Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung des an die Eltern des Klägers gezahlten Kindergeldes auf die ihm gewährten Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung.
Der am 00.00.1969 geborene Kläger bewohnt eine eigene Wohnung im Rahmen des Betreuten Wohnens und bezieht seit dem 01.01.2005 Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII). Zusätzlich erhält er eine Lohnprämie für seine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Die Eltern des Klägers erhalten für diesen Kindergeld. Bis zum 31.12.2004 bezog der Kläger Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG). Darauf wurde ein Kindergeldbetrag in Höhe von 154,00 EUR angerechnet.
Am 15.11.2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII.
Mit Bescheid vom 21.12.2004 gewährte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.2005 in Höhe von 516,10 EUR monatlich. Ausweislich der beigefügten Berechnung berücksichtigte die Beklagte neben einem bereinigten Erwerbseinkommen in Höhe von 140,28 EUR den Kindergeldbetrag in Höhe von 154,00 EUR monatlich als Einkommen des Klägers.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 03.01.2005 am 06.01.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, Anspruchsberechtigte des Kindergeldes seien seine Eltern. Aus § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ergebe sich im Umkehrschluss, dass bei volljährigen Kindern das Kindergeld den Eltern zugerechnet werden müsse.
Mit Bescheid vom 21.01.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger, wiederum unter Anrechnung von Kindergeld, Leistungen für die Zeit vom 01.02.2005 bis 31.12.2005 in Höhe von 516,10 EUR monatlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, dass der Schutzauftrag des Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) von den Eltern nur erfüllt werden könne, wenn sie die Befugnis hätten, ihrem einkommens- und vermögenslosen Kind das weiterzuleiten, was ihnen die staatliche Gemeinschaft für das Kind zuwende. Darüber hinaus habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 09.04.2003 (1 BvR 1/01, 1 BvR 1749/01) ausgeführt, dass das Kindergeld nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 31 Einkommenssteuergesetz (EStG) ein steuerlicher Ausgleich und zugleich eine familienfördernde Sozialleistung sei. Dabei werde weder gesetzlich bestimmt noch sei nach festen Beträgen bestimmbar, welcher Anteil des Kindergeldes auf die steuerliche Entlastung entfalle und welcher staatliche Förderleistung sei. Allerdings diene gerade der Steuerausgleich der Freistellung des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarfes eines Kindes, also auch des Bedarfs, der die Existenz des Kindes sicher stelle. Soweit dieser Bedarf vom Unterhaltspflichtigen mit seinen Unterhaltszahlungen in Höhe des notwendigen Minimums nicht abgedeckt werde, könne das Kindergeld nicht die Funktion einer steuerlichen Entlastung haben. Die Belastung, die insoweit nicht vorhanden sei, sei auch nicht steuerlich auszugleichen. Vielmehr sei das Kindergeld in diesem Umfang Sozialleistung zum Zwecke der Sicherung des Existenzminimums des Kindes. Der Lebensunterhalt werde durch die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII sicher gestellt. Das Kindergeld könne also nicht die Funktion einer steuerlichen Entlastung haben, sondern habe als Sozialleistung den Zweck, das Existenzminimum zu sichern.
Der Kläger hat am 09.03.2006 Klage erheben lassen, wobei die Klageschrift von einer Sozialarbeiterin unterschrieben war. Zur Begründung hat der Kläger in einem von ihm unterschriebenen Schriftsatz unter Hinweis auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ausgeführt, dass auch das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidungen der dortigen Vorinstanzen bestätigt habe, die das Kindergeld nicht als Einkommen angesehen hätten. Ihm sei in der Vergangenheit zu Unrecht das Kindergeld von der Sozialhilfe abgezogen worden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2005 zu verurteilen, weitere Grundsicherungsleistungen in Höhe von 154,00 EUR monatlich zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung sei nicht übertragbar. Die Regelung des § 82 SGB XII diene nach der Gesetzesbegründung der Anrechnung des Kindergeldes bei minderjährigen Kindern zur Klarstellung der unterschiedlichen Anrechnungspraxis. Abgestellt worden sei auf minderjährige Kinder, da diese typischer Weise in einem gemeinsam wirtschaftenden Familienhaushalt lebten und damit der gesonderte Zuwendungsakt des Kindergeldes von den Eltern an die Kinder fast nie erfolge, obwohl das Kindergeld für die Kinder verwendet werde. Die Beweislast für das Nichtvorhandensein eigener Mittel trage der Hilfesuchende, so dass der Verweis auf § 74 EStG grundsätzlich möglich sei. Diese vorrangige Selbsthilfemöglichkeit finde erst dann ihr Ende, wenn diese dem Hilfesuchenden nicht zumutbar sei.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21.11.2006 der Klage stattgegeben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung und Abänderung des Bescheides vom 21.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2005 verurteilt, weitere Grundsicherungsleistungen in Höhe von 154,00 EUR monatlich zu zahlen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Gesetzgeber anders als für den Fall des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII für volljährige Kinder keine Regelung getroffen habe, und dass die genannte Vorschrift auch nicht analog auf diese angewendet werden könne. Hierfür spreche die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 8 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld – Alg II-V. Auch dürfe die Entscheidung des Gesetzgebers, dass Unterhaltsansprüche behinderter volljähriger Kinder gegenüber ihren Eltern in den Fällen des § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XII nicht zu berücksichtigen seien, nicht dadurch unterlaufen werden, dass Teile des Elterneinkommens, wie Kindergeld, auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet würden.
Gegen das am 30.11.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.12.2006 Berufung eingelegt, mit der sie ihre Auffassung, dass das Kindergeld bei erwachsenen Hilfeempfängern Einkommen sei, vertieft.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 21.11.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und den Verwaltungsvorgang, der in der mündlichen Verhandlung vorgelegen hat, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist die Mindestberufungssumme nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von 500,01 EUR überschritten. Gestritten wird um die Anrechnung von monatlich 154,00 EUR Kindergeld auf die Leistungen des Klägers nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Der Bescheid vom 21.12.2004 verhält sich über den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2005. Damit ist von einem im Streit stehenden Betrag von 12 x 154,00 EUR = 1.848,00 EUR auszugehen.
Gemäß § 86 SGG ist Verfahrensgegenstand auch der während des Widerspruchsverfahrens ergangene Bescheid vom 21.01.2005, der sich über den Zeitraum vom 01.02.2005 bis zum 31.12.2005 verhält. Er ist in das Verfahren einzubeziehen.
Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
Die Klage ist zulässig geworden, nachdem der Kläger mit dem eigenhändig unterschriebenen Schriftsatz vom 21.04.2005 die Klage begründet hat, und damit zu erkennen gegeben hat, dass er die zuvor von einer vollmachtlosen Vertreterin erhobene Klage genehmigt.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, weil die angefochtenen Bescheide vom 21.12.2004 und 21.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2005 den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten verletzen, soweit die Beklagte das für ihn gezahlte Kindergeld als sein Einkommen leistungsmindernd berücksichtigt hat.
Der Kläger bezieht von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII. Gegen das grundsätzliche Bestehen des Anspruchs, der auch zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, bestehen angesichts der Behinderung des Klägers keine Bedenken. Nach § 42 Abs. 2 SGB XII besteht der Leistungsanspruch, soweit der Leistungsberechtigte seinen Lebensunterhalt nicht aus seinem Einkommen und Vermögen gemäß §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII beschaffen kann. Nach Überzeugung des Senates bestehen gegen die Bedarfsberechnung, in die der Beklagte einen Regelsatz von 345,00 EUR und einen Mehrbedarf nach § 42 Abs. 3 SGB XII in Höhe von 58,65 EUR eingesetzt hat, keine Bedenken. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass der Unterkunftsbedarf sowie das Erwerbseinkommen des Klägers richtig berechnet worden ist.
Ebenso wie das Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass das an die Eltern gezahlte Kindergeld (§§ 62ff. EStG) nicht als Einkommen des Klägers im Sinn des § 82 Abs. 1 SGB XII anzusehen ist. Nach dieser Vorschrift gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld und Geldeswert. Die gesetzlich näher bezeichneten Ausnahmen sind hier nicht einschlägig. Dass das Kindergeld eine Einkunft in Geld darstellt, bedarf keiner näheren Begründung. Entgegen der Ansicht der Beklagten zählt Kindergeldeinkommen im Fall des Klägers jedoch nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 SGB XII zu seinem Einkommen. Es ist vielmehr Einkommen der Eltern und kann deshalb nicht als eigenes Einkommen auf seine Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII angerechnet werden.
Hierauf deutet zunächst § 62 Abs. 1 Satz 1 EStG hin. Danach wird das Kindergeld nicht etwa dem Kind selbst gewährt. Anspruch auf Kindergeld hat vielmehr ein im Gesetz näherer bezeichneter Anspruchsberechtigter "für" Kinder. Das Kind selbst und der Kindergeldanspruchsberechtigte fallen damit personell auseinander (vgl. BVerwG, Urteile vom 21.06.2001, 5 C 7/00, BVerwGE 114,339, vom 25.11.1993, 5 C 8/90, BVerwGE 94, 326, vom 17.12.2003, 5 C 25/06, NJW 2004, 2541; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.04.2006, L 8 SO 121/05, bestätigt durch BSG, Urteil vom 08.02.2007, B 9b SO 5/06 R; Wahrendorf, Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 82 SGB XII RdNr. 18f.; Adolph, Linhart/Adolph, Sozialgesetzbuch II/Sozialgesetzbuch XII, 2006, § 82 RdNr. 44f.). Auch für Leistungen nach dem früheren GSiG galt nichts anderes (BVerwG, Beschluss vom 10.12.2004, 5 B 47/04, RdLH 2005, 29).
Auch aus dem Zweck der Kindergeldgewährung folgt keine von dieser Anspruchsberechtigung unabhängige Zuordnung des Kindergeldes als Einkommen des Kindes selbst. Nach der steuerrechtlichen Regelung des Kindergeldes (§§ 31, 62ff. EStG) fallen wegen eines Kindes in Höhe des Kindergeldes entweder weniger Steuern an, oder das Kindergeld ist eine Leistung zur Förderung der Familie und fließt in dieser Höhe als Einkommen zu. Denn nach § 31 Satz 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch Kindergeld nach dem Zehnten Abschnitt des EStG bewirkt. Dies bedeutet indes nicht, dass Kindergeld solle – gleichsam wie eine in der Höhe entsprechende Direktleistung – das Existenzminimum des Kindes abdecken. Zweck des Kindergeldes ist vielmehr allein die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes. Das Kind erhält nicht etwa selbst, vertreten durch seine Eltern, Kindergeld als Einkommen zur Sicherung seines Existenzminimums. Vielmehr bleibt der Teil des Einkommens der Eltern steuerfrei, der zur Sicherung des Existenzminimums des Kindes notwendig ist. Diese Steuerfreistellung führt zu einem höheren Nettoeinkommen des Kindergeldberechtigten, nicht etwa zu einem Einkommen des Kindes selbst, für das Kindergeld gewährt wird. Im Übrigen dient das Kindergeld, soweit es für die Zwecke des § 31 Satz 1 EStG nicht erforderlich ist, nach Satz 2 der Vorschrift der Förderung der Familie. Nach dieser gesetzlichen Formulierung bezweckt es damit nicht allein oder vorrangig die Förderung des Kindes, für das es gewährt wird (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17.12.2003, a.a.O.). Eine solche, nicht allein am Kind selbst haftende Zweckbestimmung des Kindergeldes kommt schließlich auch in der Gesetzesüberschrift zu § 31 EStG "Familienlastenausgleich" zum Ausdruck. Ob von diesem Grundsatz der Zuordnung des Kindergeldes als Einkommen des Kindergeldberechtigten und nicht des Kindes selbst eine Ausnahme in den Fällen zu machen ist, in denen ein Elternteil dem Kind das an ihn ausgezahlte Kindergeld gezielt zuwendet, kann der Senat offen lassen, weil dies hier nicht der Fall ist. Nach § 1 Nr. 8 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld Verordnung vom 22.08.2005 (Bundesgesetzblatt I, Seite 2499) hingegen ist Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen als Einkommen des Kindes anzurechnen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird. Eine vergleichbare Regelung kennt das SGB XII nicht. Aus dem Vergleich der unterschiedlichen Regelungen zur Anrechnung von Kindergeld bei volljährigen Kindern ist durchaus der Schluss zu ziehen, dass für das SGB XII das Kindergeld Einkommen des Kindergeldberechtigten bleibt, auch wenn das volljährige Kind nicht mehr im Haushalt des Berechtigten lebt. Es bleibt mithin dabei, dass der Gesetzgeber durch die ausdrückliche Zuordnung des Kindergeldes nur für minderjährige Kinder als deren Einkommen nach Maßgabe des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII Kindergeld für volljährige Kinder im Sinne des vom Sozialgericht gezogenen Umkehrschlusses gerade aus der Anrechnung als Einkommen des Kindes selbst herausnehmen wollte. Zwar schweigen insoweit die Gesetzematerialien (BT-Drucks. 15/1514, Seite 65 zu § 77 des Entwurfs). Dort ist lediglich erwähnt, dass die Zurechnung des Kindergeldes beim minderjährigen Kind, das typischer Weise in einem gemeinsam wirtschaftenden Haushalt lebt, die Beseitigung der Sozialhilfebedürftigkeit möglichst vieler Kinder bezwecke. Andernfalls machte jedenfalls die ausdrücklich gesetzliche Beschränkung auf Minderjährige keinen Sinn, und der Gesetzgeber hätte die Vorschrift allgemein auf Kinder, gleich viel, ob minder- oder volljährig, beziehen können (vgl. hierzu Lücking, Hauck/Noftz, SGB XII, § 82 RdNr. 25).
Hinzu kommt, dass für erwachsene Kinder mit Behinderungen, wie beim Kläger, Kindergeld länger bezogen werden kann als für gesunde Kinder (§ 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG). Das Gesetz nimmt damit Rücksicht auf die besondere Bedarfslage, die gerade durch die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen des Kindes entsteht. Schon insoweit ist davon auszugehen, dass diese ausnahmsweise Gewährung von Kindergeld für ein volljähriges Kind nicht die selben Bedarfe abdeckt, wie sie – auch bei Erwerbsminderung im Sinne der Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII – die bloße Grundsicherung sicher stellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur parallelen Rechtsfrage im Rahmen GSiG deshalb zu Recht betont, dass bei behinderten Kindern, die mit ihren Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben, in der Regel außergewöhnliche Aufwendungen von den Eltern getragen werden. Diese auf die Behinderung zurückgehenden besonderen Belastungen erlaubten eine Zweckbestimmung des Kindergeldes dahingehend, gerade die Mehrkosten aufgrund dieser besonderen Belastungen aufzufangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2005, 5 C 28/04). Mit der Vorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Einkommensanrechnung von Kindergeld nur für minderjährige Kinder als zumutbar erachtet wird, dass er den besonderen Ansprüchen behinderter Kinder im Erwachsenenalter jedoch Rechnung trägt, da mit zunehmendem Alter auf die Eltern Sonderbelastungen zukommen können. Wenn die Beklagte schließlich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verweist, die zwischen steuerlicher Entlastung und Sozialleistung zur Sicherung des Existenzminimums durch Kindergeld unterscheide, so verkennt sie, dass es in den Fällen von Gewährung von Kindergeld für ein erwachsenes, behindertes Kind wie den Kläger gerade um Sonderbedarfe geht, die mit Leistungen auf dem Niveau des Vierten Kapitels des SGB XII regelmäßig nicht aufgefangen werden.
Nicht zu entscheiden hat der Senat, ob bei einer Auszahlung des Kindergeldes an das Kind selbst nach § 74 Abs. 1 EStG das Kindergeld als eigenes Einkommen des Kindes auf dessen Leistungen nach dem SGB XII anzurechnen wäre. Zwar spräche nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 82 Abs. 1 SGB XII einiges dafür, dass in diesem Fall dass Kindergeld Einkommen des Kindes wäre. Der Kläger erhält jedoch das Kindergeld nicht an sich selbst ausgezahlt. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Nach Satz 3 gilt dies auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass ein Nichtbefolgen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht in Betracht zu ziehen ist, und sich auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 3 ergeben haben.
Der Kläger selbst hat bisher auch keinen Antrag gestellt, das Kindergeld an sich auszahlen zu lassen. Insofern trifft ihn auch keine Obliegenheit zur Selbsthilfe. Der Grundsatz zur Selbsthilfe lässt sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ableiten. Sozialhilfe erhält danach nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Die Obliegenheit zur Selbsthilfe findet dort ihre Grenze, wo sie mit gesetzlichen Wertungen nicht zu vereinbaren ist. Kindergeld ist- wie bereits dargelegt- kein Einkommen des Kindes, sondern es handelt sich um eine Leistung des Familenlastenausgleichs. Normtypischer Fall des § 74 Abs. 1 EStG ist jedoch der, dass der Kindergeldberechtigte dem Kind gegenüber seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt, und damit das Kind ohnehin auf sich gestellt ist. Dann aber besteht kein Grund mehr, dem Kindergeldberechtigten einen Familienlastenausgleich zu gewähren. Den Kläger aus grundsätzlichen Erwägungen zu einem Antrag auf Auszahlung des Kindergeldes an sich selbst zu veranlassen – was im bisherigen Verwaltungsverfahren von ihm auch nicht von Seiten der Beklagten verlangt worden ist -, hieße die einen Sonderfall betreffende Vorschrift des § 74 Abs. 1 EStG zum "Regelfall" zu machen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Im Hinblick darauf, dass das Bundessozialgericht bisher über die Anrechnung von Kindergeld erwachsener, im Haushalt des Berechtigten lebender Kinder entschieden hat, im vorliegenden Fall jedoch um die Anrechnung von Kindergeld eines erwachsenen, nicht im Haushalt des Berechtigten lebenden Kindes gestritten wird, lässt der Senat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zu.
Erstellt am: 17.09.2007
Zuletzt verändert am: 17.09.2007