Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23. August 2007 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Durchführung eines zwischen den Antragsgegnern/innen geschlossenen Vertrages "zur Behandlung der feuchten Maculadegeneration mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern".
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine Netzhaut-Erkrankung, die zu Einschränkungen der Sehfähigkeit führt. Bei der sogenannten feuchten Form der Erkrankung wachsen neu gebildete Blutgefäße in die Macula ein. Aus diesen abnormalen Gefäßen tritt eine die Sehzellen schädigende Flüssigkeit aus; dies kann zur Beeinträchtigung der Sehfähigkeit bis zur Erblindung führen. Die bisher aussichtsreichste Therapie besteht in der Unterdrückung der Bildung von Blutgefäßen in der Netzhaut durch Einsatz von VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) – Hemmern.
Die Antragstellerin vertreibt u.a. das seit Januar 2007 in der Bundesrepublik Deutschland zur Behandlung der feuchten AMD zugelassene Arzneimittel Lucentis. Sie ist ein deutsches Tochterunternehmen des in der Schweiz ansässigen Biotechnologie- und Pharmaunternehmens O AG. Die O AG hält u.a. eine Beteiligung von ca. 1/3 an der Fa. S (http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=30159 – Avastin fürs Auge: Politik droht mit Pflichtzulassung). Die Fa. S ist wiederum an dem in den USA ansässigen Biotechnologie-Unternehmen Genentech Inc. mit ca. 60% Geschäftsanteilen beteiligt (http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,druck-489384,00.html – nach dem Bericht der Bundesregierung zur Anwendung des Arzneimittels Avastin für die Behandlung bestimmter Augenerkankungen – Ausschussdrucksache des Deutschen Bundestages 16(14)0293) – soll der Anteil sogar 100% betragen).
In der Bundesrepublik Deutschland wurde vor der Zulassung von Lucentis das Arzneimittel Avastin, das ebenfalls zu den VEGF-Antagonisten gehört und Gefäßneubildungen hemmt, zur Behandlung der feuchten AMD im Rahmen eines sog. Off-Label-Use von Vertragsärzten eingesetzt und von Krankenkassen bezahlt. Dieses von der Fa. S vertriebene Arzneimittel wurde in den USA Anfang 2004, in der Europäischen Union Anfang 2005 zugelassen. Es enthält den Wirkstoff Bevacizumab, der ebenfalls von der Genentech Inc. entwickelt worden ist und hergestellt wird. Avastin ist arzneimittelrechtlich nicht zur Behandlung der feuchten AMD, sondern zur First-Line-Behandlung von Patienten mit metastasierendem Kolon- oder Rektumkarzinom sowie mit metastasierendem Mammakarzinom zugelassen. Seitens der Fa. S ist eine Zulassung für die Behandlung der AMD weder beantragt noch beabsichtigt.
Das seit Januar 2007 zur Behandlung der feuchten AMD zugelassene Arzneimittel Lucentis enthält den VEGF-Hemmer Ranibizumab, der mit dem Wirkstoff Bevacizumab eng verwandt ist (http://www.aerzteblatt.de/v4/news/newsdruck.asp?id=30128 – USA: Genentech stoppt Verkauf von Avastin an Augenärzte) und ebenfalls von der Genentech Inc. entwickelt wurde und hergestellt wird.
Seit der Zulassung von Lucentis besteht Streit, ob bei der Behandlung der feuchten AMD der Off-Label-Use von Avastin weiterhin zulässig ist.
Ebenfalls zur Behandlung der feuchten AMD zugelassen ist das Arzneimittel Macugen (Pegaptanib) der Pfizer Pharma GmbH.
Die Antragsgegner zu 1) und 2) sind Verbände operierender Augenärzte, die Antragsgegner zu 3) bis 5) gesetzliche Krankenkassen. Sie schlossen am 03.05.2007 einen "Vertrag zur Behandlung der feuchten Maculadegeneration mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern". Nach der Präambel soll der Vertrag "neue Versorgungs- und Vergütungsformen für eine hochwertige und qualitative Patientenversorgung bei Erkrankung von Patienten an der feuchten Maculadegeneration mit intravitrealer Injektion" erproben. Gegenstand des vertraglichen Versorgungsauftrages soll die Diagnostik und Behandlung einer feuchten Maculapathie mit intravitrealer Medikamenteneingabe nach im Einzelnen bestimmten Qualitätsstandards sein (§ 5). Die an dieser Versorgung teilnehmenden Ärzte enthalten nach Anlage 3 des Vertrages eine Leistungskomplexpauschale incl. Anästhesie und VEGF-Hemmer in Höhe von 450,- EUR.
Die zwischen den Vertragsparteien letztlich verbindlich geregelte Anlage 1a des Vertrages enthält ein vom teilnehmenden Arzt zu verwendendes Formular "Aufklärung und Einverständniserklärung". Darin werden die Medikamente Macugen, Lucentis und Avastin unter Angabe der durchschnittlichen jährlichen Medikamentenkosten beschreiben. U.a. heißt es – zusammengefasst -:
– bei Macugen (Pegaptanib), dass die Chancen für eine Visusverbesserung bei Verwendung von Lucentis und wahrscheinlich auch Avastin deutlich besser und dass jährliche Medikamentenkosten in Höhe von (i.H.v.) 9.350,00 EUR zu erwarten seien
– bei Lucentis (Ranibizumab), dass der rechtliche Vorteil im Verhältnis zu Avastin in der arzneimittelrechtlichen Zulassung, der Nachteil im Preis (zu erwartende jährliche Medikamentenkosten i.H.v. 14.100,00 EUR) liege und dass hinsichtlich der Wirksamkeit eine vergleichende Beurteilung nicht möglich sei, da es bei Lucentis an praktischen Erfahrungen fehle
– bei Avastin (Bevacizumab), dass dieses nicht zur Behandlung der feuchten AMD zugelassen sei und mit guten Behandlungsergebnissen eingesetzt werde. Es sei kein teures Medikament (zu erwartende jährliche Medikamentenkosten i.H.v. 650,00 EUR), so dass auch die gesetzlichen Krankenkassen in der Vergangenheit in der Regel die Behandlungskosten übernommen hätten.
Das Formular endet mit einer von dem Patienten zu unterschreibenden Erklärung, nach der er schriftlich und mündlich über die verschiedenen therapeutischen Möglichkeiten aufgeklärt worden sei. Für den Fall, dass sich der Patient für die Behandlung mit Avastin entscheide, sei er darüber aufgeklärt worden, dass es sich dabei um ein für diese Behandlung nicht zugelassenes Medikament handele. Die Einverständniserklärung des Patienten zur Therapie und den damit verbundenen Operationen enthält einen von ihm mit der gewählten Therapie ausfüllenden Leerraum.
Die Antragstellerin hat am 13.07.2007 beim Sozialgericht (SG) Nürnberg den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Dieses SG hat sich mit Beschluss vom 13.08.2007 – S 6 KA 12/07 ER – für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Düsseldorf verwiesen.
Die Antragstellerin hat vorgetragen: Der Vertrag verletze sie zivilrechtlich, wettbewerbsrechtlich und kartellrechtlich in ihren Rechten. Es handle sich dabei um eine vermeintlich geschickte Absprache, die darauf abziele, anstelle der zugelassenen Präparate Macugen oder Lucentis das billigere, aber nicht hinreichend erprobte und insbesondere nicht zugelassene Avastin einzusetzen. Dies ergebe sich aus der Produktbeschreibung und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den behandelnden Arzt, der bei Einsatz von Avastin ein Honorar von 380 EUR, bei Lucentis bzw. Macugen jedoch nur ein Honorar von 137,00 bis maximal 300,00 EUR erhalte. Insbesondere aber sei der nach dem Vertrag präferierte Off-Label-Use von Avastin schon deshalb rechtswidrig, weil mit der Zulassung von Lucentis eine zugelassene therapeutische Alternative und aufgrund einer Phase III-Arzneimittelzulassungsstufe oder gleichwertiger Erkenntnisse die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg bestehe. Ebenso seien die bewusst unzureichende Patientenaufklärung und die vorgegebene Einwilligungserklärung rechtswidrig. Gleichermaßen sei der ärztliche Eingriff bei Avastin-Behandlung rechtswidrig und setze Patienten und behandelnden Arzt unkalkulierbaren Risiken aus. Im Ergebnis führe dies faktisch zu einem Boykott des anerkannten, zugelassenen und überragend wirksamen Medikaments Lucentis. Ohne die begehrte einstweilige Anordnung würden die Marktchancen von Lucentis nachhaltig negativ beeinflusst, es würde die Therapieempfehlung der behandelnden Ärzte beeinflusst, hunderte von Patienten würden unvertretbarem Risiko ausgesetzt.
Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,
den Antragsgegnern/innen im Wege der einstweiligen Anordnung – der Dringlichkeit halber ohne mündliche Verhandlung – bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel vorläufig zu untersagen, den zwischen ihnen geschlossenen "Vertrag zur Behandlung der feuchten Maculadegeneration mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern" vom 03.05.2007 durchzuführen und/oder zu vollziehen, insbesondere den als Anlage zu diesem Vertrag beigefügten Patienten-Einwilligungsbogen zu verwenden, verwenden zu lassen und/oder zu empfehlen.
Die Antragsgegner/innen haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie stellen sowohl Anordnungsgrund als auch -anspruch in Abrede. Ein Anordnungsgrund setze wesentliche, später nicht mehr korrigierbare Nachteile voraus, die jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen seien. Der Vertrag vom 03.05.2007 habe keinen Einfluss auf die Häufigkeit der Anwendung von Lucentis; vielmehr nehme diese zu. Es bestehe auch kein Anordnungsanspruch. Der streitige Vertrag regele die Behandlung der AMD durch das Verfahren der sog. intravitrealen operativen Medikamenteneinbringung (IVOM); im Rahmen eines operativen Eingriffs werde ein Medikament – Lucentis bzw. Avastin oder Macugen – in den Glaskörper des Auges eingebracht. Es gehe deshalb nicht um die Verordnung eines Medikaments oder den isolierten Off-Label-Use eines Arzneimittels, sondern um die therapeutische Behandlungsmethode IVOM. Für dieses neue Behandlungsverfahren i.S.d. § 135 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuh (SGB V) bestehe keine Zulassung für die ambulante vertragsärztliche Versorgung; weder im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) noch in sonstigen vertragsärztlichen Vorschriften sei die Leistung vorgesehen. Angesichts der alternativlosen Behandlungsmöglichkeiten der AMD mit IVOM liege insofern ein Systemversagen vor. Diesem Zustand hätten die meisten Krankenkassen Rechnung getragen und ab Anfang 2006 die Behandlungskosten der IVOM mit Avastin im Wege der Kostenerstattung übernommen. Die Antragsgegner/innen hätten nachfolgend am 03.05.2007 im Interesse einer patientenfreundlichen, einfachen, leicht praktikablen und standardmäßigen Abwicklung der Erstattung der IVOM den Vertrag geschlossen. Durch die arzneimittelrechtliche Zulassung von Lucentis im Januar 2007 habe sich an der fehlenden Anerkennung der Behandlungsmethode der IVOM im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nichts geändert. Der Vertrag ermögliche die Anwendung der drei in Betracht kommenden Arzneimittel und regele gleichzeitig die Vergütung aller vertraglichen Leistungen. Er ermögliche darüber hinaus, Avastin und Lucentis wegen der identischen Wirkprinzipien in wissenschaftlichen Studien zu vergleichen; die Therapiefreiheit verbleibe dabei dem behandelnden Arzt. Der pauschalen Vergütungshöhe liege wegen der Kostenunterschiede zwischen Avastin und Lucentis eine Mischkalkulation auf der Grundlage der tatsächlich bei Vertragsschluss gegebenen Versorgungssituation in Nordrhein zugrunde. Darüber hinaus sei eine Anpassung der Vergütung für den Fall vereinbart worden, dass sich das Verhältnis des Einsatzes von Lucentis zu Avastin ändere.
Das SG Düsseldorf hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 23.08.2007 zurückgewiesen: Die Antragstellerin habe bereits einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Nicht ersichtlich sei, in welchen eigenen rechtlichen und wirtschaftlichen Positionen sie durch ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache schwer und unzumutbar beeinträchtigt sein könnte. Substantiierte Angaben dazu, dass das von ihr vertriebene Medikament Lucentis seit dem Vertragsschluss nicht mehr oder deutlich geringer verwendet werde, habe sie nicht gemacht. Soweit sie darauf hinweise, dass bei Verwendung von Avastin die Gesundheit von Patienten einem unvertretbaren Risiko ausgesetzt werde und das Haftungsrisiko der behandelnden Ärzte steige, nehme die Antragstellerin im Sinne einer Popularklage die Rolle einer Sachwalterin fremder Interessen ein. Im Übrigen sei bei summarischer Prüfung auch kein Anordnungsanspruch gegeben. Der Vertrag bezwecke die Einführung einer bisher in der GKV nicht zugelassenen Behandlungsmethode. Er gewähre die Therapiefreiheit der Ärzte und damit ihre Entscheidungsfreiheit zur Behandlung mit Avastin, Lucentis oder Macugen ohne wettbewerbsrechtlich zu beanstandenden Druck oder ähnliche Einflüsse. In der Anlage 1a des Vertrages werde wahrheitsgemäß darauf hingewiesen, dass es sich bei Avastin um ein für die Behandlung der AMD nicht zugelassenes Medikament handele. Die Einverständniserklärung des Patienten zur Therapie und den damit verbundenen Operationen enthalte auch keine Vorgabe einer Therapie mit einem bestimmten Medikament, sondern einen individuell auszufüllenden Leerraum. Damit verbliebe Arzt und Patient die Entscheidungsfreiheit für eins der drei Präparate. Legitimes Anliegen der Vertragspartner sei, dabei deren Willensbildung durch die Angabe der Kosten für die Medikamente zu steuern; denn die Erhaltung der finanziellen Stabilität der GKV sei ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang. Der Gesetzgeber erwarte von allen Akteuren Reaktion auf eine gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip und gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität verstoßende Steigerung der Arzneimittelausgaben; er gehe dabei – wie sich aus den Regelungen des § 84 SGB V ergebe – von erheblichen Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei der therapiegerechten Auswahl von Wirkstoffen und Wirkstoffklassen aus. Diese Gesichtspunkte der Kostendämpfung bei Arzneimitteln beanspruchten auch und gerade im Bereich neuer Behandlungsmethoden Geltung. Angesichts vergleichbarer Wirkstoffe in Avastin und Lucentis sei deshalb im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegner/innen der gesetzgeberischen Zielsetzung entsprechend preiswertere Alternativen gegenüber einem Quasi-Monopolprodukt in den Vordergrund stellten.
Mit ihrer Beschwerde vom 07.09.2007, der das SG nicht abgeholfen hat, verfolgt die Antragstellerin unter Vertiefung ihres Vorbringens ihr Begehren weiter: Durch den angegriffenen Vertrag werde massiv die Versorgung der Patienten mit dem von ihr vertriebenen Arzneimittel Lucentis – wie auch mit Visudyne oder Macugen – behindert; er führe bei den Patienten zu unvertretbaren Gesundheitsrisiken und bei den behandelnden Ärzten zu Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken. Die für sie mit Durchführung des Vertrages verbundenen Verordnungs- und Umsatzausfälle könnten insbesondere im Hinblick darauf, dass Lucentis gerade erst auf den Markt eingeführt werde, im Nachhinein nicht ungeschehen gemacht werden. So versuche die Antragsgegnerin zu 3) – wie das überreichte Schreiben der Barmer Ersatzkasse Stuttgart belege – die Erstattung für eine Lucentis-Behandlung zu verhindern. Die Behandlung der feuchten AMD mit Avastin sei im Rahmen der GKV unzulässig, da es sich um einen Off-Label-Use handele, die dafür von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen aber nicht erfüllt seien. Avastin sei nicht für diese Behandlung zugelassen und stelle damit insoweit keine Leistung der GKV dar. Mit Lucentis bestehe jedoch eine zugelassene Therapie und damit keine einen Off-Label-Use rechtfertigende Versorgungslücke. Im Übrigen bestehe auch keine aufgrund der Datenlage begründete Aussicht, dass mit Avastin ein Behandlungserfolg erzielt werde, da weder eine Erweiterung der Zulassung von Avastin beantragt noch eine klinische Prüfung der Phase III erfolgt sei bzw. Erkenntnisse veröffentlicht worden seien, die zuverlässige, wissenschaftliche Aussagen über die Qualität und Wirksamkeit von Avastin zuließen. Darüber hinaus beruhe der in dem Vertrag vorgenommene Kostenvergleich darauf, dass bei Einsatz von Avastin eine zulassungswidrige – gegen Sterilitätsgrundsätze verstoßende – Verwendung der Durchstechflasche für mehrere Behandlungen zugrunde gelegt werde. Es ergebe sich, dass der behandelnde Arzt bei jeder Behandlung mit Lucentis, Visudyne oder Macugen erhebliche finanzielle Nachteile erleide, während beim Einsatz von Avastin Arzneimittel und ärztliche Leistung vergütet würden. Dies zeige, dass die Therapiefreiheit der Ärzte durch die vorgesehene Leistungskomplexpauschale beeinträchtig werde. Die Anwendung zulassungspflichtiger Arzneimittel falle auch nicht in den Anwendungsbereich des § 135 SGB V; die Behandlung der AMD mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern stelle keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode i.S.d. § 135 SGB V dar. Es werde lediglich das Arzneimittel verabreicht, weitere Behandlungsmaßnahmen seien nicht erforderlich, die therapeutische Wirkung werde allein durch das Arzneimittel erzielt. Selbst wenn aber § 135 SGB V Anwendung finde, wäre es unzulässig, der Behandlung mit dem zugelassenen Lucentis eine Off-Label-Therapie mit Avastin an die Seite zu stellen. Auch rechtfertige eine im EBM fehlende Abrechnungsposition für die ärztliche Leistung nicht den Ausschluss des Leistungsanspruchs der Versicherten auf eine Behandlung mit dem zugelassenen Arzneimittel Lucentis. Gegen einen Vertrag über die Abrechnung der IVOM bestünden keine Bedenken, allerdings sei die im angegriffenen Vertrag geregelte Einschränkung der Arzneimittelauswahl rechtswidrig.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.08.2007 aufzuheben und den Antragsgegnern/innen im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, den zwischen ihnen geschlossenen "Vertrag zur Behandlung der feuchten Maculadegeneration mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern" vom 03.05.2007 durchzuführen und/oder zu vollziehen, insbesondere den als Anlage zu diesem Beschluss beigefügten Patienten-Einwilligungsbogen zu verwenden, verwenden zu lassen und/oder zu empfehlen.
Die Antragsgegner/innen beantragen schriftsätzlich,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.08.2007 zurückzuweisen.
Sie halten an ihrer Auffassung fest, dass ein Anordnungsgrund nicht bestehe. Die Antragstellerin habe wesentliche Nachteile, die eine einstweilige Anordnung rechtfertigen könnten, weder im Einzelnen dargelegt noch glaubhaft gemacht. Entgegen den Behauptungen der Antragstellerin komme die Markteinführung von Lucentis nach ihren eigenen Angeben in einschlägigen Presseberichten gut voran; wirtschaftlich bezeichne die Antragsstellerin den bisherigen Geschäftsverlauf der ersten drei Quartale 2007 mit Rekordgewinnen als außerordentlich erfolgreich. Der Antragsgegner zu 1) sei zudem aus eigener Kenntnis seiner Mitglieder bekannt, dass Lucentis seit Zulassung in zunehmenden Umfang neben Avastin angewandt werde. Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs spiele die Frage, ob es sich bei der IVOM um eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 SGB V handele, keine Rolle, weil es sich dabei wegen der fehlenden Aufnahme im EBM in keinem Fall um eine Leistung in der vertragsärztlichen Versorgung mit der Folge handele, dass ein Patient keinen Anspruch auf Verordnung eines VEGF-Hemmers habe. Wegen der erwiesenen Wirksamkeit von VEGF-Hemmern liege somit ein Systemmangel vor, der den Versicherten berechtige, sich die Therapie selbst zu beschaffen und deren Kosten bei seiner Krankenkasse nach § 13 Abs. 3 SGB V geltend zu machen. Aus diesem Grund schränke der streitige Vertrag die Erstattung nicht ein, sondern ermögliche diese überhaupt erst. Der Vertrag regele die Kostenerstattung für ein Verfahren, das bisher nicht Gegenstand der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sei; er bilde die in der Realität vorfindlichen Therapieentscheidungen der Ärzte ab, die dabei hinnähmen, dass die als Mischkalkulation ausgestalte Vergütung zu rechnerischen Honorarschwankungen im Einzelfall führen könne.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Verfahrensakte.
II.
Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Der angefochtene Beschluss des SG ist nicht zu beanstanden.
1. Der Senat ist zuständig.
(1.) Für den Antrag ist die Zuständigkeit der Sozialgerichte nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben. Angelegenheiten der Krankenversicherung im Sinne dieser Vorschrift sind vor allem Streitigkeiten nach dem SGB V. Der vorliegende Streit geht um die Anwendung und Ausführung des zwischen den Antragsgegnern/innen geschlossenen Vertrages "zur Behandlung der feuchten Maculadegeneration mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern", der nach seiner Präambel "neue Versorgungs- und Vergütungsformen für eine hochwertige und qualitative Patientenversorgung bei Erkrankung von Patienten an der feuchten Maculadegeneration mit intravitrealer Injektion" erproben soll und inhaltlich die Behandlung von Versicherten der GKV in bestimmten Fällen regelt. Der Zuordnung als Streitigkeit der Krankenversicherung steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin ihr Begehren auch auf zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen stützt (so zutreffend SG Nürnberg in seinem Verweisungsbeschluss vom 13.02.2007).
(2.) Es handelt sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts (§ 31 Abs. 2 SGG), für die der 11. Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan 2008 des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) zuständig ist. §§ 10 Abs. 2, 31 Abs. 2 SGG begründen eine Sonderzuständigkeit für Streitigkeiten, die materiell dem Krankenversicherungsrecht zuzuordnen sind, aber die besonderen Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten betreffen (LSG NRW, Beschlüsse vom 09.07.2004 – L 10 B 6/04 KA ER – und vom 27.06.2006 – L 11 B 30/06 KA ER -). Nach der Legaldefinition des § 10 Abs. 2 SGG erfasst der Begriff des Vertragsarztrechts alle Streitigkeiten aufgrund der Beziehung zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände. Eine solche Streitigkeit liegt vor. Dass die Antragstellerin nicht zu einem der genannten Leistungserbringer zählt, schließt nicht das Vorliegen einer Vertragsarztstreitigkeit aus. "Aufgrund" der Beziehung zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten kann eine Streitigkeit auch entstehen, wenn Dritte, die nicht an dieser Rechtsbeziehung beteiligt sind, behaupten, durch eine zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten getroffene Regelung in ihren Rechten unmittelbar oder mittelbar berührt zu sein (so LSG NRW Beschluss vom 09.07.2004 – L 10 B 6/04 KA ER) zum Streit um die Zulassung zur Teilnahme an einem Modellvorhaben nach §§ 63 ff. SGB V). Ähnlich liegt es hier. Der Rechtsstreit resultiert aus dem zwischen den Antragsgegnern/innen geschlossenen Vertrag vom 03.05.2007, der im Einzelnen geregelte Vorgaben zur ärztlichen Behandlung der AMD einschließlich des Gebrauchs von Arzneimitteln vorsieht und Vergütungsregelungen enthält, die Versorgung aber insgesamt den Sicherstellungsauftrag des § 72 SGB V im Rahmen der kollektiovertraglichen Systeme und Vergütungen unterstellt, siehe § 4 Nr. 1 des Vertrages. Die von der Antragstellerin angegriffenen Reglungen sollen der Umsetzung des Vertrages und der Erfüllung der jeweils übernommenen Verpflichtungen dienen. Mithin handelt es sich um einen Streit "aufgrund" der Beziehungen zwischen den Krankenkassen und Vertragsärzten.
2. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80 a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (z.B. LSG NRW, Beschlüsse vom 18.09.2002 – L 10 B 9/02 KA ER -, vom 23.08.2002 – L 10 B 12/02 KA ER -, vom 14.12.2006 – L 10 B 21/06 KA ER – und zuletzt vom 23.11.2007 – L 10 B 11/07 KA ER -). Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -; LSG NRW, Beschlüsse vom 04.09.2006 – L 10 B 2/06 KA ER – und vom 23.11.2007 – L 10 B 11/07 KA ER -), es sei denn, dass überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480, LSG NRW, Beschlüsse vom 15.11.2006 – L 10 B 14/06 KA ER -, vom 12.02.2007 – L 10 B 35/06 KA ER – und vom 23.11.2007 – L 10 B 11/07 KA ER -).
(1.) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich, dass die Antragstellerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat.
Den Anordnungsgrund definiert § 86 b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustand die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG), hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Düring in Berliner Kommentare, SGG, 2. Auflage, 2006, § 86 b Rdn. 11). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher. Sie ist letztlich unerheblich; denn beide Fälle unterliegen derselben Behandlung (hierzu Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, 2007, § 940 Rdn. 1). Ein striktes "Entweder/Oder" zwischen Regelungs- und Sicherungsanordnung besteht demgemäß nicht (LSG NRW, Beschlüsse vom 14.12.2006 – L 10 B 21/06 KA ER – und vom 23.11.2007 – L 10 B 11/07 KA ER -, so im Ergebnis wohl auch OVG Münster vom 02.05.1979 – XV B 578/79 -).
Die Antragstellerin befürchtet im Wesentlichen einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, mithin eine Verletzung des Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 GG). Für die Prüfung, ob und inwieweit die streitigen Regelungen in dem Vertrag vom 03.05.2007 wesentliche Nachteile zur Folge haben oder eine Rechtsverwirklichung vereiteln bzw. wesentlich erschweren, ist grundsätzlich auf die wirtschaftlichen Folgen der in geschützte Rechtsgüter (Art, 12, 14 GG) eingreifenden Regelung abzustellen.
In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die vormalige Judikatur der Sozialgerichte zu den Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes ("Existengefährdung") infolge des 6. SGG-ÄndG überholt ist (vgl. Frehse in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auflage, 2006, § 23 Rdn. 126, LSG NRW, Beschlüsse vom 09.07.2004 – L 10 B 6/04 KA ER -, vom 14.12.2006 – L 10 B 21/06 KA ER – und vom 23.11.2007 – L 10 B 11/07 KA ER -). Demzufolge kann ein Anordnungsgrund auch dann vorliegen, wenn erhebliche und über Randbereiche hinausgehende Verletzungen von Grundrechten zu besorgen sind (Frehse a.a.O.). Im Ergebnis führt dies aber nicht weiter, denn "wesentliche Nachteile" sind schon sprachlich weniger "als schwere und irreparable Nachteile" i.S. der vorgenannten Judikatur.
Ob und inwieweit solche wesentlichen wirtschaftlichen, d.h. finanziellen Nachteile für die Antragstellerin zu besorgen sind, ist von ihr nicht dargetan und erst recht nicht glaubhaft gemacht. Ihr lediglich pauschales Vorbringen von Umsatzausfällen bzw. nachhaltig negativer Beeinflussung der Marktchancen des neu eingeführten Arzneimittels Lucentis genügt den an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen nicht einmal im Ansatz. In Literatur und Rechtsprechung wurde mehrfach herausgestellt, dass allein eine etwaige Rechtsverletzung schon deshalb keinen Anordnungsgrund begründet, weil anderenfalls jedes rechtswidrige Handeln einer Behörde pp einen Anordnungsgrund erfüllen, mithin zu einer konturenlosen Ausuferung des einstweiligen Rechtsschutzes führen würde (Frehse a.a.O. Rdn. 124 m.w.N.; z.B. zuletzt LSG NRW, Beschluss vom 23.11.2007 – L 10 B 11/07 KA ER -), und dass eine konkrete Darlegung eines Umsatzrückganges – oder ggf. entsprechender wirtschaftlicher Nachteile -erforderlich ist (u.v.a. LSG NRW, Beschlüsse vom 12.02.2007 – L 10 B 35/06 KA ER – und vom 23.11.2007 – L 10 B 11/07 KA ER -). Es hätte zudem im Einzelnen konkreter und glaubhaft zu machender Ausführungen dazu bedurft, welche Folgen ein Umsatzrückgang bzw. eine Umsatzeinbuße für die Antragstellerin hätte, wobei z.B. allein ein Hinweis darauf, dass die Profitabilität zwingende Voraussetzung für den Fortbestand ist und ein Umsatzrückgang Konsequenzen für die Beschäftigtenzahl habe, diesen Anforderungen ebenso wenig genügt wie etwa das Vorbringen eines Umsatzrückganges von ca. 5% (LSG NRW, Beschluss vom 14.12.2006 – L 10 B 21/06 KA ER-). Von den an die Darlegung eines wesentlichen Nachteils zu stellenden Anforderungen abzuweichen, besteht für den Senat kein Ansatzpunkt, zumal die Antragsgegner/innen unwidersprochen den Geschäftsverlauf der Antragstellerin in den ersten drei Quartalen 2007 mit Rekordgewinnen als außerordentlich erfolgreich beschrieben haben (s. dazu auch ÄrzteZeitung Nr. 7 Jahrgang 27 vom 18./19.01.2008, S 4: Marktumsatz 2007 der O-Gesellschaften in Deutschland 2,8 Milliarden EUR = Zuwachs von 12,4 %) und sich damit geradezu der Gedanke an eine gleich wie geartete finanzielle Einbuße verschließt.
Auf das weitere Vorbringen der Antragsgegner/innen, der Absatz von Lucentis nehme trotz bzw. ggf. wegen des Vertrages vom 03.05.2007 zu, kommt es bei alledem bei Prüfung eines Anordnungsgrundes nicht mehr an.
Ebenso trägt das von der Antragstellerin als Beispiel für eine Verhinderung der Anwendung von Lucentis angeführte – undatierte – Schreiben der Barmer Ersatzkasse Stuttgart keinen Anordnungsgrund. Dahingestellt bleiben kann, wie das Schreiben zu werten, inwieweit es der Antragsgegnerin zu 3) zuzurechnen ist oder welche Behandlungskonsequenzen es überhaupt gehabt hat; ein wesentlicher Nachteil im o.a. Sinne ist durch einen von der Antragstellerin beanstandeten Einzelfall jedenfalls nicht zu belegen.
Soweit die Antragstellerin schließlich bei den Patienten zu befürchtende unvertretbare Gesundheitsrisiken und bei den behandelnden Ärzten Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken anführt, begründet dies schon deshalb keinen Anordnungsgrund, weil ein wesentlicher Nachteil im Sinne von § 86 b SGG nur dann gegeben ist, wenn ohne die einstweilige Anordnung eine Verletzung von Rechten des Antragstellers droht. Dieses Erfordernis dient insbesondere dem Ausschluss der Popularklage (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 54 RdNr. 13). Die möglicherweise drohende Verletzung von Rechten Dritter kann die Antragstellerin insoweit also nicht geltend machen.
Soweit vertreten wird, dass bei offensichtlicher Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Hauptsacheverfahren zumindest verminderte Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen sind und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Regel stattzugeben ist (vgl. z.B. Kopp/Schenke, VwGO, § 123 RdNr. 25; Frehse a.a.O. Rdn 120 m.w.N.), führt auch dies im vorliegenden Fall nicht zum Erlass der begehrten Anordnung.
Eine derartige offensichtliche Begründetheit der Klage im Hauptsacheverfahren ist nicht gegeben. Dies folgt bereits aus dem den Beteiligten bekannten und von ihnen weitestgehend dargelegten Meinungsstand in der medizinischen Wissenschaft und insbesondere in den zur Regelung der vertragsärztlichen Versorgung vorrangig berufenen Gremien (vgl. dazu beispielhaft die Ausschussdrucksache des Deutschen Bundestages 16(14)0293) zur medizinischen bzw. rechtlichen Problematik der AMD-Behandlung), auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesversicherungsamt als zuständige Aufsichtsmaßbehörde keine Veranlassung zur Beanstandung sieht, dass Krankenkassen Kosten für die Behandlung mit Avastin übernehmen.
(2.) Auch soweit der Senat dennoch in die im Verfahren der einstweiligen Anordnung mögliche eingehende tatsächliche und rechtliche Prüfung des in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machenden Anspruchs eintritt, erschließt sich dem Senat zumindest derzeit ein Anordnungsanspruch nicht. In diesem Rahmen ist vorrangig die Prüfung geboten, ob eine erhebliche Grundrechtsverletzung bei einer der Klage stattgebenden Entscheidung irreparabel ist und ob dem einstweiligen Rechtsschutzbegehren nicht ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (Frehse a.a.O. Rdn. 120 m.w.N.). Letzteres ist der Fall. Die Interessenabwägung führt dazu, dass dem Interesse der Antragsgegner/innen an der Umsetzung des Vertrages vom 03.05.2007 und dem Erreichen u.a. von Wirtschaftlichkeitszielen der Vorrang zu geben ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die im Ergebnis zutreffenden Ausführungen des SG. Es hat dem u.a. mit dem Vertrag erstrebten Zweck einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung der Versicherten der GKV besonderes Gewicht beigemessen und davon ausgehend nicht beanstandet, das die Antragsgegner/innen dem Arzneimittel Lucentis preiswerte Alternativen gegenüberstellen. Das ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, auch wenn dem die Antragsgegnerin entgegentritt. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, dessen Resourcen notwendigerweise begrenzt sind, lässt sich nicht klären, welche der entgegengesetzten Auffassungen zutrifft. Hierzu bedarf es nötigenfalls umfangreicher Sachaufklärung, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Dabei wird auch weitergehend zu klären sein, inwieweit die von der Antragstellerin in Bezug genommene Rechtsprechung zum Off-Label-Use überhaupt zur Anwendung gelangen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts sind Kosten eines Off-Label-Use von Arzneimitteln von Krankenkassen zu erstatten, wenn es bei einer schweren Krankheit keine Behandlungsalternative gibt und nach dem Stand wissenschaftlichen Erkenntnis die begründete Aussicht besteht, dass mit dem Medikament ein Behandlungserfolg erzielt werden kann (vgl. u.v.a. Beschluss des BVerG vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 -, Urteile des BSG vom 19.03.2002 – B 1 KR 37/00 R -, 26.09.2006 – B 1 KR 1/06 R – und vom 27.03.2007 – B 1 KR 17/06 R -; Beschluss des BSG vom 14.05.2007 – B 1 KR 16/07 B – jeweils m.w.N.). Diese Entscheidungen betreffen ausschließlich die rechtlichen Beziehungen zwischen GKV-Versicherten und ihren Krankenkassen im Einzelfall nach dem SGB V unter Konkretisierung des Sachleistungs- oder Kostenerstattungsanspruchs gem. § 13 Abs. 3 SGB V. Dass daraus gleichzeitig ein Abwehranspruch eines Pharmaunternehmens gegen die Übernahme der Kosten eines Off-Label-Use durch die Krankenkassen oder gegen die Verordnung bzw. Applikation eines Medikaments durch den Vertragsarzt resultiert, erscheint fernliegend.
(3.) Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 EUR festgesetzt.
Nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der Fassung des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 01.07.2004 (BGBl. I, 718) bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Streitsache für den Antragsteller. Maßgebend ist grundsätzlich sein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (BSG, SozR 3-1930 § 8 Nr. 2, SozR 3-1930 § 8 Nr. 1 und Nr. 2; LSG NRW, Beschlüsse vom 26.03.2003 – L 10 B 2/03 KA-, vom 13.08.2003 – L 10 B 10/03 KA ER- und vom 24.02.2006 – L 10 B 21/05 KA -). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).
Davon ausgehend scheint zunächst der Ansatz eines Streitwertes von 5.000 EUR zutreffend, da die Antragstellerin – wie ausgeführt – ihr mit ihrem Begehren verfolgtes wirtschaftliches Interesse nicht dargetan hat. Dies erachtet der Senat allerdings im Hinblick auf den bereits angeführten Meinungsstand zur medizinischen/rechtlichen Problematik der AMD-Behandlung und der daraus andeutungsweise zu schließenden Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin als bei Weitem untersetzt. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass nach dem Bericht der Bundesregierung (a.a.O.) von der pharmazeutischen Industrie insgesamt ca. 25.000 pro Jahr zu behandelnde AMD-Patienten genannt werden, also bei ausschließlichem Einsatz von Lucentis ein den Höchstwert des § 52 Abs. 4 GKG überschreitendes Interesse der Antragstellerin besteht. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass bei Weitem nicht alle der o.a. Patienten von dem streitigen Vertrag betroffen sind. Der Senat macht deshalb von seiner Befugnis der Schätzung (BSG, Beschluss vom 01.02.2005 – B 6 KA 70/04 B -) Gebrauch und setzt den Streitwert mit 2.500.000,00 EUR fest.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 13.03.2008
Zuletzt verändert am: 13.03.2008