Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 04.07.2012 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das auf Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungesetz (AsylbLG) gerichtete erstinstanzliche Klageverfahren durch das Sozialgericht.
Der Kläger reiste nach eigenen Angaben am 14.08.2011 aus Afghanistan in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Gewährung politischen Asyls. Der Beklagten wurde er mit Zuweisungsbescheid vom 31.08.2011 zum 14.09.2011 zugewiesen.
Auf seinen Antrag hin gewährt die Beklagte dem Kläger ab dem 14.09.2011 (Bescheid vom 05.10.2011) Leistungen gemäß § 3 AsylbLG. Im September 2011 waren dem Kläger bereits am 14.09.2011 und 22.09.2011 (Bar-) Schecks überreicht worden. Bereits mit Widerspruch vom 26.09.2011 hatte sich der Kläger gegen alle noch nicht bestandskräftigen Leistungsbescheide gewandt und die Verfassungswidrigkeit der Leistungen gemäß § 3 AsylbLG u.a. unter Verweis auf den Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Grundgesetz des erkennenden Senats vom 26.07.2010 – L 20 AY 13/09 geltend gemacht. Zudem beantragte der Kläger eine Überprüfung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) seit Beginn des Leistungsbezugs.
Gegen die (schriftlichen) Bescheide vom 05.10.2011 (für die Monate September und Oktober 2011) wurde ausweislich des Verwaltungsvorgangs der Beklagten nachfolgend nicht explizit Widerspruch eingelegt.
Mit Bescheid vom 06.12.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Widerspruch vom 26.09.2011 sei nicht statthaft, weil die Auszahlungen vom 14.09.2011 und 22.09.2011 lediglich Realakte und keine mittels Widerspruchs anfechtbaren Verwaltungsakte darstellten. Zugleich wurde mitgeteilt, über den Antrag gemäß § 44 SGB X werde gesondert entschieden. Die erteilte Rechtsbehelfsbelehrung wies auf die Möglichkeit der Klageerhebung beim Sozialgericht Münster hin.
Unter dem 06.12.2011 hörte die Beklagte den Kläger zudem hinsichtlich einer Neufestsetzung der Leistungen nach Maßgabe des § 44 SGB X an.
Am 12.12.2011 erhob der Kläger entsprechend der ihm erteilten Rechtsbehelfsbelehrung (durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten rechtsanwaltlich vertreten) beim Sozialgericht Münster (S 12 AY 225/11) Klage. Zugleich legte er Widerspruch gegen den "Bescheid" vom 06.12.2011 ein und machte geltend, nicht bestandskräftige Bescheide seien verfassungswidrig. Leistungen seien entsprechend dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) festzusetzen. Für Leistungen seit Beginn des Leistungsbezuges ergebe sich dies aus § 44 SGB X.
Mit dem im vorliegenden Klageverfahren angefochtenen Bescheid vom 16.02.2012 lehnte die Beklagte eine Neufestsetzung der Leistungen nach Maßgabe des § 44 SGB X ab. Zur Begründung führte sie sinngemäß aus, sie sei an Recht und Gesetz gebunden. Die Konkretisierung des Grundrechts auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten.
Den Widerspruch gegen das Anhörungsschreiben vom 06.12.2011 wies sie als unstatthaft zurück (Widerspruchsbescheid vom 17.02.2011).
Das Klageverfahren S 12 AY 225/11 beendete der Kläger in der Folge durch Klagerücknahme.
Mit Widerspruch vom 13.03.2012 wandte sich der Kläger gegen den Bescheid vom 16.02.2011 und alle noch nicht bestandskräftigen Bescheide nach dem AsylbLG. Er beantragte Leistungen mindestens in Höhe der Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende sowie eine Neubescheidung aller bisherigen Anträge. Schließlich beantragte er ausdrücklich erneut eine Überprüfung aller bestandskräftigen Bescheide nach dem AsylbLG.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.02.2012 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 26.04.2012 Klage beim Sozialgericht Münster (SG) erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2012 beantragt sowie die Gewährung von Leistungen zumindest in Höhe der Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende. Zudem hat er beantragt, die Beklagte zu verpflichten "die bisherigen rechtswidrigen Bescheide zurückzunehmen und im Sinne von § 44 SGB X entsprechende Leistungen für die Vergangenheit zu zahlen".
Mit Beschluss vom 04.07.2012 hat das SG das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es kämen (derzeit) unter keinem Gesichtspunkt höhere Leistungen nach dem AsylbLG in Betracht. Im Übrigen scheide die Gewährung von Prozesskostenhilfe aus, weil die Rechtsverfolgung durch Klageerhebung sich als mutwillig erweise. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde macht der Kläger geltend, hinreichende Erfolgsaussichten ergäben sich nunmehr jedenfalls aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
1) Die Beschwerde ist gemäß §§ 172, 173 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ob die Berufung in der Hauptsache (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGG) statthaft wäre, ist für die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (für ein Klageverfahren) ohne Belang (vgl. zu dieser Frage ausführlich Beschluss des Senats vom 27.04.2012 – L 20 SO 636/11 B m.w.N.).
2) Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das erstinstanzliche Klageverfahren.
Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 114 S. 1, 121 Abs. 2 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beizuordnen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung u.a. hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint sowie die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich ist.
Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe Begehrenden auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rn. 7a m.w.N.). Hierbei und bei der Beurteilung der Frage, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, ist zu beachten, dass von Verfassungs wegen eine vollständige Angleichung Bemittelter und Unbemittelter nicht geboten ist (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88). Vergleichsperson ist derjenige Bemittelte, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss vom 18.11.2009 – 1 BvR 2455/08 Rn. 9 m.w.N.).
Davon ausgehend ist die angefochtene Entscheidung des SG nicht zu beanstanden.
a) Gegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 16.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2011 (§ 95 SGG), mithin (allein) eine Entscheidung der Beklagten gemäß § 44 SGB X. Nicht Gegenstand des Klageverfahrens ist die Frage der Rechtmäßigkeit nicht bestandskräftiger Bescheide. Über den insoweit eingelegten Widerspruch vom 13.03.2012 hat die Beklagte noch nicht entschieden. Eine Aussetzung des Klageverfahrens ist insoweit nicht geboten, weil das Begehren des Klägers ausweislich der Klageschrift auf die beantragte Zugunstenentscheidung gemäß § 44 SGB X beschränkt ist. Dementsprechend hat er auch nicht dargelegt, welche (nicht bestandskräftigen) Leistungsbescheide im Einzelnen im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zur (gerichtlichen) Überprüfung gestellt werden. Statthaft ist hier (allein) eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage.
b) Ungeachtet dessen hat das SG das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers mit zutreffender Begründung abgelehnt. Der Senat macht sich die Ausführungen des SG, soweit sie auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Bezug nehmen (Beschluss vom 18.11.2009 – 1 BvR 2455/08), nach eigener Überprüfung zu eigen (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG).
Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 11.07.2012 – L 20 AY 28/12 B ausgeführt: "Denn in diesem Falle ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits im Widerspruchsverfahren anwaltlich vertreten gewesen ist und daher bereits zu diesem Zeitpunkt die Anregung des Ruhens bzw. des Abwartens der Entscheidung des BVerfG in Betracht gekommen wäre. Im Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruches war das Vorlageverfahren 1 BvL 10/10 schon über ein Jahr beim BVerfG anhängig und jedenfalls dem Bevollmächtigten des Klägers bekannt. Unter diesem Gesichtspunkt hätte der Kläger das Betreiben seines Verfahrens in zumutbarer Weise zurückstellen können. In derartigen Fallgestaltungen ist eine anwaltliche Vertretung – auch für die Klageerhebung – nicht erforderlich und daher auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.11.2009 – 1 BvR 2455/08 Rn. 10 f.)."
Diese Erwägungen gelten auch in dem vorliegenden Fall in gleicher Weise. Der Kläger war rechtsanwaltlich vertreten. Dem Bevollmächtigten hätte sich die Möglichkeit der Ruhendstellung des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens auch ohne ausdrücklichen Hinweis der Beklagten geradezu aufdrängen müssen.
c) Dass das BVerfG inzwischen mit Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11 wesentliche Teile der Vorschrift des § 3 AsylbLG als mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt und für die Zeit ab dem 01.08.2012 eine Übergangsregelung (vgl. Ziff. 3. des Tenors) getroffen hat (Gleiches gilt für die Zeiträume ab dem 01.01.2011, sofern Leistungsbewilligungen noch nicht bestandskräftig geworden sind), führt nicht dazu, dass dem Kläger nunmehr Prozesskostenhilfe zu gewähren wäre. Dies ergibt sich hier bereits aus dem Umstand, dass es lediglich um die Überprüfung bestandskräftiger Bewilligungsbescheide geht (s.o. a); für solche Fälle hat das BVerfG (a.a.O. Rn. 139) die rückwirkende Bewilligung höherer Leistungen als im AsylbLG vorgesehen gerade ausgeschlossen. Selbst wenn für den hier streitigen Zeitraum nach der Rechtsprechung des BVerfG höhere Leistungen in Betracht gekommen wäre, wäre die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe nicht zu rechtfertigen, weil bei einer Ruhendstellung des Verfahrens und Verzicht auf eine Klageerhebung der Kläger unmittelbar von der Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG profitiert hätte.
d) Nach alledem kann dahinstehen, ob hinreichende Erfolgsaussichten bereits deshalb zu verneinen waren, weil in Bezug auf bestandskräftige behördliche Entscheidungen mit Blick auf die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ohnehin lediglich eine fernliegende Erfolgsaussicht festzustellen war. Jedenfalls war die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht nötig.
3) Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
4) Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 73a Abs. 1 S. 1SGG, § 177 SGG).
Erstellt am: 08.11.2012
Zuletzt verändert am: 08.11.2012