Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten für das gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 01.03.2013 gerichtete Berufungsverfahren ist abzulehnen, weil die sich aus § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ergebenden Voraussetzungen hierfür in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorliegen.
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit und Begründetheit eines Prozesskostenhilfegesuchs ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bzw., wenn das Prozesskostenhilfegesuch bereits früher bewilligungsreif war, der Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs (vgl. hierzu statt vieler LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.03.2012 – L 19 AS 2033/11 B -, juris Rn. 16 m.w.N.; siehe insoweit auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14.04.2010 – 1 BvR 362/10 -, juris Rn. 14 m.w.N.). Die Bewilligungsreife tritt nach ständiger Rechtsprechung des Senats und auch der übrigen Senate des LSG Nordrhein-Westfalen frühestens ein, wenn der Kläger die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne des 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 ZPO i.V.m. der Verordnung zur Einführung eines Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe (Prozesskostenhilfevordruckverordnung – PKHVV) vom 17.10.1994 (BGBl. I S. 3001) in der Fassung des Art. 36 des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) vorlegt (vgl. statt vieler LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 04.03.2010 – L 6 B 158/09 AS -, juris Rn. 8 f.; Beschl. v. 22.03.2012 – L 19 AS 2033/11 B -, juris Rn. 16; Beschl. v. 08.10.2012 – L 12 AS 1762/12 B -, juris Rn. 8 f.). Nach diesen Grundsätzen ist das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers erst am 11.09.2013 bewilligungsreif geworden, da erst an diesem Tag eine ordnungsgemäß ausgefüllte Erklärung unter Verwendung des entsprechenden Vordrucks beim Landessozialgericht eingegangen ist.
2. Am 11.09.2013 lagen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht (mehr) vor.
a) Es kann dahinstehen, ob es im Hinblick auf die im Parallelverfahren L 6 AS 208/12 durch Beschluss vom 24.05.2013 erfolgte Beiladung der Beklagten bereits an hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung im Sinne von § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO fehlt, weil die vorliegende, später anhängig gemachte Klage infolge der Beiladung im Parallelverfahren gegen das Jobcenter wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig geworden ist (vgl. insoweit BSG. Urt. v. 29.03.2001 – B 7 AL 14/00 R -, juris Rn. 14; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30.09.2011 – L 1 AL 70/11 B -, juris Rn. 6), oder ob einer solchen Betrachtungsweise die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach eine Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG ausscheidet, wenn entsprechende Ablehnungsbescheide des Beigeladenen bestandskräftig geworden sind (vgl. BSG, Urt. v. 19.05.1982 – 11 RA 37/81 -, juris Rn. 38), entgegensteht. Ebenso wenig braucht entschieden zu werden, ob die Rechtsverfolgung im Sinne von § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO mutwillig ist, weil der Kläger bislang seine Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens abgelehnt hat und das Verfahren fortführt, obwohl aufgrund der im Parallelverfahren L 6 AS 208/12 erfolgten Beiladung der Beklagten sämtliche Sach- und Rechtsfragen, die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlich sind, dort zu klären sind (vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18.11.2009 – 1 BvR 2455/08 -, juris Rn. 5, 10).
b) In jedem Fall ist zum maßgeblichen Zeitpunkt am 11.09.2013 die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht (mehr) im Sinne von § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich.
Die Erforderlichkeit im Sinne von § 121 Abs. 2 ZPO richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Sie beurteilt sich nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache sowie nach den Fähigkeiten des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Entscheidend ist auch im Rahmen dieser Prüfung, ob ein Bemittelter vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.02.2013 – L 2 AS 2302/12 B -, juris Rn. 20 m.w.N. auch zur Rechtsprechung des BVerfG). Letzteres ist zu verneinen, wenn der Kläger bereits ein Parallelverfahren führt, in dem über dieselben Sach- und Rechtsfragen gestritten wird, in diesem Verfahren aufgrund Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe anwaltlich vertreten ist und die Parallelität der Verfahren erkannt hat oder diese ohne weitere erkennbar ist. Die Verweisung auf Selbsthilfe, d.h. die Prozessführung ohne anwaltliche Vertretung, stellt in diesen Fällen keine unverhältnismäßige Einschränkung der Rechtswahrnehmungsgleichheit dar, weil ein kostenbewusster Bemittelter in der Rolle des Klägers die im Parallelverfahren aufgrund anwaltlicher Beratung gewonnenen Erkenntnisse auf das andere Verfahren übertragen könnte und würde (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.06.2012 – L 19 AS 1899/11 B -, juris Rn. 16; Beschl. v. 07.03.2013 – L 2 AS 1960/12 B -, juris Rn. 10, stRspr. des LSG Nordrhein-Westfalen). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.09.2010 – 1 BvR 1974/08 -, juris, Rn. 16 f.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30.05.2011 – 1 BvR 3151/10 -, juris Rn. 12, 16; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 08.02.2012 – 1 BvR 1120/11, 1 BvR 1121/11 -, juris Rn. 13).
Nach diesen Grundsätzen war jedenfalls im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht (mehr) erforderlich. Zu diesem Zeitpunkt, d.h. am 11.09.2013, war bereits die Beiladung der Beklagten im Verfahren L 6 AS 208/12, in dem der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte aufgrund der Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe vertreten wird, erfolgt. Dies hat zur Folge, dass die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Sach- und Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Frage einer Verurteilung der Beigeladenen gemäß § 75 Abs. 5 SGG vollumfänglich dort zu prüfen waren. Wird das Verfahren L 6 AS 208/12 ordnungsgemäß durchgeführt, wird sich das vorliegende Verfahren erledigen, sei es, weil der Kläger die begehrten Leistungen als Erwerbsfähiger vom Jobcenter erhält oder im Falle der Feststellung fehlender Erwerbsfähigkeit die beigeladene Beklagte rechtskräftig verurteilt wird, sei es, weil die Klage insgesamt rechtskräftig abgewiesen wird. Denn die Entscheidung im Parallelverfahren ist für das vorliegende Verfahren gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 69 SGG bindend. Dementsprechend ist im vorliegenden Verfahren auch nur noch darüber zu entscheiden, ob das Verfahren nach § 114 Abs. 1 Satz 2 SGG ausgesetzt wird oder gemäß § 202 SGG i.V.m. § 251 ZPO zum Ruhen gebracht wird. Bei Einverständnis der Beteiligten käme auch eine senatsübergreifende Verbindung in Betracht. Für keinen dieser Verfahrensschritte benötigt der Kläger einen Rechtsanwalt (vgl. in Bezug auf die Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18.11.2009 – 1 BvR 2455/08 -, juris Rn. 11). Sollte nach Erledigung des Parallelverfahrens ein Bedürfnis für die Fortsetzung des hiesigen Verfahrens entstanden sein, könnte dann ein neuer Prozesskostenhilfeantrag gestellt werden (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Die Erforderlichkeit der Beiordnung ergibt sich am 11.09.2013 auch nicht im Hinblick auf die durchaus nicht unkomplizierte prozessuale Rechtslage. Der Kläger ist durch die Richterbriefe vom 26.06.2013 und 26.07.2013 auf die vorstehend genannten Gesichtspunkte und die rechtlichen Zusammenhänge hingewiesen worden. Insbesondere wird im Richterbrief vom 26.07.2013 darauf hingewiesen, dass das hiesige Verfahren zum Ruhen gebracht werden sollte. Nach dem Zugang dieses Richterbriefes bedurfte es der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht mehr.
Ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu einem früheren Zeitpunkt, insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen im Richterbrief vom 26.06.2013, erforderlich war (vgl. hierzu in einem anderen Fall auch den Beschluss des Senats vom 26.02.2013 – L 9 SO 437/12 B -, juris Rn. 19), wie der Kläger meint, hat der Senat nicht zu beurteilen. Maßgeblich ist vielmehr, wie bereits ausgeführt, allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs. Insoweit besteht Anlass darauf hinzuweisen, dass einem Rechtsanwalt bekannt sein muss, dass für ein ordnungsgemäßes Prozesskostenhilfegesuch ein ordnungsgemäß ausgefüllter Vordruck erforderlich ist. Dies war bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers auch offensichtlich der Fall, denn sie hat bereits in der Berufungsschrift angekündigt, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachzureichen. Dies ist dann jedoch einstweilen unterblieben, obwohl in den Richterbriefen vom 26.06.2013 und 26.07.2013 auf die fehlende Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs hingewiesen worden ist. Wären die notwendigen Unterlagen früher beim LSG eingereicht worden, wäre u.U. eine andere Entscheidung erfolgt.
3. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich eine andere Entscheidung auch dann nicht ergibt, wenn man entgegen den Ausführungen zu 1. annimmt, dass das Prozesskostenhilfegesuch bereits durch den pauschalen Hinweis auf die im Parallelverfahren eingereichten Unterlagen in dem am 01.08.2013 bei Gericht eingegangen Schriftsatz bewilligungsreif geworden ist. Nach den vorstehenden Ausführungen war in Anbetracht des Richterbriefs vom 26.07.2013 bereits am 01.08.2013 eine anwaltliche Vertretung nicht mehr erforderlich.
4. Die fehlende Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts führt dazu, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insgesamt abzulehnen ist, weil in Verfahren, wie dem vorliegenden, in denen Gerichtskosten nicht erhoben werden, ausschließliches Ziel des Antrags auf Bewilligung von PKH die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.02.2013 – L 2 AS 2302/12 B -, juris Rn. 17 m.N.; anders LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.06.2012 – L 19 AS 1899/11 B -, juris Rn. 10 ff. und 14 ff., wo zwischen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Beiordnung eines Rechtsanwalts differenziert wird). Für eine isolierte Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Anwaltsbeiordnung besteht in nach Maßgabe von § 183 SGG kostenprivilegierten Verfahren kein Rechtsschutzbedürfnis.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 02.10.2013
Zuletzt verändert am: 02.10.2013