Die Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.02.2007 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Beklagte den Klägerinnen außergerichtliche Kosten zu erstatten hat.
Die Klägerinnen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen, legten am 26.09.2006 (Schreiben vom 22.09.2006) durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen die den Leistungen seit dem 01.10.2005 zu Grunde liegenden Bescheide ein. Mit Schreiben vom 27.09.2006 teilte die Beklagte den Klägerinnen mit, der Antrag sei zur Prüfung des ausländerrechtlichen Tatbestandes an die Ausländerbehörde weitergeleitet worden. Sobald von dort eine Antwort vorliege, werde man unaufgefordert auf die Klägerinnen zurückkommen. Die Ausländerbehörde antwortete mit Schreiben vom 10.10.2006 (Eingang bei der Beklagten am 03.11.2006). Mit weiteren Schreiben vom 30.10. und 05.12.2006 teilte die Beklagte mit, das Schreiben der Klägerinnen könne noch nicht abschließend bearbeitet werden. Sobald wie möglich werde weitere Nachricht gegeben. Am 12.12.2006 wurde eine weitere Stellungnahme der Ausländerbehörde angefordert. Hiervon setzte die Beklagte die Klägerinnen mit Schreiben vom selben Tag in Kenntnis und verfügte eine Wiedervorlage der Akten für den 08.01.2007.
Am 27.12.2006 haben die Klägerinnen Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Zureichende Gründe für die Verzögerung seien auch aus den Mitteilungen der Beklagten nicht ersichtlich. Eine etwaige Verzögerung durch die Ausländerbehörde müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Selbst wenn besondere Umstände eine Verzögerung rechtfertigen sollten, müsse die Beklagte die zur Beschleunigung erforderlichen Maßnahmen treffen. Solche Beschleunigungsmaßnahmen seien nicht ersichtlich. Die Formulierung der Mitteilung vom 12.12.2006 ("ihres Antrages") deute im Übrigen darauf hin, dass der Sachbearbeiter wie in anderen Fällen auch möglicherweise der irrigen Auffassung sei, das Widerspruchsverfahren als Antragsverfahren betreiben zu können.
Nach Erhalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2007 haben die Klägerinnen die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, den Klägerinnen ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Zur Begründung haben die Klägerinnen darauf hingewiesen, das Schreiben der Ausländerbehörde vom 10.10.2006 habe drei Wochen und drei Tage benötigt, um bei der Beklagten einzugehen. Ein zureichender Grund für einen solch langen Postlauf innerhalb einer Stadtverwaltung sei nicht erkennbar. Sodann seien weitere fünfeinhalb Wochen vergangen, bevor die Ausländerbehörde erneut kontaktiert worden sei. Auch für diese Verzögerung, die unmittelbar in den Verantwortungsbereich der Beklagten falle, sei ein zureichender Grund nicht ersichtlich. Es liege auf der Hand, dass bei einem Ablauf der Frist des § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz am 22.12.2006 eine bloße Anfrage am 12.12.2006 die Fristeinhaltung höchst gefährde. Daher hätte bereits am 12.12.2006 und nicht erst am 05.01.2007 eine gezielte Nachfrage bei der Ausländerbehörde erfolgen müssen. Bei diesem Sachverhalt könne dahinstehen, ob der Ausländerbehörde überhaupt mitgeteilt worden sei, dass ein Widerspruchsverfahren laufe. Die Mitteilungen über etwaige Verzögerungen hätten konkret erfolgen müssen.
Mit Beschluss vom 05.02.2007 hat das Sozialgericht entschieden, dass die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten haben. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, die durch einen erfahrenen Rechtsanwalt vertretenen Klägerinnen hätten die Gründe für die Nichtbescheidung aus den Zwischennachrichten ohne weiteres erkennen können. Es sei nicht erforderlich, diese detailliert zu begründen. Den Klägerinnen bzw. ihrem Anwalt sei ohnehin bekannt gewesen, dass die Ausländerbehörde für die Auskunft ihre Verwaltungsakten benötige, die sich in einem von den Klägerinnen betrieben Klageverfahren beim Verwaltungsgericht befanden. Die Klägerinnen hätten unter den gegebenen Umständen keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass das Widerspruchsverfahren nicht bearbeitet werde und es der Erhebung einer Untätigkeitsklage bedürfe, um die Beklagte zu einer Entscheidung zu bewegen.
Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde vom 10.02.2007 vertreten die Klägerinnen die Auffassung, eine formelhafte Mitteilung durch die Beklagte genüge grundsätzlich nicht. Darauf komme es aber letztlich nicht an. Denn im Zeitpunkt der Klageerhebung habe kein zureichender Grund für die Untätigkeit der Beklagten vorgelegen. Auf die zur Begründung des Kostenantrages aufgezeigten Verzögerungen gehe der Beschluss des Sozialgerichts nicht ein.
Trotz der erfolgten Mitteilung hätten die Klägerinnen im Übrigen erwarten können, dass bei einer angemessenen Bearbeitung des Widerspruchs auch unter Einbeziehung der Ausländerbehörde eine Entscheidung innerhalb der Dreimonatsfrist möglich gewesen sei. Der bloße Hinweis auf eine noch fehlende Stellungnahme der Ausländerbehörde genüge nicht, um den Klägerinnen die Beurteilung zu ermöglichen, ob ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung vorliege. Schließlich habe die Beklagte nicht einmal den Eingang eines Widerspruchs bestätigt. In der Vergangenheit habe die Beklagte die Auffassung vertreten, einen Widerspruch nur als Antrag bescheiden zu können. Unter Berücksichtigung einer Kostenerstattung mache es aber einen erheblichen Unterschied, ob ein Antrags- oder ein Widerspruchsverfahren betrieben werde. Aus diesem Grund seien die Mitteilungen nicht geeignet gewesen, zureichende Gründe, die ohnehin nicht existierten, für eine Verzögerung des Widerspruchsverfahrens mitzuteilen. Bei dieser Sachlage bestehe auch keine Verpflichtung, vor Erhebung einer Untätigkeitsklage eine Entscheidung anzumahnen bzw. eine Untätigkeitsklage anzudrohen.
Die Beklagte hingegen ist der Auffassung, die Klägerinnen hätten aus den erteilten vier Mitteilungen die Gründe für die Nichtbescheidung erkennen können. Zu beachten sei im Übrigen, dass die Klägerinnen im Vorfeld der Klageerhebung eine Entscheidung über den Widerspruch weder angemahnt noch die Erhebung einer Untätigkeitsklage angedroht hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitsstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Prozessakte verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Klägerinnen vom 10.02.2007, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 13.03.2007), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten haben.
Gemäß § 193 Abs. 1 S. 3 SGG entscheidet das Gericht nach Erledigung der Hauptsache über die außergerichtlichen Kosten auf Antrag der Beteiligten durch Beschluss. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beteiligten bei Beendigung des Rechtsstreits einander Kosten zu erstatten haben, ist dabei unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Erledigung nach sachgemäßem Ermessen zu treffen, wobei den mutmaßlichen Erfolgsaussichten Bedeutung zukommt. Zudem sind auch die Gründe für den Anlass der Klageerhebung im Sinne des Veranlassungsprinzips zu berücksichtigen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 193 RdNr. 12b ff.; BSG, Beschluss vom 16.05.2007, B 7b AS 40/06 R).
Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG ist darauf abzustellen, ob der Kläger mit einem Bescheid bzw. einem Widerspruchsbescheid vor Fristablauf rechnen durfte. Dieser Grundsatz entspricht dem Grundgedanken des § 161 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.03.2007, L 17 B 26/06 U).
Nach Ablauf der Sperrfrist darf der Betroffene in der Regel bei Fehlen eines zureichenden Grundes für die Untätigkeit mit einer Bescheidung rechnen (Meyer-Ladewig, a.a.O., RdNr. 13c m.w.N.).
Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze und sämtlicher tatsächlichen Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls ist eine Kostenbelastung der Beklagten vorliegend auch zur Überzeugung des Senats nicht zu rechtfertigen. Die Klägerinnen konnten im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Sozialgericht Gelsenkirchen trotz Ablaufs der Dreimonatsfrist aus § 88 Abs. 2 SGG nicht mit einer Entscheidung über den Widerspruch rechnen, nachdem noch mit Schreiben vom 12.12.2006 mitgeteilt worden war, es sei noch eine aktuellere Stellungnahme der Ausländerbehörde erforderlich. Bei dem Schreiben vom 12.12.2006 handelt es sich nicht lediglich um eine formelhafte Mitteilung, dass weitere Zeit zur Bearbeitung benötigt werde. Vielmehr hat die Beklagte den Grund für ihre weitere Untätigkeit benannt. Angesichts der Mitteilungen der Beklagten hätten die rechtsanwaltlich vertretenen Klägerinnen vor Erhebung der Untätigkeitsklage unmittelbar nach Fristablauf (Eingang des Widerspruchs am 26.09.2006, Eingang der Klageschrift vom 26.12.2006 beim Sozialgericht am 27.12.2006) bei der Beklagten nachfragen, zumindest aber die Bearbeitung des Widerspruchs anmahnen bzw. die Erhebung der Untätigkeitsklage ankündigen müssen.
Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die Beklagte wegen der vom Bevollmächtigten der Klägerin im Einzelnen herausgearbeiteten Verzögerungen etwa durch langen Postlauf einen zureichenden Grund für die Verzögerung hatte. Wegen der Rahmenbedingungen in einer Massenverwaltung erscheint die Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerinnen im Übrigen aber nicht zwingend.
Die Klageerhebung unmittelbar nach Ablauf der Sperrfrist und "zwischen den Feiertagen" trotz regelmäßiger und zuletzt mit Schreiben vom 12.12.2006 die weitere Tätigkeit der Verwaltung konkret benennender Zwischennachrichten rechtfertigt zur Überzeugung des Senats unter Billigkeitsgesichtspunkten eine Kostenbelastung der Beklagten nicht.
Das Rechtsinstitut der Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG soll gewährleisten, dass die Verwaltung den Betroffenen nicht durch Untätigkeit in seinen Rechten beeinträchtigen kann (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 88 RdNr. 2). Die Erhebung der Untätigkeitsklage in Fällen wie dem vorliegenden begründet grundsätzlich eher die Gefahr einer weiteren zeitlichen Verzögerung und insbesondere der Kostenbelastung, als sie zur Beschleunigung des Verwaltungshandelns geeignet und erforderlich erscheint. Ein auf Kooperation gerichtetes und "kurze Wege" berücksichtigendes Verhalten der Beteiligten erscheint auch unter Berücksichtigung der Maßgaben des RVG zumutbar. Warum der Bevollmächtigte, der suggeriert, er habe nicht einmal erkennen können, ob ein Widerspruch bearbeitet wird, auf die diversen, seiner Auffassung nach unklaren Mitteilungen nicht im Interesse der Beschleunigung und damit der Klägerinnen nachfragend reagiert hat, bedarf hier keiner Klärung.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 04.07.2007
Zuletzt verändert am: 04.07.2007