Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.01.2010 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Beschwerdeverfahren. Die Beschwerde an das Bundessozialgericht wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs.
Mit Wirkung zum 01.01.2009 schloss die Klägerin mit der AOK Rheinland/Hamburg, dem BKK-Landesverband Nordrhein-Westfalen, der IKK Nordrhein, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Nordrhein-Westfalen, der Krankenkasse für den Gartenbau, der Knappschaft und den Ersatzkassen in Nordrhein-Westfalen (Barmer Ersatzkasse, Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Techniker Krankenkasse, Kaufmännische Krankenkasse, Gmünder Ersatzkasse, HEK-Hanseatische Krankenkasse, Hamburg Münchener Krankenkasse und hkk) eine Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB-Vereinbarung). Unter Ziff. I. 1. und 4. dieser Vereinbarung ist geregelt, dass SSB für Versicherte zu Lasten der Klägerin zu verordnen ist und dass die SSB-Vereinbarung für alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte gilt. Bei der Verordnung, dem Bezug und der Verwendung von SSB ist stets der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten (Ziff. V. 1. SSB-Vereinbarung); für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie der Zulässigkeit von SSB-Anforderungen gilt nach Ziff. VI. 1 SSB-Vereinbarung die gemeinsame Vereinbarung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung in Nordrhein gemäß § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Des Weiteren schlossen die Vertragsparteien ebenfalls mit Wirkung zum 01.01.2009 eine Vereinbarung über die Umlage der Kosten des SSB und der Impfstoffkosten der nordrheinischen niedergelassenen Vertragsärzte, ermächtigten Krankenhausärzte und Krankenhäuser (Umlagevereinbarung). Gegenstand der Vereinbarung ist die Kostenumlage für SSB und Impfstoffe, die von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten, stationären Einrichtungen im Bereich der Klägerin zu Lasten der beteiligten Krankenkassen / Verbände bezogen wurden (§ 1 Umlagevereinbarung). Nach § 2 Umlageverordnung überprüft die Klägerin im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen / -Verbände die von den SSB-Lieferanten, Apotheken sowie in begründeten Ausnahmefällen von einzelnen Ärzten nach den Vorgaben der geschlossenen Lieferantenverträge eingehenden Rechnungen und begleicht diese unter Berücksichtigung ggf. erforderlicher Berichtigungen und nimmt die Kostenumlage unter den Krankenkassen / -Verbänden nach im Einzelnen geregelten Modalitäten (§ 4 ff. Umlagevereinbarung) vor. Zur Deckung ihrer Investitions- und laufenden Betriebskosten zur Umsetzung sowohl dieser Vereinbarung als auch jener der Lieferantenverträge erhält die Klägerin einen pauschalen Kostenersatz für die Kalenderjahre 2009 und 2010 i.H.v. 0,7 v.H. des verordneten SSB sowie der verordneten Impfstoffe, höchstens jedoch 1.400.00,00 EUR je Kalenderjahr (§ 8 Abs. 1 Umlagevereinbarung).
Seit Januar 2009 schließt die Klägerin als Vertreterin der gesetzlichen Kostenträger im Bezirk Nordrhein Verträge mit den Lieferanten von SSB ab. In diesen Verträgen verpflichtet sich der Lieferant, die Vertragsärzte der Klägerin entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und den Bestimmungen des Vertrages zu beliefern (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Lieferantenvertrag); die erbrachten SSB-Lieferungen werden zwischen Klägerin und Lieferant abgerechnet (§ 5 Lieferantenvertrag); sofern nicht anderes vereinbart ist, gilt der aktuelle Herstellerabgabepreis (§ 7 Abs. 1 Lieferantenvertrag). Eine Vergütung von Dienstleistungen oder die Gewährung anderer Vorteile für an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, stationäre Einrichtungen bzw. deren Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Lieferung von SSB ist unzulässig; die Gewährung von Vergütungen, Provisionen oder anderer Vorteile für den Bezug von SSB durch den Lieferanten muss an die Klägerin zurückgeführt werden (§ 8 Abs. 1 und 2 Lieferantenvertrag).
Mit Schreiben vom 28.05.2009 teilte die Beklagte, ein pharmazeutisches Unternehmen, durch ihre Bevollmächtigten der Klägerin mit, dass diese aufgrund ihrer Vermittlungstätigkeit Großhandel i.S.d. § 4 Abs. 22 Arzneimittelgesetz (AMG) betreibe, ohne dafür die nach § 52a Abs. 1 AMG erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Nach § 96 Nr. 14 AMG sei der Vertrieb von Arzneimitteln ohne Großhandelserlaubnis strafbar; gleichzeitig stelle dieses Verhalten einen Verstoß gegen § 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar, da sich die Klägerin einen Wettbewerbsvorteil durch Rechtsbruch verschaffe. Sollte die Klägerin über eine Erlaubnis für den Großhandel verfügen, werde um Übermittlung einer Kopie gebeten. Verfüge die Klägerin nicht über die Erlaubnis, werde davon ausgegangen, dass sie den rechtswidrigen Großhandel mit Arzneimitteln umgehend einstelle; ansonsten würden der Mandantin entsprechende Maßnahmen angeraten.
Am 15.06.2009 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage mit dem Antrag erhoben,
festzustellen, dass der Beklagten gegen die Klägerin aus dem Abschluss und der Durchführung der zwischen den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und den Lieferanten von Sprechstundenbedarf am 01.01.2009 in Kraft getretenen Vereinbarung, welche die Klägerin in Vertretung der Träger abgeschlossen hat und aufgrund welcher sie für die Träger die Forderungen der Lieferanten für die Belieferungen der Vertragsärzte laufend gegen Entgelt abrechnet, keine Ansprüche auf Unterlassung und/oder Schadensersatz zustehen.
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt und die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei nicht eröffnet. Es handele sich um keine Streitigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern um eine reine Wettbewerbsangelegenheit, für die nach § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei. Die von der Klägerin erhobene negative Feststellungsklage sei die typische Reaktion einer Person, die meine, zu Unrecht als Wettbewerbsstörer in Anspruch genommen zu werden. Die Klägerin stütze ihren Feststellungsanspruch auf §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG und ziehe somit ausschließlich wettbewerbsrechtliche Normen heran.
Mit Beschluss vom 14.01.2010 hat das SG den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für zulässig erklärt; es handele sich um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung, für die die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig seien. Der Schwerpunkt des Rechtsstreits sei in einem Aufgabenbereich angesiedelt, dessen Erfüllung den Kassenärztlichen Vereinigungen und den gesetzlichen Krankenkassen sowie den übrigen Leistungserbringern unmittelbar aufgrund der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des SGB V obliege. Selbst wenn arzneimittel- und wettbewerbsrechtliche Normen eine Rolle spielten, ändere dies an der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten nichts, weil diese auch über privatrechtliche Streitigkeiten entschieden.
Mit ihrer binnen Monatsfrist erhoben Beschwerde verfolgt die Beklagte ihre Zuständigkeitsrüge weiter. Es handele sich um eine auf ausschließlich wettbewerbsrechtliche Normen des UWG gestützte Feststellungsklage. Bei solchen Streitigkeiten liege gerade keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Das gelte auch, wenn – was ausdrücklich bestritten werde – die vertraglichen Verflechtungen zwischen Klägerin und den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die durch die Klägerin ausgeübte Vertreter- und Vermittlerfunktion in Streit stehen würde. Die Klägerin "mische" in dieser Funktion in Form des Anbietens, Verhandelns und Abschlusses von Verträgen über die Lieferung von SSB aktiv mit und betreibe damit Großhandel i.S.d. AMG. Streitgegenständlich wären damit die Normen des AMG und nicht des SGB V. Zudem stelle die kaufmännische Tätigkeit der Klägerin keine Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfung i.S.d. 106 SGB V dar.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.
Ist nach Anrufung eines Gerichts streitig, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, kann das Gericht vorab aussprechen, dass es den beschrittenen Rechtsweg für zulässig hält (§ 17a Abs. 3 Satz 1 GVG). Das Gericht muss vorab entscheiden, wenn eine Partei bzw. ein Beteiligter die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt (§ 17a Abs. 3 Satz 2 GVG). Gegen einen solchen Beschluss ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG die "sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben". Für das sozialgerichtliche Verfahren bedeutet dies, dass – wie vorliegend auch geschehen – gegen einen Rechtswegbeschluss des SG binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Landessozialgericht (LSG) Beschwerde einzulegen ist.
Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg, da das SG mit zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für zulässig erklärt hat.
1. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 SGG i.d.F. Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit u.a. sowohl über öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung sind alle Streitigkeiten, die Rechtsverhältnisse nach dem SGB V zum Gegenstand haben (Jung in Jansen, SGG, 3. Auflage, § 51 Rdn. 9). Hiervon ist u.a. auszugehen, wenn das Schwergewicht des Rechtsstreits in einem Aufgabenbereich anzusiedeln ist, dessen Erfüllung den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen unmittelbar aufgrund der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des SGB V obliegt (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 15.09.1999 – I ZB 59/98 – m.w.N) oder wenn Maßnahmen betroffen sind, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem SGB V obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen (BGH, Beschluss vom 09.11.2006 – I ZB 28/06 – m.w.N.).
Dies zu Grunde gelegt hat das SG zu Recht eine Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung angenommen; denn das Schwergewicht des Rechtsstreits liegt in einem Aufgabenbereich, dessen Erfüllung der Klägerin und den Krankenkassen unmittelbar aufgrund der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des SGB V obliegt.
Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 SGB V), die aus den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten in Nordrhein (§ 77 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und weiteren Leistungserbringern (§ 77 Abs. 3 Satz 1 SGB V) gebildet wird. Ihr obliegt es, zusammen mit den Krankenkassen, die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen (§§ 72, 75 SGB V). Sie hat dazu die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten (§ 75 Abs. 2 S. 2 SGB V) und u.a. auch die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung auf der Grundlage mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen dazu getroffen Vereinbarungen (§ 106 Abs. 3 und Abs. 2 Satz 4 SGB V) zu überwachen.
Die Klägerin beruft sich mit ihrem Klagebegehren im Ergebnis darauf, aufgrund dieser gesetzlichen Regelungen und aufgrund der mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen getroffenen Vereinbarungen dazu berechtigt zu sein, als Vertreterin der gesetzlichen Kostenträger im Bezirk Nordrhein Verträge mit den Lieferanten von SSB, der von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern bezogen wird, abzuschließen (sog. Lieferantenverträge). Damit ist das Schwergewicht des Rechtsstreits (s.o.) bestimmt. Von nachrangiger Bedeutung ist hingegen, dass die Beklagte demgegenüber geltend macht, dem Handeln der Klägerin stünden wettbewerbs- oder arzneimittelrechtliche Regelungen o.ä. entgegen.
2. Es handelt sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts, so dass einerseits der Senat, der nach dem Geschäftsverteilungsplan 2010 des LSG Nordrhein-Westfalen (NRW) insoweit ausschließlich zuständig ist, auch zur Entscheidung über die Beschwerde der Beklagten berufen ist und sich andererseits daraus die örtliche Zuständigkeit des angerufenen SG ergibt (§ 57a SGG).
§§ 10 Abs. 2, 31 Abs. 2 SGG begründen eine Sonderzuständigkeit für Streitigkeiten, die materiell dem Krankenversicherungsrecht zuzuordnen sind, aber die besonderen Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten betreffen (LSG NRW, Beschluss vom 09.07.2004 – L 10 B 6/04 KA ER -). Nach der Legaldefinition des § 10 Abs. 2 SGG erfasst der Begriff des Vertragsarztrechts alle Streitigkeiten aufgrund der Beziehung zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten. Eine solche Streitigkeit liegt vor. Dass die Beklagte nicht zu einem der genannten Leistungserbringer zählt, schließt die Bejahung einer Vertragsarztstreitigkeit nicht aus. "Aufgrund" der Beziehung zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten kann eine Streitigkeit auch entstehen, wenn Dritte, die nicht an dieser Rechtsbeziehung beteiligt sind, behaupten, durch eine zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten getroffene Regelung in ihren Rechten unmittelbar oder mittelbar berührt zu sein (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 10 Rdn. 1c; Beschluss des Senats vom 27.06.2006 – L 11 B 30/06 KA ER -). So liegt es hier. Der Rechtsstreit resultiert aus den zwischen der Klägerin und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen getroffenen Vereinbarungen über die ärztliche Verordnung von SSB und die Umlage der Kosten des SSB.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Eine Streitwertfestsetzung ist im Hinblick auf Nr. 7504 des Kostenverzeichnis zu § 3 Gerichtskostengesetz (GKG) entbehrlich (vgl. VGH Bayern, Beschluss vom 29.03.2010 – 4 C 09.2867 -).
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG; § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG). Die Beschwerde gegen die Entscheidung über den Rechtsweg ist nicht zuzulassen, da keine Gründe nach § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG vorliegen.
Erstellt am: 27.10.2010
Zuletzt verändert am: 27.10.2010