Prozessvereinbarung zur Geltendmachung nur einer Teilforderung in Verbindung setzen, so dass eine Kostenersparnis erreicht werden könne.
Am 10.01.2005 hat die Klägerin ohne erneute Kontaktaufnahme mit dem Beklagten beim Sozialgericht Halle/Saale Klage erhoben. Das Sozialgericht Halle hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 10.05.2005 an das örtlich zuständige Sozialgericht Detmold verwiesen.
Die Klägerin hat u.a. darauf hingewiesen, dass der Beklagte auf die Verjährungseinrede verzichtet und den Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG dem Grunde nach anerkannt habe. Sie hat weiter vorgetragen, § 107 Abs. 2 BSHG stehe einer Erstattungspflicht des Beklagten aus § 107 Abs. 1 BSHG nicht entgegen; Voraussetzung sei, dass Hilfe gewährt worden und länger als zwei Monate nicht mehr zu gewähren gewesen sei. Die rückwirkende Bewilligung von Leistungen des Arbeitsamtes für Frau N führe jedoch nicht zu einer Unterbrechung i.S.d. § 107 Abs. 2 BSHG. Zum Zeitpunkt der Hilfegewährung ab dem 04.09.1995 hätten Frau N die Leistungen des Arbeitsamtes noch nicht zur Verfügung gestanden; die Sozialhilfegewährung sei daher rechtmäßig erfolgt, da im Bedarfszeitraum wegen der noch fehlenden Verfügbarkeit der Eingliederungshilfe des Arbeitsamtes eine Notlage zu beheben gewesen sei. Zwar habe der Entscheidung des BVerwG vom 17.08.2005 – 5 C 26/93 ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen; gleichwohl ergebe sich aus den Ausführungen des Gerichts auch für den vorliegenden Fall ein Kostenerstattungsanspruch. Denn nach dieser Entscheidung werde eine rechtmäßig gewährte Sozialhilfe nicht dadurch rückwirkend rechtswidrig, dass eine vorrangige Sozialleistung erst nachträglich bewilligt worden sei. Nur eine gesetzliche Fiktion könnte bewirken, dass die tatsächliche Notlage im Bedarfszeitraum im Nachhinein als nicht vorhanden gewesen und die Hilfegewährung als zu Unrecht erfolgt anzusehen wäre. Eine solche Fiktion sehe das BSHG jedoch nicht vor. Im Übrigen könne in einem Übergangswohnheim durchaus ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.320,92 EUR (Sozialhilfeaufwendungen für Frau O N für den Zeitraum 04.09.1995 bis 27.08.1997) zuzüglich des gesetzlich geregelten Zinssatzes zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat ergänzend vorgetragen, er sei über die Klage nach erneutem, achtmonatigem Abwarten verwundert, zumal er gebeten habe, die Klägerin möge sich vor Klageerhebung noch einmal mit ihm in Verbindung setzen. Es dürften insoweit auch Verjährungsvorschriften zu prüfen sein. Ein Aufenthalt in einem Ausländerübergangsaufnahmewohnheim nach § 109 BSHG könne keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, weil es sich dabei um eine Einrichtung i.S.v. § 97 Abs. 2 BSHG handele. Zwar habe der Beklagte nach Entscheidungen der Zentralen Spruchstelle über die Möglichkeit einer Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem Ausländerübergangswohnheim dem Grunde nach ein Anerkenntnis abgegeben. Dieses deklaratorische Schuldanerkenntnis sei jedoch nichtig, da ein Erstattungsanspruch dem Grunde nach gem. § 107 Abs. 1 BSHG nicht bestehe. Denn Frau N habe dort keinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz begründet; sie habe dort keine Wohnung gehabt. Sie habe sich weniger als zwei Monate im Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufgehalten und zudem ausdrücklich erklärt, ihren Lebensmittelpunkt in NRW begründen zu wollen. Damit sei ihr Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten von Anfang an nicht auf längere Dauer angelegt gewesen; auch weitere Aspekte für eine soziale Integration in diesem Bereich lägen nicht vor. Wegen der Gewährung von Eingliederungshilfe habe auch kein Anspruch auf Sozialhilfe bestanden; diese sei nur überbrückungsweise geleistet und der Nachrang der Sozialhilfe durch die rückwirkende Gewährung der Eingliederungshilfe wiederhergestellt worden. Es handele sich daher um einen Fall des § 107 Abs. 2 BSHG. Da sie vor dem 01.03.1996 nach Deutschland eingereist sei, ergebe sich auch nichts anderes aus dem Wohnortzuweisungsgesetz für Spätaussiedler.
Mit Urteil vom 27.03.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Frau N habe i.S.v. § 107 Abs. 1 BSHG keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten begründet. Zwar sei es grundsätzlich durchaus möglich, dass Spätaussiedler in einem Übergangswohnheim ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründeten. Ein solcher Aufenthalt werde in der Regel dort begründet, wo man sich bis auf weiteres, nicht nur vorübergehend oder besuchsweise, aufhalte und den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen sehe. In erster Linie sei also auf den Willen des Hilfebedürftigen abzustellen. Frau N habe jedoch gegenüber dem Beklagten am 06.07.1995 erklärt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in NRW begründen zu wollen, und damit ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, im Zuständigkeitsbereich des Beklagten nur vorübergehend zu verweilen. Sie sei bereits nach zweimonatigem Aufenthalt im Übergangswohnheim des Beklagten in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin gezogen. Selbst wenn man jedoch die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bereich des Beklagten annähme, wäre wegen der Gewährung von Eingliederungshilfe für die Zeit von Oktober bis November 1995 durch das Arbeitsamt C1 eine Kostenerstattung nach § 107 Abs. 2 BSHG ausgeschlossen. In diesem Zeitraum habe kein Anspruch auf Sozialhilfegewährung bestanden. Der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe könne nicht durch nachträgliche Gewährung anderer Leistungen ausgeschlossen werden. Dies folge schon aus dem Wortlaut des § 107 Abs. 2 BSHG, der die Verpflichtung zur Kostenerstattung nur entfallen lasse, wenn "keine Hilfe zu gewähren war". Aus dem Urteil des BVerwG vom 17.08.1995 – 5 C 26/93 folge nichts anderes; das Gericht habe dort entschieden, dass vorläufig gezahlte Sozialhilfe bei rückwirkender Gewährung vorrangiger Sozialleistungen nicht vom Hilfeempfänger zurückgefordert werden könne, weil sie gegenüber dem Hilfeempfänger rechtmäßig gewährt worden sei, da die vorrangige Sozialleistung im Zeitpunkt des Bedarfs nicht tatsächlich verfügbar gewesen sei. Über die Rechtmäßigkeit der Sozialhilfegewährung im Verhältnis der Leistungsträger untereinander sage die Entscheidung des BVerwG nichts.
Gegen das am 28.04.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin 26.05.2006 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Umzug von Frau N nach NRW stattfinden könne, habe sich beim Bezug des Übergangswohnheims noch nicht absehen lassen. Das Willensmoment bei der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts werde durch den Wunsch, das Heim sobald wie möglich zu verlassen, nicht in Frage gestellt (BVerwG vom 18.03.1999 – 5 C 11/98). Entscheidend sei, dass Frau N sich vorerst notgedrungen mit dem Aufenthalt im Übergangswohnheim habe abfinden müssen. Bis zum angestrebten, aber noch nicht absehbaren Umzug habe der Aufenthalt dort zwar nicht ihren Wunschvorstellungen entsprochen, sei aber doch von ihrem Willen getragen gewesen. Eine weitergehende Bereitschaft, auch nach dem Verlassen des Wohnheims am Zuweisungsort zu bleiben, sei nicht notwendig. Auch komme es nicht darauf an, dass sich der Aufenthalt im Nachhinein als recht kurzfristig erwiesen habe; eine Mindestaufhenthaltsdauer sei nicht erforderlich. Die Hilfebedürftigkeit von Frau N sei auch nicht nachträglich durch die rückwirkende Bewilligung von Eingliederungshilfe wieder entfallen. Maßgeblich für den Kostenerstattungsanspruch sei allein, ob sie der Hilfe bedurft habe und diese rechtmäßig gewährt worden sei; es komme damit darauf an, ob gegen einen Dritten ein Ersatzanspruch bestehe.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.320,92 EUR (Sozialhilfeaufwendungen für Frau O N für den Zeitraum vom 04.09.1995 bis zum 27.08.1997) zuzüglich Zinsen in gesetzlich vorgesehener Höhe zu zahlen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf das sozialgerichtliche Urteil und seinen bisherigen Vortrag. Frau N habe von Anfang an geäußert, ihren Wohnsitz in NRW nehmen zu wollen; die Klägerin messe diesem Willen überhaupt keine Bedeutung mehr bei. Die Ungewissheit des Umzugszeitpunkts habe nur bestanden, weil das Land NRW nicht ohne weiteres Wohnraum zur Verfügung gehabt habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteilgten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (Schriftsatz des Beklagten vom 21.06.2006, Schriftsatz der Klägerin vom 05.10.2006).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 107 Abs. 1 BSHG liegen nicht vor.
Nach dieser Vorschrift (in der vom 01.01.1994 bis 31.12.2004 und damit auch für den hier streitigen Zeitraum geltenden Fassung) ist, verzieht eine Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts, der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb von Einrichtungen i.S.d. § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Nach Abs. 2 der Vorschrift entfällt die Verpflichtung nach Abs. 1, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Hilfe zu gewähren war (Satz 1). Sie endet spätestens nach Ablauf von zwei Jahren seit dem Aufenthaltswechsel (Satz 2).
Die von der Klägerin geltend gemachte Forderung bezieht sich zwar auf den Zwei-Jahres-Zeitraum i.S.v. § 107 Abs. 2 Satz 2 BSHG. Denn Frau N verzog am 26.08.1995 in das Gebiet der Klägerin, und die letzte von der Klägerin geltend gemachte Sozialhilfezahlung wurde von ihr bereits am 14.08.1997 veranlasst.
Frau N hat jedoch nach Ansicht des Senats auf dem Gebiet des Beklagten einen "gewöhnlichen Aufenthalt" i.S.v. § 107 BSHG nicht begründet. Dem steht das Urteil des BVerwG vom 18.03.1999 – 5 C 11/98 (u.a. DVBl.1999, 1126 – 1128 = FEVS 49, 434 – 441 = Buchholz 436.0 § 107 BSHG Nr. 1 = ZFSH/SGB 2000, 29 – 32 = ZfS 2002, 178 – 181), auf das die Klägerin zur Stützung ihrer gegenteiligen Ansicht verweist, nicht entgegen. Das Gericht hatte dort entschieden, dass Spätaussiedler auch in einem Übergangswohnheim einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 107 BSHG begründen können, wenn sie sich nämlich dort "bis auf weiteres" aufhalten. Im zugrundeliegenden Sachverhalt war eine Familie jedoch erst gut ein Jahr nach Einzug in ein Übergangswohnheim in das Gebiet eines anderen Sozialhilfeträgers verzogen. Das BVerwG hat die Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) herangezogen. Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Das Gericht hat hierzu ausgeführt, zwar sei ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich; vielmehr genüge es, dass sich der Betreffende an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf weiteres" i.S. eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhalte und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen habe. Der Umstand, dass ein Übergangswohnheim nicht zum dauernden Verbleib bestimmt sei und dem Aufenthalt die Merkmale einer selbstbestimmten, auf Dauer eingerichteten Häuslichkeit fehlten, stehe dabei einem zukunftsoffenen Aufenthalt "bis auf weiteres" nicht entgegen. Das BVerwG hat zu dem von ihm beurteilten Sachverhalt jedoch ausdrücklich auf die lange Dauer des Aufenthalts der Spätaussiedlerfamilie in dem Übergangswohnheim abgestellt; es sei nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz entscheidungstragend auf das objektive Moment der über ein Jahr währenden Aufenthaltsdauer in dem Übergangswohnheim abgestellt und die Wünsche, Pläne oder Vorstellungen der Spätaussiedlerfamilie im Zeitpunkt der Aufenthaltsbegründung nicht näher ermittelt bzw. gewürdigt habe. Es sei nicht geltend gemacht worden, die Familie habe sich von vornherein nur in einer anderen Stadt und auf keinen Fall "bis auf weiteres" im Übergangswohnheim aufhalten wollen. Eine im Verfahren vorliegende Erklärung eines Mitglieds der Familie aus der Zeit ca. drei Monate nach dem Einzug ins Wohnheim lasse Rückschlüsse auf einen der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in dem Wohnheim entgegenstehenden Willen nicht zu.
Damit aber hat das BVerwG das Willensmoment – nach Ansicht des Senats zutreffenderweise – gerade keineswegs als zu vernachlässigen angesehen, sondern in dem von ihm entschiedenen Streit aus den Besonderheiten des dortigen Sachverhalts lediglich keinen Anstoß genommen, objektive Umstände ohne weitere Klärung subjektiver Momente als entscheidungserheblich heranzuziehen. Diese objektiven Umstände bestanden im vom BVerwG entschiedenen Fall in einem gut einjährigen Aufenthalt im Wohnheim und zudem im Fehlen einer der Aufenthaltsbegründung entgegenstehenden Willensäußerung. Beides ist jedoch im Falle der Frau N gänzlich anders: Ihr Aufenthalt im Übergangswohnheim dauerte nur etwa zwei Monate, und sie hat sich schon zu Beginn ihres Aufenthalts, nämlich mit der Erklärung vom 06.07.1995, für eine Wohnsitzbegründung in NRW ausgesprochen. Umstände, die bei Einzug ins Wohnheim für ein dortiges Verbleiben "bis auf weiteres" sprachen, lagen dementsprechend keine vor; vielmehr war die Erklärung vom 06.07.1995 gerade ein genau entgegengesetzter Umstand.
Das BVerwG hat zwar in einem Beschluss vom 03.07.2003 – 5 B 211/02 (Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren) unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 18.03.1999 – 5 C 11/98 ausgeführt, eine Zukunftsoffenheit des Verbleibs im Rahmen der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. In diesem Zusammenhang hat es angemerkt, es sei nicht generell ausgeschlossen, von einem gewöhnlichen Aufenthalt selbst dann auszugehen, wenn bei einer Aufenthaltsnahme außerhalb einer Einrichtung eine weitere Heimunterbringung erforderlich sei, aber "bis auf weiteres" nicht realisiert werden könne, und der Betroffene den Lebensmittelpunkt solange außerhalb der Einrichtung habe. Mag die Argumentation der Klägerin daher in die Richtung weisen, ein Umzug von Frau N nach NRW sei anfangs erst als in ungewisser Zeit möglich erschienen, so hält der Senat sie gleichwohl nicht für überzeugend. Denn seinerzeit erschien die organisatorische Bewältigung des Umzugswunsches von Frau N erst in nicht absehbarer Zeit denkbar unwahrscheinlich; der Umzug nach NRW hat sich denn auch alsbald realisieren lassen. Deshalb weist letztlich alles auf ein Fehlen der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts der Frau N auf dem Gebiet der Beklagten hin.
Liegen damit die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 BSHG nicht vor, kommt es auf die zwischen den Beteiligten weiter streitige Frage, ob i.S.v. § 107 Abs. 2 Satz 1 BSHG wegen der rückwirkenden Bewilligung von Eingliederungshilfe des Arbeitsamtes für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Sozialhilfe nach dem BSHG zu gewähren war, nicht an.
Ein Anspruch auf Erstattung von 10.320,92 EUR für erbrachte Sozialhilfeleistungen steht der Klägerin auch nicht etwa deshalb zu, weil die Beklagte sich unbeschadet der zwischen den Beteiligten streitigen Frage zur Auslegung des § 107 BSHG zur Erstattung diese Betrages verpflichtet habe.
Zwar hat die Klägerin im Rahmen dieses Streites zur Auslegung des § 107 BSHG mit Schreiben vom 25.03.1996 auf eine Entscheidung der Zentralen Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten zur Frage des gewöhnlichen Aufenthalts in einem Übergangswohnheim hingewiesen und das Abwarten einer gesicherter Rechtsprechung hierzu gegen den Verzicht des Beklagten auf die Verjährungseinrede angeboten. Dementsprechend hat der Beklagte mit Schreiben vom 27.09.1996 auf die Verjährungseinrede verzichtet. Im Anschluss an das Urteil des BVerwG vom 18.03.1999 – 5 C 11/98 zur Frage dieses gewöhnlichen Aufenthalts hat die Klägerin mit Schreiben vom 16.04.2000 den Beklagten schließlich aufgefordert, die Kostenerstattungspflicht "anzuerkennen", was dieser ohne weitere Prüfung unter dem 27.04.2000 auch tat.
Aus dieser – ausdrücklich so bezeichneten – "Abgabe eines Kostenanerkenntnisses gem. § 107 BSHG" folgt jedoch keine rechtliche Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung des von der Klägerin geforderten Betrages.
Insbesondere kommt eine (zumindest) analoge Anwendung des § 54 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit seiner Regelung des öffentlich-rechtlichen Vertrages in Form des Vergleichsvertrages wegen Ungewissheit über die Rechtslage nicht in Betracht. Denn selbst wenn man trotz Notwendigkeit eines gegenseitigen Nachgebens ein volles Anerkenntnis im Anschluss an einen Streit über die Rechtslage und an ein Abwarten einer höchstrichterlichen Entscheidung noch, zumindest in analoger Anwendung, unter § 54 SGB X fassen wollte, ist jedenfalls die Qulifizierung eines aufforderungsgemäßen Anerkenntnisses als Vergleichsvertrag gesetzlich nicht gewollt. Denn die Möglichkeit des Vergleichsvertrages besteht nur für Verträge i.S.v. § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X und damit für sog. subordinationsrechtliche Verträge bei Verwaltungsaktsbefugnis der Behörde. Zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens besteht jedoch kein Subordinationsverhälnis: Klägerin und Beklagter streiten in ihrer Eigenschaft als örtliche Sozialhilfeträger. Zwischen gleichgeordneten Rechtsträgern besteht jedoch auch für den Fall untereinander geltend gemachter Erstattungsansprüche kein Über- und Unterordnungsverhältnis (Roos, in: von Wulffen [Hg.]), SGB X, 5. Aufl. 2005, vor § 102 Rn. 25 unter Hinweis auf BSG SozR 1300 § 102 Nr. 1 und SozR 3-2600 § 93 Nr. 12 m.w.N.); der erstattungsberechtigte Träger meldet vielmehr seinen Anspruch an, kann den anderen aber nicht anweisen, ihn zu befriedigen.
Beschränkt aber § 54 SGB X den Vergleichsvertrag auf subordinationsrechtliche Verträge, kann das "Anerkenntnis" des Beklagten auch nicht etwa als (allgemeinerer) öffentlich-rechtlicher Vertrag i.S.d. § 53 SGB X angesehen werden. Denn § 54 SGB X ist für den Fall einer – wie hier zwischen von den Beteiligten in ihren Beziehungen gesehenen – rechtlichen Ungewissheit die speziellere Regelung.
Auch aus § 61 Satz 2 SGB X (entsprechende Geltung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) ergibt sich zugunsten der Klägerin von vornherein keine mögliche Anspruchsgrundlage. Denn die Vorschrift ordnet die entsprechende Geltung von Vorschriften des BGB bei öffentlich-rechtlichen Verträgen i.S.d. §§ 53 bis 60 SGB X an. Fragen eines Schuldanerkenntnisses, wie sie im BGB (§ 781) eine Regelung erfahren haben, stellen sich deshalb im Rahmen des § 61 Satz 2 SGB X vorn vornherein nicht.
Das "Anerkenntnis" des Beklagten geht vielmehr ins Leere. Dafür, das Anerkenntnis als eine konstitutive (ohne Rücksicht auf die Rechtslage nach § 107 BSHG die Rechte und Pflichten zwischen den Beteiligten bestimmende) Rechtsgrundlage zur Begründung der Klageforderung anzusehen, fehlt eine Grundlage im SGB X oder im BSHG. Gleichgeordnete Verwaltungsträger sind vielmehr untereinander auf die einvernehmliche Bewertung des Anspruchsbestehens angewiesen oder auf die Klage, die sich ggf. nur materiell-rechtlich (im Erfolgsfalle hier aus § 107 BSHG) begründen lässt, nicht aber allein durch eine den Anspruch bejahende Erklärung des materiell-rechtlich gar nicht verpflichteten Sozialleistungsträgers (zur vergleichbaren Kostengarantie bei der Übernahme von Unterkunftskosten: siehe auch OVG-NRW, Urteil vom 17.10.2000, 22 A 5519/98, WuM 2001, 119).
Doch auch wenn man – etwa i.S. eines auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgedankens – die Regelung über das (abstrakte) Schuldanerkenntnis in § 781 BGB auf öffentlich-rechtliche Leistungsbeziehungen zwischen Sozialleistungsträgern für ent- sprechend anwendbar halten wollte (vgl. hierzu – für die Zeit vor Inkrafttreten des SGB X – etwa BSG vom 06.02.1973 – 10 RV 189/72; vgl. auch für Rechtsverhältnisse zwischen einem Leistungsträger [Krankenkasse] und einem Krankenhaus LSG NS vom 21.02.2001 – l 4 KR 116/99 unter Hinweis auf BSG vom 17.05.2000 – B 3 KR 33/99 R), wäre ein solches Schuldanerkenntnis ohne Rücksicht auf einen dahinter stehenden Rechtsgrund im vorliegenden Fall ersichtlich nicht gewollt gewesen. Denn der Beklagte hat in seiner Anerkenntniserklärung ausdrücklich auf § 107 BSHG Bezug genommen; damit war deutlich, dass er (deklaratorisch) eine Leistungsverpflichtung allein im Rahmen des § 107 BSHG eingehen wollte, welche er nach Einsicht in die Akten der Klägerin und nach näherer Prüfung jedoch – zu Recht – gerade nicht mehr als bestehend ansah. Ein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis erzeugt keinen neuen, selbständigen Anspruch (vgl. Stadler, Jaunig, BGB, 11. Auflage, 2004, § 781 Rdnr. 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Erstellt am: 08.06.2007
Zuletzt verändert am: 08.06.2007