Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.07.2007 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Antragsteller begehren im Wege eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung eines Geldbetrages nach § 3 Abs.1 S. 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Die Antragsteller sind Albaner muslimischen Bekenntnisses aus dem Kosovo und hielten sich zunächst ab Juli 1997 im Bundesgebiet auf. Ablehnungen der Asylanträge wurden im Juli 2000 bestandskräftig. Der mehrfachen Aufforderung zur Ausreise kamen sie nicht nach. Der Abschiebung entzogen sie sich 2003 zunächst durch Untertauchen. Am 09.02.2003 reisten sie aus und kehrten am 25.01.2004 nach Deutschland zurück.
Am 28.01.2004 beantragten sie erneut Leistungen nach dem AsylbLG. Der Antragsteller zu 1) wurde daraufhin in Abschiebehaft genommen und hieraus im März 2004 u.a. wegen der psychischen Erkrankung der Antragstellerin zu 2) wieder entlassen. Er tauchte danach wiederum unter. Asylfolgefolgeanträge blieben erfolglos.
Mit Bescheid vom 28.01.2004 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstelllern zu 2) bis 4) auf das nach den Umständen Unabweisbare gekürzte Leistungen nach dem AsylbLG. Zur Begründung führte sie aus, die Antragsteller hätten sich zum Zwecke des Leistungsbezuges nach Deutschland begeben.
Ein Abschiebungsversuch am 05.08.2004 scheiterte ua an der psychischen Erkrankung der Antragstellerin zu 2).
Auf seinen Antrag vom 08.06.2006 bewilligte die Antragsgegnerin auch dem Antragsteller zu 1) Leistungen nach dem AsylbLG, jedoch wiederum gekürzt nach § 1a AsylbLG und verbunden mit einer Arbeitsverpflichtung gemäß § 5 AsylbLG.
Am 23.11.2006 forderten die Antragsteller die Antragsgegnerin zur Gewährung ungekürzter Leistungen auf.
Am 11.12.2006 beantragten die Antragsteller zu 3) und 4) vertreten durch die Antragsteller zu 1) und 2) in einem vorausgegangenen Eilverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen (Aktenzeichen: S 2 (27) AY 16/06 ER), die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zunächst für drei Monate zu verpflichten, ihnen Barleistungen nach dem AsylbLG zu gewähren. Zur Begründung legten sie unter anderem ärztliche Atteste von Dr. D, Ärztin der Institutsambulanz im Westfälischen Zentrum I, Psychiatrie, Psychotherapie vor. In den zur Vorlage beim Rechtsanwalt bzw. beim Verwaltungsgericht gefertigen Attesten vom 16.09.2005 bzw. 13.03.2006 teilte Dr. D mit, die Antragstellerin zu 2) sei "schwerst depressiv erkrankt". Die ungeklärte Aufenthaltssituation wirke sich extrem belastend auf ihren Gesundheitszustand aus. Sie sei kaum in der Lage, diese Situation auszuhalten. Es sei davon auszugehen, dass sich die Situation weiter verschlechtere und die depressive Erkrankung sich chronifiziere. Im Rahmen umfangreicher Ausführungen gaben die Antragsteller auch an, dass sie im Kosovo unter anderem Bedrohungen durch eine Organisation namens "AKSH", bei der es sich um eine Nachfolgeorganisation der ehemaligen "Volksbefreiungsarmee" UCK handele, ausgesetzt gewesen seien, die zum Zwecke eines Kampfes gegen die serbische Regierung die eigene Bevölkerung zur finanziellen Mithilfe auffordere und dabei auch massive Bedrohungen ausspreche. So seien der Antragsteller zu 1) und der älteste Sohn der Familie an Bäume gebunden und damit bedroht worden, dass ein Sohn der Familie von der Organisation rekrutiert werde. Wegen dieser und anderer Bedrohungen sowie weiterer traumatischer Erlebnisse sei die Familie nach Deutschland zurückgekehrt.
Die Antragsgegnerin trug in jenem Verfahren vor, die Kosten der Unterkunft seien in voller Höhe anerkannt, der Krankenversicherungsschutz sei ebenfalls sichergestellt worden. Lediglich der Baranteil werde nicht ausgezahlt und der Lebensunterhalt der Famiie durch Sachleistungen sichergestellt. Der Antragsteller zu 1) gehe einer gemeinnützigen Arbeit nach. Hierdurch stünden der Familie Barmittel zur Verfügung, je nach Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden.
Mit Beschluss vom 18.01.2007 lehnte das Sozialgericht diesen Antrag ab und führte zur Begründung aus, es liege bereits kein Anordnungsgrund vor. Denn die Antragsteller bezögen bereits seit Januar 2004 gekürzte Leistungen, so dass sie fast drei Jahre die Gewährung dieser gekürzten Leistungen hingenommen hätten. Auch der Antragsteller zu 1) habe sich erst nach 6 Monaten gegen die Leistungskürzung zur Wehr gesetzt. Dies stehe der Feststellung einer Eilbedürftigkeit entgegen. Es sei nicht dargelegt worden, dass ein Abwarten auf das Hauptsacheverfahren aufgrund einer Änderung der Verhältnisse nun nicht mehr möglich sei.
Zudem fehle es auch an einem Anordnungsanspruch. Die Voraussetzungen für die Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG seien gegeben, weil die Antragsteller sich im Wesentlichen zum Zwecke des Leistungsbezuges in das Bundesgebiet begeben hätten. Dies folge daraus, dass die Antragsteller zunächst untergetaucht und dann wieder in das Bundesgebiet eingereist seien, wo sie am früheren Aufenthaltsort wieder Leistungsanträge gestellt hätten.
Außerdem sei eine Leistungskürzung auch deshalb gerechtfertigt, weil die Antragsteller sich 2003 durch Untertauchen der Abschiebung entzogen hätten. Dieses einmalige Fehlverhalten, das seinerzeit den Vollzug einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verhindert habe, reiche aus, um auf Dauer die nach § 1a Nr. 1 AsylbLG vorgeschriebene Leistungseinschränkung zu bewirken. Das Gesetz fordere nicht, dass die Behörde ständig neue Versuche der Aufenthaltsbeendigung unternehme und damit ein fortdauerndes Fehlverhalten dafür ursächlich sei, dass diese Maßnahmen erfolglos blieben.
Dem könnten die Antragsteller nicht entgegenhalten, die Antragsgegnerin sei ab einem bestimmten Zeitpunkt im Jahre 2004 untätig geblieben. Denn die Antragsgegnerin habe zunächst das Klageverfahren mit dem Aktenzeichen 13a K 2458/05.A vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen abgewartet, in dem ein Abschiebungsverbot geprüft worden sei. Nunmehr sehe sich die Antragsgegnerin wohl an der Abschiebung durch die von der Antragstellerin zu 2) behauptete psychische Erkrankung gehindert im Hinblick darauf, dass die UN-Verwaltungsbehörde im Kosovo (UNMIK) eine Rückübernahme von Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verweigere.
Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Gesundheitsstörung der Antragstellerin zu 2) trotz der hieran im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24.09.2005 (s.o.) geäußerten Zweifel tatsächlich bestehe, denn ein Anspruch auf Geldleistungen ergebe sich auch dann nicht, wenn die Antragstellerin zu 2) an einer von ihr nicht zu vertretenden Erkrankung leide, die der Abschiebung nunmehr entgegenstehe. Denn dieses spätere Geschehen schließe die Mitursächlichkeit des vorherigen Fehlverhaltens an dem Scheitern der Abschiebung nicht aus. Durch das Untertauchen sei die Abschiebung verhindert worden und dieses Fehlverhalten wirke hinsichtlich seiner Mitursächlichkeit in dem Sinne weiter fort, dass die Antragsteller wieder einreisen und sich fortlaufend in Deutschland haben aufhalten können. Eine andere Sichtweise führe dazu, dass die Vorschrift des § 1a AsylbLG praktisch wirkungslos sei.
Hinzu komme, dass der Antragsteller zu 1) laut Bescheid vom 08.06.2006 in der Lage sei, sich durch gemeinnützige Arbeit eine Aufwandsentschädigung von 1, 05 EUR pro Arbeitsstunde hinzuzuverdienen. Insoweit sei die Notwendigkeit einer Barauszahlung des wesentlich niedrigeren Taschengelds (§ 3 Abs.1 S. 4 AsylbLG) nicht ersichtlich.
Gegen diesen Beschluss legten die Antragsteller trotz zutreffend erteilter Rechtsmittelbelehrung keine Beschwerde ein.
Mit Bescheid vom 21.12.2006 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern für die Zeit ab dem 01.01.2007 Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 3 Abs. 2 AsylbLG in Höhe von 526,66 EUR zuzüglich voller Mietkosten in Höhe von 574,99 EUR.
Mit Schreiben vom 13.06.2007 teilte die Antragsgegnerin den Antragstellern auf deren Anfrage hin mit, dass die Auszahlung für Hygieneartikel und kleinere Hausratsgegenstände ebenfalls in Form von Kostenübernahmescheinen erfolge. Der Wert dieser Scheine habe sich daher von 437,15 EUR im Dezember 2006 auf aktuell 526,66 EUR erhöht.
Mit Bescheid vom 25.06.2007 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern Hilfe "in Geld- und Sachleistungen" in Höhe von 1101,65 EUR nach dem AsylbLG. Darin enthalten seien Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 574,99 EUR und "Sachleistungen Lebensunterhalt" in Höhe von 526,66 EUR. Der Betrag für Sachleistungen für den Lebensunterhalt in Höhe von 669,81 EUR sei gem. § 3 AsylbLG um 143,15 EUR gekürzt worden, so dass sich hieraus der bewilligte Betrag für Sachleistungen in Höhe von 526,66 EUR errechne.
Am 29.06.2007 haben die Antragsteller erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, zu dessen Begründung sie vorgetragen haben, auch im Rahmen einer Kürzung der Leistungsansprüche auf das unabweisbar Nötige nach § 1a AsylbLG sei eine Erbringung der Leistungen in "Sachform von Sachleistungen und Gutscheinen" ohne jede Barzahlung rechtswidrig. Es sei ihnen noch nicht einmal möglich, ihren Kindern ein bis zwei Euro pro Monat für die Klassenkasse zur Verfügung zu stellen, da sie über keinerlei Bargeld verfügten. Die alleinige Gewährung von Leistungen in Form von Gutscheinen und Sachleistungen sei menschenunwürdig. Es sei ein Gebot der Achtung der Menschenwürde, die freie Entscheidung darüber zu gewährleisten, wann und wo die Antragsteller essen und welche Kleidung sie tragen wollten. Diese Entscheidungsfreiheit sei dadurch eingeschränkt, dass die Antragsteller die bewilligten Gutscheine nur bei bestimmten Stellen einlösen könnten.
Die Antragsteller haben beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen gemäß § 3 Abs.1 S.4 AsylbLG in bar zur Deckung ihrer persönlichen Bedürfnisse auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, es bestehe kein Anordnungsgrund. Der Lebensunterhalt der Familie werde durch Sachleistungen sichergestellt. Die Kosten der Unterkunft seien in voller Höhe anerkannt worden, der Krankenversicherungsschutz werde gemäß § 4 AsylbLG sichergestellt. Der Antragsteller zu 1) gehe weiterhin einer gemeinnützigen Arbeit nach. Dadurch stünden der Familie Barmittel je nach Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden zur Verfügung.
II. Die Beschwerde der Antragsteller, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 13.08.2007), ist zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil die Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht haben.
Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsgrundes ergeben sich bereits daraus, dass die Antragsteller nunmehr bereits seit Jahren mit den gewährten Sachleistungen ausgekommen sind. Auch den ablehnenden Eilantrag des Sozialgerichts vom 18.01.2007 in der Streitsache S 2 (27) AY 16/06 ER haben sie rechtskräftig werden lassen, ohne hiergegen Rechtsmittel einzulegen. Eine zwischenzeitliche Änderung der Sachlage ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
Die den Antragstellern gewährten Leistungen entsprechen dem, was zum Lebensunterhalt unerlässlich, also unabweisbar geboten ist. Dass die Antragsteller hiervon ihren täglichen Bedarf zum Lebensunterhalt nicht decken können, wird auch von ihnen nicht substantiiert behauptet. Sie wenden sich vielmehr dagegen, dass ihnen durch die Gewährung der Sachleistungen die Entscheidungsfreiheit darüber genommen wird, auch dort einzukaufen bzw. zu essen, wo die gewährten Gutscheine nicht eingelöst werden können. Hieraus ergibt sich jedoch noch nicht die Gefahr eines unzumutbaren Rechtsverlustes, der eine Vorwegnahme der Hauptsache durch Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnte.
Der mit dem vorliegenden Eilverfahren geltend gemachte Taschengeldanspruch nach § 3 Abs.1 S.4 AsylbLG wird nach einer Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts nicht vom verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum erfasst (Bayerisches LSG, Beschluss v. 14.07.2006, L 11 B 466/06 AY ER m.w.N., so auch Linhart/Adolph SGB I, SGB XII, AsylbLG, Loseblatt, Stand: Mai 2007, IV B § 3 AsylbLG Rdnr. 40 m.w.N.). Ob dem in dieser Allgemeinheit gefolgt werden kann, braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.
Denn die Antragsteller sind auch in der Beschwerdebegründung nicht auf die wiederholt angesprochene Möglichkeit des Antragstellers zu 1) eingegangen, durch Ausübung gemeinnütziger Tätigkeiten einen – wenn auch geringen – Zuverdienst in bar von 1,05 EUR je geleisteter Stunde zu erwirtschaften. Der Darstellung der Antragsgegnerin, dies habe der Antragsteller zu 1) in der Vergangenheit auch getan, sind die Antragsteller nicht entgegengetreten, so dass ihre Behauptung, es fehlte ihnen die Möglichkeit, den Kindern 1-2 EUR monatlich für die Klassenkasse zur Verfügung zu stellen, nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist.
Fehlt es aber bereits an einem Anordnungsgrund, kann und muss die Erörterung der vom Bevollmächtigten der Antragsteller angesprochenen verfassungsrechtlichen Fragen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, zumal sich die anwaltlich vertretenen Antragsteller insoweit auf schlichte Behauptungen der Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen die Achtung der Menschenwürde (Art 1 Abs.1 GG) und gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art 3 Abs.1 GG) beschränkt haben, die eine vertiefte Auseinandersetzung mit verfassungsrechtlichen Fragen nicht erkennen lassen. Schon jetzt ist aber hinzuweisen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 11.07.2006 (1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229 f), in der das BVerfG ausgeführt hat, es stehe im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, ein eigenes Konzept zur Sicherung des Lebensbedarfes von Asylbewerbern zu schaffen. Dabei sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, Art und Umfang von Sozialleistungen von der voraussichtlichen Dauer des Aufenthaltes in Deutschland abhängig zu machen.
Die vom Bevollmächtigten der Antragsteller angesprochenen angeblichen Parallelen der Behandlung der Antragsteller mit "Tieren im Zoo" sind so abwegig und unpassend, dass weitere Ausführungen hierzu entbehrlich sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 19.11.2007
Zuletzt verändert am: 19.11.2007