Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 31.01.2007 betreffend die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 12.02.2007) ist unzulässig.
I. Zwar ist das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht davon ausgegangen, die Rechtsverfolgung der Antragsteller habe keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO).
Denn das Sozialgericht ist selbst davon ausgegangen, einiges spreche dafür, dass die Antragsteller als Roma nicht in das Kosovo abgeschoben werden könnten; die Antragsgegnerin selbst habe für den Fall entsprechender Nachweise die Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstelle der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG in Aussicht gestellt, und der die Antragsteller betreffende Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 12.08.2002 (8 L 1455/02) sei deutlicher Beleg für die Zugehörigkeit der Antragsteller zum Volk der Roma; hiervon gehe schließlich auch die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin in einem Schreiben vom 30.01.2004 aus. Bei ohnehin bestehenden Abschiebehindernissen könne dem Verhalten der Antragsteller jedoch keine ursächliche Bedeutung für die Dauer ihres Aufenthalts zukommen. Für das Bestehen eines Anordnungsgrundes spricht im Übrigen auch, dass die Antragsgegnerin mittlerweile durch Widerspruchsbescheid vom 07.02.2007 dem im Hauptsacheverfahren eingelegten Widerspruch der Antragsteller abgeholfen hat.
Zu Unrecht ist das Sozialgericht allerdings davon ausgegangen, es habe für die Antragsteller kein Anordnungsgrund im Sinne eines Eilbedürfnisses für eine gerichtliche Entscheidung bestanden. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass bei nicht zweifelhaftem Anordnungsanspruch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf Gewährung von Leistungen nach § 2 statt § 3 AsylbLG auch ein Anordnungsgrund besteht. Hiervon war entgegen der Ansicht des Sozialgerichts im (mittlerweile erledigten) vorliegenden Verfahren keine Ausnahme zu machen. Das Sozialgericht verweist im Wesentlichen darauf, dass sich die Antragsteller, die Leistungen nach § 3 AsylbLG mindestens seit März 1997 beziehen, sich erst nach fast zehn Jahren dagegen zur Wehr gesetzt hätten. Daraus zu folgern, die Antragsteller hätten damit gezeigt, auf ungekürzte Leistungen nicht angewiesen zu sein, hält der Senat für – offensichtlich – rechtsirrig. Das Sozialgericht hätte schon von seinem eigenen Rechtsstandpunkt aus insoweit ermitteln müssen, was die Gründe für die Nichtinanspruchnahme erhöhter Leistungen gewesen sind; denkbar erscheint z.B., dass die Antragsteller insoweit schlichtweg einem Rechtsirrtum bzw. einer Unkenntnis hinsichtlich ihrer Ansprüche unterlegen waren. Dass das Sozialgericht dieser Frage nachgegangen wäre, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist die Nichtinanspruchnahme gesetzlich vorgesehener Leistungen kein vorwerfbares Verhalten. Die in diesem Sinne deutlich verspätete Inanspruchnahme dieser Leistungen ist ebenso wenig vorwerfbar; wenn allerdings diese Leistungen dann rechtmäßig beantragt werden, besteht ein Eilbedürfnis schon deshalb, weil es sich bei ihnen um dasjenige handelt, was nach der gesetzlichen Wertung das soziokulturelle Existenzminimum darstellt.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Antragsteller mit ihrem Widerspruch vom 02.09.2006 der Antragsgegnerin zunächst eine Frist bis zum 04.10.2006 gesetzt hatten, um über den Widerspruch zu entscheiden, und allein für den Fall der nicht rechtzeitigen Entscheidung ein sozialgerichtliches Eilverfahren angekündigt hatten. Tatsächlich ist der Antrag dann am 14.10.2006 gestellt worden. Wenn das Sozialgericht hierin einen Missbrauch des Rechtsinstituts des einstweiligen Rechtsschutzes sieht, weil hierdurch eine bevorzugte Bearbeitung eines eingelegten Widerspruchs durchgesetzt werden solle, was bei der Kürze der gesetzten Frist der Wertung in § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) widerspreche, so hält der Senat diese Ansicht des Sozialgerichts für nicht nachvollziehbar. Die Handlungsweise der Antragsteller war insoweit vielmehr lediglich Ausdruck des Bemühens der Antragsteller um Fairness gegenüber der Antragsgegnerin bei der Durchsetzung ihrer berechtigten Ansprüche, welche sie bereits mit ihrem Antrag auf erhöhte Leistungen zum Ausdruck gebracht haben. Die Wertung des § 88 Abs. 2 SGG als entgegenstehend heranzuziehen, hieße, von vornherein jeglichen einstweiligen Rechtsschutz vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens auszuschließen, was erkennbar nicht Sinn des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG ist. Es ist durchaus erlaubt, nach Widerspruchseinlegung zunächst eine Frist von etwa sechs Wochen verstreichen zu lassen, bevor um entsprechenden gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht wird; es handelt sich insoweit lediglich um ein Entgegenkommen der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin.
II. Gleichwohl hat die Beschwerde keinen Erfolg, da den Antragstellern für die Beschwerde ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn sie hätten bei sachgerechtem prozessualen Vorgehen eine volle Erstattung ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten ohne unzumutbaren Aufwand anderweitig herbeiführen können:
Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 10.02.2007 mitgeteilt, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werde zurückgenommen und im übrigen gegen den Beschluss vom 31.01.2007 Beschwerde eingelegt.
Durch die Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist der Beschluss des Sozialgerichts, soweit es nicht um die Gewährung von Prozesskostenhilfe ging, rechtskräftig geworden. Zwar war Grund für die Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung offenbar die mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2007 erteilte Abhilfe im Verwaltungsverfahren und damit ein erledigendes Ereignis in der Hauptsache. Gleichwohl ist zumindest dann, wenn ein Antragsteller – wie hier – durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, die ausdrückliche Erklärung, der Antrag werde zurückgenommen, nicht etwa dahin auszulegen, die Hauptsache werde für erledigt erklärt. Denn von einem Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass ihm der Unterschied zwischen einer Rücknahme und einer Erklärung der Erledigung der Hauptsache geläufig ist; wenn er deshalb die Rücknahme seines Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erklärt, ist davon auszugehen, dass er bewusst diese Rücknahme und bewusst nicht die Erledigung der Hauptsache gemeint hat.
Mit der Antragsrücknahme durch die Antragsteller ist im vorliegenden Fall jedoch auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) rechtskräftig geworden; das Sozialgericht hat es in dem (insoweit nicht angefochtenen) Beschluss vom 31.01.2007 abgelehnt, der Antragsgegnerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aufzugeben. Auf ausdrückliche Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 05.03.2007 (unter Hinweis auf die Frage der isolierten Anfechtbarkeit einer Kostenentscheidung) hat der Bevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 13.03.2007 auch nochmals klargestellt, dass allein eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben werden sollte.
Hätten die Antragsteller jedoch anstelle der Antragsrücknahme das Verfahren nach Einlegung der Beschwerde in der Hauptsache für erledigt erklärt, wären der Beschluss des Sozialgerichts hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auch die dazugehörige Kostenentscheidung nach § 193 SGG nicht in Rechtskraft erwachsen. Die Antragsteller hätten dann mangels rechtskräftiger Entscheidung des Sozialgerichts über die Kosten noch die Möglichkeit gehabt, zu beantragen, ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen (§ 193 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGG in entsprechender Anwendung). Da – wie sich aus den Ausführungen zu I. ergibt – das Sozialgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtsfehlerhaft nicht stattgegeben hat, die Antragsteller mithin in erster Instanz bei zutreffender Rechtsfindung hätten obsiegen müssen, wären der Antragsgegnerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aufzuerlegen gewesen.
Dann aber bestand bereits bei Einlegung der Beschwerde für die Antragsteller die Möglichkeit, die Landeskasse selbst bei – formaler – Bewilligung von Prozesskostenhilfe von sämtlichen Ausgaben für Prozesskostenhilfe im vorliegenden Verfahren freizustellen. Denn der Kostenerstattungsanspruch gegen die Antragsgegnerin hätte mit Erfolg und ohne unzumutbaren Aufwand durchgesetzt werden können; insbesondere wäre nicht damit zu rechnen gewesen, dass die Antragsgegnerin als Kommune nicht willens gewesen wäre, einer gerichtlichen Kostenauferlegung ohne weiteres Folge zu leisten, oder dass sie finanziell nicht in der Lage gewesen wäre, diese Kosten auszugleichen.
Dass sich die Antragsteller mit der Rücknahme ihres Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes der Möglichkeit begeben haben, die Landeskasse im Ergebnis von Prozesskostenhilfeaufwendungen freizuhalten, lässt ihre gleichzeitig mit der Rücknahme eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtsmissbräuchlich erscheinen. Denn Prozesskostenhilfe ist eine Sonderform der Sozialhilfe (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. 2003, Rn. 1 und 151, m.w.N.: "Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen"). Insofern kann für die Prozesskostenhilfe nicht anders als für die allgemeine Sozialhilfe nur gelten, dass Hilfe nur dann zu gewähren ist, wenn die Hilfebedürftigkeit nicht (zumutbar) anderweitig beseitigt werden kann (vgl. zum sozialhilferechtlichen Selbsthilfegrundsatz etwa Rothkegel, Sozialhilferecht, 2005, II.7. Rn. 10 ff.). Zwar ist bei Vorliegen der in einem standardisierten Verfahren festgestellen persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 73a SGG i.V.m. § 115 ZPO) diese grundsätzlich auch dann zu bewilligen, wenn das künftige Entstehen eines sicher durchsetzbaren Kostenerstattungsanspruchs gegen den Prozessgegner bereits wahrscheinlich oder gar sicher erscheinen sollte. Begibt sich jedoch der Hilfebedürftige – wie im vorliegenden Fall die Antragsteller durch das geschilderte prozessuale Vorgehen – von vornherein einer an sich naheliegenden Selbsthilfemöglichkeit, besteht jedenfalls für ein erst zeitgleich mit dieser Begebung eingeleitetes Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe keine Rechtfertigung mehr, die Landeskasse erst durch die Beschwerdeentscheidung mit Hilfeaufwendungen zu belasten, die bei sachgerechtem Prozedieren zumutbar und einfach vermeidbar gewesen wären.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 07.08.2007
Zuletzt verändert am: 07.08.2007