Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.05.2004 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorareinbehalten in den Leistungsbereichen Kieferorthopädie (KFO), Zahnersatz (ZE), Parodontose (PAR) sowie Kieferbruch/Kiefergelenk (KB/KG) (sogenannte übrige Leistungsarten) für das Jahr 2001.
Durch Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 17.02.2001 wurde für konservierend-chirurgische Behandlung (KCH) einerseits und für KFO, ZE, PAR sowie KB/KG für die Zeit ab 01.01.2001 Teilhonorarkontingente gebildet. Hinsichtlich der Regelungen im Einzelnen wird auf § 4 Abs. 1 a des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten verwiesen. Den Beschluss hat die Beklagte in der Sonderausgabe des Rheinischen Ärzteblattes vom 19.02.2001 bekanntgegeben.
Der in B als Vertragszahnarzt niedergelassene Kläger ist Mitglied der Beklagten.
Nachdem die Beklagte zunächst für die Quartale I/2001 bis III/2001 in Anwendung dieser Regelungen Honorareinbehalte vorgenommen hatte (Bescheid vom 13.07.2001 für das Quartal I/2001 und 16.10.2001 für das Quartal II/2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2002 bzw. Bescheid vom 10.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2002 für das Quartal III/2001, gegen die der Kläger jeweils gesondert Klagen erhoben hatte, verfügte sie mit der Schlussabrechnung 2001 vom 08.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2002 einen endgültigen Honorareinbehalt für den Bereich der Primärkassen in Höhe von 5205,26 Euro (10.180,61 DM). Die hiergegen gerichtete Klage wurde mit den bereits anhängigen Verfahren verbunden.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die in der Genehmigung der Heil- und Kostenpläne hinsichtlich der ZE-Behandlungen durch die Krankenkasse liegende Zusage der zu übernehmenden Kosten betreffe nicht lediglich das Leistungsverhältnis zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse, sondern schließe auch den Vertragszahnarzt als Drittbegünstigten mit ein. Nachträgliche Pauschalierungen im HVM würden das Vertrauen des Zahnarztes auf die Kostenzusage zerstören. Die Festsetzung des HVM im Februar 2001 mit Rückwirkung vom 01.01.2001 verstoße gegen das Rückwirkungsverbot. Dies gelte zumindest für die vor Bekanntgabe des HVM behandelten Fälle. Darüber hinaus verstoße der HVM gegen den Grundsatz der Leistungsproportionalität. Die Honorargrenze von 89,00 DM je abgerechneten KCH-Fall weise keinerlei Relation zum Umfang der Behandlung auf und sei willkürlich. Ferner verstoße der HVM auch gegen den Gleichheitsgrundsatz. Ein Zahnarzt, der überwiegend leichtere, weniger zeitaufwendige Fälle behandele, erhalte bei geringem Zeit- und Behandlungsaufwand dieselbe Bezahlung. Dies führe insbesondere zu einer Schlechterstellung von Zahnärzten, die in Gebieten tätig seien, in den vermehrt ältere Patienten und solche mit schlechter Mundhygiene wohnten. Die Begrenzung durch den HVM erfolge ohne Rücksicht auf die von den Krankenkassen übernommenen Kosten, die ausschließlich von leistungsrechtlichen Voraussetzungen und der finanziellen Belastbarkeit des Versicherten abhängig seien.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid über die Schlussabrechnung für das Jahr 2001 (Abrechnung der Leistungsbereiche KFO/ZE/PAR sowie KB/KG) vom 08.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2002 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, insbesondere des rückwirkende Inkrafttreten des HVM für einen Zeitraum von 6 Wochen sei von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gedeckt.
Mit Urteil vom 05.05.2004 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Klage abgewiesen. Bei Erlass des Bescheides über die Schlussabrechnung für das Jahr 2001, der allein Gegenstand des Rechtstreits sei, seien die maßgeblichen verfahrensrechtlichen Bestimmungen eingehalten worden. Der HVM verstoße nicht gegen das Rückwirkungsverbot, obwohl er erst etwa sieben Wochen nach Beginn des von ihm erfassten Quartals beschlossen worden sei. Ein Vertrauensschutz der Zahnärzte dahingehend, dass Leistungen, die bis zum Inkrafttreten eines während des laufenden Quartals verkündeten HVM ohne Begrenzung vergütet werden müssten, bestehe nicht. Materiell rechtlich sei die grundsätzliche Zulässigkeit von Honorarbegrenzungsregelungen im Bereich der Beklagten seit der Entscheidung des BSG vom 03.12.1997 (Az.: B 6 RKa 21/97) im Leistungsbereich KCH als geklärt anzusehen. Die Honorarverteilungsregelungen der KV sei in § 85 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches (SGB) V i.V.m. dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu messen. Nach Satz 3 der genannten Vorschrift seien bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Vertragszahnarztes zugrunde zu legen. Dieser Vorschrift könne nicht die Forderung entnommen werden, die Leistungen nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig, d.h. mit einem für alle Leistungen einheitlichen Punktwert zu honorieren. Das Gesetz schließe nicht aus, durch Regelungen im HVM die Gesamtvergütung in Teilbudgets aufzuteilen, auch wenn sich als deren Folge ergebe, dass vertragsärztliche Leistungen nicht mehr entsprechend der im EBM bzw. BEMA festgelegten Punktzahlbewertung vergütet würden. Die festgelegte Honorargrenze bilde keine starre Höchstgrenze der pro Fall tatsächlichen abrechenbaren Leistungen, vielmehr würden gemäß der einschlägigen Regelungen des HVM für einzelne Behandlungsfälle nicht verbrauchte Beträge auf andere Fälle innerhalb der Leistungsart desselben Kassenbereichs übertragen. Ein Verstoß des HVM gegen den Gleichheitsgrundsatz liege nicht vor, denn entgegen der Ansicht des Klägers erhielten Vertragszahnärzte, die leichtere, weniger zeitaufwendigere Fälle behandelten nicht automatisch das selbe Honorar wie Zahnärzte, die schwere, zeitintensivere Fälle behandelten. Im Übrigen können individuelle Besonderheiten dadurch berücksichtigt werden, dass der Vorstand der Beklagten auf Antrag Ausnahmen beschließen könne, wenn besondere Umstände des Einzelfalls vorlägen. Entgegen der Ansicht des Klägers würden auch die bei Zahnersatz vor Erbringung notwendigen Genehmigungen der Heil- und Kostenpläne durch Honorarverteilungsbestimmungen nicht entwertet, denn hinsichtlich der Höhe der Vergütung entfalte der genehmigte Heil- und Kostenplan keine Drittwirkung. Ein Eingriff in die Therapiefreiheit des Klägers oder in sein Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit sei nicht zu erkennen.
Mit der gegen das Urteil gerichteten Berufung vom 05.07.2004 trägt der Kläger vor, der geltend gemachte HVM für das Jahr 2001 sei nicht rechtmäßig zustande gekommen. Die von der Beklagten zugrundegelegten Honorargrenzen seien nicht ausreichend dargelegt und begründet worden. Im Bereich der Primärkrankenkassen habe die Honorargrenze je abgerechnetem KCH-Fall im ersten Quartal 01 85,00 DM im zweiten Quartal dann 90,00 DM betragen. Es werde ausdrücklich bestritten, dass mit diesen Beträgen der wesentliche durchschnittliche Behandlungsaufwand abgedeckt werde. Hierzu habe die Beklagte nur pauschal vorgetragen. Der angewendete Maßstab verstoße gegen den Grundsatz der Leistungsproportionalität. Die Honorargrenzen wiesen keinerlei Relation zum Aufwand der Behandlung auf. Außerdem verstoße die Regelung des HVM gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Begrenzung sei nämlich ohne Rücksicht auf die Höhe der von der Krankenkasse übernommenen Kosten erfolgt. Im Übrigen seien die vorgenommenen Honorarverteilungsregelungen der Beklagten nicht mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vereinbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.05.2004 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hierfür trägt die Beklagte vor, sie ermittle die Honorargrenzen, in dem sie die zur Verfügung stehende Gesamtvergütung für die jeweiligen Honorarbereiche zum erwartenden durchschnittlichen Behandlungsaufwand ins Verhältnis setze. Unter Berücksichtigung des jeweiligen quartalsmäßigen Behandlungsaufwandes würden die Teilkontingente im notwendigen Umfang angepasst. Daraus ergäben sich die vom Kläger vorgetragenen Unterschiede. Wenn der Kläger vortrage, die zur Verfügung stehende Gesamtvergütung sei nicht ausreichend, in sämtlichen über die Beklagte pro Jahr abgerechneten Behandlungsfällen den wesentlichen durchschnittlichen Behandlungsaufwand abzudecken, übersehe er, dass der Beklagten als zu verteilende Gesamtvergütung nur die gesetzlich begrenzten Beträge zur Verfügen stünden, die sich gleichmäßig über das Kalenderjahr zu verteilen habe. Dies ergebe sich aus der gesetzlichen Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V. Der Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei nicht nachvollziehbar, die leistungsrechtlichen Entscheidungen im Verhältnis zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und ihren Versicherten seien allein im dortigen Rechtskreis maßgeblich. Die leistungsrechtliche Genehmigung der Krankenkasse stelle insbesondere gegenüber dem behandelnden Zahnarzt keinen Verwaltungsakt dar, auch werde weder durch diese Genehmigung eine bestimmte Honorarhöhe garantiert noch resultiere aus ihr heraus eine Rechtsbeziehung zwischen Vertragsarzt und Krankenkasse.
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen, deren Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung des aufgrund der Regelung in § 4 Abs. 1 a HVM einbehaltenden Honorars.
Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil des SG Düsseldorf, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren führt bereits deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil der Kläger lediglich sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft.
Hinsichtlich des rückwirkenden Inkrafttretens der einschlägigen Regelung weist der Senat ergänzend und klarstellend darauf hin, dass die rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage nicht gegen Verfassungsrecht verstößt. Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze (BSG Urteil vom 27.04.2005 – B 6 KA 18/04 R). Eine belastende Rückwirkung ist daher statthaft, soweit ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand des geltenden Rechts nicht oder nicht mehr gerechtfertigt ist (BVerfG 72, 302, 326; 88, 384, 404). Ebenso verhält es sich, wenn durch eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage eine nur ganz unerhebliche Beeinträchtigung hervorgerufen wird (sogenannter Bagatellvorbehalt – BVerfG 30, 367, 389; 72, 200, 258; 95, 64, 86; BSGE 81, 86, 96; BSG in SozR 4-2500 § 85 Nr. 4). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben.
In seiner Entscheidung vom 17.09.1997 (Az.: 6 RKa 36/97) hat das BSG eine echte Rückwirkung und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes angenommen, wenn Rechtsnormen, die nach Abschluss des für die Leistungserbringung maßgeblichen Zeitraums nachträglich die punktzahlmäßige Bewertung von Leistungen reduzieren, in abgeschlossene Lebenssachverhalte eingreifen und im nachhinein den Wert der vom Vertragsarzt erbrachten Leistungen verringern. Die Notwendigkeit, den Honorarvorschriften Bestandsfestigkeit zuzuerkennen, ergibt sich vor allem daraus, dass sie steuernd auf die Leistungserbringung, also auf das Leistungsverhalten des Vertrags(zahn)arztes einwirken sollen. Der Normgeber ist darüber hinaus berechtigt und verpflichtet, über die Definition und Bewertung ärztlicher Leistungen das Leistungs-verhalten steuernd zu beeinflussen (BSG, Urteil vom 20. März 1996 – Az.: 6 RKa 51/95; BSGE 78, 98, 105).
Eine derartige Fallgestaltung liegt hinsichtlich der hier streitigen Leistungsbereiche jedoch nicht vor. Denn die Leistungserbringung in den Leistungsbereiche KFO, ZE, PAR und KB/KG ist dadurch gekennzeichnet, dass sie zuvor beim zuständigen Kostenträger durch den Versicherten und Vertragszahnarzt beantragt und seitens des Kostenträgers genehmigt werden muss (Heil- und Kostenplan). Darüber hinaus erfolgt die Leistungserbringung durch den Vertragszahnarzt nicht "spontan" sondern über einen längeren, der Planung unterworfenen Zeitraum. Das Leistungsverhalten des Vertragszahnarztes hinsichtlich dieser Leistungen wird also nicht aufgrund der im Zeitpunkt der Abrechnung der Leistung geltenden Rechtsnorm, sondern aufgrund der Vergütungsregelungen im Zeitpunkt der Planung bzw. Beantragung/Bewilligung der Leistung beeinflusst. Zwischen diesen beiden Zeitpunkten liegt – nach den Erfahrungen des Senats aufgrund der Sachkunde der Ehrenamtlichen Richter – regelmäßig ein Zeitraum von 3 bis 6 Monaten. Weiter kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Leistungsabrechnung (z.B. nach Eingliederung) durch den Vertragszahnarzt nur in begrenztem Maße beeinflussbar ist. Denn der Abschluss der Leistungserbringung kann sich aufgrund mehrerer Umstände verzögern (mangelnde Terminseinhaltung durch den Versicherten, Erkrankung des Versicherten, erforderliche Korrekturen an der einzugliedernden Prothetik, etc.). Darüber hinaus ist es dem Vertragszahnarzt freigestellt, wann er nach Abschluss der Behandlung (z.B. Eingliederung der Prothetik) die Leistung tatsächlich abrechnet. Nach den Abrechnungsbestimmungen der Beklagten kann er damit den Zeitpunkt der Abrechnung relativ frei wählen, um unter Berücksichtigung von steuerrechtlichen Gesichtspunkten, Degression, Kontingentierung und/oder Budgetierung ein möglichst optimales Honorar zu erzielen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Erstellt am: 07.12.2005
Zuletzt verändert am: 07.12.2005