Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.04.2008 abgeändert und der Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.05.2006 verurteilt, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 06.11.2002 neu zu entscheiden. Die Feststellungsklage wird verworfen. Der Beklagte trägt 2/5, die Klägerin zu 2) 1/5, der Kläger zu 1) 2/5 der Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung.
In Quartal I/2000 war der Kläger zu 1) in Einzelpraxis als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG-Chirurgie) in F niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Später war er in Gemeinschaftspraxis mit Klägerin zu 2) tätig.
Auf Antrag der Krankenkassen setzte der Prüfungsausschuss F gegen den Kläger zu 1) u.a. Honorarkürzungen i.H.v. 6.048 Punkten wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Quartal I/2000 fest (Bescheid vom 06.11.2002). Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 31.05.2006 zurück: Bei der durchgeführten statistischen Vergleichsprüfung seien die MKG-Chirurgen im Bereich der Beigeladen zu 8) Vergleichsgruppe; die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe resultiere aus der entsprechenden Facharztanerkennung. Da es sich um eine homogene Gruppe handele, deren Abrechnungsspektrum überwiegend durch chirurgische Positionen charakterisiert werde, sei die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung des Gesamtfallwertes um 20 % und bei den Einzelpositionen um 40 % zu ziehen. Bei den Positionen 51b und 56c des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen (BEMA-Z) bestünden Überschreitungen von über 100 %. Da der Kläger zu 1) im Verhältnis zur Vergleichsgruppe 23,59 % mehr (näher bezeichnete) chirurgische Leistungen erbracht habe, sei der Vergleichswert der einzelnen chirurgischen Leistungen neben der generellen Erhöhung um 40 % um diesen Überschreitungswert zu erhöhen. Eine trotz der vorliegenden Überschreitungen wirtschaftliche Behandlungsweise habe der Kläger zu 1) nicht dargelegt. Dies führe im Ergebnis zu Kürzungen i.H.v. 25.229 Punkten; unter Beachtung des Grundsatzes der reformatio in peius verbleibe es bei der vom Prüfungsausschuss festgesetzten Kürzung.
Mit ihrer Klage vom 12.06.2006 haben die Kläger vorgetragen, der Beklagte habe die Vergleichsgruppe gebildet, ohne deren Homogenität zu prüfen. Er hätte prüfen müssen, ob die Leistungsbedingungen gleichartig gewesen seien und ob sich hieraus der Schluss ziehen lasse, dass die Häufigkeit der einzelnen Leistungen bei den Leistungserbringern gleich sei. Es werde der Einwand der Nullabrechner erhoben. Im Übrigen seien bei den zugrundegelegten chirurgischer Leistungen nicht alle Ziffern des BEMA-Z berücksichtigt worden, die für chirurgische Leistungserbringer typisch seien.
Der Kläger zu 1) hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 31.05.2006 über seinen Widerspruch gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 06.11.2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, mit der Bildung einer Vergleichsgruppe der MKG-Chirurgen habe er der Forderung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) im Rechtsstreit L 11 KA 7/01 entsprochen. Die Homogenität der Vergleichsgruppe habe er nicht geprüft; überprüft habe er aber, wie sich ein chirurgischer Schwerpunkt in einer Abrechnung darstellen würde, indem er die chirurgischen Leistungen konkretisiert und in einem sog. chirurgischen Anteil zusammengefasst habe.
Die Beigeladene zu 8) hat die Auffassung vertreten, eine Vergleichsgruppe könne zwar aufgrund des zulassungsrechtlichen Status gebildet werden. Zudem müsse aber geprüft werden, ob der spezielle Versorgungsauftrag eines MKG-Chirurgen tatsächlich erfüllt werde. Die tatsächliche Leistungserbringung in der Vergleichsgruppe der MKG-Chirurgen sei nicht berücksichtigt worden. Nach ihren Auswertungen sei die Vergleichsgruppe im Hinblick auf die Abrechnung chirurgischer Leistungen nicht homogen.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 09.04.2008 abgewiesen. Nicht zu beanstanden sei, dass der Beklagte seine Prüfung an der Vergleichsgruppe der MKG-Chirurgen ausgerichtet und dabei auf den formalen Zulassungsstatus abgestellt habe. Er habe nämlich zusätzlich die tatsächliche Leistungserbringung weiter untersucht und durch prozentuale Berücksichtigung der unterschiedlichen Anteile der chirurgischen Leistungen hinreichende Homogenität der Vergleichsgruppe geschaffen. Das chirurgische Abrechnungsvolumen habe der Beklagte zutreffend bestimmt; die von dem Kläger ebenfalls als chirurgisch benannten Leistungen habe er außer Betracht lassen dürfen, da sich diese in größerer Häufigkeit bei den Allgemeinzahnärzten wiederfänden. Der Einwand der Nullabrechner greife nicht, da gelegentliche Nullfälle sich statistisch nicht auswirkten.
Mit ihrer gegen das am 18.04.2008 zugestellte Urteil gerichteten Berufung vom Montag, dem 19.05.2008, haben die Kläger im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt: Eine statistische Prüfung allein aufgrund des Zulassungsstatus, der im Widerspruch zum tatsächlichen Leistungsverhalten stehe, sei nicht möglich. Die von ihnen benannten Abrechnungsziffern dürften bei einer statistischen Prüfung nicht außer Betracht bleiben, weil es sich um typische Ziffern für chirurgische Leistungserbringer handele. Zudem seien Nullabrechner- bzw. Bezugsleistungen zu berücksichtigen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.09.2011 hat die Klägerin zu 2) ihre Klage zurückgenommen. Der Senat hat im Einzelnen dargelegt, dass der Beklagte die im Rechtsstreit L 11 KA 7/01 LSG NRW in der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2003 erteilten Hinweise nicht vollständig umgesetzt habe, weil er das Abrechnungsverhalten der MKG-Chirurgen und des Klägers zu 1) im vertragsärztlichen Bereich nicht in seine Erwägungen einbezogen habe. Der Beklagte hat daraufhin erklärt, dass er den angefochtenen Bescheid aufhebe.
Der Kläger zu 1) hat darauf erwidert, dass er das Anerkenntnis nicht annehme. Er befürchte, dass der Beklagte seinen Widerspruch neu bescheiden werde und dass dann dieselben Rechtsprobleme weiter bestünden.
Er beantragt,
festzustellen, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
den Antrag des Klägers als unzulässig zu verwerfen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist nach dem über § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10.05.2007 – B 10 EG 2/06 R – und Beschluss vom 11.05.2011 – B 5 R 34/11 B -, beide m.w.N.) seinem von dem Kläger zu 1) nicht angenommenen Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen. Als Folge des Anerkenntnisses ist deklaratorisch festzustellen, dass der Beklagte über den Widerspruch des Klägers zu 1) gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 06.11.2002 neu zu entscheiden hat.
Die von dem Kläger zu 1) mit der Berufung weiterverfolgte Feststellungsklage ist unzulässig und damit zu verwerfen, denn es fehlt an dem nach §§ 55 Abs. 1, 131 Abs. 1 Satz 3 SGG erforderlichen Feststellungsinteresse. Zwar kann nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGG im Rahmen eines Rechtsverhältnisses auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Zwingende Prozessvoraussetzung für eine solche Feststellungsklage ist aber ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung. Dies gilt gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG auch dann, wenn die Feststellung begehrt wird, dass ein Verwaltungsakt, der sich vorher erledigt hat, rechtswidrig gewesen ist. Auch die ansonsten zulässige Fortsetzung der Feststellungsklage setzt voraus, dass aus dem Rechtsverhältnis noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft hergeleitet werden können, also die angestrebte gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers zu verbessern (BSG, Urteil vom 10.07.1996 – 3 RK 27/95 – m.w.N.). Für ein solches Feststellungsinteresse kommt vorliegend allein der Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 05.11.1997 – 6 RKa 10/97 -) in Betracht; dieser greift indes nicht.
Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte, mithin konkrete Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (z.B. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.11.1986 – 1 C 10/86 – und Beschluss vom 16.10.1989 – 7 B 108/89 -; BSG, Urteile vom 07.09.1988 – 10 RAr 8/87 – und vom 20.05.1992 – 14a/6 RKa 29/89 -). Das ist hier nicht der Fall.
Es ist zwar nicht auszuschließen, dass der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung zu einem annähernd oder gar gleichen Ergebnis wie in seinem Bescheid vom 31.05.2006, nämlich einer unveränderten Honorarkürzung, gelangt. Indes ist bereits das ungewiss. Vor Allem ist aber ausgeschlossen, dass der Beklagte seiner Entscheidung die gleichen tatsächlichen bzw. rechtlichen Umstände zugrundelegen, mithin über den Widerspruch des Klägers zu 1) mit unveränderter Begründung entscheiden wird. In der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2011 hat der Senat dargelegt, dass er zwar das Vorgehen des Beklagten für rechtmäßig erachte, bei einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise von MKG-Chirurgen mittels der statistischen Vergleichsprüfung (vgl. 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der vom 01.01.2000 bis 31.12.2001 geltenden Fassung i.V.m. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V) den Abrechnungswerten des geprüften Arztes die Werte einer aus MKG-Chirurgen gebildeten Vergleichsgruppe gegenüberzustellen. Darüber hinaus hat der Senat den Beklagten aber unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 08.05.1996 – 6 RKa 45/95 – auch darauf hingewiesen, dass dabei neben der Prüfung des speziellen Versorgungsauftrags auch das Behandlungs- und Abrechnungsverhalten des geprüften Arztes und der MKG-Chirurgen im vertragsärztlichen Bereich zu reflektieren und dass dazu mindestens die Beiziehung der Abrechnungsunterlagen bzw. -werte aus dem vertragsärztlichen Bereich notwendig sei. Dass der Beklagte diesen Hinweisen des Senats nicht nachkommen und seine Prüfung dennoch auf der gleichen Grundlage wie in seinem Bescheid vom 31.05.2006 durchführen wird, erachtet der Senat als ausgeschlossen und ist von dem Kläger zu 1) auch nicht substantiiert dargelegt. Dabei berücksichtigt der Senat, dass der Beklagte bereits in dem Rechtsstreit L 11 KA 7/01 LSG NRW am 12.02.2003 auf die vorgenannte Rechtsauffassung hingewiesen worden ist und dies nicht in seinem vorliegend streitigen Bescheid vom 31.05.2006 umgesetzt hat. Der Beklagte hat jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2011 dem Senat mehr als hinreichend bekundet, dass von der Beiziehung vertragsärztlicher Abrechnungsunterlagen zunächst u.a. aufgrund befürchteter Schwierigkeiten mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abgesehen worden sei, nunmehr aber, insbesondere nachdem der Senat in der fast 2 ½ stündigen mündlichen Verhandlung u.a. auch die Möglichkeit einer ggf. erforderlichen Durchsetzung eines Auskunftsanspruchs gegenüber der KV dargelegt habe, den Hinweisen des Senats im vollen Umfang gefolgt werde. Dies wird schließlich unzweideutig durch das von dem Beklagten erklärte Anerkenntnis belegt, das ansonsten sinnentleert wäre.
Damit ist aber nicht nur ungewiss, sondern sogar auch ausgeschlossen, dass einer erneuten Entscheidung des Beklagten die gleichen tatsächlichen bzw. rechtlichen Umstände zugrundegelegt werden wie bei der Entscheidung am 31.05.2006. Die von dem Kläger zu 1) vom Senat begehrte Feststellung kann somit seine Rechtsstellung auch nicht verbessern. Völlig ungewiss sind zudem die auf dieser anderen Grundlage von dem Beklagten zu ziehenden Konsequenzen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass z.B. die Bewertung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, die Festlegung des Grenzwertes für das offensichtliche Missverhältnis und auch die Berücksichtigung aller sonstigen relevanten Umstände von der Beurteilung zahlreicher mehr oder weniger unbestimmter und in ihren wechselseitigen Auswirkungen nicht exakt quantifizierbarer Einzelfaktoren abhängt und letztlich eine wertende Entscheidung des Beklagten gefordert ist, bei der ihm ein weiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.1992 – 6 RKa 38/91 – und vom 30.11.1994 – 6 RKa 16/93 -).
Angesichts dessen hat der Kläger zu 1) auch keinen Anspruch auf (Vorab-)Entscheidung über einzelne vom ihm im Verlauf des Rechtsstreits aufgeworfene Rechtsfragen (z.B. die Berücksichtigung von sog. Nullabrechner- oder Bezugsleistungen); denn es ist schon völlig ungewiss, ob es bei der ausstehenden Entscheidung des Beklagten darauf überhaupt ankommen wird. Im Übrigen könnte ein bloßes Element eines Rechtsverhältnisses nur dann in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden (sog. Elementenfeststellungsklage), wenn anders als vorliegend durch die begehrte Feststellung der Streit der Beteiligten im Ganzen bereinigt würde (BSG, Urteile vom 29.07.1970 – 7 RAr 44/68 – und vom 27.10.2009 – B 1 KR 4/09 R – m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. §§ 155 Abs. 1 Satz Verwaltungsgerichtsordnung. Danach sind bei teilweise Obsiegen bzw. Unterliegen die Kosten verhältnismäßig zu teilen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 28.06.2012
Zuletzt verändert am: 28.06.2012